Protocol of the Session on March 16, 2006

Wo soll das, bitte schön, herkommen, wenn wir uns nicht endlich darum bemühen, mehr Eigeneinnahmen zu gerieren? Aus dem Straßenbau kommen sie nicht. Aber mehr Eigeneinnahmen können durchaus aus einer stärkeren Exportorientierung in Sachsen kommen. Die durchschnittliche Exportquote von Unternehmen mit Orientierung auf den Export beträgt im Bund 40 %, in Sachsen 30 %. Wir liegen also noch ein Viertel unter dem, was bundesdeutscher Durchschnitt ist. Das kann nicht zufrie

den stellen. Bei Straßen liegen wir über dem Durchschnitt, bei Forschung und Entwicklung sowie Exportorientierung der Unternehmen unter dem Durchschnitt. Dieses Missverhältnis ist mit den Händen zu greifen.

Die Erhöhung der Eigeneinnahmen und die Senkung der Abhängigkeit von Geld von außen ist ein wichtiger Aspekt auch bei der Frage der demografischen Entwicklung. Bislang treten hier immer nur einzelne Vorhaben an die Oberfläche. So wird zum Beispiel heute der Kultusminister Flath zitiert. Dabei geht es um den Einsatz der Mittel des Europäischen Strukturfonds für Ganztagsschulen. Das mag vielleicht im Einzelnen möglich sein, worüber wir noch diskutieren müssen. Aber wo, bitte schön, ist das Entwicklungsgesamtkonzept? Ganz offensichtlich streiten Sie sich noch innerhalb der Koalition. Das kann aber nicht unser Problem sein; denn wir wollen hier im Landtag natürlich Politik entwerfen, die auch einmal über eine Legislaturperiode hinausgeht. Das muss gemacht werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Meinung des Parlaments ist dabei relevant.

Was würde es denn bedeuten, wenn wir zum Beispiel im Herbst hier beraten, wiederum feststellen, dass die Operationellen Programme vielleicht in der Fortführung der alten Förderschwerpunkte liegen, also wieder viel Geld in Straße und wenig in Forschung und Entwicklung, wenn wir dann aber nicht mehr die Möglichkeit haben, das im Landeshaushalt zu ändern? Wie wollen wir das denn dann machen? Am besten ist es doch, wenn Sie jetzt mit den Parlamentariern öffentlich abklären, wo die Förderschwerpunkte in Sachsen sein sollen, und so klare Verhältnisse schaffen.

Die EU-Kommission hat im Vorschlag für die Verordnung des Rates über die Förderperiode ausgeführt: „Der Mitgliedsstaat organisiert im Rahmen seiner einzelstaatlichen Regelungen und seiner einschlägigen Praxis eine Partnerschaft mit den Behörden und Organen, die er benennt, insbesondere kompetente Einrichtungen, die für die Zivilgesellschaft repräsentativ sind.“

Am Umgang mit dem Operationellen Programm wird deutlich, wie sehr die Staatsregierung den Landtag missachtet, ihn ganz offensichtlich für nicht kompetent hält und die repräsentative Demokratie jedenfalls nicht für wichtig genug befindet, daran teilzunehmen, wenn es darum geht, diese Zukunftsfragen zu diskutieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das mag hier jahrelang geübte Praxis sein, sozusagen Gewohnheitsrecht, es bleibt trotzdem skandalös.

Wir sind der Auffassung, dass es für alle Parlamentarier relevant und interessant ist, diese Frage hier zu diskutieren, denn es würde bedeuten, dass wir unsere Möglichkeiten der Politikgestaltung als Parlament quasi verdoppeln könnten. Ich habe vorhin gesagt, dass die EU-Mittel in der Summe ungefähr so viel Finanzvolumen haben wie die disponiblen Mittel des Landeshaushalts insgesamt.

Für uns würde das eine Verdopplung unserer Möglichkeiten zur Politikgestaltung bedeuten. Das muss jeden Parlamentarier interessieren.

Wie gesagt, Gewohnheiten der Regierungsfraktionen müssen kein Erbpachthof sein. Prinzipiell wird man wohl lernen müssen zu unterscheiden zwischen der aktuellen Rolle, die man gerade mal einnimmt, zum Beispiel als Koalitionsfraktion, einer Macht auf Zeit, und der Frage, welches Recht Parlamentarier und Fraktionen in diesem Landtag auf Dauer haben. Diese Fragestellung werfen wir hier auf.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die CDUFraktion, bitte. Herr Hermsdorfer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Hermenau, ich denke, keine der Koalitionsfraktionen würde Ihrem Anspruch nicht Rechnung tragen wollen, das Parlament an einer ausführlichen Debatte über inhaltliche Zielstellungen der Operationellen Programme innerhalb der nächsten Förderperiode der Europäischen Union teilhaben zu lassen.

Dem Grundanliegen Ihres Antrages, dass wir uns hier intensiv mit den Mitteln und Möglichkeiten auseinander setzen, die die EU-Kommission den Mitgliedsländern in verschiedenen inhaltlichen Bereichen zur Verfügung stellt – und dort die Möglichkeit, die meisten Mittel und Projekte in Sachsen auch umsetzen zu können –, wollen wir alle Rechnung tragen. Nur in Ihrem Antrag formulieren Sie, dass die Staatsregierung die Vorlage der Operationellen Programme bis zum 30. April dieses Jahres fertig stellen bzw. dem Parlament einen Entwurf vorstellen soll.

Bis heute hat nach Information, auch uns vorliegend, in der Europäischen Kommission noch nicht einmal die Beschlussfassung der drei Partner innerhalb des Haushaltsbudgets – des Rates, der Kommission und des EUParlaments – stattgefunden. Es gibt eine Fristsetzung des EU-Parlaments bis 31. März dieses Jahres, innerhalb der sich die drei Partner an einem Tisch zu finden haben. Ansonsten ist der bislang zwischen allen Beitrittsländern ausgehandelte Budgetkompromiss erst einmal wieder infrage gestellt. Dies zieht nach sich, dass, wenn die Haushaltsregelungen zwischen den drei Partnern getroffen sind, die Programme bzw. die Leitlinien der EUKommission entsprechend erstellt werden. Dies ist – so konnten wir auch von Vertretern der EU-Kommission erfahren – bis etwa zur Sommerpause dieses Jahres vorgesehen.

Sie stellen also mit Ihrem Antrag die Forderung an die Staatsregierung, auf der Grundlage bisher geführter Gespräche, bisheriger Vermutungen bzw. auch aufgrund von Ansprüchen von uns oder von anderen Beitrittsländern Operationelle Programme zu entwickeln, die mehr auf Wünschen unsererseits basieren denn auf Vorgaben der EU-Kommission. Wir würden hier in eine Falle

hineinlaufen, in der wir in letzter Zeit schon einige Gesetzentwürfe behandelt haben. Wir haben auf der Grundlage von Referentenentwürfen, von Vorstellungen, von Hinweisen und von Wünschen unsererseits Dinge diskutiert, die noch gar nicht zur Debatte standen, geschweige denn dem Parlament zur Beschlussvorlage vorlagen und entsprechend diskutiert werden konnten.

Sie haben in Ihrem Antrag einige Punkte dargelegt, auf die ich inhaltlich kurz eingehen möchte.

Zum Punkt 1, Forschung und Entwicklung. Auch hier haben wir selbstverständlich Übereinstimmung. Die Koalitionsfraktionen, insbesondere die CDU-Landtagsfraktion, setzen einen Schwerpunkt in der zukünftigen inhaltlichen Politik auf Forschung und Entwicklung, dies aber nicht losgelöst. Da komme ich zu Ihrer Kritik zur Infrastruktur. Der Freistaat Sachsen hat sich in den letzten Jahren deshalb so gut herausgebildet, weil er eine überdurchschnittlich gute Infrastruktur aufweisen konnte. Diese konnten wir den Investoren, die sich insbesondere hier in Dresden angesiedelt haben, zur Verfügung stellen. Sie hat immer wieder Unternehmer dazu bewogen, sich in Sachsen anzusiedeln.

Erst diese Ansiedlungen, insbesondere auch die Großansiedlungen, haben kleine- und mittelständische Unternehmen im F+E-Bereich in Sachsen hervorgebracht, weil sie sich an den Großen orientieren konnten. Nehmen Sie einfach das Beispiel: Microsoft aus den USA, aus Kalifornien, ist dadurch entstanden, dass Intel ein Softwareproblem hatte. Ich denke, auch dort ist von uns vorgegeben, durch die Großansiedlungen weiterhin den Mittelstand zu stärken, dort F+E-Gelder einzusetzen. Dies ist aber nur möglich, wenn wir die Infrastruktur in Sachsen weiter ausbauen.

Infrastruktur umzusetzen heißt auch Unterstützung für die ländlichen Räume in Sachsen. Wir werden eine wirtschaftliche Entwicklung in unserem Flächenland vorwiegend in den Ballungszentren zu verzeichnen haben. Es wäre nicht gerade fair gegenüber den Landkreisen in dünn besiedelten Gebieten, sie von dieser wirtschaftlichen Entwicklung abzukoppeln. Ich denke, noch nicht jede Staatsstraße, jede Bundesstraße in Sachsen, abgesehen von den fehlenden Umgehungsstraßen, ist auf dem Niveau, um an diese Ballungszentren ankoppeln zu können und der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, dort entsprechend um Arbeitsplätze nachzusuchen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

So gern wir das Rederecht und die Diskussionsmöglichkeiten des Parlaments ausschöpfen möchten, sehen wir doch den von Ihnen vorgegebenen Zeitrahmen als nicht machbar, nicht realistisch an. Auch wenn sich das Kabinett am Wochenende zu einer Klausur zurückzieht und dort über derartige Budgetfragen diskutiert, bleibt letztendlich festzustellen, dass erst die Vorgaben der EUKommission vorliegen müssen, dass wir den entsprechenden Bescheid über die Programme abwarten müssen, um darauf reagieren zu können.

Wenn unsere Gespräche in Brüssel eines gezeigt haben, dann wohl doch einen wichtigen Punkt, den ich auch der Staatsregierung mit auf den Weg geben möchte: Seitens der Bediensteten der EU-Kommission ist eine weitaus größere Flexibilität zutage getreten, als wir bislang immer vermutet haben oder als uns suggeriert worden ist. In diesem Punkt können wir mit der Unterstützung der EUKommission rechnen. In diesem Punkt ist sie auch während der Förderperioden flexibel. Wir sind dort immer wieder auf offene Ohren gestoßen, wenn es um ESF- und EFRE-Mittel ging, in Diskussionen um Einzelfördermaßnahmen einen Kompromiss zu finden.

(Beifall bei der CDU)

Dass dieser möglich ist und dass die bislang geführten Diskussionen Erfolg gezeigt haben, zeigt die Möglichkeit, in der kommenden Förderperiode ESF- und EFRE-Mittel deckungsfähig bzw. in gleichen Projekten einsetzen zu können.

Ich möchte mich nicht wiederholen, will aber noch einmal zusammenfassen. Wir werden sicherlich in Haushaltsberatungen bzw. in Einzelanträgen – wobei auch die CDULandtagsfraktion nicht zurückstecken wird – genügend Möglichkeiten haben, diese inhaltlichen Fragen der Operationellen Programme zu beraten. Aber diesem Parlament eine Vorgabe bis 30.04. auf der Grundlage von Vermutungen und Mutmaßungen zuzumuten und dann vielleicht, weil man danebengelegen hat, später im Jahr einen Rückzieher machen zu müssen, das halte ich nicht für der Sache dienlich.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Die Linksfraktion.PDS. Herr Abg. Hilker, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die GRÜNEN haben einen Antrag mit der Thematik vorgelegt, dass uns die Staatsregierung ihren Entwurf für die Operationellen Programme vorlegen soll. Frau Hermenau hat nun ausgeführt, dass es eher um die Stärkung der Parlamentsrechte geht, und sie kämpft nicht nur im Parlament um die Stärkung der parlamentarischen Rechte, sondern sie macht das auch vorab gegenüber den Medien und ist dort zitiert, dass sie, wenn sie den entsprechenden Bericht bis zum 30.04. nicht bekommt, wenn ich es richtig verstanden habe,

(Antje Hermenau, GRÜNE: Nein, nicht ganz!)

gegen die Staatsregierung klagen will.

Dann ist das Zitat falsch. Ich wollte Sie natürlich fragen, mit wem Sie denn klagen wollen und vor allen Dingen wogegen. Ich sage Ihnen, im Umgang mit dem Thema wird eines deutlich: Ihnen geht es um die schnelle Nachricht. Ihnen geht es um die dicke Schlagzeile. Aber Sie verfügen kaum über Vorstellungen darüber, wie Sie mit den neuen EU-Strukturfondsförderungen umgehen wol

len. Genau deshalb fordern Sie einen Bericht, um dann im Bericht der Staatsregierung in dem einen oder anderen Punkt etwas zu verändern. Aber über grundsätzliche Konzepte verfügen Sie nicht, sonst hätten Sie ja ein entsprechendes eigenes Operationelles Programm oder einen Entwurf eingebracht.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das können Sie besser, Herr Hilker!)

Frau Hermenau, der Landtag ist die Stätte der Gesetzgebung, der Kontrolle und der Willensbildung. Der Landtag ist nicht die Stätte des Berichtswesens. Dieser Antrag geht zumindest in diese Richtung. Sie haben gesagt, Ihnen geht es um einen Politikentwurf, vor allem um einen Entwurf der Staatsregierung. Ich frage Sie: Wo ist denn Ihr Entwurf? Ihre Begründung, die vollkommen verquer ist – zumindest in einigen Punkten –, kann es wohl nicht sein.

Frau Hermenau, ich sage Ihnen: Sie verwechseln den Landtag mit einem Schnellsprechwettbewerb. Ich kämpfe mit Ihnen hier nicht um den Titel „Häuptling schnelle Lippe“. Mir geht es um Lösungen und um Veränderungen.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Frau Hermenau, ich habe es gesagt: In Ihrer Begründung gehen einzelne Dinge durcheinander. Sie können natürlich behaupten, dass man bei der EU, wenn ein Operationelles Programm einmal festgelegt ist, nicht mehr viel ändern kann. Dies mag vielleicht in der Vergangenheit gestimmt haben – zumindest aus Ihrer Sicht. Jedoch waren, wenn wir uns den Umgang mit dem EU-Mikrodarlehen anschauen, sehr schnelle Änderungen möglich. Die neue EU-Strukturfondsperiode ermöglicht ein ganz anderes Vorgehen. Änderungen sind sogar innerhalb eines Jahres möglich. So steht es in den entsprechenden Entwürfen.

Sie behaupten, wenn wir nicht sofort im Landtag darüber sprechen, wie die Mittel verwendet werden, und einen Konsens herstellen, werden wir im weiteren Verfahren Änderungen vornehmen, sodass dann Mittel verfallen würden. Dies stimmt nicht.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das habe ich nicht gesagt!)

Doch, so steht es in der Begründung des Antrags. Lesen Sie ihn durch. Das sind die Zitate, die ich daraus entnommen habe. Es ist eine Übertragung von Haushaltsmitteln möglich. Es sind Zahlungsunterbrechungen möglich. Über die jährliche Kontrolle sind auch Veränderungen möglich. Ich wundere mich schon, wenn Sie von disponiblen Mitteln sprechen und die EU-Mittel mit den disponiblen Mitteln des Freistaates Sachsen vergleichen, die bei 3 bis 4 % liegen, und dann von Milliardenbeträgen sprechen. Wir haben einen Haushalt von 15 Milliarden Euro. Überlegen Sie, wie viel Prozent zum Beispiel die Straßenbaumittel ausmachen. Sie haben auch von Forschung und Entwicklung gesprochen. Sie kommen dort auf mehrere Milliarden. Dies zeigt: Die Grundrechenarten in diesem Bereich beherrschen Sie nicht.

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Auf die wesentlichen Programme vonseiten der EU sind Sie nicht eingegangen, zum Beispiel zu den zentralen Themen, die von der EU vorgegeben werden, wie Innovationen und wissensbasierte Gesellschaft, Umwelt und Risikoprävention, Zugänglichkeit zu Leistungen der Daseinsvorsorge.

Wir können noch weitergehen. Wo sind denn Ihre Aussagen in Ihrem Beitrag zur Vorstellung der EU gewesen? Ich verweise nur auf die Lissabon-Strategie, die Fragen der Vollbeschäftigung, die Steigerung der Arbeitsplatzqualität und den sozialen Zusammenhalt.