Protocol of the Session on September 12, 2008

Die Nahverkehrsautomaten haben zudem keine ECKarten-Funktion. So konnte man am letzten „Tag der Sachsen“ auf dem Bahnhof Grimma meterlange Schlangen vor dem Automaten sehen, an dem Kundinnen und Kunden bis zu einer Dreiviertelstunde warten mussten. Die Bahn war noch nicht einmal in der Lage, einen Mitarbeiter für den Handverkauf bereitzustellen, um den ja nun wirklich lange bekannten Andrang zum „Tag der Sachsen“ zu bewältigen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Was glauben Sie, meine Damen und Herren, welchen Eindruck von der Servicequalität die Besucher des „Tages der Sachsen“ mitnehmen werden? Ich würde mich nicht wundern, wenn schon der Gedanke an eine Bahnfahrt künftig Stresssymptome und Schweißausbrüche auslösen würde.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das ist so!)

Die Bahn baut auch sonst den Service ab, wo sie es kann und wo es richtig weh tut. Sie hat die Provision bei den freien Agenturen, die Fahrkarten verkaufen, um 50 % gekürzt. Die Folge ist, dass sich gerade im ländlichen Raum freie Verkaufsstellen nicht mehr lohnen. Die freien Verkaufsstellen sollten doch aber einmal die geschlossenen Fahrkartenschalter im ländlichen Raum ersetzen. Aber offensichtlich hat die Bahn den ländlichen Raum ohnehin längst abgeschrieben.

Nein, meine Damen und Herren, diese Auswüchse vor dem geplanten Börsengang lehnen wir ab!

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Wir lehnen es ab, dass hier die Bahnbilanzen auf Kosten der Kunden aufgehübscht werden sollen und dass 150jährige Investitionen der Bürgerinnen und Bürger privatisiert werden sollen. Wir wollen eine Bürgerbahn statt dem

Börsenwahn. Wir wollen eine Bahn, die tatsächlich für alle Menschen da ist, die sich kein Auto leisten können oder wollen. Wir fordern auch die Politik auf, Herr Staatsminister Jurk, dass sie endlich darauf hinwirkt, dass wir wieder eine Bahn bekommen, die ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht wird.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Vielleicht schaffen Sie es, den Rücktritt von Herrn Mehdorn zu fordern. Darüber würde ich mich sehr freuen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Jawohl! – Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Mehdorn auf den Kohletender!)

Ich erteile das Wort der Fraktion der CDU; Herr Heidan, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor Ihnen steht ein Unternehmer, jetzt freigestellt für die Arbeit im Sächsischen Landtag, aber dennoch unternehmerisch denkend. Dieses unternehmerische Denken kann und will ich auch nicht ablegen.

Herr Lichdi, nehmen Sie es mir nicht übel: Wenn es so leicht wäre, wie Sie es soeben dargestellt haben, dann könnten wir einige Probleme anders lösen. Aber genau das muss man dem unternehmerischen Handeln der Deutschen Bahn AG zugute halten. Ich weiß nicht, ob nach meiner Rede ähnliche Beschuldigungen vonseiten der Linksfraktion ausgesprochen werden, aber wir wollen einen Wettbewerb im System der Bundesrepublik Deutschland.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Das hat uns nach vorn gebracht. Eine Befürwortung zu ebendiesem Wettbewerb habe ich weder von der Linksfraktion noch von den GRÜNEN jemals deutlich in diesem Haus gehört.

(Gelächter bei der Linksfraktion)

Sie stehen für staatsgeleitete Unternehmen. Wie erfolgreich das in der Vergangenheit war, brauche ich dem Hohen Haus sicher nicht weiter zu erklären. Wir sind uns sicher darüber einig, dass die Privatisierung mehr Wettbewerb zum Ziel haben muss; denn nur Wettbewerb zu – wohlgemerkt – fairen Bedingungen wird ein realistisches Preisniveau erreichen. Das Netz der Bahn AG wurde nicht verkauft, um Wettbewerb zwischen den Anbietern erst ermöglichen zu können und zu erreichen.

Ich bin der Meinung: Nur mit diesem Wettbewerb auf bundeseigener Schiene, nur mit unterschiedlichsten Anbietern wird zukünftig das Fahrangebot zu ausgewogenen Preisen erfolgen. Das ist ein Fakt, an dem weder die Linksfraktion noch die GRÜNE-Fraktion vorbeikommen.

Wir wissen aus der Vergangenheit vom Schuldenberg der damaligen Bundesbahn und davon, welche Lasten und Schulden von der Deutschen Reichsbahn durch die

Wiedervereinigung übernommen wurden. Ich gebe unumwunden zu, dass die damalige Bahnpolitik zur Infrastruktur gerade gegenüber unserem Freistaat nicht sehr hilfreich war, bis heute wirkt und schleunigst korrigiert werden muss.

Deshalb haben Sie, verehrte Damen und Herren, noch Gelegenheit, unserem Antrag in einer der nächsten Sitzungen zuzustimmen. Wir haben ihn bereits in den Geschäftsgang gebracht.

Von seinen Gesellschaftern lässt sich der Vorstandschef des letzten deutschen Staatsunternehmens nur ungern hineinreden und das ist auch gut so.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Nein!)

Herr Mehdorn könnte bei der Deutschen Bahn wohl kaum viel bewirken, wenn er sich ständig an den Wünschen der Politik ausrichten würde.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Das ist keine Privatangelegenheit hier!)

Ich meine, die Kunden müssen zufrieden sein.

(Alexander Delle, NPD: Sind sie aber nicht!)

Das hat die Bahn in den vergangenen Jahren in Ansätzen durchaus fertiggebracht. Es sind attraktivere Fahrpläne entstanden, die Schaffner sind freundlicher und der Ausbau des Transportgeschäftes wurde geleistet.

(René Despang, NPD: Sie sollten vielleicht mal mit dem Zug fahren!)

Herr Mehdorn ist auf gutem Weg, den einstigen behäbigen Staatsbetrieb – –

(Höhnisches Lachen des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Lassen Sie mich doch zu Ende reden!

in einen weltweit expandierenden Dienstleistungs- und Logistikkonzern zu verwandeln, die Frachtaufträge zu Land, zu Wasser und in der Luft abzuwickeln und so die Chancen der Globalisierung zu nutzen. Aber zurück zum Schulden- oder vielleicht Lastenberg.

(Dr. Johannes Müller, NPD: Aber die Menschen bleiben auf der Strecke!)

Was regen Sie sich denn so auf!

Wir wissen auch, wie dieser Schuldenberg durch die Bahn AG erfolgreich in den letzten Jahren reduziert wurde. Ich möchte aber noch einmal auf den Wettbewerb hinweisen. Wir haben Wettbewerber auf der Schiene wie zum Beispiel die Vogtland-Bahn, die von Plauen bis nach Berlin einen Fahrpreis von 26 Euro anbietet, und die Bahn bietet das zum doppelten Fahrpreis an. Das muss geändert werden, und das kann man nur durch Wettbewerb.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Mit der Vogtland-Bahn nach Paris!)

Wenn jetzt – vielleicht doch, wenn es sich trägt, warum nicht? – Bundesverkehrsminister Tiefensee nicht in die Preiserhöhung der Bahn AG, wie Presseberichten zu entnehmen ist, eingreifen will, dann ist das der erste Weg zum Wettbewerb für angemessene Preise. Es wäre schön, wenn es unseren Koalitionspartnern auf anderen Gebieten ebenso gelänge.

Damit wäre ich noch einmal bei Ihnen, meine Damen und Herren von den GRÜNEN. Natürlich ist von einem noch staatlichen Unternehmen kurz vor der Privatisierung eine solche geplante Preiserhöhung bei der derzeitigen Gewinnsituation nicht ohne Weiteres hinnehmbar. Dennoch sind die Kosten für Energie, Lohnerhöhung und tarifliche Leistungserweiterungen nicht zu unterschätzen. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dazu haben Sie ja in Ihrer bisherigen Politik nicht viel beigetragen.

Zu meinem anderen Standpunkt im zweiten Teil meiner Rede.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Johannes Lichdi, GRÜNE: Haben Sie überhaupt zugehört?)

Ich erteile der Linksfraktion das Wort; Frau Dr. Runge, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon ein starkes Stück, Herr Heidan, wenn Sie die Auffassung hier begründen und vertreten, dass sich Politik, bitte schön, aus der Geschäftspolitik der Deutschen Bahn herauszuhalten hätte. Bei einem noch 100prozentigen Bundesunternehmen – das ist ein staatliches Unternehmen – ist es sogar die Pflicht des Aufsichtsrates, in dem Herr Tiefensee sitzt, auf die Geschäftspolitik dieses Unternehmens Einfluss zu nehmen;

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

denn schließlich ist dieses Unternehmen einem grundgesetzlichen Auftrag zur Daseinsvorsorge verpflichtet, nämlich die Mobilität für alle zu ermöglichen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Da ist die Preispolitik natürlich ein entscheidendes Signal, ob Menschen mehr die Bahn beanspruchen, um von A nach B zu kommen, oder ob sie künftig gänzlich darauf verzichten. Ich kann nur von Glück sagen, dass es vielleicht den bayerischen Wahlkampf gibt; denn Herr Seehofer als Verbraucherschutzminister hat, wie man aus den Nachrichten hört, sich ja besonders engagiert und dafür eingesetzt, dass in der Krisensitzung des Bahnvorstandes doch offensichtlich die unsägliche Erhöhung der Bedienzuschläge zurückgenommen wird. Nichtsdestotrotz werden wir es wieder mit Preissteigerungen zu tun haben.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Vielleicht kommt noch die Bahnsteigkarte!)