Protocol of the Session on December 7, 2005

(Beifall bei der FDP)

Ich erteile der Fraktion GRÜNE das Wort; Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mir ist es nicht ganz so schwer gefallen klarzumachen, woran sich diese Diskussion entlangranken wird: Es ist natürlich die Konfrontation, die zwischen dem Ministerpräsidenten und seiner Wissenschaftsministerin stattgefunden hat. Es ist ja kein typischer Vorgang in der deutschen politischen Landschaft, dass innerhalb einer Regierung medienöffentlich ein solcher Schlagabtausch stattfindet. Den Anlass hat ein weiteres Mal Ministerpräsident Milbradt mit seiner Freiberger Rede geliefert, in der er nicht nur – wie schon oft – Studiengebühren gefordert hat – dazu komme ich im zweiten Teil meines Beitrages –, sondern in der er sich auch erstmals sehr klar für unternehmensähnliche Hochschulen ausgesprochen hat.

(Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Konkret wurde von einem extern besetzten Aufsichtsrat, der den Vorstand beaufsichtigt, gesprochen. Besser Klartext kann man eigentlich nicht sprechen. Das Kontra von Ministerin Ludwig hatte sofort unsere Unterstützung. Frau Staatsministerin, Sie sagten, dass Sie Mitbestimmung als tragende Säule im sächsischen Hochschulwesen verankern wollen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Na hoffentlich!)

Das hat unsere Zustimmung, das hat unsere Unterstützung. Es folgte aber in diesen Tagen damals, als diese Konfrontation stattfand, auch schlagartig die Ernüchterung, und zwar durch das Eckpunktepapier Ihres Ministeriums, das völlig andere Botschaften in sich trägt.

Um etwas zur Informationspolitik zu sagen, die hier eingeklagt wurde: Ich glaube auch, dass es nicht normal ist, dass die Abgeordneten des Sächsischen Landtages die Eckpunkte für die grundlegende Reform des sächsischen Hochschulwesens im Downloadbereich der „Leipziger Volkszeitung“ finden sollten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Links- fraktion.PDS – Prof. Dr. Peter Porsch, Links- fraktion.PDS: Immerhin, sie ist dort zu finden!)

Dieses Reformmodell, das im Eckpunktepapier beschrieben wird, ist aus unserer Sicht kein sozialdemokratisch geprägtes, sondern es ist genau die Umsetzung der als private Überlegungen deklarierten Pläne des Ministerpräsidenten, und dagegen werden wir Widerstand leisten.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der FDP – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Ich lasse keinen Zweifel daran: Eine Reform des sächsischen Hochschulwesens ist dringend notwendig. Wir haben als zentrales Ziel für diese Reform definiert, Autonomie und Mitbestimmung zu garantieren.

Ich möchte hier erst einmal die ausgestreckte Hand unserer Fraktion zu einigen Punkten, die im Eckpunktepapier enthalten sind, deutlich machen. Auch wir spre

chen davon, dass die Autonomie der Hochschulen und die notwendige staatliche Steuerung über Zielvereinbarungen gesichert werden können. Auch wir halten es für sehr wichtig, dass die Hochschulen endlich finanzielle Selbstständigkeit und Eigenverantwortung in Form von Globalhaushalten bekommen. Auch wir wollen, dass die Personalhoheit an die Hochschulen übergeht und dass Berufungsverhandlung und Berufungsverfahren endlich in den Händen der Hochschule liegen – und dort auch in der Nähe des Problems – und eigenverantwortlich durchgeführt werden können.

Wir würden in einigen Punkten noch weiter gehen. Wir haben es seit der 1. Legislaturperiode schon für unangebracht gehalten, dass Hochschullehrer einen Beamtenstatus erhalten. Wir haben damals in der 1. Legislaturperiode in der Debatte zum ersten Sächsischen Hochschulgesetz unsere Änderungsanträge eingebracht; sie wurden mit der Begründung abgelehnt, das wäre ein Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Hochschulen in Deutschland. Heute bringt der Ministerpräsident diesen Vorschlag in seiner Freiberger Rede auch. Also lassen Sie uns dort mutig vorangehen.

Wir haben aber keine Gemeinsamkeit in Fragen, bei denen es um die hochschulische Mitbestimmung geht, wenn versucht wird eine Gremienstruktur zu schaffen, die die hochschulische Mitbestimmung zur Farce degradiert. Ich nenne nur ein Beispiel: Rektorate, die in Eigenmächtigkeit Studiengänge einführen oder streichen können – das ist das Gegenteil von hochschulischer Mitbestimmung. Es tangiert aus unserer Sicht auch sehr scharf den Grundgesetzartikel, der Freiheit von Wissenschaft und Forschung deklariert.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Wir sind für Demokratie an Hochschulen, weil sich mit demokratischen Entscheidungen, mit den Diskussionen, die deren Grundlage sind, die Qualität der Entscheidung verbessert und die, die an der Diskussion teilhaben, diese Entscheidung auch gemeinsam tragen können. Diese Qualität von hochschulischer Entwicklung ist das, was wir in Sachsen brauchen. Sie ist mühselig. Aber nur eine Diktatur von Rektoraten und Aufsichtsräten wäre ein schnellerer Weg.

Auch wir kennen die Klagen über ineffiziente Konzile, über zu lange Debatten an Hochschulen. Für uns steht aber die Frage in der weiteren Diskussion über dieses Eckpunktepapier und zum Sächsischen Hochschulgesetz: Wie schaffen wir es, Mitbestimmung zu verbessern und nicht abzuschaffen?

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion.PDS und des Abg. Karl Nolle, SPD)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Frau Werner, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Ziel und Zweck der Debat

te wurde schon viel gesagt. Deswegen möchte ich mich etwas anderem zuwenden, nämlich einem anderen Papier. Dieses wurde nicht unter einem Kopierer liegen gelassen, sondern – das wurde schon erzählt – Teile dessen können wir auf den Seiten der Staatskanzlei finden. Es ist der Festvortrag des Ministerpräsidenten zum 240-jährigen Bestehen der TU Bergakademie Freiberg und deshalb, so zumindest die Annahme des Ministerpräsidenten, ein sehr persönliches Papier. Wären wir bei der Sendung mit der Maus, könnte man sagen: Klingt komisch, ist aber so. – Es ist aber eben nicht komisch.

Herr Ministerpräsident Milbradt, Ihre ganz privaten Ergüsse, die wiederum nicht neu sind, haben nicht nur für zahlreichen öffentlichen Wirbel, sondern auch für Ängste gesorgt. Sie sind auch deshalb nicht komisch, weil Sie damit auch für eine Eskalation in der hiesigen Hochschulpolitik sorgen, die den anstehenden Aufgaben keineswegs gerecht wird.

Die andere Vermutung, dass Sie Ihren Koalitionspartner vorführen wollten, liegt nahe – um Ihre Parteifreunde zu befriedigen oder Ihr Ego, sei dahingestellt.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das glaube ich auch!)

Herr Prof. Milbradt, ich würde Ihnen jetzt gern meinen ganz persönlichen bösen Tagtraum ans Herz legen. Darin sehe ich mich in 30, 35 Jahren als altes Mütterlein vor dem Feuerchen kauern. Mein Enkel kommt, um sich die obligatorischen 500 Euro – der bayerische Wissenschaftsminister forderte 1 500 Euro – bei mir abzuholen, die ihm sein Studium finanzieren sollen. Wahrscheinlich wird sich der Arme jedes Mal die gleiche Geschichte anhören müssen: dass ich mich noch gut erinnere, dass zu meiner Jugend niemand Studiengebühren zahlen musste, dass es noch Krippenplätze für alle gab und ich so – trotz der Kinder – studieren konnte, dass aber dann, als meine Tochter Nele das Studium begann, schon wieder alles anders wurde. Es gab nämlich nur eine begrenzte Anzahl von Bildungsgutscheinen. Weil sie auf so einen Hallodri hereingefallen war, bekam sie während des Studiums ein Kind und musste sich mit ihm, meinem Enkel, allein durchschlagen.

Es dauerte fast zwei Jahre, bis sie einen Krippenplatz bekam. Weil sie in meiner Nähe war, konnte ich ihr aber ab und zu helfen. Wahrscheinlich gingen ihr meine Ratschläge irgendwann auf die Nerven – Hotel Mama ist auch nicht so das Tollste – und sie ging weg. Du warst oft krank. Sie konnte ihr Studium nicht in der Regelstudienzeit beenden. Die Bildungsgutscheine waren aufgebraucht. Sie musste vier Semester dazukaufen. Nebenjobs waren damals wegen Hartz IV immer schwerer zu finden. Ich weiß nicht, wie sie dich damals durchbekommen hat. Die ersten Schuljahre waren aber sehr glücklich. Er ging auf eine freie Schule; da war der Unterrichtsausfall nicht ganz so hoch.

Bei Onkel Luca, meinem Sohn, war das dann anders. Er musste wegen der Abschaffung der ZVS in ein Bundesland mit Studiengebühren, die als Darlehen ausgereicht

wurden. Leider standen er und seine Freundin wegen der Gebühren und des BAföG nach dem Studium vor so einem Schuldenberg, dass sie sich entschlossen, erst einmal keine Kinder in die Welt zu setzen, bis die Schulden abgetragen waren. Irgendwann war es zu spät, und du bist halt mein einziges Enkelkind geblieben. So ging es vielen anderen jungen Leuten auch.

Soweit mein Albtraum, der aber in Teilen schon Realität ist; denn schon heute werden 40 % der Akademikerinnen ohne Kinder bleiben. Die Gründe kennen Sie. Wie wird es erst einer Frau mit einem Schuldenberg gehen und dem Wissen darum, dass sie immer noch weniger Chancen als Männer und – trotz gleicher Qualifikation – ein geringeres Einkommen hat, aber supermobil auf dem Arbeitsmarkt sein soll? Wie wird sie sich entscheiden?

Ich will es gleich sagen: Ich will nicht so eine Kinderzählerei betreiben, wie es sonst manchmal im Landtag geschieht. Ich glaube, Menschen entscheiden sich sehr gewissenhaft und aus guten Gründen gegen Kinder. Sie haben Angst vor Umweltzerstörung, sie haben Existenzangst oder Angst, den Kindern nicht gerecht zu werden. Ich kann diese Gründe nur akzeptieren; denn diese Entscheidung ist die Privatangelegenheit der Menschen. Es ist aber keine Privatangelegenheit, wenn es Menschen erschwert wird, sich für Beruf und Kinder zu entscheiden, oder wenn ihnen die Möglichkeit genommen wird, Bildung zu erlangen, die ein selbstbestimmtes und menschenwürdiges Leben sichert.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Studiengebühren wirken eben nicht nur heute, sondern auch morgen und übermorgen. Sie wirken nicht nur in dem Land, in dem sie erhoben werden, sondern im gesamten Bundesgebiet, und führen zu einer geistigen, kulturellen und sozialen Verarmung.

Deshalb, Herr Ministerpräsident, kann ich Ihre Privatmeinungen nicht akzeptieren. Sie sind der Ministerpräsident. Ihnen obliegt die Richtlinienkompetenz. Ich verlange von Ihnen, dass Sie sich dieser Verantwortung verantwortungsbewusst stellen.

Danke.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Dr. Wöller, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, es wird der Debatte und den Herausforderungen, vor denen wir stehen, nicht gerecht, wenn wir hier eine linke Märchenstunde veranstalten. Wir sollten uns lieber den Realitäten zuwenden.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Warum brauchen wir überhaupt Reformen im Hochschulbereich? Die Herausforderungen sind – wenigstens

schemenhaft – auch in dieser Debatte deutlich geworden: die demografische Situation, das dynamische Umfeld, in dem wir uns bewegen – wir befinden uns leider nicht auf einer Insel der Seligen –, und die hohe Bedeutung, die der Faktor Wissen in dieser Gesellschaft entfaltet. Wir stehen vor der Aufgabe, diese Infrastruktur des Wissens zu sichern; denn sie stellt die Grundlage unserer modernen Gesellschaft dar. Kreativität, Innovation und Mut brauchen einen staatlichen Rahmen, innerhalb dessen sie sich entfalten können.

Der Staat stößt nun einmal an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. Das spüren wir nicht nur im Hochschulbereich. Wir sind gut beraten, uns nicht nur hier, sondern auch in anderen Politikfeldern grundlegende Gedanken zu machen, wie wir den Herausforderungen gerecht werden können. Wir sind – ich wiederhole es – im Vergleich zu anderen Bundesländern in keinem anderen Bereich so gut mit Mitteln ausgestattet wie im Hochschul- und Forschungsbereich. Wir müssen auch die Frage klären, wie wir mit diesen Mitteln in Zukunft wirksamer umgehen können.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Gunther Hatzsch, SPD)

Meine Damen und Herren! Vor uns steht in der Tat die Aufgabe, im nächsten Jahr mit einer großen Hochschulnovelle wieder ein Stück weit auf diesem Reformweg voranzukommen. Es werden bereits jetzt Diskussionen geführt, nicht nur im Sächsischen Landtag, sondern mit allen Hochschulpolitikern bzw. mit dem Ministerium. Diese Diskussionen sind durchaus auf einem guten Wege. Sie sind von einer hohen Sachlichkeit, von Pragmatismus und der gemeinsamen Überzeugung, hier vorankommen zu wollen, geprägt.

Worum geht es? Wir wollen die Autonomie, die wir in den vergangenen Jahren schon gewährt haben, weiter stärken sowie insbesondere die Qualitätssicherung in der Lehre vorantreiben. Dazu gehört nun einmal, bestehende Strukturen auf den Prüfstand zu stellen.

Natürlich ist das Recht der Selbstverwaltung ein wichtiges Recht, das in keiner Weise abgeschafft werden soll. Aber wenn Selbstverwaltung innerhalb von Hochschulen zum Selbstzweck verkommt, dann kann die Hochschule der eigentlichen Aufgabe, nämlich Forschung und Lehre zu betreiben, nicht mehr gerecht werden. Deshalb ist es durchaus richtig, diese Strukturen auf den Prüfstand zu stellen und auch hier zu grundlegenden Veränderungen zu kommen. Freiheit und Verantwortung sind siamesische Zwillinge, sie gehören nun einmal zusammen. Wer die Freiheit hat, Entscheidungen, auch haushalterische Entscheidungen zu treffen, der muss dafür auch die Verantwortung übernehmen.

Meine Damen und Herren! Wir wollen das, was wir mit dem Modellversuch an der TU Dresden begonnen haben, fortführen, nämlich eine Wirtschaftsführung, die im Bereich der Hochschulen liegt und die von Autonomie und Autarkie gekennzeichnet ist. Dazu gehört, dass die

Berufungsverfahren auf die Hochschulen verlagert werden.

Ich komme zum letzten Punkt, der auch Gegenstand der Aktuellen Debatte ist: den Studiengebühren. Ich habe großes Verständnis dafür, dass es ein ideologisches Thema ist, an dem man sehr schnell seine Meinung festmachen kann, ohne grundhaft darüber nachdenken zu müssen. Es geht nicht darum, ob Studiengebühren eingeführt werden sollen oder nicht. Die zugrunde liegende Frage lautet: Wir alle, jedenfalls zu großen Teilen, tragen die Überzeugung in uns, dass wir mehr Mittel im Hochschulbereich brauchen, um den großen Herausforderungen gerecht werden zu können. Diese zusätzlichen Mittel, die notwendig sind, können nun einmal nicht vom Staat kommen. Ich habe noch keinen Bürger dieses Landes gehört, der nicht über eine zu hohe Steuer- und Abgabenbelastung klagen würde. Die genannten zusätzlichen Mittel müssen natürlich bezahlt werden.