Protocol of the Session on December 11, 2008

Das wird sofort klar, wenn wir uns ansehen, wie groß die Chance ist, eine Schwangerschaft auf diesem Wege zu erreichen: 16 von 100 Frauen werden schwanger. Wie sieht der Weg dahin aus? Zunächst bekommt die Frau Hormone, damit mehrere Eizellen gleichzeitig heranreifen, die ihr dann unter Narkose entnommen werden, um danach die Eizellen mit Samenzellen zusammenzubringen bzw., wie bei der intracytoplasmatischen Spermieninjektion üblich, eine Spermie direkt in die Eizelle zu injizieren. Danach werden der Frau bis zu drei befruchtete Eizellen wieder eingepflanzt.

Nach dieser ganzen medizinisch invasiven, die Frau psychisch und physisch belastenden Behandlung, liebe Kolleginnen und Kollegen, bekommen ungefähr 16 von 100 Frauen Kinder. Alle anderen müssen damit fertig werden, dass es leider wieder nicht geklappt hat. Manche werden schwanger und verlieren das Kind wieder, und viele probieren es noch einmal und noch einmal. Viele Paare bekommen trotzdem kein Kind auf diesem Weg, und damit müssen diese Paare fertig werden.

Hinzu kommt, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Möglichkeit von Mehrlingsschwangerschaften durch die hormonelle Stimulation, und diese werden dann teilweise wieder reduziert. Das heißt, es wird eine selektive Abtreibung im Mutterleib vorgenommen. Können Sie sich vorstellen, welch traumatisierende Situation es für Frauen ist, die sich dringend ein Kind wünschen, einen Fötus im eigenen Körper töten zu lassen, um zwei weitere zu retten?

Diese Behandlung stellt Menschen, die sich ihr unterziehen, vor allem eben Frauen, vor enorme körperliche und

seelische Belastungsproben. Es gibt viele Studien; eine möchte ich erwähnen, die in diesem Herbst im „British Medical Journal“ veröffentlicht wurde. Je 193 Frauen wurden mit Clomifen, das ist ein Hormonpräparat, welches zur stärkeren Eireifung beiträgt, behandelt. 193 unterzogen sich einer Insemination – das ist das Einbringen von Spermien auf künstlichem Wege – und 193 erhielten überhaupt keine Behandlung. Danach brachten 14 %, 23 % und von den überhaupt nicht behandelten Frauen 17 % ein Kind zur Welt.

Frau Herrmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Schowtka, bitte.

Frau Herrmann, ich glaube, es ist heute deutlich geworden, dass die Paare, die sich dieser komplizierten Behandlung unterziehen, den sehnlichen Wunsch haben, Kinder zu bekommen; und wenn ich Sie nun höre, dann sprechen Sie nur über Dinge, die der Sache entgegenstehen.

Sind Sie auch sonst bei der Empfängnisverhütung so konsequent, wie Sie es jetzt hier darstellen?

Ich weiß nicht, was das mit Empfängnisverhütung zu tun hat.

Doch, das haben Sie doch gerade gesagt. Sie haben doch gerade die Form von Abtreibung erklärt, die dann stattfinden soll.

(Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Ich habe gesagt, dass diese Form der künstlichen Befruchtung dazu führen kann, dass Frauen in die Lage kommen, darüber entscheiden zu müssen, ob sie ein Kind abtreiben. Das habe ich gesagt und nichts anderes; und darüber sprechen wir.

Ja, aber Sie erklären die ganze Angelegenheit – –

(Beifall bei der FDP)

Wenn Sie bis zum Ende zuhören, dann werden Sie merken, wie ich zu diesem Antrag insgesamt stehe. Ich bin aber noch nicht am Ende.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition! Mit Ihrem Antrag wollen Sie die Finanzierung verbessern. Dabei wollen Sie – das habe ich der Presse entnommen, Herr Alexander Krauß hat sich dazu geäußert – diese Finanzierung den Paaren zukommen lassen, die nach § 27a SGB V die Hälfte der Kosten für drei Versuche von der Krankenkasse erstattet bekommen, aber nur dann, wenn sie eigene Samenzellen verwenden.

Damit werden – weil dieser Paragraf zugrunde liegt – nur Ehepaare die Förderung erhalten. Das sagen Sie zwar nicht explizit, aber das ist die logische Konsequenz. An

dieser Stelle widerspreche ich aber Herrn Gerlach. Man könnte, auch ohne das Bundesgesetz zu ändern, außerhalb des SGB V unterstützen. Dann würden Paare unter Umständen nicht die gesamten Kosten erstattet bekommen, aber möglich wäre das, ohne das Bundesgesetz zu ändern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir plädieren an dieser Stelle für eine Öffnung. Wir sind der Ansicht, dass Kinderwunschbehandlungen nicht vom Familienstand abhängig sein dürfen. Zurzeit ist es so, dass die Ethikkommission der Landesärztekammer prüft, ob nicht verheiratete Paare in stabiler Partnerschaft leben. Das ist die Voraussetzung – erst die Prüfung und dann die Zustimmung –, um überhaupt Maßnahmen der künstlichen Befruchtung zu bekommen. Das ist unabhängig davon, ob wir das finanzieren oder nicht.

Für diese Prüfung müssen die Paare 150 bis 500 Euro bezahlen. Ich frage Sie: Mit welchem Recht darf die Landesärztekammer hier tätig werden? Da eine solche Zugangsbeschränkung – um diese handelt es sich – massiv in Grundrechte eingreift, darf in diesem Bereich ausschließlich der Gesetzgeber tätig werden. Deshalb müssen wir die öffentliche Diskussion dazu führen.

Weitere Probleme ergeben sich daraus, dass es sich bei der assistierten Reproduktion um ein sehr komplexes Verfahren handelt, wie ich versucht habe darzustellen, das für die Menschen, die sich diesem Verfahren unterziehen, eine große Belastung bedeutet. Bei dieser Problematik – der Entscheidung vorher, der Begleitung und auch, wenn es nicht geklappt hat, der Begleitung danach – brauchen die Paare Unterstützung. Deshalb brauchen wir eine politische Diskussion darüber, dass wir die Paare nicht einfach zu den Reproduktionsmedizinzentren schicken, sondern ihnen Begleitung anbieten, die nach unserer Auffassung notwendig ist.

Wir müssen uns darüber unterhalten, was die Ursachen für eine ungewollte Kinderlosigkeit sind. Frau Pfeiffer hat es bereits gesagt. Vieles spricht dafür, dass es Umwelteinflüsse sind, teils ist es auch Stress und oft ist es schlichtweg Unkenntnis.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen das Problem ungewollter Kinderlosigkeit umfassend diskutieren. Eine einfache Finanzierungsregelung für ausgewählte Menschen mit eigenem genetischem Material wird den individuellen Problemen nicht gerecht. Wir werden einen Änderungsantrag einbringen, den ich dann begründen werde.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es wurden keine weiteren Diskussionsredner gemeldet. Ich frage die Staatsregierung. Frau Staatsministerin Clauß, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Unser Haus setzt sich bereits

seit mehreren Jahren in verschiedenen bundesweiten Gremien dafür ein, die Finanzierung der künstlichen Befruchtung zu verbessern.

(Beifall bei der CDU)

Die Bundesregierung wurde mit einem Bundesratsbeschluss im Juli 2008 aufgefordert, den Rechtszustand vor Inkrafttreten des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes wiederherzustellen. Dies ist bisher nicht geschehen. Damit werden wir uns aber nicht abfinden.

(Zuruf von der CDU: Richtig!)

Seit die Krankenkassen Kinderwunschbehandlungen nur noch zu 50 % unterstützen, werden bundesweit jedes Jahr circa 6 000 Kinder weniger geboren. Warum? Weil vielen Paaren die Übernahme des hohen Eigenanteils nicht möglich ist. Das wissen wir aus den Rückmeldungen von betroffenen Paaren in Sachsen.

Diese soziale Selektion wollen wir mindern. Wir wollen mehr Paaren die Erfüllung ihres Kinderwunsches ermöglichen.

(Zustimmung des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Dazu werde ich im Kabinett im Januar 2009 einen Richtlinienentwurf vorlegen, der sich derzeit in der Abstimmung befindet. Ich freue mich, dass die Koalitionsfraktionen diesem Thema große Bedeutung beimessen und das nicht nur mit diesem Antrag, sondern – wie sie es bereits bewiesen haben – mit der gestern angesprochenen Verdopplung der im Regierungsentwurf eingeplanten Haushaltsmittel.

Die Zuwendungsvoraussetzungen werden sich direkt an das Sozialgesetzbuch V und die Richtlinien der Bundesärztekammer anlehnen. Das bedeutet unter anderem: Die Paare müssen ihren Wohnsitz nachweisen. Es gibt bestimmte Altersgrenzen, und – wie bereits angesprochen – die Paare müssen verheiratet sein. Die Zuwendungsvoraussetzungen sind also die gleichen wie die der Krankenkassen. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass wir sehr schnell und unbürokratisch fördern können. Wir werden die Zuwendungen über ein bürgerfreundliches und unkompliziertes Antragsverfahren vergeben, denn Paare in dieser Situation haben andere Probleme, als erneut Formulare auszufüllen.

(Beifall bei der CDU)

Ich gehe davon aus, dass diese Unterstützung zu Beginn des II. Quartals 2009 zur Verfügung stehen wird. Mit diesem Förderprogramm zur Kinderwunschbehandlung wird der Freistaat Sachsen nicht nur Vorreiter, sondern auch Stichwortgeber sein. Darauf deuten zumindest die zahlreichen interessierten Anfragen anderer Landesregierungen hin, die wir in den letzten Tagen erhalten haben.

Dieses Programm zeigt einmal mehr, dass Sachsen auf dem Weg zum familienfreundlichsten Bundesland ist.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Frau Pfeiffer hält für die Koalition das Schlusswort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein wenig komisch ist es schon in diesem hohen Haus. Jetzt haben wir Sachsen einmalig Geld für eine solche tolle Sache eingestellt. Eigentlich erwarte ich von allen Rednerinnen und Rednern – auch von der Frauen der Opposition –, dass Sie ans Mikrofon gehen und sagen: Leute, das ist eine tolle Sache und deutschlandweit einmalig!

(Beifall bei der CDU)

Darauf können wir Sachsen doch stolz sein, wir können doch stolz sein auf den sächsischen Haushalt. In einer zweiten Stufe könnten Sie, Frau Lauterbach oder Frau Herrmann, dann sagen: Dieses und jenes gefällt mir nicht, hier und da könnten wir etwas ändern. – Das ist alles möglich und alles richtig, aber in erster Linie sollten wir sagen: Wir Sachsen sind klasse. Wir leisten uns etwas, was sich die anderen Länder nicht leisten.

(Beifall bei der CDU)

Mit dem vorliegenden Antrag setzen wir ein Signal für ein familien- und kinderfreundliches Sachsen.

Frau Schütz, wenn Sie mir das Wort im Mund herumdrehen und sogar fast mit erhobenem Zeigefinger warnen – ich habe meine Rede vor mir liegen –, so muss ich eines sagen: Es war e i n Argument, warum wir den Kolleginnen und Kollegen im Haushalts- und Finanzausschuss beim Sozialhaushalt, aber auch im Parlament gesagt haben: Wir wollen Geld für die künstliche Befruchtung aus diesem und aus jenem Grund. Und hier war ein Grund die Demografie. Also bitte drehen Sie mir nicht das Wort im Munde herum. Wir sind stolz auf uns.