Protocol of the Session on December 11, 2008

Dem Änderungsantrag der GRÜNEN werden wir zustimmen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die NPD-Fraktion erhält das Wort. Herr Dr. Müller, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst zu Frau Lauterbach. Das Verhältnis Ihrer Fraktion zur Familie ist natürlich schwierig. Wer jegliches Zusammenleben von Leuten unter dem Namen Familie subsumieren möchte, bei dem Patchworkfamilie vielleicht noch das Harmloseste ist, hat natürlich Probleme, sich zu so einem Thema adäquat zu äußern. Ich denke schon, dass es für Kinder wichtig ist, dass ein auch von den Personen her stabiles Elternhaus besteht. Da ist die Ehe das zwar klassische, aber richtige Modell.

(Beifall bei der NPD – Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Meine Damen und Herren von der Koalition, „Heute hü und morgen hott“, so könnte man leider den vorliegenden Antrag bezeichnen. Um es vorwegzunehmen: Als NPD werden wir trotzdem selbstverständlich einer Leistungserweiterung bei künstlicher Befruchtung zustimmen.

Dennoch, meine Damen und Herren von der Koalition, bieten Sie erneut ein Beispiel von Sprunghaftigkeit, das jegliche Kontinuität vermissen lässt. Aber gerade die Kontinuität ist es, die nicht nur der Freistaat Sachsen so bitter nötig hätte und die die Bürgerinnen und Bürger von der Politik eigentlich erwarten. Was Sie uns mit Ihrem Antrag hier anbieten, nämlich die Wiedereinführung der Übernahme des fehlenden 50-prozentigen Leistungsanspruchs, wurde doch zumindest teilweise auch von Ihnen selbst mit abgeschafft. Das zum 01.01.2004 eingeführte Gesundheitsmodernisierungsgesetz kommentierte der damalige sächsische CDU-Staatsminister und heutige Leiter des Bundeskanzleramtes Thomas de Maizière am 17. Oktober 2003 mit den Worten – ich zitiere –: „In allen Diskussionen über das heute zu verabschiedende Gesetz waren die Vertreter Sachsens der Auffassung, dass es sich um einen wichtigen Schritt auf einem richtigen Weg handelt. Wir stimmen dem Gesetz zu.“

(Zuruf der Abg. Angelika Pfeiffer, CDU)

Da ist es aber Bestandteil, Frau Pfeiffer.

Keine fünf Jahre später kommt die Kehrtwende. Was bewegt Sie dazu? Selbstverständlich kann man die Problematik der künstlichen Befruchtung schon aufgrund der geringen Quantitäten nicht unter demografischen Aspekten betrachten. Nein, in erster Linie handelt es sich um eine medizinische Leistung, deren Kürzung Sie selbst mit herbeigeführt haben. Der einzige ausschlaggebende Grund dafür – so ergibt sich aus dem Protokoll der 792. Bundesratssitzung – war der finanzielle Aspekt. Oberstes Gebot war die vorgebliche Senkung des Krankenkassenbeitrages, wozu diese Leistungskürzung ein Mosaikstein sein sollte. Die damalige Bundesgesundheitsministerin führte wörtlich aus – Zitat –: „Die Beitragssätze werden schon im Jahr 2004 sinken, mittelfristig unter die 13-%-Grenze.“ Genauso wie Norbert Blüm sich für die CDU mit der vorgeblichen Rentensicherheit blamierte,

(Zuruf von der CDU: Bleiben Sie doch weiter im Thema!)

war es Ulla Schmidt, die sich als Vertreterin der Unlauterkeit im Zusammenhang mit der Gesundheitsreform bloßstellte. Dass Sie sich heute mit diesem inhaltsarmen Antrag selbst vorführen, scheint Sie dennoch nicht weiter zu stören. Dies ist schade, vergeben Sie sich damit doch erneut die Chance, durch klare Forderungen eine leistungsfähigere Politik zu gestalten.

Es geht hier, wie schon gesagt, um die medizinische Leistung und deren Indikationen, was in der Diskussion viel zu kurz kommt. So lässt der Antrag völlig offen, welche Maßnahmen ergriffen werden, und vor allem, worin konkret die Ziele liegen sollen. So wäre es aus Sicht der NPD-Fraktion das Mindeste gewesen, wenn Sie sich an der Richtlinie über künstliche Befruchtung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen ausgerichtet hätten, zumindest aber an der alten Fassung des § 27a Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Von daher bieten wir Ihnen mit unserem Änderungsantrag, den ich hiermit gleichzeitig einbringe, an, diese Konkretisierung als Diskussionsgrundlage für eine Verhandlung auf Bundesebene einzuführen. Ein bloßer Bitt- und Betteltext, in den man alles oder nichts hineininterpretieren kann, ist nicht nur unwürdig, sondern ein Armutszeugnis der CDU/SPD-Koalition.

Zu unserem Änderungsantrag: Mit der Gesundheitsreform, die zum 01.01.2004 in Kraft trat, federführend von Rot-Grün initiiert, aber auch von der CDU und der FDP unterstützt, ging eine massive Kürzung im Bereich der künstlichen Befruchtung einher. Hierzu wurde unter anderem § 27a Abs. 1 Nr. 2 SGB V dahin gehend verändert, dass per se eine Erfolglosigkeit nach drei Versuchen unterstellt wird. Dies stellt eine starre und vor allem auch medizinisch unsinnige Begrenzung dar, die durch nichts außer dem Kostenfaktor, wie die Bundesratsprotokolle belegen, untermauert wird. Damit, meine Damen und Herren, verstößt diese Begrenzung gegen die Gesetzeswahrheit und -klarheit, weshalb auch der verfassungsrechtliche Aspekt Beachtung finden muss. In diesem Zusammenhang darf auch Artikel 6 des Grundgesetzes

nicht außer Acht gelassen werden, der die Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt.

Meine Damen und Herren, insbesondere von der Koalition: Ich bitte Sie, einmal tief in sich zu gehen und sich vor Augen zu führen, welche Familien eine solche medizinische Maßnahme vornehmen lassen wollen und dies aus finanziellen Gründen jedoch oft nicht können; denn nicht umsonst ist die künstliche Reproduktion seit Umsetzung der Gesetzesänderung zum 01.01.2004 um 50 % zurückgegangen. Es handelt sich um die potenziellen Eltern, die sich nichts sehnlicher wünschen, als ein oder zwei Kinder aufziehen zu können. Diese Kinder, meine Damen und Herren, hätten im Gegensatz zu so vielen anderen Kindern in diesem Land das große Glück, in einer sie fürsorglich umsorgenden Familie aufwachsen zu können. Diese Eltern sind bereit, jegliche Strapazen auf sich zu nehmen. Wer sonst, wenn nicht diese Familien, haben Anspruch auf den höchsten Respekt? Sind es nicht gerade auch diese Frauen und Männer, denen dieses Land, auch der Freistaat Sachsen, in besonderer Weise verpflichtet ist? Ich denke schon.

Natürlich könnten wir uns getrost zurücklehnen und die Forderung aufmachen, zur alten Regelung des SGB V zurückzukehren. Wir sind aber der Auffassung, dass diese, wenn auch nicht ganz so starre Festschreibung dennoch zu kurz greift. Daher möchten wir, dass die Staatsregierung auf Landes- und vor allem auf Bundesebene die angesprochene Richtlinie in Verbindung mit § 135 Abs. 1 und § 92 Satz 2 Nr. 4, jeweils SGB V, als gangbaren Weg erörtert. Eine bloße inhaltslose Zurschaustellung eines Begehrens, wie es derzeit der Koalitionsantrag darstellt, kann und darf nicht Anspruch dieses Parlaments sein. Ich bitte Sie daher auch um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

Ich kann es an dieser Stelle aber auch nicht lassen, einige Worte an die tiefroten Fraktionen der Linken und vor allem der GRÜNEN zu richten. Ihnen ist, wie die letzten Jahre überaus deutlich zeigten, kein Steueraufwand zu hoch, um aberwitzige Ideen der 68er und den daraus resultierenden gesellschaftlichen Werteverfall sowie mehr oder minder friedliche Randgruppen zu finanzieren. Gleichzeitig wollen Sie aber gerade dort massive Kürzungen bei Leistungen, zumal hier auch aufgrund einer medizinischen Indikation, vornehmen, die fast ausschließlich der eigenen Normalbevölkerung und damit den Sachsen zugute kommen.

(Caren Lay, Linksfraktion: „Normalbevölkerung“ – was ist denn „normal“, Herr Müller?)

Ich hatte mich am Anfang zum Thema Familie geäußert. Ich denke, mit dem Familienbild, das von großen Teilen Ihrer Fraktion, Frau Lay, vertreten wird, werden die meisten Menschen in Sachsen nichts anfangen können.

(Caren Lay, Linksfraktion: Mit Ihrem Gott sei Dank auch nichts!)

Mal sehen, Frau Lay.

Sie sollten das der Normalbevölkerung und damit den normalen Sachsen zugute kommen lassen. Dies widerspricht sonst der Sächsischen Verfassung und dem auch durch Sie darauf geleisteten Eid.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Es wirft auch die Frage auf, für wen Sie hier tatsächlich Politik machen. Für die Sachsen wohl eher nicht. Deshalb und aus Verantwortung für die Zukunft hat meine Fraktion übrigens Ihren Kürzungsantrag zur assistierten Reproduktion in der jetzigen Haushaltsdebatte abgelehnt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion, bitte; Frau Abg. Schütz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Fast jedes zehnte Paar, ob verheiratet oder nicht, bleibt in Deutschland ungewollt kinderlos – ein Umstand, der für jedes betroffene Paar eine schwere Belastung ist. Doch Forschung und medizinisch-technischer Fortschritt ermöglichen es seit nunmehr über 30 Jahren, mittels der künstlichen Befruchtung dem Wunsch nach einem Kind näher zu kommen.

Als Gesellschaft haben wir uns darauf verständigt, die künstliche Befruchtung in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen aufzunehmen. Doch mit dem 2004 verabschiedeten Gesundheitsstärkungsgesetz – ich erinnere: das war die vorletzte Gesundheitsreform – wurde diese Leistung der gesetzlichen Krankenversicherungen verringert. Damit wurden vor allem die einkommensschwachen Paare benachteiligt. Der vorliegende Antrag von CDU und SPD will nun diesem Problem begegnen. Das findet unsere Unterstützung.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Angelika Pfeiffer, CDU)

Die künstliche Befruchtung sollte allerdings nicht per se als der alleinige und sichere Weg kommuniziert werden. So sehr künstliche Befruchtung den Paaren helfen kann, gibt es doch auch Probleme, die dabei beachtet werden müssen. Die medizinischen Risiken sind nicht vom Tisch zu wischen. Die Wahrscheinlichkeit von Mehrlingsgeburten – Herr Schowtka, Sie erleben es in nächster Zeit ja selbst –, das Risiko von Frühchen sowie das Auftreten von Behinderungen sind erhöht. Letztlich ist es auch eine Frage des Kindeswohles, ob eine medizinisch mögliche Befruchtung auch ethisch immer die richtige Entscheidung ist. Die Förderung der künstlichen Befruchtung unter, wie es nun im Haushalt steht, demografischer Zielsetzung ist daher äußerst schlecht benannt worden. Frau Pfeiffer, bitte, gehen Sie nicht damit in die Öffentlichkeit, dass wir Kinder als Arbeitskräfte der Zukunft brauchen.

(Angelika Pfeiffer, CDU: Sie haben doch meinen Sätzen zugehört!)

Ich denke, das ist ein vollkommen falscher Ansatz, den Sie hier genannt haben. Die Förderung sollte allein der Findung einer höchst persönlichen Entscheidung dienen, die Leistung der Krankenkasse der Überwindung einer gesundheitlichen Einschränkung – einer Entscheidung, die nicht vom Geld abhängen sollte, sondern einer Entscheidung, die nach ärztlichem Rat und nach Aufklärung der Risiken getroffen wird, einer Entscheidung, die den betroffenen Paaren auch in der Durchführung viel abverlangt.

Dies beginnt bei der Einsicht, dass es eben nicht auf dem natürlichen Weg geklappt hat, und es geht weiter bei den Untersuchungen und der Aufklärung über Gefahren bis zu der Frage, ob man nicht vielleicht doch ein elternloses oder nicht gewolltes Kind adoptieren will. Es mündet schließlich im Warten auf eine Schwangerschaft. Oftmals gibt es mehrere Enttäuschungen, bevor der Erfolg eintritt, und am Ende steht, wie bei allen anderen Eltern auch, das Hoffen auf die Geburt eines gesunden Kindes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Förderung der künstlichen Befruchtung kann all das nicht leichter machen oder ersetzen, sie dient jedoch dazu, dass die Entscheidung für das eigene Kind eben nicht nur vom Geldbeutel abhängt. Deshalb werden wir dem Antrag von CDU und SPD zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktion der GRÜNEN erhält das Wort; Frau Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich im Haushaltsentwurf gelesen habe, dass die Koalition Haushaltsmittel einstellen will, um anteilig die Kosten künstlicher Befruchtung zu übernehmen, habe ich mich überhaupt nicht gewundert. Als ich dann jedoch gelesen habe „... im Sinne einer demografischen Zielsetzung“, war ich sprachlos. Frauen gegen den Bevölkerungsrückgang ins Labor!

(Empörung bei der CDU)

Ich frage mich, ob Sie sich überhaupt damit beschäftigt haben, was assistierte Reproduktion ist und wie sich Menschen fühlen, die in ihrer Ratlosigkeit und manchmal auch Verzweiflung zu diesem Mittel greifen. Es ist ja heute so, dass sich Menschen teilweise dafür rechtfertigen müssen, wenn sie keine Kinder bekommen; und da kommt Ihr Antrag daher und schlägt in dieselbe Kerbe.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, klar ist, dass die Situation, ungewollt kinderlos zu sein, Menschen oft in tiefe Verzweiflung stürzt. In der individuellen Lebensplanung ist heute meist erst spät Platz für Kinder. Auch der Partner oder die Partnerin, mit dem sich Frauen wie Männer Kinder wünschen, wird heute später gefunden als noch vor 25 Jahren. Deshalb ist es richtig, was Herr Gerlach sagte: Vereinbarkeit von Studium und Familie mit Kind

ist eine wichtige Sache. Aber oft wird eben auch der Partner erst spät gefunden.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Da kann der Staat aber nichts dafür!)

So verschiebt sich der Zeitpunkt, an dem Kinder willkommen sind, und für die Frauen wird es schwieriger, sofort schwanger zu werden. Manche müssen lange warten, bis sie Kinder bekommen, und es ist keine medizinische Ursache dafür erkennbar. Psychische Ursachen spielen eine große Rolle. Manche Paare sind medizinisch unfruchtbar und entscheiden sich dann zum Beispiel für eine Adoption oder ein Leben ohne Kinder.

Es geht dabei, liebe Kolleginnen und Kollegen, also um ganz individuelle Problemlagen und nicht, wie es im Haushalt suggeriert wurde, um staatliche Bevölkerungspolitik. Für diese individuellen Problemlagen muss es unserer Ansicht nach individuelle Lösungen geben.

Wie Sie wissen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, eine Schwangerschaft auf künstlichem Wege zu erreichen. Sie können sich auch informieren. Schauen Sie ins Internet, das deutsche IVF-Register gibt Auskunft. Demografische Probleme mit künstlicher Befruchtung lösen zu wollen ist jedenfalls schlicht unsinnig.

(Angelika Pfeiffer, CDU: Das will auch keiner!)

Das wird sofort klar, wenn wir uns ansehen, wie groß die Chance ist, eine Schwangerschaft auf diesem Wege zu erreichen: 16 von 100 Frauen werden schwanger. Wie sieht der Weg dahin aus? Zunächst bekommt die Frau Hormone, damit mehrere Eizellen gleichzeitig heranreifen, die ihr dann unter Narkose entnommen werden, um danach die Eizellen mit Samenzellen zusammenzubringen bzw., wie bei der intracytoplasmatischen Spermieninjektion üblich, eine Spermie direkt in die Eizelle zu injizieren. Danach werden der Frau bis zu drei befruchtete Eizellen wieder eingepflanzt.