Protocol of the Session on July 15, 2005

Ich will noch einmal ausdrücklich betonen: Wenn engagierte Pädagogen allein wegen ihrer Teilnahme an einer Demonstration gegen Schulschließungen gefeuert werden, dann ist die Demokratie in ihren Grundfesten gefährdet.

(Beifall bei der PDS)

Der Kultusminister hat die angeblichen Gründe im Schulausschuss selbst ad absurdum geführt. Auf meine entsprechende Frage hin hat Herr Flath zugegeben, dass es Ziel der Demonstration war, den Bürgermeister der Gemeinde Lohmen dazu zu bewegen, gegen den ausgesprochenen Mitwirkungsentzug rechtlich vorzugehen.

Herr Dr. Hahn, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich möchte den Satz gern zu Ende führen, weil das ein wichtiger Punkt ist. Dann gestatte ich gern die Zwischenfrage. – Die Demonstration richtete sich also nicht gegen den Dienstherrn, nicht gegen das Kultusministerium, sondern an den Bürgermeister, den Schulträger, die Gemeinde. Genau das ist der Unterscheid, wenn von einer Pflichtverletzung gegenüber dem Dienstherrn gesprochen wird. Diese hat hier nicht stattgefunden.

Jetzt kommt die Zwischenfrage. Herr Prof. Weiss, bitte.

Herr Kollege Dr. Hahn, finden Sie es wirklich richtig, dass ein Lehrer seine Schüler zum Fernbleiben vom Unterricht – wenn auch aus politischem Grund –, das heißt zum Schulschwänzen auffordert? Finden Sie es nicht richtig, dass in so einem

Fall eine disziplinarische Maßnahme ergriffen werden sollte? Wir können darüber streiten, welcher Art diese disziplinarische Maßnahme sein sollte.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Auf den letzten Punkt komme ich gern zurück. Ich frage aber zurück: Was hätten Sie gesagt, wenn dieselben Lehrer protestiert hätten und auf die Straße gegangen wären, weil die Stellenzuweisungen nicht ausreichend sind und deshalb massenhaft Unterricht ausfällt?

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN)

Insofern halte ich den Protest für legitim.

Es gab einen anderen Vorwurf, Herr Minister. Sie haben behauptet, der Schulleiter hätte die Fürsorgepflicht gegenüber den Kindern verletzt, weil es am fraglichen Tag geregnet habe – so wörtlich im Schulausschuss – und dadurch ernsthafte gesundheitliche Folgeschäden zu befürchten seien. Wenn das allen Ernstes Ihre Position ist, Herr Flath, dann bitte ich Sie, künftig auch alle Wandertage in Sachsen zu untersagen – es könnte an dem Tag vielleicht regnen.

(Beifall bei der PDS und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Damit bin ich bei der Abwägung, Herr Kollege Weiss. Selbst wenn man nach Abwägung aller Umstände zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass die beiden Schulleiter in Lohmen eine Pflichtverletzung begangen haben – ich sehe das nicht so –, dann sind die ausgesprochenen Änderungskündigungen in jedem Fall unverhältnismäßig.

(Beifall bei der PDS, den GRÜNEN und des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Die „Sächsische Zeitung“ aus Pirna brachte es aus meiner Sicht auf den Punkt. Sie hat geschrieben: „Dort wird vorgelebte Demokratie abgestraft.“

(Beifall bei der PDS und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Man muss es an dieser Stelle zur Ehrenrettung der Kollegen sagen – die Schule liegt in meinem Wahlkreis –: Der Leiter der Mittelschule hatte einen mehr als 40-jährigen erfolgreichen Schuldienst hinter sich und hat sich nie etwas zu Schulden kommen lassen. Drei Wochen vor Beginn seines Vorruhestandes wurde er als Schulleiter gefeuert. Ich finde das maßlos und unverschämt.

(Beifall bei der PDS, den GRÜNEN und des Abg. Torsten Herbst, FDP)

Herr Kollege Dr. Hahn, ist eine weitere Zwischenfrage zulässig?

Wenn die Zeit angehalten wird, gern.

Bitte schön, Herr Staatsminister Tillich.

Ich möchte den Abg. Dr. Hahn fragen, welchen Wahlkreis er in den letzten Landtagswahlen gewonnen hat. Er sprach von „seinem“ Wahlkreis.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Tillich, wir werden in den nächsten Jahren noch viel mehr gewinnen. Sie werden sich wundern!

(Beifall bei der PDS – Lachen bei der CDU – Frank Kupfer, CDU: Das erzählt er schon seit zehn Jahren!)

Natürlich wissen Sie, dass die Fraktion die Verantwortlichkeiten eingeteilt hat. Mein Zuständigkeitsbereich ist der Raum Pirna-Sebnitz, und dort liegt Lohmen.

Herr Kollege Dr. Hahn, es gibt eine nächste Zwischenfrage. Diese beantworten Sie natürlich?

Bitte.

Herr Bartl.

Herr Kollege Dr. Hahn, geben Sie mir darin Recht, dass ein Staatsminister im Freistaat Sachsen wissen müsste, dass es verfassungswidrig ist, zwischen zwei verschiedenen Mandaten im Landtag zu unterscheiden?

(Beifall bei der PDS)

Ich glaube, dass ich die Antwort nicht geben muss. Das ist eigentlich klar.

Jetzt wird es langsam spannend. Auch Herr Morlok möchte noch etwas fragen.

Ja, bitte.

Bitte.

Herr Kollege, könnte es sein, dass das schlechte Wahlergebnis der CDU bei der letzten Landtagswahl auch daran gelegen hat, dass verschiedene Abgeordnete dieses Hauses die Wahlkreise tatsächlich als ihr Eigentum betrachtet haben?

(Beifall bei der FDP, der PDS und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Ich bin öfter in der Situation, Ihnen widersprechen zu müssen. In diesem Fall tue ich es ausdrücklich nicht.

(Beifall bei der PDS und der FDP)

Die zweite Lehrerin, die betroffen ist – auch das muss man sagen –, ist seit 25 Jahren an der Schule – seit 13 Jahren als Schulleiterin – tätig. Wer mit erfahrenen und geachteten Pädagogen so umspringt, braucht sich nicht zu wundern, wenn sich das Parlament mit einem solchen Vorgang befasst.

Ich will Ihnen nur noch einen Punkt nennen, wie das bei den Betroffenen ankommt. Ich habe mit Eltern gesprochen. Zur jüngsten Elternversammlung in Lohmen hat eine Mutter den versammelten Eltern erzählt: „Meine Tochter hat auch Zettel verteilt. Nun fragt sie: Mutti, bin ich schuld, dass Herr Sauer entlassen wurde?“ „Was“, so fragt die Mutter, „soll ich meiner Tochter darauf antworten?“

(Rita Henke, CDU: Oje!)

Nehmen Sie einfach einmal zur Kenntnis, wie die Eltern, die Schüler und die Lehrer das vor Ort erleben.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Die Reaktion zeugt davon!)

Lohmen ist kein Einzelfall. Nun bitte ich den Minister, sehr genau zuzuhören, was die Maßregelung von Schulleitern angeht, die sich gegen den Kahlschlag im Schulbereich zur Wehr setzen. Ich fordere den Kultusminister auf, hier und heute zu erklären, ob es zutrifft, dass mehrere Schulleiter, so zum Beispiel in Schwarzenberg, wegen der Teilnahme an Protesten und ihrer Intervention gegen geplante Schulschließungen mit Geldstrafen in vierstelliger Höhe belegt worden sind. Ich möchte von Ihnen wissen, ob das zutrifft.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Hört, hört!)

Ich erwarte eine eindeutige Aussage.

Gleiches gilt auch für eine andere Information. Ist es zutreffend, Herr Minister, dass bis in die letzten Tage hinein nach diesen Vorgängen Schulleiter von den Regionalschulämtern genötigt wurden, Verpflichtungserklärungen zu unterschreiben, dass sie zu Bildungsthemen keinerlei Kontakt zu gewählten Abgeordneten aufnehmen. Wenn das zuträfe, dann wäre das die Wiederauflebung des unsäglichen Maulkorberlasses von Mitte der neunziger Jahre. Auch hier verlangen wir unverzüglich Aufklärung.

Noch eine letzte Bemerkung zur Abberufung der Lohmener Schulleiter: Der bildungspolitische Sprecher der CDU, Herr Kollege Colditz, äußerte sich in den „DNN“ sehr skeptisch zur Entscheidung der Kultusbehörde. Nach seiner Ansicht hätten die bisherigen Leistungen der Betroffenen vor einer solchen Maßnahme berücksichtigt werden müssen. Recht hat er!