Protocol of the Session on December 9, 2005

Eins ist auch klar: Das Thema liegt als Arbeitsauftrag zunächst bei der Staatsregierung. Die Staatsregierung hat das Gutachten beantragt und sie ist jetzt gefordert, daraus Vorschläge zu erarbeiten. Der Landtag hat außer dieser Stellungnahme der Expertenkommission im Moment das Verfahren noch nicht am Fuß. Das muss man ganz deutlich sehen. Deswegen ist es völlig unstrittig, dass wir im Verfahren genauso vorgehen werden wie in den vergangenen Jahren bei den damaligen Kreisreformen bzw. der Gemeindegebietsreform.

(Unruhe bei der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Bitte zum Schluss kommen.

Das ist ein Angebot. Und wenn Herr Friedrich denkt, das ist schlimm, dann ist das seine Beurteilung. Ich kann mich dem nicht anschließen.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Herr Dr. Friedrich, bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kollege Bandmann, das war eine mittlere Drohung. Wenn das wirklich so wird wie bei der Kreisreform, dann „Gute Nacht, Sachsen!“

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Reformen ohne die Menschen, gar gegen die Menschen, sage ich zum Eingang, das wird nichts werden. Das wird scheitern. Das sollte sich auch die CDU-Fraktion hinter die Ohren schreiben. Der Begriff Reform ist gegenwärtig hochgradig diskreditiert. Denken wir an die Arbeitsmarkt-, Sozial- und Rentenreform und was alles an Reformbegriffen herumschwirrt. Wenn es nicht gelingt, den Nutzen dieser Reformen wirklich allen Menschen in Sachsen klar zu machen, wenn keine wirklichen Effekte herauskommen, dann sollten wir jegliche Reformen lassen. Reform heißt Verbesserung für die Menschen.

Am 2. Dezember hatte ich die Ehre, Gast auf der 20. Landkreisversammlung in Burgstädt zu sein. Präsident Andreas Schramm stellte dort das Konzept der Landkreise für die anstehenden Reformen vor. Wenn man so will, ist das ein krasses Gegenstück zum Expertenbericht. Im Übrigen gibt es einen weiteren Gegenbericht. Ich erinnere an die gemeinsame Stellungnahme der Kreisfreien Stadt Hoyerswerda und der Stadt Radeberg zum Expertenbericht. Dort hat – man höre – der exzellente Kenner der Materie Staatsminister a. D. Klaus Hardraht mitgearbeitet. Wenn man dieses Gegengutachten liest, dann bleibt vom Expertenbericht nicht viel übrig. Herr Hardraht ist ja nicht irgendwer. Er hat sich im Sommer 2000 schon einmal mit seinen Vorschlägen ziemlich weit vorgewagt. Wenn ich daran erinnern darf: Er ist von der eigenen Ministerialbürokratie zurückgepfiffen worden, und die CDU-Fraktion war auch nicht sonderlich mutig – im Sommer 2000, als wir schon einmal relativ weit waren, etwas zu tun.

Nun, natürlich hat Landrat Schramm Recht, wenn er an das Jahr 1994 erinnert. Damals hat Ministerpräsident Kurt Biedenkopf in seiner zweiten Regierungserklärung die Verwaltungs-, Funktional- und bürgernahe Reform als eines der zentralen Reformvorhaben seines zweiten Kabinetts genannt. 1994! Das kann man gern nachlesen.

Was ist nun aus all diesen hehren Vorhaben geworden? Unter fünf Innenministern, inzwischen haben wir den sechsten, ist bestenfalls Stückwerk entstanden, allerdings miserables. Zugegeben, die beiden Gebietsreformen wurden ziemlich straff durchgezogen, straffer als in jedem anderen östlichen Bundesland. Selbst die Staatsregierung muss in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage in der Drucksache 3/7717 zugeben, dass es eigentlich keine

rechten Effekte dieser Gebietsreform gibt. Auch das kann jeder nachlesen. Entgegen allen vollmundigen Versprechungen ist es weder zu nennenswerten Aufgabenkommunalisierungen noch zu Verwaltungsvereinfachungen, schon gar nicht zu mehr Bürgernähe gekommen. Und – was wir vor allem bedauern – die Selbstverwaltung wurde nicht gestärkt. Nun können die Landkreise zwar ohne Rückversicherung beim RP über die Grenzabstände bei Friedhöfen selbst entscheiden – toll! –, die Vermessungsverwaltung wurde privatisiert, die regionalen Planstellen kommunalisiert; das wars dann aber auch schon fast. Wirkliche Kracher sehen anders aus.

Was will die Linksfraktion.PDS? Wir haben einen Antrag in den Landtag eingebracht, Drucksache 3/3441, zum Thema „Beachtung des Leitbildes einer bürgernahen und transparenten Verwaltung bei der geplanten Verwaltungsreform in Sachsen“. Dieser Antrag wird im Januar zur nächsten Plenarsitzung thematisiert werden.

Meine Zeit reicht nicht aus, um auf alles einzugehen. Ich will aber auf den Punkt kommen. Natürlich gibt es den Expertenbericht. Er liest sich hochgradig technokratisch. Man sollte aber dafür die Experten nicht kritisieren, denn sie konnten natürlich nur das machen, was ihnen möglich war. Die Staatsregierung war zu feige – ich sage das so deutlich –, den Experten einen klaren Auftrag mitzugeben.

Will nun die Koalition eine bürgernahe Verwaltung? Will sie eine Billigverwaltung? Wenn ich mir die Reden von Herrn Ministerpräsidenten Milbradt anschaue und lese, dann kann man diesen Eindruck fast bekommen. Will sie eine effektive Verwaltung? Oder was will sie denn?

Sie hat es nicht gesagt. Deshalb darf man sich nicht wundern, wenn die Experten solche kruden Varianten von K, B und S herausbekommen, die eigentlich alles möglich machen.

Wir wollen – und das ist der Punkt –, dass der Landtag als Stätte der politischen Willensbildung in die Lage versetzt wird, nicht nur irgendwann im Januar, Februar oder vielleicht März das tolle Ergebnis der Lenkungsgruppe abzusegnen, was jetzt sicherlich am schönen warmen Kaminofen entsteht.

Bitte zum Schluss kommen.

Wir wollen, dass der Landtag aktiv in die Willensbildung einbezogen wird. Dazu ist heute eine erste Gelegenheit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Brangs, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grundlage der notwendigen Verwaltungs- und Funktionalreform sind eine demografische Entwicklung, die uns alle nicht erfreuen kann, und natürlich auch – das

müssen wir gleichfalls ansprechen – rückläufige Staatsfinanzen.

Wenn wir aber über eine Verwaltungsreform, eine umfassende Verwaltungsreform, sprechen wollen, dann sollten wir dies mit Augenmaß tun. Deshalb ist es wichtig, dass wir dabei einen ganzheitlichen Reformansatz wählen, der eben genau eine langfristige Zukunftsperspektive nach einem festen Leitbild verfolgt. Insofern ist unsere Auffassung, dass das Herzstück dieser Verwaltungsreform eine umfassende Funktionalreform sein sollte, bei der ein großer Teil der Aufgaben im Verwaltungsbereich auch neu verteilt wird.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Da sind wir gespannt!)

Da können Sie auch gespannt sein, Herr Hahn, Sie werden sich wundern.

Bei diesem Reformansatz geht es uns darum, dass wir Aufgaben dorthin verlagern wollen, wo sie hingehören, nämlich zu den Bürgern. Das heißt, wir wollen in der Frage der Kosteneffizienz natürlich auch das Thema Bürgernähe für uns auf die Fahnen schreiben. Wir wollen – und das soll auch so sein – die behördlichen Entscheidungen genau in eine Hand legen. Wir wollen, dass sie direkt vor Ort getroffen werden können.

Wir können es auch einfacher sagen: Wir wollen, dass die behördlichen Dienstleistungen aus einer Hand möglichst im nächsten Rathaus erfolgen.

Neben einer solchen Aufgabenkonzentration, die natürlich Parallel- und Doppelzuständigkeit verhindert, muss aus unserer Sicht die Funktionalreform vor allem im Wege – und das ist schon gesagt worden – einer umfassenden Aufgabenkritik auch eine Erhebung darüber zur Folge haben, welche überflüssigen Aufgaben wir tatsächlich haben und welche wir abbauen können. Das Ziel muss es sein, dass wir eine sehr verschlungene Bürokratie in Sachsen verschlanken und lichten.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das verlangen wir seit zehn Jahren!)

Das verlangen Sie seit zehn Jahren, Herr Prof. Porsch; aha!

Der zukünftige Verwaltungsalltag in Sachsen sollte daher nach unserer Auffassung von klaren Strukturen und Zuständigkeiten gekennzeichnet sein, bei denen eben genau diese schnellen Entscheidungen mit einer entsprechenden Transparenz möglich sind.

Es überrascht insofern nicht – das ist schon von dem Kollegen der Koalition gesagt worden –, dass wir ein Mehr an Bürgerfreundlichkeit wollen und dass das auch der Maßstab für dieses Herangehen ist. Wir müssen natürlich versuchen, dass wir die Menschen im Land in diese Reform einbeziehen und dass wir vor allem – das will ich an dieser Stelle deutlich sagen – die Beschäftigten in diesen Reformprozess einbeziehen. Es darf natürlich nicht so sein, dass die Botschaft nur lautet: Es geht ausschließlich um Einspareffekte und es geht ausschließ

lich darum, Personal abzubauen. Wir müssen auch die Ressource, die dort vorhanden ist, das Wissen, das Knowhow, das die Beschäftigten mit in diesen Prozess einbringen, sinnvoll nutzen. Deshalb sind wir der Auffassung, dass die umfassende Kommunalisierung von solchen Aufgaben von oben nach unten dringend erforderlich ist.

Die Möglichkeit, dieses Verfahren zu vereinfachen, auch gegenüber dem Bürger transparenter zu machen, ihm die Gelegenheit zu geben, am Verwaltungshandeln schneller und kompetenter teilzuhaben, ist das Thema E-Government. Das heißt, uns geht es darum, dass wir auf der einen Seite die technischen Voraussetzungen dafür schaffen, dass Bürgerinnen und Bürger über den PC Verwaltungshandeln viel kürzer und zeitnah erleben können. Aber wir wollen auch – es kann ja nicht sein, dass wir jetzt jeden Bürger zwingen, dass er sich an den PC setzt –, dass es im Rahmen der Debatte über eine Verwaltungs- und Funktionalreform dazu kommt, dass die Verwaltungen untereinander durch einen neuen Technikeinsatz eine verbesserte Arbeit und verbesserte Dienstleistungen anbieten können.

Genau das ist aus unserer Sicht der Punkt, der leider Gottes in der Öffentlichkeit immer sehr verkürzt dargestellt wird, der aber nicht ausschließlich Bestandteil der Diskussion im ersten Schritt sein sollte. Es geht eben im ersten Schritt nicht darum, ob wir neue Kreisgebietsgrenzen haben. Es geht nicht darum, ob wir eine Zahl von neuen Kreisen hier in Sachsen haben werden, sondern es geht darum, dass wir am Ende sagen müssen: Wenn wir die Strukturen haben, wenn wir wissen, welche Aufgaben wohin sollen, wenn wir wissen, welche Zuschnitte wir für bestimmtes Handeln und für bestimmte Abläufe in der Verwaltung wollen, dann können wir auch darüber reden, wie die neue Struktur aussieht.

(Beifall des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Danke, Kollege Hähle.

(Beifall bei der FDP)

Im ersten Teil meiner Ausführungen ist es uns wichtig zu sagen, dass der Ausgangspunkt unseres gemeinsamen Ansatzes sein muss: Wir wollen ein Leitbild. Nach diesem Leitbild wollen wir mehr Bürgernähe und eine Verwaltungseffizienz erzielen.

Im zweiten Teil dazu mehr.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Dr. Müller, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja schön, dass wir heute endlich mal zu dem Inhaltlichen kommen, nachdem im Oktober-Plenum die von meiner Fraktion beantragte Aktuelle Debatte, die das gleiche Thema zum Inhalt hatte,

auf Ihr Demokratieverständnis hin abgewürgt wurde. Ich werde mich auch nicht übermäßig bemühen, hier unseren Standpunkt noch ein zweites Mal vorzutragen.

Auch wir sind der Meinung: Eine Verwaltungsreform ist notwendig. Das steht außer Frage. Wir hatten im letzten Plenum angesprochen, dass wir die Regierungspräsidien für überflüssig halten. Wir hatten vorgeschlagen...

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Warum?)

Weil diese Aufgaben, Kollege Hähle, ohne Weiteres verlagerbar sind, zum einen ins Ministerium, zum anderen auf Kreis- und Kommunalebene bzw. zu den Körperschaften des öffentlichen Rechts, Selbstverwaltungskörperschaften, beispielsweise Ärztekammer, Anwaltskammer.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)