Protocol of the Session on April 7, 2006

Doch dies wird nicht das Geringste an den sozialen Folgeerscheinungen und den volkswirtschaftlichen Schäden ändern. Gerade der Umstand der Sachbeschädigung im Rahmen der Straßenkriminalität, die keineswegs rückläufig ist – ganz im Gegenteil –, beweist die Notwendigkeit von Bürgernähe und Präsenz der Polizei. Wie wollen Sie diese künftig gewährleisten? Mit Plakatkampagnen und markanten Sprüchen?

Angesichts der Altersstruktur bei der Polizei muss man in wenigen Jahren wohl weniger von einer Polizei als vielmehr von einer Art Volkssturm sprechen. Das haben Sie zu verantworten. Wir für uns wollen eine andere Entwicklung.

Sie bleiben auch die Antwort schuldig, welche Leistungen in Zukunft nicht mehr erbracht werden sollen bzw. nicht mehr erbracht werden können. Ich denke, dass Sie bald nur noch in der Lage sein werden, einen Einstellungskorridor zu unterbreiten, der nur noch zu der Entscheidung einlädt, was für einen jungen Menschen attraktiver ist: abzuwandern oder eine kriminelle Laufbahn einzuschlagen. Letzteres dürfte nach Ihrer Polizeireform, Herr Buttolo, das geringere Rechtsrisiko beinhalten.

Die NPD hält auch künftig einen Einstellungskorridor von 350 bis 400 Einstellungen pro Jahr nicht nur für angebracht, sondern auch für zwingend geboten; dies umzusetzen erwarten wir von der Staatsregierung. Täuschen Sie sich nicht: Spätestens bei der kommenden Haushaltsdebatte werden wir die Bereitstellung der dafür notwendigen Mittel beantragen und die notwendigen Einsparpotenziale im Landeshaushalt aufzeigen – für mehr Sicherheit, Recht und Ordnung.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, gemäß Geschäftsordnung § 81 die Beschlussfähigkeit zu kontrollieren.

Gut, dann bitte ich die beiden Schriftführer, die Abgeordneten, die im Raum sind, zu zählen. Es darf jetzt aber bitte niemand mehr hereinkommen; ich bitte darauf zu achten. Würden Sie jetzt bitte alle Platz nehmen!

(Vereinzelt kommen Abgeordnete der verschiedenen Fraktionen trotz der Bitte der Präsidentin, dies zu unterlassen, in den Saal zurück.)

Nehmen Sie Ihren Antrag nun zurück, oder wollen Sie, dass wir zählen lassen?

Lassen Sie bitte zählen!

Dann bitte ich nochmals die Schriftführer.

(Noch immer kommen vereinzelt Abgeordnete in den Plenarsaal zurück. – Starke Unruhe – Zurufe – Heiterkeit)

Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass wir beschlussfähig sind mit all denen, die noch hereingekommen sind. Aber ich denke, es war eine kleine Probe aufs Exempel, wie es eigentlich aussieht.

Ich würde vorschlagen, wir machen jetzt weiter. Ist das so in Ordnung? –

(Zustimmung bei der NPD)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

(Weitere Abgeordnete der CDU und Linksfraktion.PDS kommen in den Saal. – Heiterkeit bei der CDU)

Es hat seine Wirkung nicht verfehlt, kann ich feststellen. Es wäre auch schade, wenn ich zum Freitagabend die Sitzung schließen und später noch einmal aufrufen müsste.

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag der NPD-Fraktion in der Drucksache 4/4753 und ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte. – Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Dafür-Stimmen und ohne Stimmenthaltungen ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 8

Einführung eines Bürokratiekosten-TÜV in Sachsen

Drucksache 4/4774, Antrag der Fraktion der FDP

Es spricht zuerst die FDP-Fraktion, danach folgen CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, NPD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile nun der FDPFraktion als Einreicherin das Wort. Herr Abg. Morlok, bitte.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wie groß soll die Behörde werden, Herr Morlok?)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich, dass Sie alle gerade so schön hereingekommen sind. Es wäre schön, wenn Sie auch bleiben würden und nicht gleich wieder gehen, um die jetzt anstehende Debatte zu verfolgen.

Die Bürokratie in unserem Land nimmt der Wirtschaft die Luft zum Atmen. Die Bürokratie oder besser die Freiheit von demokratischen Regeln ist ein wichtiger Standortfaktor für die wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen. Wir haben bei Unternehmensansiedlungen gemerkt, wie wichtig es war, dass man unbürokratische Entscheidungen treffen konnte. Bei großen Ansiedlungen war das möglich, aber diese sind nicht das Tagesgeschäft. Auch im normalen unternehmerischen Alltag der Bürgerinnen und Bürger müssen wir die Bürokratie eingrenzen.

(Beifall bei der FDP)

Bereits im Jahr 2004 hat das Bundesministerium für Wirtschaft eine Studie in Auftrag gegeben, um die Bürokratiekosten zu ermitteln. Denken Sie daran, 2004 hatten wir noch eine rot-grüne Bundesregierung. 46 Milliarden Euro jährlich war das Ergebnis dieser Studie im Auftrag der rot-grünen Bundesregierung. So hoch sind die Kosten der Bürokratie. Insbesondere kleine und Kleinstunternehmen leiden unter diesen Kosten am meisten, weil die Aufwendungen auch dort gemacht werden müssen. Die Abläufe sind dort viel weniger routiniert und Einzelfallbearbeitungen sind nötig. Deswegen trifft diese Unternehmen die Bürokratie am meisten.

In der Studie der rot-grünen Bundesregierung heißt es: Der Arbeitsplatz wird jährlich mit 4 400 Euro belastet. Jetzt denken Sie vielleicht, 4 400 Euro sind gar nicht so viel im Jahr. Wenn Sie es umrechnen, ergeben sich 370 Euro im Monat oder 2,20 Euro in der Stunde. Schauen Sie sich die Stundenlöhne an, die in Sachsen gezahlt werden. Wir haben in diesem Hause schon des Öfteren darüber debattiert. Da sind 2,20 Euro Belastung durch Bürokratie schon ein ganz erheblicher Betrag. In Sachsen gibt es gerade die kleinen Unternehmen und die geringen Stundenlöhne. Deswegen ist das Thema Bürokratieabbau und Bürokratiekosten wichtig.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Zielsetzung des Bürokratieabbaus sind wir uns sicher im Hause einig. So habe ich zumindest die Debatten in der Vergangenheit verstanden. Es gibt auch Initiativen in dieser Richtung. Ich denke an den Paragrafenpranger der Staatsregierung. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir feststellen, dass wir bei all den Bemühungen bisher noch nicht so richtig vorangekommen sind. Das ist keine Kritik an irgendjemandem, sondern wir müssen gemeinsam überlegen, wie wir es besser machen können. Bürokratieabbau ist nicht nur das Abschaffen von Einzelvorschriften. Das Problem ist, dass die Kosten der Bürokratie in den Gesetzen und Verordnungen zu wenig oder gar nicht berücksichtigt werden. Schauen Sie sich doch an, wie Gesetzentwürfe in unserem Hause aussehen.

Es ist immer eine Angabe zu den Kosten enthalten: keine oder vernachlässigbar oder nicht erheblich. Das ist aus Sicht der Verwaltung erst einmal richtig, weil die Kosten der Ministerialbürokratie im Hause selbst nicht vorhanden, vernachlässigbar oder gering sind. Nicht erfasst werden bei uns die Kosten, die die Unternehmer im Vollzug der Gesetze haben, die Aufwendungen, die die Bürger bei der Umsetzung der Gesetze haben. Das ist ein Defizit und wir müssen Veränderungen erreichen.

(Beifall bei der FDP)

Abhilfe kann hier das so genannte Standardkostenmodell schaffen. Dabei handelt es sich um eine Ex-anteEinschätzung der Kosten der Bürokratie. Das ist ganz simpel. Man erarbeitet einen Standardprozess, der notwendig ist, um die Erfordernisse des Gesetzes oder der Verordnung zu erfüllen, bewertet diesen Prozess mit Kosten, schaut, wie viele Prozesse im Freistaat pro Jahr anfallen, und kommt somit zu jährlichen Bürokratiekosten.

Das Charmante an diesem Modell ist, dass es politisch neutral ist. Was will ich damit sagen? Wenn wir im Parlament Gesetze einbringen und über Verordnungen reden, ist es klar, dass wir das auch politisch unterstützen. Nicht das erste Mal haben wir uns gegenseitig bei Vorschlägen in diesem Hause Bürokratie vorgeworfen. Das ist auch ganz normal. Die Regierung bringt etwas ein und die Opposition sagt, das ist bürokratisch. Die Opposition bringt etwas ein, und die Regierung sagt, es ist bürokratisch. Das Schöne am Standardkostenmodell ist, dass die Kosten objektiv und neutral bewertet werden. Ich kann mir vorstellen, dass in Kenntnis der Kosten von Gesetzen und Vorschriften, die wir in diesem Hause beschließen, die eine oder andere Entscheidung anders ausgefallen wäre. Dabei schließe ich die FDP-Fraktion ausdrücklich mit ein. Im Wollen, etwas Gutes zu tun, sind wir in der Gefahr, über das Ziel hinauszuschießen. Deswegen wäre

es wichtig, ein politisch neutrales Instrument zu haben, mit dem man diese Dinge feststellen kann.

Wir sind nicht die Ersten, die darüber reden. Großbritannien, Dänemark, Niederlande und unser Nachbarland Tschechien haben das schon lange und machen damit gute Erfahrungen. Auch die Bundesregierung, sehr geehrte Damen und Herren, möchte das niederländische Modell übernehmen und einen Normenkontrollrat einrichten. Man hat sich in Berlin, als das Thema schon durch war, eine gewisse Zeit darüber gestritten, ob dieses Modell in Form einer Rechtsverordnung oder eines Gesetzes eingeführt werden soll. Auch das ist inzwischen geklärt. Seit gestern liegt der Gesetzesvorschlag der schwarz-roten Koalition auf dem Tisch. Die Bundesregierung möchte das Standardkostenmodell mit dem Normenkontrollrat nach dem niederländischen Vorbild auf der Bundesebene einführen. Ich meine, dass wir jetzt auch in Sachsen voranschreiten sollten. Ich sehe der Debatte und der Abstimmung mit großer Gelassenheit entgegen, weil ich weiß, dass sich die FDP-Fraktion mit der CDU- und der SPD-Fraktion auf Bundes- und auf Landesebene in unserem Anliegen einig wissen. Das wird die Debatte jetzt zeigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Petzold ist für die CDU-Fraktion gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vogtländische Gerber Spitzen & Stickereien GmbH Rebesgrün, ein Familienbetrieb in der dritten Generation mit 50 Beschäftigten, steht im knallharten Wettbewerb mit der asiatischen Konkurrenz. Der so genannte Overhead besteht aus zwei Personen, aus dem Geschäftsführer Gerber und seiner Frau. Der Betrieb hat 20 Erhebungen monatlich bzw. vierteljährlich bei diversen Stellen abzugeben. Das sind Erhebungen über Unternehmenskooperationen, Förderinitiativen von KfW und DTA, Bundesstatistik verarbeitendes Gewerbe, Produktionserhebung verarbeitendes Gewerbe, Investitionsförderung, Wissenschaftsstatistik, Gewerbemehraufkommen, Material- und Wareneingangserhebungen und, und, und.

Diese und andere Berichtspflichten rauben der Gerber GmbH und allen anderen Mittelständlern geschätzte vier Tage pro Monat Arbeitszeit – Zeit, die für Kundenakquise, Erzeugnisentwicklung und strategische Unternehmensplanung verloren geht.

Deutsche Bürokratie verursacht den Unternehmen zusätzliche Kosten von 46 Milliarden Euro pro Jahr. 2 % des gesamten BIP gehen auf Grundlage von Überorganisation, Statistikdschungel und einer Unzahl von Verwaltungsvorschriften, vielleicht auch sächsischen, nutzlos verloren. 84 % davon entfallen auf kleine und mittlere Unternehmen, also Betriebe, die das wirtschaftliche Bild Sachsens prägen. Ihr Aufwand ist in den letzten zwölf Jahren um

14 % gestiegen. Lassen Sie sich die Situation an wenigen Beispielen verdeutlichen.

Eine Lohnsteueranmeldung kostet im Einzelfall zehn Euro, eine Umsatzsteuervoranmeldung 16 Euro, eine Zollanmeldung 32 Euro. Sie meinen, nicht viel? Hochgerechnet auf Gesamtdeutschland sind das 229 Millionen Euro, 544 Millionen Euro und 766 Millionen Euro. Es liegt mir fern, Sie mit statistischen Erhebungen langweilen zu wollen, aber ich wollte Ihnen am praktischen Beispiel nahe bringen, welche Kosten beispielsweise durch solch einen einfach anmutenden und für das Finanzamt selbstverständlich erscheinenden Vorgang wie die Umsatzsteuervoranmeldung durch die deutsche Wirtschaft zu tragen sind und somit für Wachstum und Beschäftigung nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Wirtschaft erstickt in Bürokratie und Reglementierung. Selbstständigkeit und wirtschaftliche Risikobereitschaft werden zum Kampf mit dem Amtsschimmel.

Statistiken und Erhebungen stehlen dem Unternehmer Zeit und binden Personal, die sie teuer bezahlen müssen. Damit muss Schluss sein. Viel zu lange ist von Bürokratieabbau gesprochen und offensichtlich nicht genügend gehandelt worden.

Unsere politische Aufgabe ist es, die seit Jahren nach oben führende Kostenspirale für bürokratischen Aufwand zu senken und dieser unheilvollen Entwicklung entgegenzuwirken.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Besonders unser Mittelstand muss nachhaltige Kostenentlastung erfahren, um sich am Markt nachhaltig behaupten zu können. Statistiken müssen umgehend auf ihre Sinnfälligkeit und Vereinfachung hin geprüft werden. Doppelerhebungen gilt es grundsätzlich zu vermeiden. Der Dschungel an Gesetzen und Verordnungen und deren Durchführungsbestimmungen muss zügig und umgehend gelichtet werden. Anstehende Gesetzesinitiativen und geplante Verordnungen müssen auf durch sie verursachte Kosten überprüft werden, auch im Land Sachsen. Das Standardkostenmodell könnte dies leisten und zum Entscheidungsprozess die wichtige Komponente der Folgekosten bringen. Mein Fraktionskollege Peter Schowtka wird darauf noch eingehen.