Protocol of the Session on May 10, 2006

In Sachsen gibt es ehrenamtliche Ortsvorsteher, die auch noch nach dem 65. oder 68. Lebensjahr mit Engagement, Sachverstand, Sachkenntnis und breiter Akzeptanz ihre

Dienste für die Gemeinde erbringen. Diese Leistungen möchte ich ausdrücklich anerkennen.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Ich möchte mich bei den zahlreichen älteren Ortsvorstehern bedanken, die sich dem Gemeinwesen zur Verfügung stellen und unverzichtbare Arbeit in den Gemeinden und auf der kommunalen Ebene leisten.

Meine Damen und Herren, in Zukunft benötigen wir verstärkt solches Engagement von Älteren. Dem soll der Gesetzentwurf Rechnung tragen.

In den letzten zwei Jahren gab es etliche Beispiele, in denen ehrenamtliche Bürgermeister, obwohl sie seit vielen Jahren erfolgreich tätig waren und bereit waren, ihre Posten auszufüllen und ihre Arbeit zu erledigen, es nicht mehr durften. Ein Beispiel dafür ist Königsfeld. Dort musste der ehrenamtliche Bürgermeister mit 68 Jahren nach 20 Jahren aufhören, obwohl er gern weitergemacht hätte. Nachdem er aufgehört hatte, weil er musste, fand sich niemand, der bereit gewesen wäre, das Amt des Ortsvorstehers zu übernehmen. Es gibt weitere Beispiele, die wir in Erfahrung gebracht haben.

In Altgeringswalde, in Niederzwönitz, in Augustusbad, um nur einige zu nennen, gibt es überall Ortsvorsteher, die von der Altersgrenze bedroht sind. Unser Gesetzentwurf will dieses Hemmnis der Altersgrenze, die überholt ist, das Engagement hemmt und kommunale Selbstverwaltung schwächt, beseitigen.

Meine Damen und Herren! Die Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände, die wir erhalten haben, sind dem Anliegen nicht gerecht geworden. Das möchte ich sehr deutlich sagen. Es wurden Argumente vorge

bracht, die von einem tiefen Unverständnis dessen zeugten, was wir den ehrenamtlichen Ortsvorstehern zutrauen, auch von einem Unverständnis deren Aufgaben. Das muss man hier so deutlich sagen. Wenn auch sonst die Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände für die Arbeit des Gesetzgebers sehr wichtig sind, so waren sie in diesem Falle durchaus entbehrlich.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD, den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Meine Damen und Herren! Es freut mich, dass der Gesetzentwurf der FDP-Fraktion in den Ausschüssen und im Innenausschuss eine deutliche Mehrheit gefunden hat und nahezu einstimmig verabschiedet worden ist. Wir freuen uns, dass die FDP-Fraktion mit diesem Gesetzentwurf die Möglichkeit hat, für mehr Bürgernähe zu sorgen. Wir werden dieses Gesetz allerdings in 2. Lesung nicht endgültig verabschieden, sondern dazu noch einen Änderungsantrag einbringen. In § 166 des Beamtengesetzes wird eine redaktionelle Änderung eingefügt. Das ist bei der Gesetzesarbeit übersehen worden. Es ist eine rein redaktionelle Änderung, die inhaltlich unproblematisch ist.

Ich bedanke mich noch einmal für die Arbeit in den Ausschüssen und freue mich ausdrücklich, dass wir diesen Gesetzentwurf voraussichtlich in 3. Lesung verabschieden können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD und den GRÜNEN)

Für die CDUFraktion spricht der Abg. Schowtka.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit Entscheidungen im persönlichen Leben ist es wohl genauso wie mit Gesetzesentscheidungen: Man trifft sie auf der Grundlage des Informations- und Erkenntnisstandes, über den man zum Zeitpunkt der Annahme verfügt.

So war es auch bei der Entscheidung über die Sächsische Gemeindeordnung, die dieses Hohe Haus am 18. März 1993 traf und die der damalige Innenminister, unser am Samstag 60 Jahre alt gewordener Kollege Heinz Eggert, zu jener Zeit als das Grundgesetz für die Städte und Dörfer Sachsens bezeichnete. Dieses, unser kommunales Grundgesetz hat sich in den 13 Jahren seiner Gültigkeit hervorragend bewährt. Das betrifft auch die in ihr enthaltene Ortschaftsverfassung, die damals von mancher Seite mit Unkenrufen bedacht wurde, die aber ebenfalls ihre Bewährungsprobe bestanden hat und durch das Kommunalrechtsänderungsgesetz von 1996 weiter gestärkt wurde.

Als damals der Gesetzgeber die Altersgrenze für die Wählbarkeit von hauptamtlichen Wahlbeamten auf das 65. Lebensjahr fixierte, hatte er im Auge, dass ein haupt

amtlicher Bürgermeister mit Vollendung des 68. Lebensjahres in den Ruhestand tritt. Folglich fand diese Altersgrenze auch für die ehrenamtlichen Bürgermeister und Ortsvorsteher Anwendung.

Diese Altersgrenze sollten wir abschaffen. Wir können es uns heute einfach nicht mehr leisten, auf den Sachverstand und die Erfahrungen der Frauen und Männer zu verzichten, die auch mit über 65 Jahren willens und fähig sind, verantwortungsbewusst und kompetent Kommunalpolitik zu gestalten.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Nebenbei möchte ich bemerken, dass man heute in Italien den 80-jährigen Politiker Napolitano zum Staatspräsidenten gewählt hat. Ich meine, das illustriert wohl die Leistungsfähigkeit auch von älteren Politikern.

Nun hatten die Parteien der Regierungskoalition durchaus die Absicht, die Abschaffung der Altersgrenze vorzunehmen, und wollten sie im Rahmen einer umfassenden Novellierung der Gemeindeordnung umsetzen, um nicht fortlaufend kleine Änderungen dieses wichtigen Gesetzeswerkes vornehmen zu müssen. Da macht es sich die Partei der besserverdienenden Teilzeitparlamentarier leichter

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

und versucht wieder einmal Honig aus unserer Koalitionsvereinbarung zu saugen, indem sie sich einzelne Rosinen herauspickt und diese als eigene Ideen im Parlament zu präsentieren versucht.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Verehrte Kollegen von der FDP! Dieses populistische Spielchen werden wir Ihnen heute verderben, indem wir diesem Gesetzentwurf zustimmen.

(Oh! bei der FDP)

Damit erfüllen wir vorzeitig einen lang gehegten Wunsch unserer Kommunalpolitiker, die diese Regelung dringend benötigen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Ich rufe die Linksfraktion.PDS auf; Herr Dr. Friedrich, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei so viel Zustimmung traut man sich fast nicht, noch die erforderliche Rede zu halten.

Ich finde es gut und nachahmenswert, dass die beiden Koalitionsfraktionen aus meiner Sicht erstmalig über ihren Schatten springen, indem sie einer sinnvollen Gesetzesinitiative, die aus der demokratischen Opposition

kommt, heute ihre Zustimmung geben wollen. Ich finde das richtig.

Der Anlass dieses Gesetzgebungsvorhabens ist von meinen Vorrednern ausreichend gewürdigt worden. Ich kann mich deshalb kurz fassen und möchte nur sagen, dass die Linksfraktion ohne Wenn und Aber diese Initiative unterstützen wird; obgleich wir selbstverständlich – das aber ist nur eine formale Parallele zum Kollegen Schowtka – in der Sächsischen Gemeindeordnung und in anderen sächsischen kommunalen Gesetzen viele weitere novellierungsbedürftige Tatbestände erkennen können, zu denen wir zu gegebener Zeit weitere Initiativen einbringen werden.

Wir werden zustimmen, weil die Initiative der FDPFraktion nach all den vielen Berichten – ich darf insbesondere an den Bericht der Enquete-Kommission zum Ehrenamt im Bundestag erinnern, der vor einigen Jahren verfasst worden ist – endlich einmal Nägel mit Köpfen macht, weil sie erkennbar vernünftig ist und in die Zeit passt. Wir werden zustimmen, weil die nächsten Kommunal-, Bürgermeister- und Ortschaftsratswahlen erst im Jahre 2008 bzw. 2009 stattfinden, sodass dieser Gesetzentwurf ohne Schwierigkeiten umgesetzt werden kann.

Wir verkennen nicht, dass die FDP-Fraktion natürlich auch ihre eigene kommunalpolitische Verankerung mit dieser Initiative im Blick hat. Das schreibt die FDPFraktion logischerweise nicht in die Begründung. Wir glauben aber, dass dieses nachvollziehbare parteipolitische Motiv hier vernachlässigt werden kann.

(Zuruf des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Genau, Herr Dr. Martens.

Ich könnte an dieser Stelle meine Ausführungen beenden, muss aber doch noch etwas zu den sonderbar geratenen Stellungnahmen der beiden kommunalen Spitzenverbände sagen, die auch mich genau wie meine Vorredner enttäuscht haben.

Es stünde wirklich schlimm um die kommunale Selbstverwaltung in Sachsen, wenn der SSG mit seiner Behauptung Recht hätte und die Bürgermeister und Ortsvorsteher oberhalb des 60. Lebensjahres dringend die jetzigen Altersgrenzen benötigten, um vor einem Drängen zum Weitermachen aus der eigenen Partei oder der Wählerinnen und Wähler geschützt zu werden. Ich denke, hier sollten wir sehr viel mehr auf die Courage dieser oftmals langjährig im Amt tätigen Bürgermeister und Ortsvorsteher vertrauen.

Im Übrigen sollten wir sehr viel mehr dem Souverän zutrauen, den Bürgerinnen und Bürgern, die wählen. Ich denke, diese Bürgerinnen und Bürger können sehr wohl einschätzen, ob das gegenwärtige Gemeindeoberhaupt ausgepowert ist oder ob es noch genügend Kraft, Elan und Engagement zeigt, um es zu verdienen, wiedergewählt zu werden, oder ob ein Wechsel in der Verwaltungsspitze angezeigt ist. Wir sollten sehr wohl den Menschen zutrauen, das kompetent entscheiden zu können. Hier brauchen wir keine künstlich eingezogenen Barrieren.

Zum Landkreistag, der unter anderem schreibt, dass eine Anhebung der Altersgrenze nicht zur derzeitigen Situation auf dem Arbeitsmarkt passen würde, weil viele Menschen schon ab dem 50. Lebensjahr kaum mehr eine Chance hätten, eine Arbeitsstelle zu finden, kann man nur so viel sagen: Eine solche Bemerkung ist nicht nur im höchsten Maße fatalistisch, sie ist geradezu zynisch.

Ich freue mich, dass wir hier, wenn es auch nur eine EinPunkt-Gesetzesinitiative ist, endlich einmal zu einem vernünftigen Ende kommen und dass zukünftig zur Wahl als ehrenamtlicher Bürgermeister oder Ortsvorsteher nicht mehr das Alter entscheidend ist, sondern einzig und allein die Kompetenz, das Engagement und das Vertrauen der Bevölkerung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Meine Damen und Herren! Bevor es noch mehr Unruhe wegen der Geräusche hier im Hintergrund gibt: Nicht nur Musik, sondern auch Bauen ist manchmal mit Geräusch verbunden. Lassen Sie sich nicht beunruhigen, es ist draußen.

(Zuruf: Noch! – Allgemeine Heiterkeit)

Ich erteile der SPD-Fraktion das Wort. Frau Abg. Weihnert, bitte.