Protocol of the Session on December 7, 2005

Es werden sicherlich schon bis dahin viele Interessengruppen eingebunden sein. Auch danach wird es viele Möglichkeiten geben, unsere und ihre Vorstellungen gemeinsam zu diskutieren und ein vernünftiges Gesetz auf den Weg zu bringen, denn das ist es ja, was wir alle hier wollen.

Ende des nächsten Jahres – so ist das Ziel – wollen wir etwas vorliegen haben, womit wir hoffentlich alle einverstanden sein werden. Darum auch meine Frage, Frau Werner: Welche Enttäuschungen sind bei Ihnen jetzt wirklich relevant? Ich hoffe, dass wir diese Enttäuschungen noch ausräumen können. Auf der einen Seite sagen Sie nämlich, dass Sie keine Informationen haben, andererseits haben Sie heute hier dargelegt, welche Positionen Sie alle noch nicht gut finden. Sie haben eigentlich schon ein fest gefügtes Bild von dem, was wir im Dezember nächsten Jahres als Gesetzentwurf vorliegen haben werden. Ich persönlich habe dieses feste Bild nicht. Ich persönlich bin der Überzeugung, dass wir gemeinsam, natürlich auch mit der Staatsministerin, hier auf einem

ganz vernünftigen Weg sind und gemeinsam in diesen Prozess eingebunden werden.

In diesen Prozess hat natürlich nun gerade unser Ministerpräsident schon in erheblichem Maße eingegriffen – ich denke, sicher in guter Absicht –, denn jeder wird ja schließlich auch einmal seine Meinung als Privatperson sagen dürfen.

(Beifall bei der SPD)

Für mich hat sich in Freiberg die Frage gestellt, ob Herr Ministerpräsident Milbradt dort als Privatperson geladen war – das mag alles möglich sein, ich kenne die persönliche Einladung als Privatperson von Herrn Minister Milbradt nicht.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Bitte, Herr Prof. Porsch.

Frau Kollegin, könnten Sie mir bestätigen, dass es möglich ist, im Internet auf der Homepage der Staatskanzlei private Meinungen zu veröffentlichen?

(Heiterkeit bei der Linksfraktion.PDS)

Ich möchte gern davon Gebrauch machen!

Vielleicht erfahren wir das heute noch. Mir ist das bisher so nicht bekannt gewesen. Ich weiß aber, dass diese privaten Meinungen dort vorgefunden werden können.

Ich bin mir, wie gesagt, nicht ganz sicher, ob gerade diese Ideen, Gedanken usw., die natürlich jeder äußern kann, für den Entwicklungsprozess des Hochschulgesetzes von großem Nutzen waren. Ich bin mir aber ganz sicher, dass es Positionen sind, die nicht in jedem Falle auch mit den Positionen meiner Fraktion vereinbar sind. Ich halte das jedenfalls für keinen guten politischen Stil.

Auch inhaltlich ist einiges kritikwürdig. Wir werden sicherlich im Laufe des nächsten Jahres darüber noch intensiv zu diskutieren haben.

Richtig ist allerdings, dass wir wissenschaftspolitisch nicht mehr im Mittelpunkt des weltweiten Interesses stehen. Richtig ist auch, dass wir hier dringend etwas tun müssen. Wir sind ja gerade dabei, und es liegt sehr viel in unserer Hand. Dass die Einführung von Studiengebühren hier das Allheilmittel sein soll, halte ich jedoch für einen absoluten Irrglauben. Darauf werde ich später noch eingehen,

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der Linksfraktion.PDS)

denn am Anfang eines Gesetzgebungsprozesses sollten wir uns prinzipiell überlegen, was unser Ziel ist.

Was wollen wir? Ich denke, wir wollen mehr Studenten bzw. mehr Menschen zum Studium motivieren und gerade auch zunehmend aus sozial schwachen Schichten aufgrund der demografischen Entwicklung. Wir wollen mehr junge Menschen für Forschung und Wissenschaft begeis

tern. Wir wollen die besten Köpfe der Welt nach Deutschland holen. Hierbei werden wir in einen Diskussionsprozess bezüglich der W-Besoldung einsteigen müssen, denn mit dieser Besoldung, die derzeit in Sachsen gegeben ist, wird es schwierig werden. Aber wir werden es sehen. Man muss zunächst ein paar Erfahrungen mit der WProfessorenbesoldung sammeln.

Außerdem wollen wir mehr Nachwuchswissenschaftler auf einem hohen Niveau fördern. Das Thema JuniorProfessuren/Exzellenzinitiative hatten wir in einer der vorangegangenen Debatten. Wir wollen Innovationsprogramme mit Landesmitteln weiterhin komplimentieren und, ganz wichtig, die Hochschulen bei der Herausbildung eines klaren Profils unterstützen, das heißt, die Wettbewerbsfähigkeit der Universitäten in jedem Fall stärken. Die Stärkung der Autonomie hat mein Kollege Herr Dr. Wöller schon erwähnt. Ganz wichtig ist auch eine Qualitätssicherung und -anhebung bei allen Studienangeboten.

Was wir schon getan haben, wurde erwähnt, das heißt, Einführung der W-Besoldung, Hochschulzulassungsverordnung usw. Wir stehen im Moment vor der großen Aufgabe, die Hochschulnovelle oder die neue Hochschulgesetzgebung auf den Weg zu bringen. Wichtige Punkte bei den drei wesentlichen Aufgaben sind die Steigerung der Qualität unserer Hochschulen in Lehre und Forschung, die Erhöhung der Effizienz und natürlich die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Zur Sinnhaftigkeit von Studiengebühren in diesem Zusammenhang werde ich mich nachher hier noch einmal kurz äußern.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Aktuellen Stunde geht es wieder einmal um Studiengebühren, so wie bereits in der 10. Sitzung der Wahlperiode am 25. Februar dieses Jahres. An diesem Tag brachte die NPD-Fraktion mit der Drucksachennummer 4/0630 einen Antrag ein, in dem der Landtag aufgefordert wurde, auch zukünftig Studiengebühren für ein Erststudium an den Universitäten und Fachhochschulen im Freistaat Sachsen auszuschließen. Als NPD-Fraktion haben wir bereits damals erklärt, dass wir die Einführung von Studiengebühren strikt ablehnen, weil wir sie mit dem Anspruch bildungs- und sozialpolitischer Gerechtigkeit für unvereinbar halten.

Mit Studiengebühren würde nämlich der Weg in ein ZweiKlassen-Bildungssystem beschritten werden, weil Studierende aus besser gestellten Elternhäusern den Semesterbeitrag von vielleicht 500 Euro aus der Portokasse zahlen könnten, wohingegen sich Studierende aus finanzschwächeren Elternhäusern ein Studium entweder gar nicht

mehr leisten könnten oder aber eine zeitraubende Nebentätigkeit annehmen müssten, die dann das Studium nicht unerheblich in die Länge zöge. Dafür könnten sie dann – je nachdem, wie weit die Hochschulreformer noch gehen – zwangsexmatrikuliert werden, oder sie bekämen als so genannte Langzeitstudenten vielleicht auch noch Zusatzgebühren aufgebrummt. Die finanziellen Hürden für ein Studium würden mit Studiengebühren immer höher und höher und die Bildungschancen damit immer ungleicher verteilt.

Auch ohne Studiengebühren hat die Zahl der Studierenden, die zur Sicherung ihrer Existenz neben dem Studium einer Erwerbsarbeit nachgehen müssen, seit 1990 um 20 % zugenommen, in Mitteldeutschland sogar um rund 35 %. Diese Zahl würde noch einmal nach oben schnellen, wenn Studiengebühren im diskutierten Umfang eingeführt würden. Ich darf daran erinnern, dass bereits heute in Sachsen rund 40 % aller Studierenden aus sozialen Gründen auf BAföG angewiesen sind.

Wer dem so dringend benötigten akademischen Nachwuchs – ich erinnere zudem daran, dass hierzulande bereits heute die Studierendenquote eines Altersjahrganges deutlich unter dem OECD-Durchschnitt liegt – noch Studiengebühren aufbürden will, vergeht sich am Bildungs- und Wirtschaftsstandort Sachsen und Deutschland und lässt Jungakademiker sprichwörtlich mit einer Hypothek in das Berufsleben starten, sofern es – dank Ihrer aller Politik – selbst für diese hoch qualifizierten jungen Deutschen noch Arbeit gibt im Staat der ökonomischen Abrissbirne.

Durch die Einführung von Studiengebühren würden sich viele Studierende noch weiter verschulden müssen, ehe sie mit ihrer Qualifikation auch nur einen einzigen Euro verdient haben. Selbst die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, die sich ausdrücklich für Studiengebühren ausspricht, räumt ein, dass die durchschnittliche Belastung eines Studierenden mit Studiengebühren bei durchschnittlich 15 500 Euro liegen würde, dies aber auch nur dann, wenn der Studierende innerhalb der Regelstudienzeit bleibt. Ansonsten hätte ein Studiengebührenzahlender noch mehr zu berappen als diese 15 500 Euro. So kann sozial ausgewogene Bildungspolitik wohl kaum aussehen!

Als am 25. Februar in diesem Haus bereits über Studiengebühren diskutiert wurde, war dem ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vorausgegangen. Am 26. Januar hatte der 2. Senat einer Normenkontrollklage von sechs Bundesländern gegen das Verbot von Studiengebühren stattgegeben, weil das im August 2002 in das Hochschulrahmengesetz aufgenommene Gebührenverbot das Gesetzgebungsrecht der Bundesländer verletze. Seit diesem Karlsruher Richterspruch können die Länder nach eigener Entscheidung Studiengebühren einführen, obgleich die Gebührenregelung sozial verträglich zu sein habe – wie auch immer das zuwege zu bringen sein soll.

Zu den sechs Ländern, die damals gegen das Gebührenverbot klagten, gehörte auch das damals noch allein von

der CDU regierte Sachsen. Man kann wohl unterstellen, dass derjenige, der für das Recht auf Einführung von Studiengebühren klagt, diese bei passender politischer Großwetterlage auch einführen wird. Wahrscheinlich hätten wir in Sachsen längst eine unsoziale Gebührenregelung nach dem Rezept neoliberaler Hochschulreformer und Sparkommissare, wenn die Union bei der letzten Landtagswahl nicht ihre absolute Mehrheit eingebüßt hätte und sich einen Koalitionspartner in das Regierungsboot hätte holen müssen, der sich bislang gegen Studiengebühren aussprach. Bei der Prinzipienlosigkeit und politischen Prostitution der SPD – ich denke an die Bundestagswahlkampagne gegen die Mehrwertsteuererhöhung, die die sozialdemokratischen Großkoalitionäre in Berlin mittlerweile mittragen – kann man aber seine Uhr danach stellen, wann die Sozis auch bildungspolitisch umfallen und Studiengebühren hinnehmen werden, um die Koalition hier in Dresden zu retten.

Aber das Plädoyer des Ministerpräsidenten, das wir vor kurzem vernommen haben, galt ja nicht nur den Studiengebühren, für die er ausdrücklich plädiert hat, sondern auch dem Umbau der sächsischen Universitäten zu halbökonomischen Einrichtungen, die mit der klassischen deutschen Universität nichts mehr gemein haben.

Dazu aber nachher mehr. Einstweilen danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort; Herr Dr. Schmalfuß, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum gegenwärtigen Zeitpunkt existieren keine Studiengebühren für das Erst- und Zweitstudium an Universitäten und Fachhochschulen im Freistaat Sachsen. Die SPD-Fraktion ist der Auffassung, dass das kostenfreie Studium – wir haben es gerade gehört – auch in Zukunft beibehalten wird. Im Gegensatz dazu ist die Vorstellung des CDU-Ministerpräsidenten, dass Studiengebühren im Grundsatz in der Zukunft möglich sind.

Am 25. Februar 2005 wurde hier im Sächsischen Landtag eine Debatte zum Thema Studiengebühren geführt. Die derzeitige Diskussion über Studiengebühren an sächsischen Fach- und Hochschulen schadet dem Wissenschaftsstandort Sachsen eher, als dass sie dessen Weiterentwicklung unterstützt.

Tatsache ist, meine sehr verehrten Damen und Herren: Andere Bundesländer werden Gebühren erheben und es könnte sich bundesweit durchsetzen.

(Ministerpräsident Prof. Dr. Georg Milbradt: Und zwar mit Zustimmung der FDP!)

Herr Ministerpräsident, Sie können gern das Mikrofon benutzen und mir eine Frage stellen.

Damit ist weniger die Frage, ob es Studiengebühren gibt, sondern wie diese gestaltet werden.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Liberal heißt sowohl als auch!)

Studiengebühren sind im Freistaat Sachsen aufgrund der Bedingungen an den Universitäten und Fachhochschulen sowie der nicht vorhandenen Autonomie der Hochschulen zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausgeschlossen. Bevor über die Einführung von Studiengebühren nachgedacht werden kann, ist jedoch eine umfassende Strukturreform mit der Zielsetzung einer personell und finanziell autonomen Hochschule zwingend erforderlich. Die vorgenannte Strukturreform der Hochschulen muss mit einer Debatte über die bessere Finanzierung der Fach- und Hochschulen verbunden werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor dem Hintergrund der dramatischen demografischen Entwicklung ist der Wettbewerb um die besten Köpfe und die beste Ausbildung überlebenswichtig. Wenn wir es nicht gemeinsam schaffen, schnell die erforderlichen Reformen im Hochschulbereich einzuleiten, werden dem Freistaat Sachsen als Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort das nötige Wissen und die nötigen Menschen fehlen, um langfristig das gegenwärtige Wohlstandsniveau auch nur ansatzweise sichern zu können.

Sehr geehrte Damen und Herren, erforderlich ist eine nachhaltige Reform, die den Fach- und Hochschulen mehr Selbstständigkeit bei der Binnenorganisation im Rahmen der Personalauswahl und -führung sowie im Finanzbereich bis hin zu einem Globalhaushalt einräumt. Nur unter den vorgenannten Voraussetzungen können die sächsischen Bildungseinrichtungen im zunehmenden Wettbewerb ein eigenständiges Wissenschaftsprofil aufbauen.

Der Freistaat Sachsen braucht Bildungseinrichtungen mit eigener sächsischer Identität. Eigenverantwortung und Selbstverwaltung sind dafür unentbehrlich. Ein neues Hochschulgesetz darf vor dem Hintergrund meiner Ausführungen nur den unbedingt notwendigen Handlungsrahmen vorgeben. Die Mitbestimmung der Studenten im Rahmen der universitären Selbstverwaltung muss beibehalten werden, da eine Hochschule, die zukünftig im Wettbewerb um die Studenten steht, auch deren Rechte bei der Mitgestaltung berücksichtigen muss.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Sehr geehrte Damen und Herren! Aus Sicht der FDPFraktion ist es erforderlich, dass die Staatsregierung bis zum Frühjahr 2006 eine große Novelle des Hochschulgesetzes in den Landtag einbringt. Die gemeinsame Zielsetzung muss in diesem Zusammenhang die Vorlage eines Gesetzes sein, das die sächsischen Fach- und Hochschulen zum Wintersemester 2006/2007 in die Freiheit entlässt.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.