Ja, man kann Maximalforderungen stellen und nie zufrieden sein. Man muss bloß aufpassen, dass man nicht in die Nähe des Querulatorischen kommt.
Ich sagte, es gibt auch Schützenswertes in diesem Land, allen voran unser Sozialstaat, um den uns die Bürger der meisten Länder dieser Erde immer noch beneiden. Wenn wir die Vorteile dieser großartigen Idee und des daraus resultierenden sozialen Friedens systematisch kleinreden, schwächen wir letztendlich die Kräfte, die dieses solidarische Modell zu verteidigen gewillt sind.
Bei der aktuellen Kita-Diskussion verhält es sich ganz ähnlich. Der Freistaat tut alles, um die Rahmenbedingungen für die zumindest im deutschen Maßstab quantitativ und qualitativ bereits sehr gute Kita-Versorgung weiter zu verbessern. Aber die öffentliche Diskussion wird von theoretisierenden Akademikern und Maximalforderern beherrscht.
Meine Damen und Herren, dabei ist es doch einfach nicht zu leugnen, dass kein deutsches Bundesland insgesamt gesehen einen weitergehenden Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz vorweisen kann als der Freistaat Sachsen.
Wir dürfen dabei aber nicht vergessen, dass die Kita-Betreuung letztendlich eine kommunale Aufgabe ist. Das Land setzt nur die Rahmenbedingungen. Das bedeutet, dass wir nicht alles per Gesetz vorgeben können, weil vieles in der Praxis in unseren Städten und Gemeinden geregelt werden muss.
Meine Damen und Herren! Nur auf den ersten Blick ist der viel verlangte Rechtsanspruch per Gesetz die bessere Lösung. Erfahrungen zum Beispiel in Brandenburg belegen doch, dass praktisch damit noch nichts gewonnen ist. Es zeigte sich wieder einmal: Nicht immer ist die einfachste Lösung die beste Lösung. Gut gemeint ist halt immer noch das Gegenteil von gut.
Die Kita-Betreuung in Sachsen wird genau dann eine gute Zukunft haben, wenn sich Land und Kommunen weiterhin gleichermaßen engagieren. Mit der deutlichen Aufstockung der Finanzmittel und mit den vorhin erwähnten Sonderprogrammen hat der Freistaat diesbezüglich eine ganz klare Ansage gemacht. Ich wiederhole es: Auch der in der Öffentlichkeit so sehr kritisierte Gesetzentwurf geht weit über die bisherige rechtliche Praxis hinaus.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es steht ja fest: Schon bald werden geburtenschwache Jahrgänge einen gravierenden Fachkräftemangel nach sich ziehen. Frauen stellen mittlerweile mehr als die Hälfte aller Studienabgänger. Unsere Gesellschaft kann es sich einfach nicht leisten – heute nicht und noch weniger in der Zukunft –, diese immensen geistigen Potenziale brachliegen zu lassen.
Darüber hinaus versteht es sich von selbst, dass in einer modernen Gesellschaft jede Frau das Recht auf ungestörte berufliche Selbstverwirklichung haben muss. Die regierungstragenden Fraktionen haben dies verstanden und bei der Kinderbetreuung ganz klare Prioritäten gesetzt. Das will ich hier noch einmal feststellen.
Wir geben den Kommunen viel mehr Geld. Wir tun eine Menge für die Verbesserung der Bausubstanz und wir beginnen Kindergarten und Schule miteinander zu verzahnen, zum Beispiel über abgestimmte Bildungspläne.
Aber wir sind natürlich noch lange nicht am Ziel. In Deutschland – und natürlich auch hier in Sachsen – gibt es zu wenige Kinder. Unser Land muss insgesamt kinderfreundlicher werden. Dazu bedarf es eines grundsätzlichen Mentalitätswechsels, aber natürlich auch weiterer Anreize für die Familien. Familienpolitik – das ist mein Kredo, das ist das Kredo der SPD – ist eine Aufgabe von allgemeinem Interesse, und deshalb muss sie auch von der Allgemeinheit getragen und finanziert werden.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung hat ermittelt, dass 84 % der Sachsen Kinder und Erwerbstätigkeit miteinander vereinbaren wollen. Dieser Wunsch ist für uns politisches Programm. Wir wollen, dass Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen sind. Während im Osten Deutschlands zwei von drei Müttern arbeiten, sind es in Westdeutschland deutlich weniger. Dies stellt höhere Anforderungen an uns, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten. Den Wunsch nach dieser Vereinbarkeit hat die Politik ernst zu nehmen.
Wir tun dies in Sachsen, indem wir ein hervorragendes Netz der Kinderbetreuung mit Kinderkrippe, Kindergarten, Hort und Tagespflege finanzieren. Obwohl wir bereits im Vergleich zu anderen Bundesländern eine blü
hende Kindergartenlandschaft haben, satteln wir in diesem und im nächsten Jahr weitere 94 Millionen Euro drauf. Das ist eine riesige Kraftanstrengung. Das Institut für Mittelstands- und Regionalentwicklung hat im Mai eine Studie vorgelegt mit dem Titel: „Familie und Beruf – flexible Kinderbetreuung für berufstätige Eltern im Freistaat Sachsen“. Eine Kernforderung der Studie ist, die Tagespflege auszubauen. Die Tagespflege sei die flexibelste Form der Kinderbetreuung – so die Begründung. In der Tat: Die Tagespflege hilft Eltern, die auch nach 17:00 Uhr arbeiten oder samstags ins Büro oder an die Werkbank müssen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hinzubekommen. Die Tagespflege gewinnt an Zulauf. 2002 gab es 127 Kinder in der Tagespflege, in diesem Jahr sind es bereits 1 648. Es gab also ein rasantes Wachstum. Die Zahl der Kinder in der Tagespflege hat sich innerhalb von drei Jahren verdreizehnfacht. Gerade in den Großstädten Dresden und Leipzig ist die Tagespflege äußerst beliebt.
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass aber gerade in den Großstädten ein Prozess läuft, Kinderkrippenplätze in Kindergartenplätze umzuwidmen, um den Bedarf zu decken, und deshalb viele Eltern überhaupt keine andere Möglichkeit haben, als die Tagespflege als letzten Anker zu nutzen; dass hier also keine freie Wahlmöglichkeit existiert?
Ich hatte mich mit einem freien Träger aus Ihrer Stadt, Leipzig, unterhalten, der mir sagte, es gebe viele Kindertagesstätten und viele Krippen, die einfach an den falschen Orten sind – beispielsweise eben nicht in Neubaugebieten; ich meine damit Eigenheimgebiete. Dort ist die Tagespflege natürlich eine gute Möglichkeit, gerade in diesen Eigenheimgebieten, eine wohnortnahe Kinderbetreuung anzubieten, während es, wenn Kindergartenplätze woanders vorgehalten werden, für die Eltern äußerst problematisch ist, durch die ganze Stadt zu fahren und die Plätze dort aufzusuchen. Wir haben in den Großstädten im Regelfall einen steigenden Bedarf. Diesen steigenden Bedarf kann man relativ schnell und flexibel mit Kindertagespflegeplätzen decken. Die Stadt Dresden hatte uns in der Anhörung auch gesagt, dass die Schaffung eines neuen Krippenplatzes 12 000 bis 12 500 Euro – wenn ich es richtig in Erinnerung habe – kostet. Damit ist es für die Kommunen natürlich relativ leicht zu bewerkstelligen, das hinzubekommen. Wir können die Kommunen nur darin unterstützen, dies auch zu tun.
Mit unserem neuen Kindertagesstättengesetz wollen wir die Tagespflege stärken; denn zufriedene Familien sind zufriedene Arbeitnehmer, und zufriedene Arbeitnehmer sind eine Top-Referenz für den Wirtschaftsstandort Sach
sen. Gerade für Hochqualifizierte mit Familien ist Sachsen eine der ersten Adressen. Es gibt nur wenige Bundesländer, die uns hier das Wasser reichen können und so stark für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Laut einer Forsa-Umfrage aus diesem Jahr wünschen sich neun von zehn Eltern, dass sich die Arbeitgeber für die Kinderbetreuung einsetzen. Sachsen unterstützt Firmen, die dies tun. Wir fördern Betriebskindergärten, ob das die HypoVereinsbank in Leipzig oder die Komsa in Hartmannsdorf oder das Klinikum Chemnitz sind. Mit einem Betriebskindergarten schaffen diese Firmen ideale Arbeitsbedingungen für ihre Beschäftigten. Sie verringern damit die Ausfallzeiten gerade von Müttern, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen das zu schätzen. Sie arbeiten gern in einem solch engagierten Betrieb und suchen sich weit seltener einen anderen Arbeitgeber.
Natürlich gibt es neben den Betriebskindergärten noch weitere Modelle, wie sich Firmen für die Kinderbetreuung engagieren können. Frau Schütz hatte das Beispiel des Chipherstellers Infineon genannt, der sich Belegplätze besorgt hat.
Lassen Sie mich folgende Zusammenfassung bringen: Wir haben zusätzlich 94 Millionen Euro in die Hand genommen, um die Kinderbetreuung in Sachsen weiter zu verbessern. Wir unterstützen Betriebskindergärten und wir wollen es Eltern noch stärker ermöglichen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.
Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann die Staatsregierung bitte; Frau Ministerin Orosz.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte ebenfalls mit einem Satz aus der Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertages beginnen, der da lautet: „Gute Kinderbetreuung ist ein wichtiger Zukunftsfaktor.“ Der DIHK fordert in dieser Studie, dass Kinder in Kindertageseinrichtungen zum einen besser auf die Schule vorbereitet werden, zum anderen, dass Betreuungszeiten mit den Eltern vereinbart werden können und – man höre und staune – es keine Schließzeiten über Mittag mehr geben darf. Ich denke, das zeigt deutlich, wo wir in Sachsen mit unserem Kita-Angebot stehen. Die Studie spricht bei solchen Verhältnissen von „Zukunft“, von „Zukunftsstandort“ und von „Zukunftsinvestition“, und ich glaube, allen hier wird deutlich, dass wir in Sachsen bereits in dieser Zukunft angekommen sind.
Unter diesem Aspekt ist es schwer verständlich, wenn einige Redner der Opposition immer wieder versuchen deutlich zu machen, dass die Betreuung nicht den Qualitätsanforderungen der heutigen Zeit entspricht und dass hier mehr zu kritisieren ist, als auf das erfolgreich Geschaffene hinzuweisen wäre.
Herr Neubert: Auch Ihre Kritik an der Tagespflege weise ich ausdrücklich zurück. Die Tagespflege ist auch an Qualifizierung gebunden – und ich habe bisher immer gedacht, dass Sie dies wissen –, sodass also hier keine Qualitätsbeeinträchtigungen stattfinden, wenn Kinder in Tagespflege betreut werden.
Meine Damen und Herren! Ich darf auf einige Redebeiträge eingehen, weil es mir wichtig ist, bestimmte Dinge richtig zu stellen. Wir haben heute gehört, auch von Frau Herrmann – was mich etwas erstaunt –, dass die Tagespflege als Billig-Kita bezeichnet wird. Ich möchte hier ausdrücklich noch einmal darauf hinweisen, dass die Tagespflege ein begleitendes Angebot ist. Herr Krauß hat gerade nochmals darauf hingewiesen, wie wichtig es in bestimmten Situationen von Familien, aber auch bei Angebotsengpässen ist, diese Tagespflege anzubieten, und ich möchte mich ausdrücklich für das Engagement der Tagespflege „Mütter und Väter in Sachsen“ bedanken.
Frau Ministerin! Ich habe gesagt, dass die Tagespflege in Dritträumen Billigpflege sein kann, nicht die Tagespflege in den Räumen der Kindeseltern oder der Betreuungspersonen.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einmal darauf hinweisen, was wir in den letzten Jahren geschaffen haben: Es ist nicht nur ein hervorragendes Angebot. Ich möchte die Zahlen noch einmal wiederholen: fast 100 % Versorgung bei den Drei- bis Sechsjährigen – und da gibt es auch einen Rechtsanspruch, Herr Leichsenring – und wir haben eine fast vierzigprozentige Versorgung bei Null- bis Dreijährigen und von fast 60 % bei den Hortkindern.
Meine Damen und Herren der Opposition! Sie halten es immer für legitim, sich mit anderen Bundesländern zu vergleichen. Ich bitte Sie eindringlich, der Ehrlichkeit halber dies an dieser Stelle zu tun, denn es gibt kein Land in Deutschland,