Protocol of the Session on June 23, 2005

(Fortgesetzte Unruhe bei der PDS, der SPD und den GRÜNEN – Stefan Brangs, SPD: Michael Kühnen!)

Ruhe mal bitte!

Ich darf darum bitten, dass der Redner die Möglichkeit bekommt auszureden.

Danke. – Was diese Partnerschaften in der Abgeschiedenheit ihrer vier Wände tun, ist ihre Sache. Da sollen sie, um den Alten Fritz zu variieren, nach ihrer Fasson selig werden. Auch wir Nationaldemokraten treten nicht für eine Neuauflage des § 175 des Strafgesetzbuches ein, der homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte. Das nicht. Aber wir wenden uns gegen das andere Extrem, nämlich dagegen, die homosexuelle Veranlagung öffentlich regelrecht zu zelebrieren und dafür auch noch politische Sonderrechte einzufordern. Wo dies nämlich zugelassen wird, wie in dieser verlotterten Spaßrepublik, entsteht mit der Zeit der fatale Eindruck, alle Welt sei schwul geworden und Heterosexualität sei ein biologisches Auslaufmodell. Wie grotesk! So weit wollen wir Nationaldemokraten es nicht kommen lassen. Wir vertreten auch in diesem Punkt die Mehrheitsinteressen der Deutschen. Auch in der Sexualmoral kommen wir aus der Mitte des Volkes und nicht vom Rand.

Ich danke für die geschätzte Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Herr Martens.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Diesmal habt ihr einen Vorteil!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe leider nur etwas mehr als vier Minuten Redezeit. Aber das, was gerade eben geboten worden ist, war eine Steilvorlage: finsterstes 19. Jahrhundert, die gesamte Revolverpalette der Diffamierung und Denunzierung von Homosexuellen in Reinform! Es ist beeindruckend, was hier, in einem Parlament einer „verlotterten Spaßrepublik“, geboten worden ist.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Es ist auch gefährlich!)

Hier wird über die Probleme von Gleichgeschlechtlichen gespottet. Es wird behauptet, dass derjenige, der diese Probleme ernst nimmt, eine „Verhätschelung von Randgruppen“ betreibe.

(Jürgen Gansel, NPD: Sie haben den Sinn meiner Rede erfasst!)

Das wird dann gleichzeitig zur Volksverachtung umdiffamiert.

Darum geht es nicht. Es geht um Probleme in einer modernen Gesellschaft, in der manche noch gar nicht angekommen sind.

(Beifall bei der FDP, der PDS, der SPD und den GRÜNEN)

Das lässt sich auch nicht mit dem Verweis darauf lösen, dass es produktive Lebensgemeinschaften oder Ähnliches gebe; denn dadurch würde der Mensch auf einen Reproduktionsfaktor für Führer, Volk und Vaterland reduziert.

Anlass für die Aktuelle Debatte und die Probleme, die in ihr behandelt werden, ist der Gesetzentwurf der FDPFraktion zum Lebenspartnerschaftsausführungsgesetz, mit dem zunächst nur geregelt werden soll, dass eingetragene Lebenspartnerschaften vor dem Standesamt und nicht mehr beim Regierungspräsidium eingetragen werden. Es soll also eine gewisse diskriminierende Verfahrensgestaltung aufgehoben werden und ein Stück Normalität auch bei der Ausführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes Einzug halten.

Sie sehen, die Beseitigung von Diskriminierung und Problemen von Menschen in dieser Gesellschaft ist ein mühseliges Geschäft. Aber als Liberaler sage ich, es ist ein notwendiges Geschäft. Wir werden weiter mit daran arbeiten, dass dieses Geschäft getan wird.

Das Gesetz ist ein wichtiger und notwendiger Schritt. Auch die Gebührengestaltung gehört da mit hinein. Sie ist nicht ganz so notwendig und dringend wie die Fragen des Gesetzes selbst. Man sollte aber so mutig sein und auch hier von den kleinen Nickeligkeiten Abstand

nehmen, wie man sie überall einbauen könnte, aber nicht sollte. Deshalb halten wir auch die Gebührenangleichung zwischen Standesamtsgebühren bei normalen Eheschließungen und bei Lebenspartnerschaftseintragungen für geboten. Wenn der Alternativentwurf vorsieht, keine Aussage zu machen, dann muss ich anfügen: Keine Aussage ist immer noch besser als eine falsche. Aber gleichwohl werden Sie verstehen, hier würden wir Wert darauf legen, dass auch in der Gebührenstruktur eine Gebührengleichheit stattfindet. Aber ich habe es angefügt: Keine Aussage ist manchmal besser als eine falsche. Gleichwohl werden wir weiter an diesem Thema arbeiten, Ungleichheiten zu beseitigen und mehr Freiräume für die Menschen zu schaffen, egal, welcher sexuellen Orientierung sie angehören.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der PDS und den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion GRÜNE das Wort. Frau Herrmann, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte als Titel über die heutige Aktuelle Stunde gern den Titel eines Buches von Peter Bürger geschrieben: „Das Lied der Liebe kennt viele Melodien“. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, trifft sowohl auf jede konkrete Partnerschaft zu als auch auf die Vielfalt von heterosexuellen und homosexuellen Beziehungen. Rund 5 % aller Menschen sind quer durch alle Kulturen und Nationen homosexuell. Es handelt sich dabei nicht um eine kulturelle Prägung.

In den vergangenen Jahren hat sich viel bewegt. Auch rechtlich wird die Tatsache anerkannt, dass Menschen mit homosexueller Präferenz annähernd gleiche Rechte für die Gestaltung ihrer Beziehung haben, wie sie für heterosexuell orientierte Menschen selbstverständlich sind. Genau wie viele heterosexuelle Menschen sehnen sich viele homosexuelle Menschen nach einer stabilen und erfüllten Partnerbeziehung. Wenn wir dazu den rechtlichen Rahmen setzen, erhöht das zweifelsohne die Stabilität von Beziehungen und ist gleichzeitig ein Beitrag zur Aidsprävention. Nach wie vor erleben homosexuelle Menschen Vorurteile, alltägliche Abwertung, Gewalt und viel Unkenntnis. Dies ist ein Grund dafür, dass man in den vergangenen Jahren zwar einen ausreichend großen Konsens erreichen konnte, homosexuellen Paaren die gleichen Pflichten wie heterosexuellen aufzuerlegen, aber damit eben nicht immer die gleichen Rechte verbunden waren. Den alltäglichen Vorurteilen, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann man nicht allein mit neuen Rechten begegnen. Die meisten Vorurteile sind Ausdruck davon, dass man sich – oder die Ehe – in einer unbestimmten, nicht mehr hinterfragten Gefahr sieht. Deshalb brauchen wir über die rechtlichen Regelungen hinaus eine sensible, aber offene Auseinandersetzung mit der Rolle der Sexualität im Leben eines jeden Menschen. Nur wer sich selbst versteht und mit sich selbst einverstanden ist, kann auch mit dem Anderssein des Menschen neben sich wertschätzend umgehen.

Der homosexuelle katholische Theologe, Psychologe und geistliche Schriftsteller Henry Nouwen bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: „Wer als homosexueller Mensch so tut, als habe er keine homosexuellen Gefühle, tut so, als habe er kein Herz.“

Genau aber das verlangen manche von Homosexuellen. Nicht Homosexualität ist das Problem, sondern der Umgang mit ihr.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte jetzt noch eine Facette des Problems aufgreifen, die mir persönlich sehr wichtig ist, und zwar die Lebensbedingungen schwuler und lesbischer Jugendlicher. Eine der universellen Entwicklungsaufgaben, die sich Jugendliche bzw. junge Erwachsene stellen, ist es, sich mit der eigenen Sexualität auseinander zu setzen und sich auch öffentlich mit der eigenen sexuellen Orientierung zu identifizieren. Diesen Prozess kann eine verantwortliche Sexualerziehung konstruktiv begleiten.

In unserem Schulgesetz, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist klar geregelt, dass in der Schule Sexualerziehung fächerübergreifend angeboten werden soll. Zum Beispiel Geschichtsunterricht: Dies könnte von der Normalität in der Antike und der seither herrschenden Diskriminierung von Schwulen und Lesben, deren Kriminalisierung bis hin zu ihrer Vernichtung – Stichwort: rosa Winkel während der SS-Zeit – gehen. Die Sexualerziehung zieht sich durch den Lehrplan von der 1. bis zur 11. Klasse. In dieser Zeit wird Homosexualität im Lehrplan zwei Mal in den Klassen 9 und 11 zum Thema, aber nur, wenn die Lehrerinnen oder Lehrer sich dazu in der Lage sehen. Voraussetzung dafür ist ein wirklich vertrauensvolles Verhältnis zwischen der Klasse und ihrer Lehrerin bzw. ihrem Lehrer.

Voraussetzung ist aber auch ein vertrauensvoller Umgang der Schülerinnen und Schüler miteinander. Wie viele Klassen, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben ein so vertrauensvolles Verhältnis untereinander und zur Lehrkraft, dass sie ihre Probleme in sexuellen Fragen offen legen können und nicht nur wissen, dass der Mensch auch ein sexuelles Wesen ist? Wie viele Lehrerinnen und Lehrer haben sich mit diesem Thema vertraut gemacht, damit sie nicht peinlich davon berührt sind?

Wenn Sie, meine Damen und Herren, einmal nachsehen, was die Sächsische Akademie der Lehrerfortbildung im Programm hat – Sie finden nicht ein einziges Angebot zur Fortbildung zum Thema Sexualerziehung. Das ist vollkommen unverständlich.

Jugendliche brauchen Partner, auch Partner außerhalb der Schule und schulischer Hierarchien und Bewertungssysteme. Die Aufgabe und Verantwortung der Schule bzw. der Lehrerinnen und Lehrer ist es deshalb, mit diesen Partnern zu kooperieren und sich zu vernetzen.

Da meine Zeit zu Ende ist, komme ich zum Schluss.

(Uwe Leichsenring, NPD: Sie ist schon lange zu Ende!)

Wenn wir die Achtung vor dem Leben in seiner Vielfalt wecken wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehört

eine vorurteilsfreie Einstellung gegenüber Lesben und Schwulen und gegenüber homosexuellen Partnern dazu. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der PDS)

Wird von der CDU-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann die PDS, Frau Dr. Höll.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Gansel, wenn man Ihre Rede gehört hat und dann ins Handbuch schaut, ist man schon erstaunt, warum bei Ihnen noch nicht alle verheiratet sind, wieso Sie sogar Kollegen haben, die unverheiratet auch noch Väter geworden sind. Das entspricht doch Ihren Verständnissen überhaupt nicht.

(Jürgen Gansel, NPD: Homosexualität hat damit nichts zu tun!)

Dem Rest des Hauses ist das wirklich egal. Ich glaube, zumindest für meine Fraktion kann ich da sprechen. Ich habe das auch von anderen gehört. Wir treten dafür ein, dass sich jeder Mensch frei entscheiden kann, in welcher Art und Weise er sein Leben gestaltet, in welcher Lebensweise, in welcher Lebensform er Partnerschaften erleben möchte.

(Beifall bei der PDS)

Die moderne Gesellschaft ist nun einmal vielfältig. Wenn man in ihr lebt, ist man eigentlich auch gezwungen, dieses endlich wahrzunehmen. Es gibt verheiratete Paare mit Kindern oder ohne Kinder, unverheiratete Paare mit Kindern und ohne Kinder. Es gibt allein erziehende Mütter, ein paar weniger allein erziehende Väter. Es gibt Seniorenwohngemeinschaften, Wohngemeinschaften von Jugendlichen. Es gibt noch Großfamilien. Aber es gibt auch Menschen, die sich dafür entscheiden, allein zu leben. Es gibt die so genannte Kernfamilie, die bis ins Alter zusammenlebt, weil es immer mehr Mode wird, dass das „Hotel Mama“ auch noch von 40- und 50-jährigen Söhnen genutzt wird. Die Formen sind sehr, sehr verschieden. Menschen entscheiden sich und wir als Partei des Demokratischen Sozialismus fordern und treten dafür ein, dass eine Gleichbehandlung dieser verschiedenen Lebensweisen erfolgt. Damit befinden wir uns auf dem Boden des Grundgesetzes, denn im Artikel 2 ist das Recht auf die freie Entfaltung jedes Menschen auf seine Persönlichkeit festgeschrieben. Das verwirklicht sich nun einmal zuallererst und zuförderst in der gewählten Form der Lebensweise. Selbstbestimmung ist für uns deshalb ein wirklich wichtiges Recht. Natürlich erfordert das private Leben die Regelung rechtlicher Fragen verschiedener Richtungen, ob es bei Kindern um das Sorgerecht geht, ob es um das Adoptionsrecht geht, die Mitentscheidung im Krankheitsfall, um Erbrecht im Falle des Todes und das Eintrittsrecht in einen Mietvertrag, Zeugnisverweigerungsrecht und vieles andere mehr. Die Frage ist nun: Ist es nicht eigentlich notwendig, unsere Gesellschaft so neu zu organisieren, dass allen Men

schen, unabhängig davon, in welcher Art und Weise und welcher Form sie zusammenleben, mit wem sie zusammenleben, diese notwendigen rechtlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden, so dass jeder selbstbestimmt sein Leben regulieren kann? Was geht das eigentlich den Staat an?

(Beifall bei der PDS)

Wir treten für die Entprivilegierung einer bestimmten Lebensweise und für die Gleichbehandlung aller ein. Der Schritt von Rot-Grün zu sagen, wir wollen das Privileg der Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften öffnen, mag eine unmittelbare Hilfe und demjenigen zugänglich sein, der sich dafür entscheidet. Trotzdem bleibt unsere Forderung, diese Privilegierung nicht weiter zu zementieren und damit alle anderen Lebensformen davon auszuschließen.

Besonders schlimm ist es, weil es unmittelbare materielle Konsequenzen gibt. Ich finde, es kann nicht angehen, und es ist eine sehr negative Bilanz der rot-grünen Regierungszeit, dass es inzwischen dazu gekommen ist, dass wir reale Schlechterstellungen bestimmter Lebensweisen haben, die dazu noch mit Kindern leben. Ich spreche von Alleinerziehenden, die durch Ihre Regelung in der Steuergesetzgebung schlechter gestellt werden als Ehepaare mit Kindern. Ich finde, das geht an der Realität vorbei, denn wenn etwas förderungswürdig ist und Privilegien in einer gewissen Weise verdient, dann ist es das Leben mit Kindern und die Pflege von Angehörigen, Freunden, je nachdem, für wen man Pflegearbeit leistet.

Es gilt diese realen Schlechterstellungen zu beseitigen und die Privilegien auf die Gruppen zu konzentrieren, wo das notwendig ist. Meine Kollegin Frau Lay erwähnte schon die Bedarfsgemeinschaften. Es kann doch nicht angehen, den Kreis von Menschen immer mehr zu erweitern, die durch die Unterhaltsregelung finanziell füreinander einstehen müssen, die aber von den gesamten rechtlichen Regelungen ausgeschlossen sind. Ein Ehepaar hat wenigstens noch das Ehegattensplitting – auch wenn ich das perspektivisch abschaffen möchte –, aber das ist noch ein gewisser Ausgleich für die Unterhaltsverpflichtung, die mit der Eheschließung besteht. Aber nur die Unterhaltsverpflichtung auszuweiten, ohne irgendein Äquivalent anzubieten, halte ich für völlig fatal und geht in die falsche Richtung.

(Beifall bei der PDS)

Wir sind der Meinung, es wäre gut, wenn es das Thema der heutigen Debatte „Gleiche Rechte für alle Formen der Partnerschaft“ gar nicht geben müsste. Deshalb fordern wir in letzter Konsequenz gleiche Rechte für alle Lebensweisen. Lassen Sie uns heute gemeinsam darauf hinwirken, dass die unmittelbare Ungleichbehandlung abgeschafft wird, aber perspektivisch gleiche Rechte für alle Lebensweisen hergestellt werden, dann hätten wir keinen Anlass mehr für eine solche Debatte.