Protocol of the Session on September 12, 2008

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Vielleicht kommt noch die Bahnsteigkarte!)

Das Schreiben, das uns Herr Wiesen als Vorstandsmitglied zur Begründung der Preissteigerung zugeschickt hat,

grenzt ja wirklich an eine euphemistische Begründung, worüber man eigentlich nur noch lachen kann. In der Begründung ist die Rede von flächendeckenden Servicecentern. Wo gibt es eigentlich noch flächendeckende Servicecenter? Es ist einfach nicht mehr hinnehmbar, wie offensichtlich hochrangige Vorstandsmitglieder der Bahn oder auch Politiker die Wirklichkeit überhaupt nicht mehr zur Kenntnis nehmen.

Eines steht doch fest: Herr Tiefensee hat großspurig verkündet, er würde keinen Einfluss auf die Geschäftspolitik nehmen. Natürlich will Herr Tiefensee den Börsengang der Bahn nicht gefährden. Es ist doch ganz klar, dass sich die Bahn sukzessive von einem kundenorientierten, kundenfreundlichen Dienstleistungsunternehmen weg entwickelt und alles sozusagen dem Börsengang und der damit verbundenen Renditeerwartung in ihrer Geschäftspolitik unterordnet.

Meine Damen und Herren von der SPD und der CDU, die Sie heute die Privatisierung der Deutschen Bahn feiern! Ich gebe Ihnen Brief und Siegel darauf, dass Sie es irgendwann bitter bereuen werden.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Jurk, was bestimmte Defizite im sächsischen Regionalverkehr angeht, so sind wir schon der Meinung, dass Sie über den Beirat bei den Zweckverbänden auch durchsetzen könnten, dass es endlich wieder zur kostenlosen Fahrradmitnahme in allen Verkehrsverbünden bei der Bahn DB Regio kommt. Das kann man zumindest bei der sächsischen Politik in den Zweckverbänden durchsetzen. Dazu sollte man den Beirat nutzen. Es kann auch nicht hingenommen werden, dass zwischen dem Zweckverband Oberelbe und dem Zweckverband Mitteldeutschland völlig unterschiedliche Standards existieren. Man muss in Sachsen Wert darauf legen, dass es einheitliche Standards zur Personenbeförderung und für die kostenfreie Mitnahme von Fahrrädern in den Zügen der DB Regio gibt.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Frau Dr. Raatz, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist jetzt für mich als SPD-Mitglied schwierig, auf Frau Dr. Runge zu reagieren. Wie reagieren CDU und SPD hier? – Ich glaube, Frau Dr. Runge, dass wir die Privatisierung so stark nicht feiern werden. Das haben Sie in den vergangenen Debatten sicher mitbekommen. Aber die Entwicklung ist, wie sie ist.

Herr Lichdi, zu den Automaten. Ich bin da ganz Ihrer Meinung. Man könnte noch viel zu Ihrem Katalog beitragen. Mir war es zum Beispiel auch nicht möglich, innerhalb kürzerer Zeit mitzubekommen, wie ich eine Fahrradmitnahme über diesen Automaten realisieren kann. Ich habe dann Service-Personal befragt, das auch nicht Bescheid wusste. Das war mein Erlebnis im Sommer mit der Deutschen Bahn. Das fand ich „sehr schön“.

Aber eine wichtigere Sache war – um auf Ihr Thema zurückzukommen – die Bekanntgabe der Rücknahme der Schaltergebühr. Als ich gerade mit dem Auto in den Landtag kam, hörte ich im Radio, dass Frau Merkel Herrn Mehdorn nach allen Regeln der Kunst „zusammengefaltet“ hat.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Wenn man sich das allein einmal vor dem inneren Auge vorstellt, ist das doch recht lustig. Aber ich glaube, dass er sich wieder allein entfalten wird und wir weiterhin mit ihm zu tun haben werden. Auf jeden Fall ist die Schnapsidee Bedienzuschlag vom Tisch, und zwar nicht allein durch Frau Merkel, sondern auch durch den Einspruch von Wolfgang Tiefensee - das muss man klar sagen – und auch von Horst Seehofer.

(Beifall bei der SPD und des Staatsministers Thomas Jurk)

Was wahr ist, muss auch wahr bleiben.

Erst am Anfang des Jahres wurde Herr Mehdorn in einer Umfrage zum unbeliebtesten Deutschen gekürt. Diesen Platz wird er wohl auch erst einmal weiter behalten, denn er hatte angekündigt, entgegen seinem ausdrücklichen Versprechen im Dezember, die Ticketpreise nicht zu erhöhen – wie es jetzt heißt: sie unterjährig nicht zu erhöhen, der 15. Dezember ist dann anscheinend überjährig–, also entgegen diesem Versprechen hat er nun die Ticketpreise doch erhöht und sich damit den Zorn aller zugezogen, vor allem der Fahrgäste, der Verbraucherschützer und der Politiker. Die Zusage hielt nicht lange. Zum dritten Mal in zwei Jahren wird nun das Bahnfahren teurer.

Das ist schade, denn die gestiegenen Energiepreise könnten genauso gut ein Grund dafür sein, die Preise nicht zu erhöhen, sondern sie sogar zu senken, weil die Züge nun wesentlich besser ausgelastet sein müssten. Pkw-Fahrer etc. sollten sich nun eher für eine Bahnfahrt entscheiden. Doch in dieser Richtung denkt die Bahn wohl eher nicht.

Mein Bundestagskollege Herr Beckmeyer meinte, das Bahnmanagement sollte seine Energie lieber auf die Entwicklung eines attraktiven Preissystems verwenden, das die Kapazitätsauslastung steigert und das Vielfahren belohnt. Genau das wäre meines Erachtens die richtige Richtung.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Thomas Colditz, CDU)

Wir Sozialdemokraten lehnen die Preiserhöhung strikt ab, vor allem aus verkehrspolitischer und ökologischer Sicht. Natürlich gab es einen drastischen Anstieg bei den Energiepreisen – das ist keinem von uns entgangen – und auch der Tarifabschluss von plus 11 % ist sicher ein Grund dafür, dass man eine Fahrpreiserhöhung darstellen kann. Dennoch ist diese Fahrpreiserhöhung strategisch falsch. Sie schreckt Kunden ab, die gewillt sind, auf das Verkehrsmittel Bahn umzusteigen. Der Bremer Verkehrssena

tor Reinhold Lohse von den GRÜNEN – das will ich auch mal erwähnen – sagte:

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Reinhard Loske heißt er!)

Aha, gut. – Wer mehr Personenverkehr auf die Schiene bringen will, sollte beim Drehen an der Preisschraube vorsichtig sein.

Denn durch die Verteuerung des Pkw-Verkehrs in den letzten Monaten hätte die DB AG sehr gute Aussichten, ihre Bilanz nicht über die Erhöhung der Fahrpreise, sondern durch mehr Fahrgäste zu verbessern. Die Voraussetzungen dafür waren noch nie so gut wie heute, denn die ureigenste Aufgabe ist doch wohl, Mobilität für jeden zu ermöglichen, und das zu vernünftigen Preisen, mit einem ordentlichen Service und einem attraktiven Angebot.

Diese Fahrpreiserhöhung kann man akzeptieren oder ablehnen – wir haben gerade verschiedene Stellungnahmen gehört. Wir Sozialdemokraten haben uns klar dazu geäußert. Dennoch steht eines im Moment fest: Die politische Einflussnahme ist äußerst begrenzt und geht nicht über öffentliche Mahnungen oder eben das „Zusammenfalten“ hinaus.

Seit der Bahnreform 1994 und der Umwandlung der Bahn in eine AG, die von allen Bundestagsfraktionen mitgetragen wurde, sind die politischen Einflussmöglichkeiten immer weiter zurückgegangen. Seit der Rechtsänderung durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes vom 16.07.2007 sind die Bahntarife noch nicht einmal mehr formell genehmigungspflichtig. Das bedeutet also in der Konsequenz: Wir können diesbezüglich hier diskutieren, uns austauschen oder gar etwas beschließen; aber eigentlich interessiert es niemanden. Wir haben nämlich keinen Einfluss mehr auf die Preisbildung der DB AG – weder im Bund noch im Land. Bei dem vielen Geld, das wir in dieses System stecken, sollten wir grundsätzlich noch einmal darüber nachdenken, wie wir unsere Entscheidungs- und Einflussmöglichkeiten zukünftig gestalten wollen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Herr Delle spricht für die NPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst kurz zu Ihnen, Herr Heidan. Ich weiß nicht, wann Sie das letzte Mal Bahn gefahren sind oder wo Sie Bahn fahren; aber ich als regelmäßiger Bahnfahrer kann diese zufriedenen Kunden der Bahn, die Sie irgendwo ausgemacht haben, nirgends finden und kann Ihnen bezüglich des Zustandes, den Sie beschrieben haben, nur deutlich widersprechen.

(Beifall bei der NPD – Peter Wilhelm Patt, CDU: Vielleicht liegt das ja an Ihnen!)

Mit den Fahrpreisen der Deutschen Bahn verhält es sich dieser Tage wie mit fast allen anderen Preisen: Sie steigen. Die Summe der diversen Preisanstiege macht, wie die Steuern und Abgaben, die leider ebenfalls steigen, inzwischen vielen Verbrauchern schwer zu schaffen. Deshalb werden Konsumzurückhaltung und infolgedessen eine konjunkturelle Eintrübung das künftige Bild der wirtschaftlichen Lage in Deutschland beschreiben, zumindest mittelfristig.

Insofern ist es natürlich richtig und wichtig, dass die Politik darüber spricht. Doch frage ich mich, was die Politik hier noch machen kann bzw. ob sie hier noch etwas ändern möchte.

Meine Damen und Herren, unabhängig von den Bestechungsvorwürfen gegen drei leitende Mitarbeiter der DB Regio und zwei hochrangige Beamte des Regierungspräsidiums Darmstadt möchte ich grundsätzlich zu den Fahrpreiserhöhungen der Bahn einige Feststellungen machen: Für den Personenfernverkehr benötigt die Bahn kein Prüfverfahren, sodass die DB nach eigenem Ermessen hierfür die Preise erhöhen kann. Hier wäre nach Ansicht der NPD-Fraktion längst die Politik gefragt gewesen, um ungerechtfertigte Preiserhöhungen verhindern zu können. Im Durchschnitt kann also die Bahn, wie angekündigt, die Preise um fast 4 % erhöhen, ohne dass dies eine Kontrollinstanz überprüfen muss.

Aber mit der Entwicklung der Deutschen Bahn erleben wir leider auch eine ganz allgemein völlig in die verkehrte Richtung gehende Verkehrspolitik; denn selbst wenn man im Vergleichszeitraum von einer 15-prozentigen Verteuerung von Autofahrten ausgeht, ist die Bahn aufgrund ihrer kapitalistischen Preispolitik leider keine wirkliche Alternative. Laut dem Bundesgeschäftsführer Leif Miller des Bundesverbandes NABU kommt die DB-Preispolitik bei Strecken bis zu circa 100 Kilometern einer Erhöhung um sage und schreibe 25 % gleich.

Darüber hinaus müssen wir für eine sozialpolitische Bewertung diese in meinen Augen sittenwidrige Preispolitik unter dem Gesichtspunkt betrachten, dass erst im Dezember 2007 eine Fahrpreissteigerung um nahezu 3 % erfolgte.

Des Weiteren erscheint die geplante Preiserhöhung auch im Lichte der tatsächlichen Geschäftszahlen der DB weit weniger notwendig, als diese es gern darzustellen versucht. Die Deutsche Bahn AG hat im ersten Halbjahr 2008 2,6 % mehr Fahrgäste transportiert als im Vergleichszeitraum 2007. Mehdorn und sein Finanzvorstand Sack blicken schließlich auf ein Rekordhalbjahr zurück, in dem der Umsatz des Unternehmens um 6,8 %, der Vorsteuergewinn sogar um 10 % auf deutlich mehr als eine Milliarde Euro anstieg.

Angesichts dieser Zahlen verschafft sich die DB also über ihre erneuten Fahrpreiserhöhungen für das Jahr 2009 neuerliche Mehreinnahmen von circa 120 Millionen Euro.

Lassen Sie mich noch einen kurzen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung werfen. Der Kernbestandteil des

Konzerns, DB Mobility Logistics, ist für den bevorstehenden Börsengang vorgesehen und soll nun zu 24,9 % an Investoren – natürlich überwiegend internationale Fonds – verkauft werden. Erwarten Sie, meine Damen und Herren hier im Saal, angesichts dessen künftig eine angemessene Berücksichtigung der sozialpolitischen Komponenten bei der Konzernpolitik? Ich denke, nicht.

Die NPD war von Anfang an gegen eine Privatisierung der Bahn und kritisiert auch hier den Umstand, dass uns offensichtlich keinerlei Restriktionen seitens der Bundesregierung zur Verfügung stehen, wie selbst Bahnchef Mehdorn laut „Financial Times“ versichert hat. Wenn Frau Merkel zum Telefonhörer gegriffen hat, um so eine unsägliche Bediengebühr vom Tisch zu bekommen, dann ist das sicherlich eine Ausnahme.

Wir erleben hier ein Paradebeispiel dessen, was die NPDFraktion im Sinne der Wahrung einer gewissen wirtschafts- und sozialpolitischen Souveränität einfordert. Es kann nicht angehen, dass es keinerlei Beschränkungen gibt, wenn sich internationale Fonds an strategisch wichtigen deutschen Unternehmen beteiligen. Wie viel Bürgerbahn – sofern man diesen Begriff überhaupt noch verwenden möchte – generell nur zugelassen wird, ist allein daran ersichtlich, dass bei diesem größten Börsengang seit vielen Jahren lediglich bis zu 5 % des privatisierten Anteils für Privatanleger vorgesehen sind.

Meine Damen und Herren, die Weichen werden bei der Bahn völlig falsch gestellt und die Politik befindet sich definitiv auf dem Abstellgleis. Dies gilt es kurzfristig zum Wohl der Menschen umzukehren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Danke. – Herr Morlok, Sie beschließen die erste Runde für die FDPFraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie jedes Jahr, diktiert die Bahn den Kunden ihre Preiserhöhung und die Fahrgäste sind weitgehend machtlos, weil sie keine Alternativen haben. Der Umstieg auf das eigene Auto kann nicht stattfinden, weil wir auch dort die Energiepreissteigerung haben; das Ausweichen darauf ist ökonomisch wenig sinnvoll. Es gibt auch keine Alternative im Bereich des Schienenpersonenverkehrs, weil es eben nicht in zureichendem Maße private Anbieter gibt, die entsprechend als Alternativen zur Bahn zur Verfügung stehen, auch wenn man sagen muss, dass das Angebot der Konkurrenz der Bahn gestiegen ist, aber eben lange nicht ausreichend.

Richtig ist, dass die Bahn von steigenden Energiekosten und von steigenden Personalkosten betroffen ist – wir haben den Lokführerstreik und die Lohnerhöhung um 11 % mitbekommen. Aber welches Unternehmen kann es sich denn leisten, einfach seine steigenden Kosten ohne Probleme an die Kunden weiterzugeben? Das können sich

nur Unternehmen leisten, wenn es praktisch keinen Wettbewerb gibt, wenn es sich um die Konkurrenz nicht kümmern muss. Die Bahn handelt mit ihren Preiserhöhungen mit der Arroganz eines Monopolisten,

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion und den GRÜNEN)