Damit haben Frau Matthes und Herr Prof. Dr. Mannsfeld die notwendigen Jastimmen erhalten. Ich frage Sie, ob Sie die Wahl annehmen. Frau Matthes?
Als Antragstellerin hat zunächst die Linksfraktion.PDS das Wort. Die weitere Reihenfolge: CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. – Die Debatte ist eröffnet. Frau Werner, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Staatsministerin Ludwig, ich habe sehr lange überlegt, wie ich die heutige Debatte beginnen könnte. Ich tue mich sehr schwer. Der Grund dafür sind Enttäuschungen. Enttäuschungen haben immer etwas mit falschen Erwartungen zu tun.
Sehr geehrte Frau Ludwig, ich sehe uns noch in der letzten Legislaturperiode zum Thema Schulpolitik gemeinsam Herrn Dr. Rößler auffordern, nicht selbstherrlich im Elfenbeinturm zu sitzen und dort seine Entscheidungen zu treffen, und wir waren uns auch inhaltlich sehr nahe. In Ihrem ersten Interview als neue Ministerin sagten Sie, was anders sein würde, dass Sie auf die breite Beteiligung der Betroffenen am Entscheidungsprozess setzen und eine transparente, offene Diskussion anstreben.
Ich habe mir eine neue Art von Zusammenarbeit versprochen. Ich hoffte auf Ihre ursächlichen sozialdemokratischen Ansätze – auch in der Hochschulpolitik – und auf die von mir in der letzten Legislaturperiode vergeblich eingeforderte öffentliche gesellschaftliche Debatte zum Stand und zur Zukunft der Hochschulen hier in Sachsen.
Aber, Frau Ministerin Ludwig, sowohl in der Geheimniskrämerei als auch in der inhaltlichen Zielsetzung bis hin zum Übergehen der Anforderungen der Betroffenen hätte es Herr Rößler kaum schlechter machen können.
Ich weiß, dies ist ein sehr hartes Urteil, und ich möchte es begründen. Am Anfang der Legislatur bat ich Sie im Ausschuss – der im Übrigen geschlossen tagte –, darüber Auskunft zu geben, was Ihre Vorhaben und Schwerpunkte in den nächsten Jahren sein werden.
Der Ausschuss soll eigentlich das Territorium für diese inhaltlichen Diskussionen sein. Das wird zumindest den Besuchergruppen immer erzählt. Aber es ist doch gelogen, weil früher die Meinungen immer schon feststanden. Ich hoffte, dass das mit Ihnen, Frau Ministerin, anders wird. Wir boten unsere Zusammenarbeit an. Es ging um die Hochschulreform für Sachsen. Irgendwann, Frau Ministerin, sagten Sie, ja, Sie werden eine Regierungserklärung halten. Als wir nach dem Termin fragten, sagten Sie: im Frühjahr 2006. Sie erinnern sich sicherlich an meine Empörung; denn es war ja klar, dass bis dahin die Messen für das neue Hochschulgesetz gesungen sind und wir kaum noch Änderungsmöglichkeiten haben. Ich setzte auf die Hoffnung, dass Sie zumindest die Betroffenen
beteiligen werden. Ich weiß, es gab eine kleine Arbeitsgruppe der Rektoren, die aber wiederum zur strengsten Geheimhaltung verpflichtet wurden.
Es gab die Konferenz der sächsischen Studierendenschaften, die sich auch an Sie wandte. Ich weiß, am Anfang war sehr viel Optimismus. Sie nahmen sich Zeit, Sie haben interessiert zugehört. Nur: Von den Vorschlägen etwas übernommen oder sich deren Kritiken angenommen haben Sie bisher nicht. Dass Sie die Gewerkschaften – die GEW, Ver.di –, VertreterInnen des Mittelbaus, andere MitarbeiterInnen oder Gleichstellungsbeauftragte angehört und deren Anliegen aufgenommen haben, ist – so befürchte ich – auch eine vergebliche Hoffnung von mir.
Meine nächste Hoffnung war, dass Sie sich entsprechenden Sachverstand holen. Da sitzt Herr Weiss, langjähriger Rektor der Uni Leipzig. Es gibt die JuSo-Hochschulgruppen. Sie haben eine Stiftung, Erfahrungen anderer sozialdemokratischer Länder. Aber nichts von alledem! So scheint es zumindest, wenn man sich die Eckpunkte des Gesetzes, das die Mitglieder des Wissenschaftsausschusses im Übrigen immer noch nicht kennen, genauer anschaut. Sie holten sich den Sachverstand vom absolut CDU-nahen neoliberalen CHE, dem Zentrum für Hochschulentwicklung – ein Kind der Bertelsmannstiftung. Und – das wissen wir alle – der Bertelsmannkonzern bemüht sich um die Kommerzialisierung von Wissenschaft und Bildung. Es geht darum, zukünftig lukrative Märkte für den Medienkonzern zu erschließen. Von dem ließen Sie sich Ihre Eckpunkte bewerten, ließen sich Vorschläge machen und haben einen seit Jahren im Ministerium sitzenden CDU-Mitarbeiter das Gesetz schreiben lassen, das er wiederum teilweise vom badenwürttembergischen Gesetz abgeschrieben hat. Das verstehe ich einfach nicht. Es erklärt zumindest, was herausgekommen ist: ein Gesetz, das einen massiven Abbau von Demokratie und Mitbestimmung an unseren Hochschulen beinhaltet.
Ich will es kurz zusammenfassen. Sie wollen das Konzil, das höchste Gremium der Uni, in dem Lehrende, Studierende und MitarbeiterInnen vertreten sind, abschaffen. Stattdessen wollen Sie einen Hochschulrat einführen, der mehrheitlich von Externen besetzt sein soll. Außerdem erhält das Rektorat deutlich mehr Macht und kann faktisch im Alleingang über die wichtigsten Belange der Hochschulen entscheiden. So entstehen steile Hierarchien. Sie konzentrieren die wichtigsten Entscheidungen auf den Rektor bzw. auf das Rektorat. Der mehrheitlich externe Hochschulrat, der wiederum vom SMWK gestellt wird, bestimmt die Entwicklung der Hochschulen. Das hat nichts mit Autonomie zu tun. Die Hochschule befindet sich in den Händen des Ministeriums, des Rektors und
des externen Hochschulrates. Identifikation, Motivation, Verantwortung für die eigene Hochschule können so nicht entstehen.
Frau Ministerin Ludwig, ich sehe Ihr Dilemma und ich weiß, wie schwer es ist, da herauszukommen. Der Ministerpräsident hat es mit seinen persönlichen Erklärungen auch nicht leichter gemacht. Ich möchte Sie aber auffordern: Zeigen Sie Rückgrat! Besinnen Sie sich auf Ihre sozialdemokratischen Positionen! Gehen Sie in die öffentliche Diskussion! Lassen Sie uns gemeinsam die Zeit nehmen, die Stärken und Schwächen des sächsischen Hochschulsystems aufzuzeigen und Lösungen zu finden! MitstreiterInnen gibt es noch viele.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Werner, die ja noch studiert, hat wieder von Hoffnungen und Erwartungen gesprochen. Mir fällt dazu von Goethe ein: „Oh glücklich, wer noch hoffen kann, aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen. Was man nicht weiß, das eben brauchte man, und was man weiß, das kann man nicht gebrauchen.“
Meine Damen und Herren! Auch hier beschäftigt uns wieder eine Diskussion zur Hochschulreform. Sie wollen einfach nicht zur Kenntnis nehmen, dass wir ein sehr erfolgreiches und gesundes Hochschulsystem haben, das wir seit 1990 erfolgreich mit allen Studierenden, mit allen Lehrenden in Sachsen aufgebaut haben.
Es ist eine glückliche Verbindung von Tradition und Innovation, die sich außerordentlich bewährt hat. Wenn hier die Rede von Hochschulreform ist, so ist es nicht nur eine Hochschulreform, sondern es ist ein ganzer Reformprozess, der bislang noch nicht an sein Ende gekommen ist. Es geht darum, das leistungsfähige sächsische Hochschulsystem unter veränderten dynamischen Umweltbedingungen zukunftssicher zu machen. Bereits die letzte Regierung hat entscheidende Weichenstellungen mit dem Hochschulkonsens vorgenommen. Ich möchte an dieser Stelle dem ehemaligen Wissenschaftsminister Dr. Rößler herzlich danken für diese wichtige und zukunftsgerichtete Weichenstellung.
Meine Damen und Herren! Wir haben mit diesem Hochschulkonsens langfristige Planungssicherheit bis 2010. Wir setzen die konsequente Profilierung unserer Hochschullandschaft fort und haben eine flexible und selbstverantwortete Wirtschaftsführung eingeleitet. Dies führt zu Strukturverbesserungen und zu einer Haushaltsflexibilisierung, die bis jetzt deutlich greift.
Meine Damen und Herren! Wir haben in dieser Legislaturperiode weitgehend geräuschlos und ohne Ihr Feldgeschrei einige Gesetzesvorhaben erfolgreich auf den Weg gebracht.
Hierzu gehört das Hochschulzulassungsgesetz. Statt der ehemals 24 % ist es den Hochschulen nun möglich, für 60 % der zulassungsbeschränkten Studiengänge Studenten selbst auszuwählen. Das stärkt die Autonomie und Selbstverantwortung der Hochschulen in nachhaltiger Art und Weise. Nicht nur die Abiturnote, sondern es können künftig außerschulische Qualifikationen, Berufserfahrung, Qualifizierung und eben Studierfähigkeitstests einbezogen werden. Das ist durchaus ein Novum und der erste Schritt auf einem Weg, den wir fortsetzen wollen. Er führt zur Minimierung der Abbrecherquoten, zu einer Verbesserung des Ausbildungsprozesses.
Meine Damen und Herren! Auch die Hochschulbauförderung möchte ich in diesem Rahmen nicht unerwähnt lassen. Wir haben von 1991 bis 2002 für die Hochschulbauförderung zwei Milliarden Euro – Bund und Freistaat gemeinsam – ausgegeben, mit Abstand so viel wie kaum ein anderes Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland. Die beiden letzten Gesetzesvorhaben waren die Besoldungsrechtsreformgesetze. Wir haben leistungsbezogene Elemente der Entlohnung eingebaut. Die Hochschulen können selbst bestimmen, wie sie eingruppieren bzw. welche Elemente sie leistungsbezogen und für Forschungsaufwendungen abrechnen wollen. Damit versetzen wir die Hochschulen in die Lage, diese Autonomie gezielt fortzusetzen und das Profil zu schärfen.
Wir haben morgen auf der Tagesordnung die so genannte Kleine Novelle – das Gesetz zur Änderung des Sächsischen Hochschulgesetzes. Wir werden Bachelor und Master als Regelstudiengänge einführen. Wir werden auf Anzeige und Genehmigungsvorbehalte verzichten. Die Studienordnung, die Prüfungsordnungen, die Promotionsordnung sollen künftig von den Hochschulen selbst ohne Mitwirkung des Wissenschaftsministeriums erstellt werden. Das ist eine konsequente Weiterentwicklung der Hochschulautonomie und eine Stärkung der Eigenverantwortung.
Entgegen Ihren Erwartungen und entgegen dem Eindruck, den Sie hier fälschlicherweise verbreiten, haben die Koalitionsfraktionen eben keine Reformrhetorik betrieben, sondern eine erfolgreiche Reformpolitik, die erste Früchte trägt. Wir werden diesen Weg auch in Zukunft
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordneten! Frau Werner, auch für mich war es nicht ganz so leicht, als ich das Thema der Aktuellen Debatte gelesen habe, mir sofort Sinn und Zweck des Ganzen herzuleiten. Es ist ja so, wie es gerade von meinem Kollegen Wöller dargestellt wurde: Das Ganze ist ein Prozess.
Ich denke, dass wir gerade bei der Gesetzgebung der großen Hochschulnovelle, die wir erarbeiten, ganz am Anfang stehen. Mir persönlich ist aus der vergangenen Legislatur eigentlich so gut wie nicht bekannt – gleich, ob ich es gut oder nicht gut finde –, dass wir schon Eckpunkte der CDU-Regierung erhalten hätten, bevor überhaupt etwas im Diskussionsprozess war bzw. bevor wir nahe an einem ersten Entwurf waren. Ich denke, dies ist keine ungewöhnliche Sache. Sie wissen – deshalb stehen wir auch hier –, dass es im Moment noch keine einheitliche Position der Staatsregierung zur Hochschulreform gibt. Ich denke, auch innerhalb der Fraktionen gibt es Diskussionsbedarf. Es wird derzeit an einem Gesetzentwurf im SMWK gearbeitet und ich nehme an, dass im Endstadium die gemeinsame Position der Koalition enthalten sein wird.
Nun liegt ein Eckpunktepapier vor, ein erstes Arbeitspapier. Dann wird, wenn wir in diesen Diskussionsprozess einsteigen – Frau Ministerin hat sich dazu vor der Presse schon geäußert –, im Frühjahr ein erster Entwurf vorliegen.
Es werden sicherlich schon bis dahin viele Interessengruppen eingebunden sein. Auch danach wird es viele Möglichkeiten geben, unsere und ihre Vorstellungen gemeinsam zu diskutieren und ein vernünftiges Gesetz auf den Weg zu bringen, denn das ist es ja, was wir alle hier wollen.