Ich möchte Ihnen das auch deshalb erzählen, weil mein Vorredner gerade in die Mottenkiste der Vergangenheit gegriffen hat.
1871 nach der Reichsgründung drängte Preußen die liberalen Länder zur Übernahme seiner Bestimmungen zur Homosexualität ins einheitliche Strafgesetzbuch. Der berüchtigte § 175 war somit festgeschrieben. Hiervon waren nur Männer betroffen; Frauen blieben zumindest dem Buchstaben nach unberücksichtigt. 1935 wird dieser § 175 auf jede Art von Unzucht zwischen Männern ausgeweitet: Ein falscher Blick oder eine vermutete Absicht genügten fortan zur Denunziation. Allein von 1937 bis 1940 erfassten Gestapo und Kriminalpolizei 90 000 Beschuldigte; 50 000 Männer werden während der Nazidiktatur verurteilt. Diese Verfolgung bringt unsägliches Leid über viele Menschen; sie prägt sich einer ganzen
Generation ein. Die Gräuel in den Konzentrationslagern reichen bis zur Kastration und zu Versuchen der vermeintlichen Normalisierung des Geschlechts durch schreckliche Eingriffe.
Die mit dem rosa Winkel stigmatisierten Gefangenen waren die Häftlingsgruppe mit der geringsten durchschnittlichen Überlebensdauer. Für diese Männer bedeutete das Ende der Naziherrschaft nicht den Beginn ihrer Befreiung. In der BRD hatte der gegenüber der Weimarer Republik erheblich verschärfte § 175 in der Nazifassung von 1935 noch bis 1969 unverändert Geltung. 50 000 Urteile gegen Homosexuelle wurden von westdeutschen Gerichten bis 1969 gesprochen. Einige Rosa-WinkelHäftlinge wanderten gleichsam nahtlos aus den KZs in die Zuchthäuser der künftigen Republik. Noch am 10.05.1957 erblickt das Bundesverfassungsgericht unter Berufung auf die beiden Großkirchen im unveränderten Nazi-Paragrafen 175 kein spezifisches NS-Unrecht. 1962 begründet ein von der christdemokratischen Bundesregierung vorgelegter Entwurf die generelle Strafbarkeit der Homosexualität mit Argumenten, die unter Rückgriff auf das so genannte gesunde Volksempfinden erschreckend an das Nazivokabular erinnerten.
Nach wie vor mussten homosexuelle Männer in der BRD zu dieser Zeit tagtäglich um ihre soziale und berufliche Existenz bangen – das alles zu einer Zeit, meine Damen und Herren, in der Homosexualität in anderen europäischen Ländern längst nicht mehr strafrechtlich relevant war.
1969 wurde durch die erste Reform des § 175 endlich Straffreiheit erreicht. Die Jahre der Haft erschienen damit als das, was sie für die Betroffenen waren: als staatliches Unrecht, für das es weder eine Entschädigung gab, noch war für die meisten der Weg zurück in den Beruf möglich. Die DDR hatte übrigens den § 175 in der Nazifassung nicht übernommen und kannte seit 1988 zumindest offiziell keine besondere Diskriminierung Homosexueller mehr.
Erst im Jahre 2002 werden in der BRD die NS-Unrechtsurteile von der rot-grünen Bundesregierung pauschal aufgehoben und der Zugang zu Entschädigungsleistungen erleichtert. Die evangelische Kirche Berlin-Brandenburg hatte sich 1991 als erste zur kirchlichen Mitverantwortung bekannt und erklärt: Das Schweigen von Christen zur Ermordung Homosexueller in den Konzentrationslagern ist ein Teil unserer Schuld.
Dass eine neue Sichtweise der homosexuellen Liebe bei manchen noch immer Ängste hervorruft, ist in diesem Kontext jahrhundertelanger Diskriminierung, Kriminalisierung und Verfolgung zu sehen. Deshalb erleben homosexuelle Menschen nach wie vor Vorurteile, alltägliche Abwertungen, Gewalt und viel Unkenntnis, und deshalb haben homosexuelle Paare zwar heute weitgehend gleiche Pflichten, aber eben noch immer nicht die gleichen Rechte.
Wir wollen eine Gesellschaft, in der es möglich ist, ohne Angst anders zu sein. Das Lebenspartnerschaftsgesetz hat die öffentliche Akzeptanz von Schwulen und Lesben in der Gesellschaft spürbar erhöht. Die Umsetzung in Sachsen darf keine erneute Diskriminierung entstehen lassen. Wir müssen uns deutlich abgrenzen, liebe Kolleginnen und Kollegen, von allen Versuchen, national
sozialistische Gedanken in irgendeiner Weise zu relativieren – wie das auch in diesem Parlament immer wieder versucht wird und in dem entsprechenden Parteiprogramm nachzulesen ist.
Unsere Fraktion hat einen Änderungsantrag zum vorliegenden Gesetz eingebracht, den wir noch gesondert begründen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zum Schluss Goethe zitieren: „Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein. Sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.“
Mir liegt noch eine Wortmeldung von der CDU-Fraktion vor, und zwar von Herrn Abg. Bandmann. – Gibt es danach noch Redebedarf? – Anscheinend nicht. – Bitte, Herr Bandmann.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Worum geht es in dem Gesetzentwurf zur Ausführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes? Es geht zunächst nicht um eine Homoehe. Das, was Frau Lay von der Parallelgesellschaft, wie sie sich selber nennt, hier einführt, ist sachlich falsch: Die Lebenspartnerschaft ist keine Ehe.
Sie versuchen mit Ihrer sprachlichen Gleichsetzung das, was im Grundgesetz zu Recht mit einem besonderen Schutz verankert ist, zu nivellieren und Leute, die in Mehrheit in der Bevölkerung Ehen schließen, um Kinder zu bekommen, mit Lebenspartnern gleichzusetzen. Das ist eben der qualitative Unterschied, den Lebenspartner haben: Sie können untereinander keine Kinder bekommen, und deswegen sollte man hier auch keine sprachliche Verirrung mehr betreiben.
Was in Bezug auf die Finanzen zu sagen ist: Die Lebenspartnerschaften werden derzeit vor den Regierungspräsidien geschlossen. Auch dort wird eine kostendeckende Gebühr erhoben. Ehe wird durch das Grundgesetz in besonderer Weise privilegiert, und zwar auch die Eheschließung. Warum wird das privilegiert: weil der Staat einen ordnungspolitischen Ansatz hat, dass Menschen geordnet zusammenleben.
Auch Homosexuelle sollen zusammenleben, aber ich lehne es ab, dafür eine Propaganda zu betreiben, die eine völlige Verirrung der Tatsachen bedeutet.
Wenn wir dies in dem Zusammenhang nicht mit aussprechen dürfen, dann gehen wir irgendwo in die Irre, und deswegen war diese Klarstellung notwendig.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muss ganz ehrlich sagen: Was sich in den letzten Minuten hier abspielt, das ist würdelos.
Das ist würdelos gegenüber denen, die in anderen Lebensformen leben, und es ist im Übrigen auch würdelos gegenüber Ehepartnern. Es ist würdelos gegenüber Lebensformen generell und ich muss sagen: Hören Sie bitte auf! Lassen Sie uns dieses Gesetz diskutieren, uns auf den Kern konzentrieren, es abstimmen, und durch!
Wir haben in den Ausschüssen gesprochen, wir haben uns überall verständigt und ich bitte Sie, auf den sachlichen Kern zurückzukommen. Die Diskussion, die hier stattfindet, ist mittelalterlich! Draußen reden die Leute ganz anders, verdammt noch mal!
Dann lassen Sie die Dinge so stehen, wie sie sind! Finden Sie sich damit ab, dass die Welt sich dreht!
Wird von den Abgeordneten weiter das Wort gewünscht? – Wenn das nicht der Fall ist, frage ich die Staatsregierung, ob es Redebedarf gibt. – Das ist auch nicht der Fall.