Wir werden dem FDP-Antrag zustimmen, da er zumindest ansatzweise dazu beitragen kann, der ausufernden Bürokratie entgegenzutreten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der FDP-Fraktion möchte ich meine Bewunderung aussprechen. In schönster Regelmäßigkeit stellt die FDP diesen Antrag in allen Parlamenten, in denen sie vertreten ist.
Die nahe liegendste Frage richtet sich deshalb an die Antragstellerin: Sehr geehrter Herr Morlok, können Sie mir sagen, wie viele Kosten in den deutschen Parlamenten bisher durch Ihre Anträge zum Bürokratiekosten-TÜV verursacht wurden? Wie viel Arbeits- und Lebenszeit von Parlamentsmitarbeitern und von Abgeordneten haben Ihre Anträge verbraucht? Wie viel Papier wurde mit Ihren Anträgen zum Bürokratiekosten-TÜV gedruckt? Und schließlich: Welche finanziellen Lasten sind dem Steuerzahler durch die Anträge zum Bürokratiekosten-TÜV entstanden? Das sind hier die Fragen.
Was Sie hier beantragen, ist in einem Aspekt richtig und von uns vollkommen nachzuvollziehen: die Frage nach den Folgekosten von Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften. Hier ist in der Tat Handlungsbedarf dahingehend festzustellen, dass der Gesetz- oder Verordnungsgeber im Blick haben sollte, welchen Aufwand er den Betroffenen auferlegt.
Aber dann muss der nächste Schritt folgen: die Abwägung der auferlegten Kosten mit dem zu erwartenden Nutzen, sei es an Erkenntnissen oder sei es finanzieller Natur. Die Vermeidung von Bürokratiekosten allein kann nicht das Ziel sein. Ziel sollte die konsequente Anwendung einer Kosten-Nutzen-Analyse sein.
Aber, meine Damen und Herren, wie kann eine Ministerialbürokratie eine Kosten-Nutzen-Rechnung erstellen, die es nicht gewohnt ist, in diesen Relationen zu denken? Der Staat und besonders der Freistaat denken kameralistisch. Insofern melden wir grundsätzliche Bedenken hinsichtlich der Realisierungsmöglichkeiten Ihres Antrages an. Wir hätten uns gewünscht, dass Sie einen Antrag zum Thema Bürokratie vorlegen, der sich stärker an den sächsischen Gegebenheiten und den aktuellen Vorhaben der Staatsregierung orientiert. Wir hätten uns gewünscht, dass die Antragstellerin stärker zwischen nötigen bürokratischen und unnötigen Kosten differenziert hätte. Außerdem hätte ich mir gewünscht, dass sich Herr Staatsminister Mackenroth an seine Versprechen hält. Er hat am 13. Juli 2005 hier zu Protokoll gegeben, dem Landtag bis zum Herbst 2005 den Entwurf eines Artikelgesetzes vorzulegen.
Am Mittwoch – im April 2006 – habe ich den Zeitungen entnehmen können, dass der Entwurf jetzt – also immerhin sechs Monate später – zunächst ins Kabinett geht.
Meine Damen und Herren! Wir können festhalten: Der Antrag der FDP hat zu wenig sächsische Substanz, und deshalb werden wir uns enthalten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Überregulierung und die damit verbundene Bürokratie in Deutschland sind ein Ärgernis für viele Bürger und Unternehmen. Es gibt zu viele Regelungen. Manche sind widersprüchlich oder überzogen. Zahllose Verwaltungsvorgange sind zu umständlich und zu langsam. Dadurch wirkt Bürokratie auch wachstumshemmend, stellt einen negativen Standortfaktor dar und vergrault Investoren.
Seit zwei Jahren kämpft meine Fraktion darum, die Anzahl der Verordnungsermächtigungen bei der Annahme von Gesetzen durch dieses Hohe Haus auf ein Minimum zu begrenzen.
Meine Damen und Herren! Der Abbau von Bürokratie ist erklärtes Ziel der Politik in Sachsen. Um dieses Ziel zu erreichen, wäre eine effektive Messung von Bürokratiekosten sehr hilfreich. Wenn bekannt ist, wie hoch genau die bürokratische Belastung der Unternehmen durch welche konkreten Maßnahmen ist, kann gezielter reagiert werden.
Die Europäische Union und die OECD empfehlen hierzu die Einführung des in mehreren europäischen Ländern bewährten Standardkostenmodells zur objektiven Messung der bürokratischen Belastung von Unternehmen. In den Niederlanden wurden damit bereits Erfolge erzielt. Dort werden eine jährliche Entlastung von vier Millionen Euro und Wachstumsimpulse von einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes erwartet. Ob dieses Ziel tatsächlich und auf Dauer erreicht wird, bleibt dabei noch abzuwarten und ist zu beobachten. Das Modell sollte nicht mit der Brechstange eingeführt werden, sondern zunächst auf seine Übertragbarkeit auf sächsische Verhältnisse erprobt werden.
Klärungsbedarf besteht nach der Bertelsmann-Stiftung aufgrund des deutschen Föderalismus und des geltenden Ressortprinzips. Ressortprinzip – das bedeutet die Eigenverantwortung des einzelnen Ministers für sein Ressort. Notwendig sind jedoch die Umsetzung eines ressortübergreifenden Bürokratieabbaus und die Sicherstellung der Vergleichbarkeit und die Belastbarkeit von Daten. Wir fordern deshalb, zunächst Pilotprojekte aufzulegen, um möglichen Anpassungsbedarf auf sächsische Verhältnisse zu klären.
Besonders wichtig ist: Durch diese Pilotprojekte müssen zunächst die Kosten des Modells selbst überschaubar gemacht werden; denn die Anwendung des Modells hat in einigen Ländern, wie zum Beispiel in BadenWürttemberg, in Bezug auf die Landesbauordnung zugleich hohe Kosten verursacht. Kosten und Nutzen des Modells sind deshalb sorgfältig abzuwägen. Nicht geholfen wäre mit der Einführung eines Modells, das Unternehmen zwar letztlich bürokratisch entlasten soll, selbst jedoch wiederum enorme Bürokratie und Kosten bedeutet.
Meine Damen und Herren! Das Standardkostenmodell kann nur in kleinen Schritten und zunächst mithilfe von Wirtschaftsprüfungsunternehmen eingeführt werden. Der Freistaat muss dazu erst das notwendige Know-how erwerben. Um einen ins Leere gehenden Schnellschuss zu verhindern, kann die CDU-Fraktion – auch aufgrund der Position unseres Koalitionspartners – dem Antrag in dieser Fassung nicht zustimmen.
Danke schön – Gibt es weiteren Aussprachebedarf seitens der Fraktionen? – Herr Morlok, FDP-Fraktion, bitte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einmal auf einige Punkte der Debatte eingehen.
Entschuldigung, Herr Präsident, ich korrigiere mich. Das liegt daran, dass ich bei der parlamentarischen Debatte dem Redner folge und nicht im Kreise herumschaue.
Der Termin im Deutschen Bundestag war uns selbstverständlich nicht bekannt, als wir unseren Antrag eingereicht haben. Wir wussten ja überhaupt nicht, wann der Antrag behandelt wird – heute, gestern, vorgestern –, also werfen Sie uns bitte nicht vor, wir hätten auf irgendeinen Bundestagstermin geschielt.
Verwaltungsreform. Natürlich haben Bürokratie und Kosten auch etwas mit Verwaltungsreform zu tun. Es sind jedoch zwei verschiedene Zielrichtungen. Bei der Verwaltungsreform geht es um die Struktur der Verwaltung im Freistaat Sachsen. Selbstverständlich hat die Struktur auch Auswirkungen auf Aufwendungen, die die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen mit der Verwaltung
haben. Unser Antrag hat jedoch eine andere Zielrichtung, weil er sich eben gerade nicht mit der Struktur, sondern mit dem Handeln, mit dem Output, mit den Gesetzen und Verordnungen der Verwaltung beschäftigt. Deshalb sind es zwei Paar Stiefel. Wir müssen beide Probleme lösen. Aber den Vorwurf, man kann das eine mit dem anderen gemeinsam tun, halte ich für nicht sachgerecht.
Natürlich habe ich zur Kenntnis genommen, dass die Staatsregierung Initiativen ergriffen hat, um die Bürokratie einzudämmen. Dies habe ich in meinem Redebeitrag bereits ausdrücklich gesagt. Ich hatte den Paragrafenpranger deutlich erwähnt. Aber ich habe bisher von der Staatsregierung zum Thema „Einführung eines Bürokratiekosten-TÜV“, also einer Kostenabschätzung, weder öffentlich noch hier im Parlament noch im Ausschuss irgendetwas gehört. Deswegen ist unser Antrag notwendig. Herr Weichert hat darauf hingewiesen, dass trotz Zusagen von Herrn Mackenroth im letzten Jahr bisher nichts passiert ist. Auch dies unterstreicht, wie notwendig unser Antrag hier und heute ist.
Herr Weichert, ich habe natürlich die heutige Debatte nicht wegen der Kosten der berechtigten Anträge der FDP vorbereitet, die zum Bürokratieabbau entstanden sind. Dabei sind sicherlich auch Kosten entstanden, keine Frage. Aber, Herr Weichert, wenn wir wissen – und dies wurde von anderen Rednern bestätigt –, dass uns die Bürokratie über 40 Milliarden Euro im Jahr kostet – überlegen Sie einmal, wie lange die FDP bereits diesen TÜV fordert –, hätten wir mehrere hundert Milliarden Euro einsparen können – mehr, als unsere Anträge gekostet haben.
Deshalb möchte ich Sie noch einmal herzlich auffordern, liebe Koalitionäre, über Ihren Schatten zu springen und unserem Antrag zuzustimmen. Natürlich wissen wir, dass man das nicht von heute auf morgen per Knopfdruck einführen kann und dass sich auch die Staatsregierung einen sachverständigen Rat einholen muss – natürlich auch, wenn es sein muss, von Wirtschaftsprüfern, gar keine Frage. Wir haben ja nicht gesagt, morgen muss das vorliegen, sondern wir haben gesagt: Wir beschließen das hier und geben einen ganz klaren Handlungsauftrag an die Staatsregierung, und ich habe eigentlich auch die Koalitionsfraktionen nicht so verstanden, also ob sie gegen diesen Handlungsauftrag wäre. Also, stimmen Sie doch bitte zu!
Existiert weiterer Aussprachebedarf? – Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Dr. Buttolo.
bereits in der „Sächsischen Zeitung“ gelesen: Auf Bundesebene wird ein so genannter Bürokratie-TÜV geplant. Diese Meldung hat mich nicht sonderlich überrascht, da sie eigentlich nur das konsequente Weitergehen meines Vorgängers Dr. Thomas de Maizière auf der Berliner Ebene ist. Der auf Bundesebene geplante Normenkontrollrat hat zwei Vorbilder: den holländischen Bürokratiekosten-TÜV und den sächsischen Normenprüfungsausschuss, unseren bereits seit 1991 bestehenden NormenTÜV.
Beim Normen-TÜV waren wir Vorreiter; beim KostenTÜV laufen, wie beim Bund, auch bei uns die Vorbereitungen. Die Mitarbeiter des Staatsministeriums der Justiz sind bereits mit der Bertelsmann-Stiftung im Gespräch mit dem Ziel, zusammen mit mehreren anderen Ländern in den nächsten Monaten ein Modellprojekt zum Standardkostenmodell durchzuführen.
Das Kabinett wird, wie schon in der Debatte erwähnt, in Kürze darüber entscheiden. Das Standardkostenmodell ist ein rechnerisches Hilfsmittel, das auf praktische Erfahrungen aus den Niederlanden, Dänemark, Norwegen und Schweden beruht. Mit diesem können die Kosten, die in Unternehmen – und nicht nur dort – durch staatliche Informationspflichten entstehen, relativ einfach bestimmt werden.