Protocol of the Session on March 16, 2006

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Wo sind Ihre Forderungen und Ihre Darstellungen dazu, wie die EU die EFRE- und ESF-Mittel verteilen soll? Vonseiten der Staatsregierung wird eine Verteilung von einem Viertel ESF-Mittel und drei Viertel EFRE-Mittel angestrebt. Ich möchte darauf verweisen, dass der EUKommissar Spidla ein Drittel der Mittel im ESF-Bereich einsetzen will.

Ja, die GRÜNEN fordern einen Bericht. Sie wollen von den Vorstellungen der Staatsregierung Kenntnis erlangen, um dort einzelne Korrekturen vorzunehmen. Wir werden dem nicht im Wege stehen. Wir haben allerdings eigene Vorstellungen und diese werden wir demnächst dem Parlament vorlegen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Antje Hermenau, GRÜNE: Wunderbar, super!)

Die SPD-Fraktion, bitte. Herr Abg. Pecher.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir alle hier im Raum sind uns einig, dass die Festlegung der Operationellen Programme für die EU-Förderperiode bis 2013 eine der wichtigsten Entscheidungen dieses Jahres ist. Aus diesem Grunde ist das Anliegen von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN durchaus nachvollziehbar.

Rückblickend ist festzustellen, dass der Freistaat seit 1990 Ziel-1-Fördergelder bekommt, mit denen viel erreicht wurde. Das ist mein erster Ansatz. Frau Hermenau, Ihre letzte Argumentation muss ich deswegen zurückweisen, weil meines Wissens im Freistaat Sachsen keine EUFördergelder zurückgegeben wurden. Alle Mittel wurden verbraucht. Deshalb kann man nicht von der Gefahr sprechen, dass dem Freistaat Geld verloren geht – Geld aus der disponiblen Spitze plus diese EU-Mittel. Diese Argumentation hat meines Wissens in der Vergangenheit nicht gegriffen. Ich denke, sie wird auch in der Zukunft nicht greifen.

Konvergenz, ehemals Ziel 1, regionale Wettbewerbsfähigkeit, ehemals Ziel 2, europäische territoriale Zusammenarbeit, ehemals Interreg – nicht nur diese neuen

Formulierungen zeigen, dass sich in dem Bereich EUStrukturfonds einiges ändern wird.

Etwas zu diesem komplexen Vorgang. Es gibt die strategischen Leitlinien – das sind die Gemeinschaftsprioritäten. Diese auf EU-Ebene zu verhandeln ist schwierig genug. Es gibt nationale strategische Rahmenplanungen, NSR. Das ist der Job der Bundesregierung. Die Inhalte sind umstritten, weil die EU Vorgaben macht. Das ist das ehemalige gemeinschaftliche Förderkonzept. Darunter gibt es die Operationellen Programme für die Gebiete – hier speziell für Sachsen. Hierbei gibt es die Änderung, dass es mehrere Operationelle Programme je Ziel und Fonds gibt.

Die Komplexität des Prozesses zeigt den Knackpunkt beim BÜNDNIS-90-Antrag, dass erstens die von Ihnen geforderte Zeitschiene nicht machbar ist und zweitens – das glaube ich zutiefst – dieses Thema so komplex ist, dass man es inhaltlich wirklich in den Ausschüssen und nicht hier im Plenum beraten muss.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Können Sie machen!)

Ansonsten müsste man wirklich jeden einzelnen Bestandteil im Plenum sehr intensiv beraten.

Unsere Staatsregierung, insbesondere unser Wirtschaftsminister, hat sich gemeinsam mit den anderen ostdeutschen Kollegen für die Fortsetzung der Förderung stark gemacht. Gleichzeitig brauchen wir Planungssicherheit. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass sich die Staats- und Regierungschefs im Dezember vergangenen Jahres auf einen gemeinsamen EU-Haushalt für den Zeitraum bis 2013 geeinigt haben. Das sind Gesamtausgaben von 862 Milliarden Euro. Für die EU-Struktur (Kohäsionspolitik) stehen damit zirka 307 Milliarden Euro zur Verfügung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was bedeutet das für Sachsen? Leipzig ist nicht mehr Ziel 1, nicht mehr Konvergenzgebiet. Chemnitz ist es noch. Dresden ist es knapp. Das bedeutet insgesamt: Es werden im Ergebnis weniger Mittel an die neuen Bundesländer fließen. Das ist eine Tatsache, mit der wir umgehen müssen. Insgesamt sind zurzeit zirka 13 Milliarden Euro für die neuen Bundesländer vorgesehen, wobei noch unklar ist, wie viele ESF-Mittel sich die Bundesregierung vorbehält.

Aus diesem Grund müssen wir uns intensiv mit der Frage auseinander setzen, wie wir die auf uns entfallenden Mittel in Sachsen vernünftig einsetzen können. Wir brauchen Investitionen, die sich arbeitsmarktpolitisch nachhaltig amortisieren. Frau Hermenau, hier ist der zweite Knackpunkt in Ihrer Vorlage. Es gibt unterschiedliche Auffassungen in der Staatsregierung und in der Koalition, wie die Aufteilung EFRE/ESF erfolgen soll. Richtig ist, dass die SPD so herangeht: 70 % EFRE, 30 % ESF. Es gibt andere Auffassungen.

Mir sei eine Nebenbemerkung gestattet zu dem, was Sie gesagt haben hinsichtlich der Mitwirkung des Parlaments, Transparenz des Vorgangs. Im ESF sind bis jetzt meines Wissens 60 und im EFRE 34 Vorhaben angemeldet. Es

wird ein ganz komplexes Gebilde gesellschaftlicher Organisationen, Vereine, Verbände, Kammern und Wirtschaft angesprochen, die in diesem Prozess mitwirken. Von daher kann man mangelnde Transparenz in der Mitwirkung wirklich nicht behaupten, es sei denn, man würde es wie Sie auf diesen Saal hier einengen wollen.

Nicht nur die Aufteilung ist ein Problem, es gibt auch unterschiedliche Auffassungen darüber, was man mit den Mitteln – das betrifft insbesondere die EFRE-Mittel – letztendlich fördert.

Wir gehen als SPD ganz klar von einem neuen Investitionsbegriff aus. Wir wollen „investiv“ definieren als Förderung in Bildung, Forschung, Entwicklung, Hochschulen, Hightech, Patente usw. Da, Frau Hermenau, liegen wir, so denke ich, ziemlich nah beieinander.

Ich bin auch zutiefst davon überzeugt, dass Deutschlands und damit auch Sachsens Chancen als Wirtschaftsstandort in hoch qualifizierten Tätigkeiten und damit verbundenen hoch qualifizierten Arbeitsplätzen liegen. Der erste Arbeitsmarkt ist immer mehr ein hoch qualifizierter Arbeitsmarkt.

Ich möchte nochmals betonen, dass aus sozialdemokratischer Sicht und auch aus meiner tiefsten Überzeugung heraus das oberste Ziel der Förderung Investitionen in Wissen ist und nicht primär Investitionen in Beton. Wissen ist gleich Arbeitsplätze und damit gleich Nachhaltigkeit in der Wirtschaft. Hier ist innerhalb der Koalition die Schlacht noch nicht geschlagen bzw. der Kompromiss noch nicht gefunden. Über die Verteilung der Mittel zwischen ESF und EFRE wird zurzeit auf Regierungsebene unter Beteiligung der Landtagsausschüsse diskutiert. Hier möchte ich auch noch einmal auf die Klausurtagung im Kabinett verweisen, die eine Voraussetzung für den weiteren Prozess innerhalb der Koalition ist.

Im Übrigen, Frau Hermenau, wurden die Vorstellungen der Staatsregierung bezüglich der Operationellen Programme nach meinem Kenntnisstand ausführlich im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr erläutert. Dort gehört der Antrag der GRÜNEN im Übrigen nach meiner Überzeugung auch hin. Initiativen seitens der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurden bisher nicht gestartet. Es vergeht auch kaum eine Sitzung im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, in der nicht über diese Thematik von Staatsminister Jurk informiert wird.

Auch im Finanzausschuss wurde das von Ihnen, Frau Hermenau, angesprochen. Auch dort wurde nach meinem Kenntnisstand von Herrn Metz zugesagt, zeitnah zu berichten, wenn eine Diskussionsgrundlage seitens der Koalition vorliegt.

Man kann davon ausgehen, dass erst im Juni/Juli 2006 durch das Europäische Parlament, durch den Europäischen Rat und durch die Europäische Kommission die entscheidenden Grundlagen für die Strukturfonds beschlossen werden. Es gibt eine Evaluierung, die voraussichtlich erst im September 2006 abgeschlossen sein wird.

Gleichzeitig bedarf es noch einer Abstimmung im Bund. Die Ausgestaltung des nationalen strategischen Rahmenplanes ist noch nicht abgeschlossen. Alles ist noch im Fluss. Auch als Haushälter sehe ich keine Beschneidung des Budgetrechts, denn die Programmierung der Strukturfonds wird sich natürlich auch im Haushalt des Freistaates wiederfinden, und gerade die Parallelität dieses Vorgangs birgt aus meiner Sicht durchaus eine Chance, zeitnah und aktuell in der Haushaltsdebatte auf entsprechende Erfordernisse in der EU zu reagieren. Aus diesem Grund lehnt die SPD-Fraktion Ihren Antrag ab.

Vielen Dank, Meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Die NPD hat noch 17 Sekunden. Das will ich Ihnen nur sagen.

(Alexander Delle, NPD: Danke!)

Die FDP-Fraktion, bitte. – Herr Morlok.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir unterstützen das Anliegen der GRÜNEN, wie sie es hier beantragt haben, nämlich endlich einen Entwurf der Staatsregierung bis zum 30.04. auf den Tisch zu bekommen. Wir sehen es wie die GRÜNEN, dass wir im Rahmen der EU-Strukturförderperiode wesentliche Weichenstellungen haben, nämlich für die EU-Förderung, aber auch für den Staatshaushalt und die tatsächlich freien Haushaltsmittel. Das Ende der StrukturFörderperiode fällt auch zusammen mit dem Beginn der Abschmelzung der Mittel aus dem Solidarpakt. Das kommt noch hinzu. Die Dinge, die wir hier fixieren, wirken über diese Zeit hinaus.

Einmal genehmigt – und hier irren die Koalitionsfraktionen –, sind die Operationellen Programme nur noch sehr schwer zu verändern. Das wurde uns in Brüssel letzte Woche, als wir dort als Fraktion weilten, bestätigt. Deswegen ist die Diskussion darum auch so wichtig.

Diese Operationellen Programme binden nicht nur diese Staatsregierung, sondern auch diesen 4. Sächsischen Landtag. Aber sie binden aufgrund ihrer Laufzeit auch den 5. Sächsischen Landtag, weil diese StrukturFörderperiode bis in die Amtszeit des nächsten, noch zu wählenden Landtages hineinreicht. Das, was wir jetzt gemeinsam beschließen oder auch nicht, bindet bereits die Abgeordneten, die erst noch für den nächsten Sächsischen Landtag zu wählen sein werden. Das zeigt noch einmal die Bedeutung dieser Angelegenheit, die wir momentan eigentlich gemeinsam besprechen sollten, die allerdings gegenwärtig nur in der Staatsregierung besprochen wird.

Sie behandeln die Erarbeitung dieser Programme quasi als geheime Kommandosache. Es ist nämlich nicht so, dass Transparenz herrscht. Wenn wir im Wirtschaftsausschuss nachfragen und wissen wollen, wo die Schwerpunktsetzung sein soll, welche Vorstellungen eingereicht wurden oder was die Stellungnahmen der Wirtschafts- und Sozialpartner sind, dann beantworten Sie uns das nicht. Das ist

einfach eine Verweigerung von Informationen. Wenn ich eine Kleine Anfrage hier im Parlament einreiche und eine Stellungnahme der Staatsregierung bzw. eine Auflistung dessen, was vorgelegt worden ist, haben möchte, dann bekomme ich keine Antwort, sondern nur den Verweis darauf, dass dies Regierungshandeln und nicht Sache des Parlaments sei. Das ist Ihre Haltung. Weil das die Haltung der Staatsregierung ist, ist der Antrag der GRÜNEN auch so wichtig.

(Beifall des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Wir haben den Hinweis der Staatsregierung aufgenommen, wir könnten doch die Wirtschafts- und Sozialpartner selbst anschreiben und sie fragen, was sie eingereicht haben. Dieser Anregung sind wir als Fraktion gern nachgekommen. Daraufhin erhält man nicht nur das, was die Wirtschafts- und Sozialpartner eingereicht haben, sondern diese nehmen auch Stellung zum Verfahren. Daran wird sehr deutlich, dass man überhaupt nicht mit der Verfahrensweise der Staatsregierung einverstanden ist.

Ich möchte nur ein Beispiel herausgreifen. Der SSG nennt es in seinem Antwortschreiben an unsere Fraktion Besorgnis erregend, dass noch kein Entwurf vorliegt. Das ist die Position des SSG. Wir teilen diese Besorgnis, weil für die nächsten Jahre so wichtig ist, was in diesen Operationellen Programmen steht.

Selbstverständlich wissen wir, dass zum jetzigen Zeitpunkt nur ein Entwurf, vielleicht auch nur ein grober Entwurf, vorgelegt werden kann. Wenn wir aber darauf warten, dass nach der Sommerpause alles bis zum Letzten ausgearbeitet ist und wir darüber diskutieren können, dann sind wirklich alle Messen gesungen und es ist zu spät, Einfluss zu nehmen.

Wenn die Informationspolitik der Staatsregierung in diesem Bereich etwas offener wäre, glaube ich nicht, dass der Druck von den GRÜNEN und auch von uns so groß wäre, weil wir dann auf die Zusammenarbeit mit der Staatsregierung vertrauen würden. Aber genau dieses Vertrauen fehlt. Wenn man in Brüssel nachfragt – und wir haben es getan –, dann hört man sehr wohl – und nicht nur hinter vorgehaltener Hand –, dass man dort die mangelnde Transparenz in Sachsen deutlich kritisiert. Wir waren letzte Woche dort und es wurde uns als lobendes Beispiel Sachsen-Anhalt genannt, das besser mit dieser Frage umgeht und die Wirtschafts- und Sozialpartner, aber auch die Parlamente einbezieht. Sachsen-Anhalt wurde als lobendes Beispiel dargestellt, während man Sachsen kritisierte.

Deswegen stimmen wir dem Antrag der GRÜNEN zu, auch wenn wir die Begründung in einzelnen Punkten nicht nachvollziehen können, wie Sie vielleicht verstehen werden, Frau Hermenau, weil das, was Sie zum Thema Straßenausbau gesagt haben, nicht unserer Position entspricht.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Aber wir teilen Ihre Auffassung, dass endlich Fakten auf den Tisch müssen. Wenn es noch keine detaillierten Entwürfe gibt, dann brauchen wir zumindest Grobkonzepte, damit wir über diese diskutieren können – wenn Sie dies wünschen, auch gern im Ausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und den GRÜNEN)

Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Frau Hermenau, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Morlok, es steht nicht der Begründungstext zur Abstimmung, sondern nur dieser eine Satz, den ich am Anfang zitiert habe. Insofern ist es egal, welche verschiedenen Motive uns antreiben.

Herr Hermsdorfer, wenn Sie denken, dass Sie das Grundanliegen mit uns teilen, was Sie hier in der Diskussion behaupten, kann ich Sie eigentlich nicht ernst nehmen. Ich habe gedacht: Der Mann könnte ruhig ein bisschen mehr Selbstbewusstsein zeigen und zum Beispiel einen Änderungsantrag formulieren. Das wäre möglich gewesen. Der Antrag liegt seit zehn Tagen vor. Zum Beispiel könnte man statt des 30. Aprils den 31. Mai oder den 30. Juni vorschlagen. Das wäre kein Problem gewesen. Sie hätten einen Änderungsantrag von wenigen Worten schreiben können. Das wäre in zehn Tagen keine Überforderung gewesen. Aber das haben Sie nicht getan. Insofern nehme ich Ihre Einwendungen auch nicht ernst.

Herr Flath wurde heute in der Zeitung öffentlich zitiert. Er stellte ein Operationelles Programm zum Europäischen Strukturfonds vor und sagte, dass das entschieden sei.