Protocol of the Session on January 22, 2009

(Beifall bei den GRÜNEN)

Allerdings – da sehe ich es genau wie Frau Lauterbach – das, was die FDP in ihrem Entschließungsantrag verlangt, nämlich diese Reform und den Fonds zurückzunehmen, ist eine reine Illusion. Das wird nicht geschehen. Es ist einfach nicht seriös, den Versicherten weiszumachen, dass das in irgendeiner Weise gelingen könnte. Also müssen wir uns überlegen, was wir sonst noch für Möglichkeiten hätten. Ehrlich gesagt, sitzen wir da jetzt ganz schön in der Falle, weil zwei verschiedene Möglichkeiten offenstehen, aber die eine wird von dem einen Teil der Koalition nicht gewollt und die andere vom anderen Teil.

Wir haben in der Vergangenheit immer wieder gesagt, es gibt nur eine Alternative, und diese Alternative ist die Bürgerversicherung für alle Menschen. Sie sorgt für mehr soziale Gerechtigkeit, indem sie Privilegien abbaut und eine tatsächliche solidarische Finanzierung vorsieht. Sie orientiert sich nämlich nicht nur an dem Einkommen aus abhängiger Beschäftigung, sondern bezieht auch Kapitaleinkünfte ein und verbreitert damit die Einnahmenbasis der Krankenkassen und macht sie nachhaltiger. Die Bürgerversicherung ist die einzige, die dann auch Beitragssenkungen möglich macht, da sie sowohl den Versichertenkreis als auch die Beitragsbemessungsgrundlage verbreitert. Obendrein ist sie familiengerecht, da sie Kinder, nicht erwerbstätige Partner und Pflegende beitragsfrei mitversichert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das wäre ein Ausweg. Er ist nicht gewollt worden in der letzten Reform. Wir sitzen jetzt in der Patsche. Das, was wir in der Vergangenheit an diesem Pult schon gesagt haben – dass der Gesundheitsfonds und die Reform eine Blackbox sind und wir nicht genau wissen, was dabei herauskommt –, hat sich bewahrheitet.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Das war die erste Runde. Jetzt hat sich die FDP noch angemeldet; Frau Schütz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich vorab bei den Mitarbeitern des Sozialministeriums recht herzlich für die Beantwortung unserer Großen Anfrage bedanken, denn sie war an vielen Stellen sehr offen und ehrlich und hat uns doch klare Aussagen gegeben.

(Beifall bei der FDP)

Wissen Sie, was das Unwort 2008 ist? – „Notleidende Banken“. Und 1988? – „Gesundheitsreform“. Das heißt, wir haben in den letzten Jahren über zehn Gesetzesänderungen hinter uns und vier konkrete Reformen, die sich unmittelbar auf die ärztliche Tätigkeit ausgewirkt haben. Was ist eigentlich dabei herausgekommen? – Versteckte Rationierung von Leistungen und Kosteneinsparungen auf der Ausgabenseite.

Das war das Ergebnis, mitunter auch das Ziel. Doch was haben wir denn erreicht? Die Kosten sind trotzdem ständig gestiegen. Jedes Gesetz war bisher nur der Versuch des Stopfens von Finanzlöchern. Wir haben uns offenbar von dem medizinisch Möglichen verabschiedet hin zu dem medizinisch Notwendigen. Nur, dann müssen wir das unseren Bürgerinnen und Bürgern auch deutlich sagen.

Damit Ärzte offenbar auch nur noch das medizinisch Notwendige anwenden, wurden viele niedergelassene Ärzte stärkeren Regressprüfungen unterzogen, und in der Klinikfinanzierung wurde ebenfalls erheblich gespart.

Einheitskasse, Frau Strempel, heute waren Sie ja nahe bei Frau Lauterbach dran; wir wünschen uns die Fusion der Krankenkassen. – Donnerwetter, das aus dem Mund der CDU zu hören und so nahe bei den Linken, das ist schon sehr bedenklich!

(Beifall bei der FDP)

Wenn ich schon einmal bei Ihnen bin: Wie Sie sich heute dargestellt haben, Frau Strempel, waren Sie ja angeblich schon immer gegen die Gesundheitsreform. Ich denke daran, als wir 2006 das erste Mal hier gestanden haben und Sie uns als Opposition Schwarzmalerei vorgeworfen haben, wir hätten Optimismus zu verbreiten und es käme ja alles gar nicht so.

Jetzt sagen Sie selbst, es ist so, aber Sie hätten es eigentlich nicht gewollt. Wo sind wir denn dann in Deutschland hingekommen? Dass etwas, was offenbar keiner gewollt hat, trotzdem umgesetzt wurde, ist ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der FDP)

Und die Diskussion, dass der Gesundheitsfonds – jetzt ist er eingeführt – nun nicht mehr abgeschafft werden kann. Wer hat sich denn vor drei oder vier Jahren vorstellen können, dass alle Krankenkassen zu einer Einheitskasse fusionieren? Auch das hat sich keiner vorstellen können, und jetzt kommt es offenbar doch. Also warum soll etwas,

was getan wurde, nicht wieder rückgängig gemacht werden?

Wir können froh sein, noch existieren die Strukturen unserer Krankenkassen, besonders der in Sachsen. Denn sie haben bisher auch kein Einsparpotenzial bringen können. Es wurde einfach nur eine neue Bürokratie im Gesundheitsfonds geschaffen.

Jeder, der schon einmal einen Lohnzettel für Arbeitnehmer in der Tasche hatte – ich weiß, Herr Krauß, Sie ja noch nie –;

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion – Lachen des Abg. Holger Zastrow, FDP)

aber wenn Sie denn mal einen hätten, dann würden Sie sehen, dass die Krankenkassenbeiträge immer noch an die jeweilige Krankenkasse, in der Sie versichert sind, überwiesen werden, diese sie dann nur einfach weiterleitet und die Summen dann wieder nach unten an die Krankenkasse geleitet werden.

Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, von welchen Summen wir hier immer gesprochen haben? Herr Zastrow hat vorhin von dieser Mehrbelastung – bei jetzt 15,5 % – von 750 Millionen Euro geredet. Wenn wir jetzt zum 01.07. auf diese 14,9 % kommen – also ein halbes Jahr 15,5 % und ein halbes Jahr 14,9 % rechnen –, dann sind wir ungefähr bei 600 Millionen Euro Mehrbelastung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Und dann einmal zugehört: 120 Millionen Euro davon fließen zurück in mehr Honorar.

(Holger Zastrow, FDP: Ja!)

Das macht eine schlappe Differenz von –

(Alexander Krauß, CDU: Schon mal ins Abgeordnetenhandbuch geschaut?)

circa 480 Millionen Euro. Sich einfach mal überlegen, wo dieses mehr Geld, das gerade in Sachsen finanziert wird, denn tatsächlich hinkommt.

Dazu sage ich Ihnen eines: Damit finanzieren wir unter anderem ineffiziente Strukturen bei Krankenkassen und auch in Krankenhäusern in anderen Bundesländern. Denn das – Herr Zastrow hat es vorhin schon gesagt – sind ja unsere Verdienste hier in Sachsen gewesen, dass viele auch Einbußen hingenommen haben, weite Wegstrecken zur Arbeit, wenn ich an die Niederlassung der Krankenkassen denke, an die Krankenkassenmitarbeiter, die diese Wegstrecken auf sich genommen haben. Dann auch, niedrige Beiträge hier in Sachsen halten zu können. Weil sie wussten, wir ziehen alle am gleichen Strang, nicht nur für die Versicherten, sondern eben auch für unsere Wirtschaft, für die Arbeitgeber, uns hier mit einem niedrigen Beitrag einen Standortvorteil zu verschaffen. Jetzt ist das alles eben mal weg.

Sie wissen alle, die Verwaltungskosten werden ebenfalls aus dem Gesundheitsfonds mitgetragen. Es wird nicht

mehr gefragt, in welcher Höhe diese bei den Krankenkassen anfallen.

(Zuruf der Abg. Dr. Gisela Schwarz, SPD)

Es geht in einer Summe mal eben so rüber.

Herr Gerlach, auch noch an Sie gerichtet: Wenn Sie diese Einzelverträge mit der Ärzteschaft so sehr loben, dann haben Sie, glaube ich, die Große Anfrage nicht wirklich gelesen. Laut der Krankenkassenärztlichen Vereinigung sieht sie durch die Einzelverträge eine Schwächung der Position der Ärzteschaft. Für Sie konkret: Die Frage 5.8 war das. Also wohin wollen wir denn an dieser Stelle?

Ich denke, die FDP steht ganz klar für eine Stärkung der Ärzteschaft, weil uns nur das gerade im ländlichen Raum die Möglichkeit einer weiteren sicheren ärztlichen Versorgung bringen kann.

Auch noch die Frage 200 Kontakte. Das kann ich Ihnen sagen. Die Ärzte arbeiten nicht acht Stunden; Ärzte arbeiten zehn Stunden, zwölf Stunden, 14 Stunden. Wenn Sie rechnen, zählt auch das Unterschreiben eines Rezeptes dazu, wenn Sie die Patientenkontakte in dem Sinne mit dazuzählen. Wie gesagt, die Zahlen sind nicht aus der Luft gegriffen. Die habe ich mir auch nicht aus den Fingern gesogen. Das sind einfach die Erfahrungen, die wir mit der Ärzteschaft vor Ort gemacht haben.

Ich denke, es bleibt vor allem Ihnen von der CDU allein unbenommen, den Wählern zu erzählen, wie es nun weitergeht mit immer weniger Netto vom Brutto, aber keiner Verbesserung der Versorgung in Sachsen. Ich denke, das wird Ihr großes Rätsel bleiben, wie Sie es schaffen wollen bei einer Bevölkerung, die leistungsbereit ist, die schon viele Einbußen für sich hingenommen hat, jetzt auf eine weitere Kostensteigerung zu setzen, bei der am Ende nichts herauskommt. Das ist sehr bedenklich. Ich meine, das kann nicht unser Weg hier in Sachsen sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Möchte von der CDU noch jemand sprechen? – Ja, Frau Strempel, bitte.

Liebe Frau Schütz, ich bedaure Ihre Erkältung. Aber wahrscheinlich haben Sie akustisch nicht ganz wahrgenommen, was ich vorhin zum Ausdruck gebracht habe, und zwar: Die CDU ist gegen eine sozialistische Einheitskrankenkasse, klar und deutlich.

Aber wir sind auch dafür, dass ein gesunder Bestand an Krankenkassen da ist, zwischen denen die Versicherten wählen können. Er wird sich aus dem jetzigen, vielfach virtuellen BKK-Bestand natürlich nach unten reduzieren. Die Fusionierung findet doch statt. Sie haben einfach nicht zugehört. Dann lesen Sie bitte noch einmal nach; das habe ich klar und deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Krankenkassen müssen fusionieren. Es sind zu viele. Sie hatten auch zu hohe Kosten. Übrigens: Das Zuviel hatten Sie selbst auch einmal kritisiert. Das weiß ich noch.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Sven Morlok, FDP, steht am Mikrofon.)

Dann haben Sie mir vorgehalten, dass ich irgendwann einmal 2006 – jetzt nicht mehr! – etwas zu Schwarzmalerei gesagt habe.

Wissen Sie, ich kann mich daran erinnern, dass wir immer gesagt haben, es darf nicht zulasten von Versicherten gehen. Das ganze System, das ganze Gesundheitssystem finanziert sich doch überwiegend aus den Beiträgen der Versicherten, der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber.

Was oftmals – nicht von uns, sondern von der Allgemeinheit, egal von wem – vergessen wird: Es wäre doch ohne dieses System des Versicherten-Finanzflusses das ganze Gesundheitssystem nicht leistungsfähig.

Wenn wir höhere medizinische Versorgung und medizinisch-technischen Fortschritt haben, dann wird es automatisch teurer. Wenn es teurer wird – das ist übrigens auch in dem Vortrag von Prof. Neubauer gekommen, aber wie gesagt, da hatten Sie wahrscheinlich schon Ihre Erkältung –

(Lachen des Abg. Stefan Brangs, SPD)

und wir haben rückgehende Einnahmen, weil die sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer abnehmen, wie wollen Sie denn die wachsende Schere finanzieren? Das ist die Krux.

Verantwortliche Politik heißt, unter den Bürgerinnen und Bürgern keine Panik zu verbreiten, sondern – und das machen wir hier in Sachsen, die CDU und die Staatsregierung – um Lösungen zu ringen, damit die immer noch gute medizinische Versorgung nach wie vor und für die Zukunft erhalten bleibt.