Protocol of the Session on April 7, 2006

Besonders unser Mittelstand muss nachhaltige Kostenentlastung erfahren, um sich am Markt nachhaltig behaupten zu können. Statistiken müssen umgehend auf ihre Sinnfälligkeit und Vereinfachung hin geprüft werden. Doppelerhebungen gilt es grundsätzlich zu vermeiden. Der Dschungel an Gesetzen und Verordnungen und deren Durchführungsbestimmungen muss zügig und umgehend gelichtet werden. Anstehende Gesetzesinitiativen und geplante Verordnungen müssen auf durch sie verursachte Kosten überprüft werden, auch im Land Sachsen. Das Standardkostenmodell könnte dies leisten und zum Entscheidungsprozess die wichtige Komponente der Folgekosten bringen. Mein Fraktionskollege Peter Schowtka wird darauf noch eingehen.

Wir wollen Bürokratiekosten in Sachsen senken. Wir wollen Verwaltungsabläufe und Statistiken vereinfachen. Wir wollen Gesetzeswust abbauen, um Unternehmen Zeit zu wirtschaftlicher Betätigung zu geben und die Möglichkeit zu schaffen, Wachstum zu erreichen und Beschäftigung zu sichern. So verstehen wir Bürokratieabbau und fordern auch die Landesregierung auf, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um dieses Ziel für Sachsen und für unsere Wirtschaft, aber auch für Bürger und Verwaltungen zu erreichen.

Nun sitzen die Hauptverantwortlichen an wuchernder Bürokratie in Brüssel und Berlin. Lassen Sie uns den Pfahl im Auge dieser Administration deutlich benennen,

aber den Splitter aus unserem sächsischen Auge selbst ziehen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die Linksfraktion.PDS Herr Dr. Friedrich, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrter Kollege Morlok! Zunächst einmal ist die Linksfraktion der festen Überzeugung, dass für die gesamte Verwaltung des Freistaates Sachsen der TÜV längst abgelaufen ist.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Insofern gebe ich Ihnen durchaus Recht. Natürlich ist die bürokratische Belastung der kleinen und mittleren Unternehmen immens. Wer wüsste das nicht. Ich selbst habe im engeren Verwandtenkreis einen Inhaber einer Elektrofirma mit 13 Angestellten. Ich kann in etwa das, was mein Vorredner gesagt hat, bestätigen. Die Frage ist wirklich nur berechtigt, ob es tatsächlich unbedingt 291 Statistiken jährlich bedarf, die allein bei den sächsischen Unternehmen erhoben werden, um den Regelungs- und Kontrollfunktionen der verschiedenen staatlichen Ebenen gerecht zu werden. Diese Zahl 291 ist ganz bestimmt keine gesunde Zahl. Handlungsbedarf ist also zweifelsohne vorhanden.

Die Frage ist, ob der doch ziemlich enge Lösungsansatz der FDP-Fraktion, hier allein auf den Aspekt der Kostenvermeidung abzuzielen und im Übrigen auch nur das Wohlergehen der privaten, sprich der kleinen und mittleren Unternehmen, im Fokus zu haben, der geeignete ist. Warum interessiert sich die FDP beispielsweise nicht schlicht für die Bürgerinnen und Bürger und die Kommunen, die nicht minder mit Bürokratie belastet sind? Schimmert bei dem FDP-Antrag nicht eine gehörige Brise Aktionismus durch, so nach dem alten neoliberalen Schlachtruf nach dem schlanken Staat für die Starken, „koste es die Solidargemeinschaft am Ende, was es wolle“? Ist es wirklich ein Zufall, dass wir gerade heute diesen Antrag der FDP am späten Freitagnachmittag diskutieren, nachdem gestern im Bundestag die wirklich kabarettreife Nummer der Einführung eines so genannten Normenkontrollrates, einer neuen bürokratischen Institution zum Abbau der Demokratie, beschlossen worden ist?

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Nur so geht es!)

Prof. Porsch, das wäre schlimm, wenn das nur so ginge.

Wir bemerken darüber hinaus, dass die FDP in ihrem Antrag nicht einmal die kleinste Brücke zur jetzt anstehenden Verwaltungs- und Funktionalreform schlägt. Dabei sind doch die Zusammenhänge ganz offen liegend.

Ich darf hier die generelle Position meiner Fraktion noch einmal auf den Punkt bringen. Verwaltungsvereinfachung,

Entbürokratisierung, kommunale Selbstverwaltung, Transparenz, demokratische Kontrolle und tatsächliche Bürgernähe müssen eine Einheit bilden. Dieser Meinung ist die Linkspartei. Am Ende messen wir die Effizienz der Verwaltung daran, inwieweit es ihr gelingt, nicht nur die unzweifelhaft hoheitlichen Aufgaben, wie beispielsweise Polizei, Steuer- und Justizverwaltung gut zu erfüllen, sondern auch und eben gerade den solidarischen Charakter der Gesellschaft und ihre sozialen Sicherungssysteme zu verteidigen und auszubauen. Gemessen an diesem politischen Anspruch greift der FDP-Antrag für uns viel zu kurz und ist zudem von einer bemerkenswerten Eindimensionalität.

Nötig ist – das meinen wir – eine komplexe Gesetzesfolgen- oder auch Verordnungsfolgenabschätzung.

Das Problem ist natürlich alles andere als trivial. Schon Willy Brandt wollte bei seinem Regierungsantritt 1969 nicht nur mehr Demokratie wagen, was sehr häufig zitiert wurde, sondern auch weniger Bürokratie wagen, was heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Was daraus in den verschiedenen Regierungskonstellationen wurde, ist bekannt. Auch die Sächsische Staatsregierung hat sich hier nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Der einst vom heutigen Kanzleramtsminister de Maizière mit öffentlichem Tamtam eingeführte Paragrafenpranger erweist sich als peinlicher Rohrkrepierer. Erst vorgestern konnten wir in der SZ nachlesen, wie wenig von dieser einstmaligen Wundertüte tatsächlich noch übrig geblieben ist und dass selbst das Wenige, wie Sonntagsöffnung von Videotheken, Autowaschanlagen, doppelt so lange Überprüfungsintervalle für Schornsteine und Heizungsanlagen, Genehmigung von privaten Bestattungsplätzen, grundsätzliche Reiterlaubnis im Walde oder auch Aufhebung der bisherigen Altersgrenzen von Ortsvorstehern im Kabinett noch streitig ist. Ein Durchbruch sieht wohl etwas anders aus.

Fragt man nun einmal, was bei der Phase 1 der Verwaltungs- und Funktionalreform, also der so genannten Aufgabenkritik, nachgekommen ist – bekanntlich sollten die Ministerien bis zum 31. März an das Innenministerium melden, welche Aufgaben wegfallen, welche privatisiert, welche kommunalisiert werden können –, so steht in allen drei Spalten, Herr Minister Buttolo, eine stolze Eins, sprich, die Ministerialbürokratie ist von sich aus gerade einmal bereit, in der Summe 3 % des bisherigen Aufgabenbestandes abzugeben bzw. den Kommunen zu übertragen. Ich denke, ein wahrhaft umwerfendes Ergebnis. Ihr so genanntes Denkmodell, Herr Staatsminister Buttolo, soll dem Vernehmen nach zwar etwas kühner sein – was man ja leider nur der Presse entnehmen kann –, ob es aber ausreichend ist, können wir heute an dieser Stelle nicht beurteilen, denn nach wie vor ziehen Sie die Geheimdiplomatie mit den Landräten vor, anstatt das Parlament öffentlich zu informieren, so wie es sich gehört.

Auch die am 1. Dezember 2005 in Kraft getretene Regelung, wonach Verwaltungsvorschriften nach exakt zwei Jahren ihre Gültigkeit verlieren, so sie denn nicht aus

drücklich über Positivlisten verlängert werden, ist wohl nur begrenzt praxistauglich. So brachte das Sächsische Amtsblatt am Jahresende reihenweise Verwaltungsvorschriften dergestalt heraus: Verwaltungsvorschrift XYZ zum Wiederaufleben der Verwaltungsvorschrift XYZ. Eine solche Verfahrensweise hat mit der notwendigen komplexen Gesetzesfolgenabschätzung und Normenfolgenkontrolle wohl herzlich wenig zu tun, sondern trägt eher noch zur zusätzlichen Verwirrung bei.

Abschließend: Die Linksfraktion.PDS erkennt das Problem an. Wir sind für eine ernsthafte Gesetzes- oder besser Normenfolgenabschätzung jetzt bei der anstehenden Verwaltungs- und Funktionalreform, aber natürlich auch darüber hinaus. Denn von der Natur der Sache her muss das eine permanente Aufgabe sein, die im Rahmen der Aufgabenkritik zu leisten ist. Hierfür gibt es eine sehr große Methodenvielfalt und einen reich bestückten Instrumentenkasten, wie man in der Fachliteratur nachlesen kann.

Am Ende muss dabei das Prinzip der Beweislastumkehr greifen. Die Exekutive, die Behörde, hat schlüssig nachzuweisen, dass ein Gesetz, eine Verordnung, eine Verwaltungsvorschrift oder eine Statistik tatsächlich zwingend notwendig sind,

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

um den sozialen, ökonomischen, ökologischen, demokratischen Standards gemäß unserer Verfassungslage gerecht zu werden. Dabei kann das in verschiedenen Ländern erprobte Standardkostenmodell ein kleines Werkzeug im Kasten sein, aber eben nicht mehr. Eine Verengung nur auf dieses Werkzeug – noch dazu allein zum Nutzen der Privaten, wie es die FDP will – ist mit uns nicht zu machen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Wir werden deshalb diesen Antrag ablehnen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Herr Abg. Bräunig spricht für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte beginnen mit einem Blick in den Koalitionsvertrag von CDU und SPD im Freistaat Sachsen. Wenn man sich dort beliest, schafft das einigermaßen Klarheit. In diesem Vertrag bekennt sich die Koalition nämlich zu einem umfassenden Bürokratieabbau.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Schon passiert!)

Die Fortführung des Paragrafenprangers sei hier ebenso angeführt wie die Zielsetzung einer umfassenden Verwaltungs- und Funktionalreform. Nicht zuletzt der Aufbau von eGovernment-Strukturen dokumentiert die Bemü

hungen von CDU und SPD, überflüssige Bürokratie in Sachsen abzubauen.

Vor diesem Hintergrund begrüßen wir ausdrücklich die Initiative der Großen Koalition in Berlin, nämlich bei Rechtsnormen des Bundes bürokratische Belastungen von Unternehmen, Bürgern und Verwaltungen anhand eines geeigneten Verfahrens objektiv zu messen. Gestern fand dazu eine erste Beratung im Bundestag statt. Das niederländische Standardkostenmodell ist hier bereits angesprochen und erläutert worden. Ich glaube, es besteht allgemeiner Konsens in diesem Haus, dass wir auch in Sachsen erhebliche Kosten infolge bürokratischen Aufwandes haben. Wir müssen deshalb unbedingt in die Prüfung.

Gestatten Sie mir trotzdem noch einige Worte, die vielleicht nachdenklich stimmen. Es muss klar sein, dass bei allen Bemühungen beim Bürokratieabbau Informations- und Berichtspflichten nicht nur dem ordnungsgemäßen Vollzug von rechtlichen Regelungen, sondern auch staatlicher und gesellschaftlicher Informationsbeschaffungen dienen, damit der Staat letztendlich seiner Ordnungs- und Steuerungsfunktion sachgerecht nachkommen kann und Gesellschaft und Wirtschaft verlässliche Planungsgrundlagen zur Optimierung ihres Handelns erhalten.

Somit ist es auch aus unserer Sicht ausgeschlossen, mittels eines Bürokratiekosten-TÜV die Effektivität und die Effizienz staatlicher Vollzugskontrolle oder materieller Standards von Normen grundsätzlich infrage zu stellen. Das wollen wir nicht.

Doch zurück zum Gesamtkonzept Bürokratieabbau, welchem sich die sächsische Koalition – ich wiederhole es gern noch einmal – umfassend verschrieben hat. Selbstverständlich wird auch die Frage des Bürokratiekosten-TÜV Bestandteil der umfangreichen Bürokratieabbaubemühungen der Koalition sein.

Die Staatsregierung arbeitet bereits an diesem Thema. Insofern sind wir der Meinung, dass es hier keiner gemeinsamen Aufforderung des Landtages mehr bedarf. Es tut mir Leid, die FDP-Fraktion kommt hier nur als Zweiter ins Ziel. Wir haben die Weichen bereits früher gestellt.

(Lachen bei der FDP)

Herr Bräunig, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Dr. Andreas Schmalfuß, FDP, steht am Mikrofon.)

Insofern werden wir abwarten, wie Sie nach Ende der Debatte mit Ihrem Antrag umgehen. Sollten Sie ihn zur Abstimmung bringen, werden wir ihm nicht zustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Die NPD-Fraktion hat das Wort. Der Abg. Paul ist gemeldet; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Ausufern der Bürokratie und die damit verbundenen finanziellen Belastungen sind allen von uns bekannt. Sie werden von Jahr zu Jahr immer wieder diskutiert. Man kann auch mit der Bürokratie hervorragend Wahlkampf betreiben oder zumindest von Zeit zu Zeit politisches Kapital daraus schlagen. Ich glaube, das haben schon alle Parteien probiert.

Alle Initiativen – sowohl auf Bundesebene als auch auf Ebene der Länder – haben allerdings eines gemeinsam: Sie sind bisher alle ins Leere gelaufen. Ich erinnere zum Beispiel an die endlosen Debatten im Deutschen Bundestag und auch im Bundesrat zum Statistikabbaugesetz, was schlussendlich ganz gescheitert ist. Gescheitert ist es deswegen, weil damals keine Einigung zwischen Bundestag und Bundesrat erzielt werden konnte. Im Gesetzgebungsverfahren waren sich noch alle Beteiligten einig, dass die bürokratische Belastung durch eine Flut von statistischen Erhebungen ins Unerträgliche gewachsen ist. Das konkrete Gesetz scheiterte, wie so oft, an den parteipolitischen Einzelinteressen.

Wir begrüßen trotzdem den Vorstoß der FDP-Fraktion, etwas Licht in das Dickicht der Bürokratie und vor allem in die durch die Bürokratie verursachten Kosten zumindest auf Landesebene zu bringen. Auf eines möchte ich an dieser Stelle jedoch noch hinweisen: Ein Bürokratiekosten-TÜV, das heißt ein Prüfverfahren allein, wird das Problem in Gänze nicht lösen. Es bedarf auch aus Sicht unserer Fraktion eines ganzheitlichen Ansatzes. Wir brauchen nicht damit zu beginnen, das Fahrrad zweimal zu erfinden.

Wir haben einen Landesrechnungshof. Wir haben einen Landkreistag, wir haben einen Städte- und Gemeindetag. Es gibt den Bund der Steuerzahler. Es gibt eine Vielzahl von Interessenvertretungen der Wirtschaft auf Landesebene. Alle diese Institutionen haben immer wieder umfangreiche Vorschläge zum Bürokratieabbau und zur Deregulierung vorgelegt. Normalerweise wäre es, denke ich, sinnvoll, diese Vielzahl von Vorschlägen, die immer wieder unterbreitet werden, einmal im Detail zu prüfen, die konstruktiven Vorschläge herauszufiltern und daraus wirklich ein Gesamtkonzept zum Bürokratiekostenabbau nicht nur in Sachsen, sondern in Gesamtdeutschland voranzubringen. Aus meiner Sicht ließe sich damit schon ein erheblicher Teil der bürokratischen Hürden in unserem Land beseitigen.

Wir werden dem FDP-Antrag zustimmen, da er zumindest ansatzweise dazu beitragen kann, der ausufernden Bürokratie entgegenzutreten.