Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wilhelm Busch wird, ob berechtigt oder unberechtigt, darüber streitet sich eigentlich die einschlägige Fachwelt noch, folgendes Sprichwort zugeordnet: „Willst du ohne Sorgen leben, lass kein Ehrenamt dir geben.“ Betrachtet man die Zahlen im ehrenamtlichen Bereich, kommt man heute allerdings zu anderen Aussagen. Ich will jetzt nicht auf die Aktion „Wir für Sachsen“ oder auf die ehemalige „Aktion 55“ zum Beispiel eingehen. Beide Aktionen sprechen für sich. Vergleicht man allerdings das Engagement in verschiedenen Bereichen von 1999 zu 2004, so kann man feststellen, dass sich im lokalen Bürgerengagement in diesem Zeitraum das Engagement verdoppelt hat, auch verdoppelt im Bereich Kirche und Religion, im sozialen Bereich leicht angestiegen und im Sport- und Kulturbereich unter anderem um ein Drittel gestiegen ist. Nur einige Facetten dazu. Heute konnten wir auch lesen, dass gerade die Freiwillige Feuerwehr während des Frühjahrshochwassers, so wie das hier in Dresden wieder gelaufen ist, über 42 000 Stunden ehrenamtliche Arbeit geleistet hat.
Es ist also ermutigend, dass sich im Alter von 14 bis 65 Jahren zirka ein Drittel der Menschen ehrenamtlich engagiert. Bei den über 65-Jährigen sind es immerhin noch zirka 17 %. 11 % derjenigen geben zusätzlich noch an, an einem Ehrenamt interessiert zu sein. Diese Ergebnisse spiegeln sehr deutlich die heutige Lebenswirklichkeit wider. Mit zwiespältigen Gefühlen sehen sehr viele Menschen dem Alter entgegen. Einerseits hoffen sie, endlich ihr Leben ohne Arbeit und Sorgen genießen zu
können, andererseits befürchten sie, nicht mehr gebraucht zu werden. So würde wohl heute eher das Sprichwort zutreffen: Wer rastet, der rostet.
Ich habe in den letzten Monaten sehr viele Gespräche mit ehrenamtlichen Bürgermeistern oder Ortsvorstehern geführt. Sicherlich gibt es einige von ihnen, die den verdienten Ruhestand erreichen und in diesen eintreten möchten. Andere aber möchten wohl sehr gerne ehrenamtlich weiter tätig sein. Was im Sozial- oder Umweltbereich, im Kultur- und Sportbereich gilt und möglich ist, warum sollte dies nicht auch im politischen Ehrenamt möglich sein?
Über den Sinn und den Unsinn von Mindest- oder Höchstaltersgrenzen bei öffentlichen Ämtern wird immer wieder und zum Teil sehr leidenschaftlich debattiert. Dabei wundert es mich schon – und ich bin froh, dass dies auch alle meine Vorredner aufgegriffen haben –, mit welchen unfairen Argumenten der Sächsische Landkreistag und der Städte- und Gemeindetag ins Feld ziehen. Mit einer pauschalen Behauptung, dass Menschen ab dem 50. Lebensjahr auf dem Arbeitsmarkt kaum noch Chancen hätten und dabei auch bei den ehrenamtlichen Bürgermeistern und Ortsvorstehern nichts anderes gelten dürfte, möchte ich mich und, wie ich weiß, möchten sich auch alle anderen Fraktionen und Vorredner nicht ernsthaft auseinander setzen. Auch an Spekulationen, wann im Einzelfall eine größere Anfälligkeit für Krankheiten, dadurch stark ansteigende Krankheitskosten und somit auch eine sinkende Leistungsfähigkeit gegeben sind und einer ehrenamtlichen Tätigkeit entgegenstehen, möchte ich mich und sicherlich meine Vorredner auch nicht beteiligen, denn gerade im ehrenamtlichen Bereich gilt: Kompetenz ist keine Frage des Alters, sondern der persönlichen Sachkunde und der eigenen Überzeugungskraft.
Wir wissen, dass es viele ehrenamtliche Bürgermeister und Ortsvorsteher gibt, die mit Mut und Tatkraft die kleinen und großen Probleme ihrer Ortschaften anpacken und lösen. Ihr jeweiliges Alter ist den Menschen vor Ort dabei völlig egal, wenn das kommunalpolitische Engagement des Einzelnen und die Ergebnisse stimmen.
Die bisherige Altershöchstgrenze von Ehrenamtlichen, Bürgermeistern und Ortsvorstehern sollte nach dem Willen des seinerzeitigen Gesetzgebers einen regelmäßigen personellen und altersbedingten Wandel fördern. Auch sollte es die Vorschrift manchem Mandatsträger möglich machen, einmal Nein zu sagen, wenn er mangels Alternativen zum Weitermachen gedrängt wird. Auch wenn es sicherlich einmal richtige Gründe waren – heute ist dies nicht mehr zeitgemäß.
Dabei möchte ich – auch wenn dies heute nicht ausdrücklich in diesem Gesetzentwurf geregelt wird – die Mindestaltersgrenze infrage stellen. Es gibt im Bereich des Ehrenamtes keinen schlüssigen oder absoluten Zusammenhang zwischen Alter und Mandat. Entscheidend allein
Meine Damen und Herren! 58 % der 14- bis 30-Jährigen haben Interesse an einem Ehrenamt. Mangelnder Nachwuchs und der demografische Wandel zwingen uns auch hier sicher einmal zu einer anderen Betrachtung. Daher hat sich die Koalition bereits Anfang des letzten Jahres für die Aufhebung der Altersgrenze bei ehrenamtlichen Bürgermeistern und Ortsvorstehern ausgesprochen. Es ist sicherlich kein offenes Geheimnis, dass die Koalition eine neue Kommunalordnung, die die bisherige Gemeinde- und Landkreisordnung ablösen soll, plant bzw. in Arbeit hat. Vor diesem Hintergrund war es der erklärte Wille beider Koalitionspartner, alle notwendigen gesetzlichen Änderungen zu bündeln und komplett eine neue Kommunalordnung vorzulegen.
Wegen der Besonderheit der Altersgrenzen haben wir uns aber entschlossen, diesen Sachverhalt nicht erst im neuen Gesetz zu klären, sondern die auslaufende Gemeindeordnung noch einmal zu ändern. Ein Grund hierfür ist – das hat auch die Debatte in den zuständigen Ausschüssen gezeigt und verdeutlicht – der breite Konsens in der Frage der Aufhebung der Altersgrenze sowie der aktuelle Handlungsbedarf, den viele Menschen an uns herangetragen haben. Außerdem – auch das möchte ich einmal sagen; mein Kollege hat es bereits benannt – freuen wir uns natürlich immer, wenn die Opposition die Schwerpunkte unserer Koalitionspolitik aufgreift und diese auch mit verstärkt ins Plenum einbringt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist nicht die erste Befassung mit dem Thema Altersgrenzen für ehrenamtliche Bürgermeister und ehrenamtliche Ortsvorsteher. Es hat nur leider nach der Willensbekundung vor einem Jahr ebendieses eine Jahr gedauert, bis man nun endlich im gesamten Plenum bei einem Thema, das fast komplett konsensfähig ist, Nägel mit Köpfen macht.
Wie bereits aus den Worten ersichtlich, wird auch die NPD-Fraktion diesem Gesetzentwurf zustimmen. Wir begrüßen es, dass ehrenamtliche Bürgermeister- und Ortsvorsteherämter auch mit älteren Bürgern besetzt werden können. Aus unserer Sicht sollten Sachkompetenz und Wählerwillen das ausschlaggebende Argument sein und nicht eine vom Beamtenrecht abgeleitete Altersgrenze.
Gerade das Engagement älterer Ehrenamtler ist besonders hoch, denn sie können immerhin einen wesentlich höhe
Ich denke, von dem heute vorliegenden Gesetzentwurf, der, so wie ich jetzt hören konnte, doch beschlossen werden wird, dürften vor allem auch kleine Gemeinden profitieren – genau die kleinen Gemeinden, die wahrscheinlich die Koalitionäre schon in Entleerungsräume abgeschrieben haben. Aber sowohl die Entleerungsräume als auch die Schaffung von Großgemeinden widerlaufen dem Volkswillen, denn dieser möchte eigentlich die tradierten Strukturen – die kleinen Gemeinden, die kleinen Ortsteile – erhalten, und aus dieser Sicht sehen wir den Gesetzentwurf als Schritt in die richtige Richtung: dass in Zukunft auch die älteren Bürger in den Orten weiterhin am politischen Geschehen teilhaben können.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch wir halten die Aufhebung der Altersgrenze für ehrenamtliche Bürgermeister sowie Ortsvorsteher für sinnvoll – um Menschen Perspektiven des ehrenamtlichen Engagements auch in einem hohen Lebensalter zu ermöglichen, um dem Rechnung zu tragen, dass Menschen in Sachsen älter werden und sich weiter engagieren möchten und um auf die Erfahrungen älterer Menschen im kommunalen Bereich nicht verzichten zu müssen.
Letztlich stellt der Gesetzentwurf auch einen Beitrag zu mehr Selbstverantwortung der Bürgerinnen und Bürger dar. Sie müssen nun selbst entscheiden, ob sie sich einerseits der Aufgabe als ehrenamtlicher Bürgermeister und Ortsvorsteher stellen wollen und ob sie als Kandidaten auch im fortgeschrittenen Alter die nötige Zustimmung bei Wahlen erhalten.
Es ist schon vieles Richtige gesagt worden; ich möchte noch mit einer Bemerkung auf die unsägliche Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände eingehen. Ich beobachte seit Längerem, dass die Stellungnahmen – für mich jedenfalls – nicht sehr hilfreich sind, weil sie meines Erachtens einseitig aus der Sicht der Finanzdezernenten geschrieben werden, und ich frage mich schon, ob die kommunalen Spitzenverbände die Meinungen weitertransportieren, die auf der kommunalen Ebene tatsächlich bestehen. Ich glaube, dieser Fall zeigt eindeutig, dass das wohl nicht der Fall ist und dass diese einhellige Kritik vielleicht auch bei den Spitzenverbänden zu einem gewissen Umdenken führen wird.
Zum Schluss möchte ich mir noch eine Bemerkung zu etwas erlauben, was Herr Kollege Schiemann im Ausschuss angesprochen hat. Den Mitgliedern des Ausschusses schien nicht ganz klar zu sein, dass der vorliegende Gesetzentwurf die Altersgrenzen sowohl bei Wählbarkeit
als auch bei dem Ausscheiden komplett aufhebt. Das bedeutet de facto nicht, dass dann mit 73 Jahren Schluss ist, sondern das bedeutet auch, dass eine 90-jährige Bürgerin für eine komplette Amtszeit gewählt werden könnte. Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob Ihnen diese Konsequenz in Gänze klar geworden ist. Deswegen hatten wir uns auch entschlossen, eine Altersgrenze mit 78 Jahren einzuziehen, die Sie dann einvernehmlich in weitem Bogen als unnötig verworfen haben. Ich weiß nicht, ob jedem ganz klar war, was er dort gemacht hat.
Nichtsdestotrotz halten wir das Anliegen für richtig und wollen uns ihm gern anschließen. Wir glauben, dass damit ein wichtiges Signal gesetzt wird, dass auch ältere Menschen wertgeschätzt und gebraucht werden. Deswegen schließen wir uns diesem Gesetzentwurf sehr gern an und ich möchte es – wie Herr Kollege Friedrich – noch einmal ausdrücklich würdigen, dass es meines Wissens das erste Mal ist, dass die Koalition einem Gesetzentwurf aus den Reihen der Opposition zustimmt. Ich glaube, das ist ein historischer Moment, und deswegen freuen wir uns. – Wir freuen uns natürlich nicht, dass es die FDP war, aber sei es drum!
Das war die Ausspracherunde der Fraktionen. Ich frage, ob es vor der Staatsregierung aus den Fraktionen heraus noch Redebedarf gibt. – Herr Zastrow, FDP-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lichdi, es ist kein ganz historischer Tag, denn das gab es in Sachsen schon einmal, nämlich beim Lebenspartnerschaftsausführungsgesetz – das ist auch ein FDP-Gesetzentwurf gewesen –, und ich bin persönlich als Mitglied der FDP-Fraktion sehr froh, dass das nicht unser einziger erfolgreicher Gesetzentwurf in dieser Legislaturperiode bleibt.
Ansonsten muss ich klar sagen, Herr Lichdi: Wenn jemand mit 90 so fit ist, dass er sich selbst für geeignet fühlt, ein solches Amt auszuführen, und wenn die Wähler ihn wählen, dann ist es halt so und dann kann aus meiner Sicht jemand mit 90 durchaus Ortsvorsteher in einem Ort in Sachsen werden. Es gibt viele andere Beispiele, in denen Leute in einem ähnlich hohen Alter eine sehr positive Rolle gespielt haben; weil Herr Dr. Gerstenberg schon einmal in einer anderen Diskussion den Papst zitiert hat – der Papst ist genauso jemand gewesen, meine Damen und Herren.
Ansonsten, Herr Schowtka, so schmackhaft und so nahrhaft die Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD auch immer ist – wir haben diesmal den Honig leider
nicht aus der Koalitionsvereinbarung gezogen, sondern uns ein weiteres Mal am Paragrafenpranger orientiert, denn es ist eines der Themen – Herr Mackenroth wird es bestätigen können –, die im Paragrafenpranger häufiger und über einen längeren Zeitraum genannt worden sind. Das ist für uns die Inspiration gewesen, diesen Gesetzentwurf vorzulegen.
Ich glaube, dass wir heute hier in diesem Parlament zwei ganz wesentliche Zeichen setzen. Das eine ist, dass wir Respekt zeigen – Respekt vor dem ehrenamtlichen Engagement älterer Mitbürger in unseren Kommunen – und dass wir damit auch dafür sorgen, dass man eben jetzt nicht nur im etwas fortgeschrittenen Alter Bundeskanzler, Bundespräsident, auch Ministerpräsident eines Freistaates Sachsen werden kann, sondern endlich auch ehrenamtlicher Bürgermeister oder Ortsvorsteher. Das ist schon ein großer Erfolg.
Das Zweite, was mir sehr wichtig ist: Wir zeigen uns heute als ein sehr selbstbewusstes Parlament, denn wir warten nicht auf den großen Wurf, wir warten nicht darauf, bis die Staatsregierung irgendwann vielleicht eine bestimmt sehr gute neue Kommunalordnung verabschiedet, sondern wir lösen das, was uns wichtig und was sofort lösbar ist, heute hier und jetzt. Das ist ein Zeichen für ein selbstbewusstes Parlament, und das macht mich ganz stolz.
Ich kann aus den Fraktionen keinen Redebedarf mehr erkennen. – Dann, bitte, Herr Staatsminister Dr. Buttolo.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Aufhebung der Altersgrenzen für ehrenamtliche Bürgermeister und ehrenamtliche Ortsvorsteher findet seitens der Staatsregierung Zustimmung.
Es ist unbestritten, dass das ehrenamtliche Engagement für unsere Gesellschaft und für das öffentliche Leben in Zukunft noch mehr an Bedeutung gewinnen wird. Der reiche Erfahrungsschatz der älteren Generation sollte gerade auch in das kommunalpolitische Leben aktiv eingebracht und dort genutzt werden.
Der Gesetzentwurf fußt – was ich an dieser Stelle betonen darf – auf einem Bericht der Staatsregierung. Diese hat sich ausführlich mit den rechtlichen Möglichkeiten der Anhebung oder Aufhebung von Altersgrenzen auseinander gesetzt und verschiedene Modelle sorgfältig abgewogen.