Protocol of the Session on July 13, 2005

Meine Damen und Herren von der PDS! Ich finde es im Grundsatz lobenswert und nebenbei bemerkt wahltaktisch klug, dass Sie sich des Kleingartenwesens annehmen. Sie sind mit Ihrem Gesetzentwurf aber deutlich über das Ziel hinausgeschossen. In Artikel 10 der Sächsischen Verfassung ist der Natur- und Umweltschutz zum Staatsziel erhoben. Jetzt wollen Sie einen Abs. 4 eingefügt haben, der sich dem Kleingartenwesen widmet. Wenn wir in dieser Systematik weitermachen, bekommen Abs. 5 die Ornithologen und Abs. 6 die Streuobstwiesenbesitzer. So kann man doch im Ernst nicht mit einer Verfassung umgehen! Das ist eine Überzeichnung und ein Stück aus Absurdistan.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Es gibt deutsche Verfassungen, wo das enthalten ist!)

Das, was einzig und allein erwägenswert ist, ist Artikel 5 Ihres Gesetzes. Kleingärten würden damit im Kommunalabgabengesetz landwirtschaftlichen Nutzflächen gleichgestellt. Dafür spricht einiges. Es ist nur schade, dass Sie so viele Seiten eines Gesetzentwurfes benötigen, um einen kleinen vernünftigen Punkt zu verstecken.

(Beifall bei den GRÜNEN, vereinzelt bei der CDU und der SPD)

Wird von den Fraktionen noch einmal das Wort gewünscht? – Herr Abg. Bartl, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Heinz, von der Landwirtschaft mögen Sie Ahnung haben, vom Kleingartenwesen ungefähr so viel wie ich vom Flugwesen.

Es ist unsäglich, wenn jemand, nachdem wir uns wirklich über zwei Jahre in diesem Haus bis hin zur Expertenanhörung, der spezifische Sprecherfunktion hat, derart flach über das Thema daherredet. Sie müssen doch überhaupt keine Zeitung lesen. Sie müssen doch gar nicht die Erklärung Ihres eigenen Ministers lesen. Zum 6. Verbandstag 2004 erklärte Steffen Flath, seines Zeichens damals Minister für Umwelt und Landwirtschaft, wörtlich, veröffentlicht in Verbandszeitungen: „Diese Gründe“ – nachdem er umfänglich würdigt, was unser Kleingartenwesen im Freistaat Sachsen, ausgehend von Schreber in Fortsetzung von hundertvierzigjähriger Geschichte und Verdiensten mit allem Drum und Dran, was er alles getan hat, sagt dann am Ende – „sind Anlass genug, das Kleingartenwesen in Sachsen weiter zu stärken. Die Leistungen für das Allgemeinwohl verdienen zu Recht“ – in der Kleingartenzeitung war es dann kursiv gedruckt – „sonderrechtlichen Schutz, Anerkennung und Unterstützung.“ Sonderrechtlichen Schutz, keine Streicheleinheiten, keine Willenserklärungen, keine neuen Fragen an die Staatsregierung, was er alles seit 1990 für das Kleingartenwesen gemacht hat, keine neuen Kniebeugen, Beweihräucherungen! „Sonderrechtlichen Schutz“ hat Ihr Minister seinerzeit gesagt. Nun erklären Sie mir einmal, warum das, was 2004 vor der Wahl richtig war, 2005 nun nicht mehr stimmt, Herr Heinz. Dazu müssen Sie hertreten. So viel Redezeit haben Sie doch noch. Ihnen geht es doch nicht so schlecht wie den GRÜNEN!

Zweitens. Herr Kollege Bräunig – ist er noch da, der Herr Vizepremier? Im Juli/August 2004 bekamen die Kleingärtner mit, wie Sie den Gesetzentwurf der PDSFraktion versenken wollten, weil Sie nämlich Dampf hatten, über ihn vor der Wahl zum 4. Sächsischen Landtag abzustimmen, weil Ihnen die 700 000 Wählerinnen und Wähler ja auch im Kopf herumspukten, wo Sie im Verfassungs- und Rechtsausschuss verhindert haben, weil die damalige Geschäftsordnung es Ihnen ermöglichte, dass das Gesetz zur 2. Lesung in den Landtag kommt, weil Sie einfach im Ausschuss keine Beschlussempfehlung gefasst haben. Ohne Beschlussempfehlung ging kein Gesetzentwurf in den Landtag zur 2. Lesung. Jetzt haben Sie es bemerkt, dass innerhalb von sechs Monaten, wenn ein Gesetzentwurf nicht behandelt ist, die einbringende Fraktion dies jetzt verlangen kann. Nun haben Sie es hineingebastelt. Damals konnten wir es noch nicht. Da haben Sie es einfach auf die Sanfte geerdet. Im Vorfeld des Erdens haben sich über 220 Kleingartenvereine mit Schreiben an den Sächsischen Landtag gewandt: an den Präsidenten, an Ausschüsse. Da hat der Präsident ihnen eine Drucksachennummer gegeben und sie an die Fraktionen und an die Ausschussmitglieder zur Stellungnahme weitergegeben.

In der Situation sah sich der verehrte Thomas Jurk, seinerzeit noch firmierend unter dem Kopfbogen SPD, Thomas Jurk, Fraktionsvorsitzender, gehalten, an diese Vereine wie folgt zu schreiben, ich zitiere einmal beispielhaft aus dem Schreiben an den Kleingartenverein Seewiesen e. V., Vorsitzender – den Namen lasse ich weg – vom 2. September 2004, das war 17 Tage vor der Landtagswahl: „Sehr geehrter Herr …, Ihre Forderung, für das Kleingartenwesen den rechtlichen Rahmen zu schaffen, der es Ihnen ermöglicht, einer Nutzung Ihrer

Kleingärten künftig unter günstigeren Bedingungen nachzugehen, findet unsere Unterstützung. Eine seriöse Beratung eines Gesetzentwurfes zur Förderung des Kleingartenwesens ist in Wahlkampfzeiten nicht möglich und wäre auch nicht zielorientiert. Ein derartiger Versuch muss gerade auch angesichts der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse im Sächsischen Landtag“ – das war noch das Geschoss in Richtung Ihres heutigen Koalitionspartners – „so kurz vor den Landtagswahlen geradezu scheitern. Ihrem berechtigten Anliegen dürfte auf diese Art mehr Schaden als Nutzen zugefügt werden. Die letzte Sitzung des Verfassungs- und Rechtsausschusses am 26. August machte uns dies mehr als deutlich.“ Na, uns auch! Wir waren zuallererst die Leidtragenden. Dann weiter: „Wir als SPD wollen nicht zulassen, dass eine Instrumentalisierung der Interessen der Kleingärtner erfolgt, um daraus für andere Ziele Kapital zu schlagen, denn dies kann weder in Ihrem noch in unserem Interesse sein. Ich möchte Sie daher zu einem Gespräch nach den Landtagswahlen einladen. Meine Fraktion wird Ihr Anliegen dann gern begleiten und die erforderlichen parlamentarischen Schritte – auch fraktionsübergreifend – einleiten. Nach der Neukonstituierung des Landtages werden wir uns unverzüglich wieder mit Ihnen in Verbindung setzen. In der Hoffnung, Ihrem Anliegen auf diese Art und Weise am besten Rechnung zu tragen, verbleibe ich mit freundlichen Grüßen Thomas Jurk.“

(Beifall bei der PDS)

Na und? Das ist es, was die Leute bis hier oben satt haben,

(Staatsminister Thomas Jurk: Und Ihren Populismus erst recht!)

dass das Wort von gestern einen Tag nach der Wahl so viel wert ist wie eine Wasserstandsmeldung. Das ist das Problem.

(Staatsminister Thomas Jurk: Das behaupten Sie!)

Nein, das ist die Wahrheit. Das hat Herr Bräunig mit seiner Rede zum Ausdruck gebracht.

Wenn Sie nichts anderes auf der Kiste haben als diesen Satz nachzureden, da wird mir doch himmelangst, was wir für einen Vizepremier haben.

(Zuruf: Langsamer!)

Das ist ja wahr. Ich sage es noch einmal langsam. Wenn er nichts anderes auf der Kiste hat als diesen Satz, dann wird mir himmelangst, was wir für einen Vizepremier haben. Armes Deutschland! Armes Sachsen!

(Antje Hermenau, GRÜNE: Bleiben Sie auf dem Boden!)

Einfach auf den Punkt gebracht: Es ist doch schlicht und ergreifend der Gipfelpunkt der Niedertracht. Sie sagen, nach den Wahlen wollen wir gemeinsam dann das Anliegen der Kleingärtner im rechtlichen Rahmen mit befördern und rechtlichen Schutz bringen. Der Herr Minister für Landwirtschaft und Umwelt verspricht das Gott und

aller Welt, dass es sonderrechtlichen Schutz bringt und, und, und.

Dann machen wir exakt das: Wir schicken Anfang November den Gesetzentwurf an die Fraktionen und sagen: Bitte, wir verzichten auf Autorenrechte, Sie können es ändern, Sie können es mit uns korrigieren, Sie können Ihre Bedenken bringen. Lassen Sie es uns gemeinsam einbringen, um den Kleingärtnern zu helfen.

Dann schreiben Sie uns im Dezember – das haben immerhin noch zwei Fraktionen gemacht, nämlich die GRÜNEN auch noch; die anderen haben sich überhaupt nicht gerührt, doch, die CDU auch im Dezember –, Sie hätten noch Bedarf an Konstituierung der Arbeitskreise und der anderen Fraktionsgremien, um das mit Sachverstand debattieren zu können.

Dann ist überhaupt nichts mehr zu hören, weder im Januar, als wir verlängert haben, und im Februar meldete sich dann ausschließlich noch die FDP-Fraktion.

Nun bringen wir es ein und heute weiß der Herr Bräunig, heute weiß der Kollege agrarpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Herr Heinz, bestens, dass das alles überhaupt nicht notwendig ist. Es ist wirklich schwer zu ertragen. Und, Herr Jurk, wie Sie das – außer mit Populismus – von Ihrer Seite noch rechtfertigen wollen, das weiß ich nicht.

(Beifall bei der PDS – Staatsminister Thomas Jurk: Weitermachen!)

Ja, weitermachen, das ist der sicherste Weg, dass Sie uns weiter voran helfen.

(Staatsminister Thomas Jurk: Ich lasse mich doch nicht von Ihnen blockieren!)

Herr Kollege Dr. Martens – der Sie gerade nicht anwesend sind –: Es ist doch in den Expertenanhörungen rauf und runter durchgekaut worden: Wenn wir es, ohne die verfassungsrechtliche Änderung aufzunehmen – die wir auch gern vermieden hätten, weil wir die zwei Drittel und alles drum und dran nicht ankratzen wollten und weil bestimmte Heiligtümer; mein Kollege Schiemann bewahrt die Verfassung immer vor allen Änderungen, aus edlen Motiven, da habe ich nichts dagegen –, hätten machen können; wenn es unter der Schwelle des Verfassungsrechts gesetzestechnisch, handwerklich ordentlich möglich gewesen wäre, dann hätten wir keine Verfassungsänderung haben wollen.

Wenn wir aber das Verbandsklagerecht für die Kleingärtner oder sonderrechtlichen Schutz als Äquivalent für ihre Gemeinnutzfunktion hineinbasteln wollen – die Gemeinnützigkeit für einen großen Teil der Bevölkerung mit eigenen Leistungen unterscheidet sie vom Tennisverband, vom Ornithologenverband und von allen anderen –, müssen wir es verfassungsrechtlich verankern. Das ist doch von den Experten und vor allem von den Kernexperten, die im Prinzip auf dem Gebiet verfassungsrechtlich arbeiten, ins Stammbuch geschrieben worden – übrigens auch von unserem eigenen Juristischen Dienst, der ansonsten, wenn Sie es brauchen, für Sie immer glaubhaft ist, bestätigt worden. Das war der Grund, weshalb wir es verfassungsrechtlich haben wollen; es geht unter der Schwelle nicht.

Insofern ist das aus unserer Sicht zwar immer noch eine Argumentation, aber auch nur eine Ausrede.

(Beifall bei der PDS)

Wird von den Fraktionen weiterhin das Wort gewünscht? – Herr Schiemann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe noch einen kleinen Beitrag zur Wahrheit dazuzulegen, Herr Kollege Bartl.

(Klaus Bartl, PDS: Schön!)

Ich weiß jetzt nicht, ob es nur Ihr Engagement für das Thema der Kleingärtner ist oder ob nicht auch politisches Kalkül dahinter steckt.

(Rico Gebhardt, PDS: Beides, Herr Schiemann!)

Beides, gut. Das Engagement für die Kleingärtner – ich glaube, das können sehr viele hier im Hohen Hause auch so unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Bei der Frage, ob ich jetzt mit dem Kopf durch die Wand renne und nur meinen politischen Profit erreichen will, sind die Kleingärtner über den Tisch gezogen worden – von Ihnen, Herr Kollege Bartl.

(Beifall bei der CDU)

Ich werde Ihnen auch sagen, warum.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie vorher eine Zwischenfrage?

– Nein, die gestatte ich nicht. Wir hatten das Thema im Mai in der Anhörung und was in der letzten Legislaturperiode passiert ist, das sollte man auch ruhen lassen. Dass Sie das nun ständig wiederholen, zeigt mir, dass Ihnen nicht an der Sachlösung gelegen ist, sondern dass Sie – –

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Herr Prof. Porsch, haben Sie Ahnung vom Kleingarten? Sie können zwar sprechen, aber vom Kleingarten haben Sie doch wohl keine Ahnung!

(Beifall bei der CDU)

Lassen Sie mich jetzt auf die Kernpunkte zurückkommen. Ich habe Sie im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss gebeten, dass wir nach der Anhörung die Gelegenheit nutzen sollten, die Fragen, die noch nicht abschließend geklärt waren, mit Hilfe unseres Antrages von der Staatsregierung entsprechend bewerten zu lassen. Das war meine Bitte.