Protocol of the Session on September 12, 2008

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich heute auf das Kapitel Abfälle, konkret Sonderabfälle, konzentrieren, da wir in diesem Jahr hier im Hohen Haus schon mehrfach heftig zum Problem Wasser und Abwasser debattiert haben.

Ausdrücklich wird im Umweltbericht darauf verwiesen, dass Abfälle, die nach Art, Beschaffenheit oder Menge in besonderem Maße die Gesundheit, die Luft, das Wasser gefährden, explosibel oder brennbar sind, als potenziell gefährlich eingestuft werden. Aber über das Aufkommen und die Entsorgungswege von gefährlichen Abfällen und ihre Überwachung finden sich kaum Aussagen. Zudem enden diese mit dem Jahr 2005, obwohl im Impressum als Berichtzeitraum die Jahre 2002 bis 2006 und als Redaktionsschluss Dezember 2007 angegeben sind.

Wir haben uns die Statistiken des Umweltbundesamtes angesehen. Da gibt es Interessantes zu vermelden. Die Gesamtimporte von genehmigungspflichtigen Abfällen aus dem Ausland nach Sachsen beliefen sich 2005 auf rund 483 000 Tonnen. Darunter waren 290 000 Tonnen gefährliche Abfälle. 2007 stiegen die Abfallimporte auf 790 000 Tonnen, darunter 545 000 Tonnen gefährliche Abfälle. Die Importe von gefährlichen Abfällen haben sich fast verdoppelt. Das besonders Schlimme an der Sache: Mehr als zwei Drittel der gefährlichen Abfälle, rund 380 000 Tonnen, wurden auf Sonderabfalldeponien abgelagert. Sie wurden deponiert und nicht der Wertstoffrückgewinnung zugeführt. Sachsen ist auf dem Weg, sich zum Müllplatz Nummer eins in Deutschland zu entwickeln. Das wollen die Bürgerinnen und Bürger nicht, das wollen wir nicht!

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Die gefährlichen und teilweise krummen Geschäfte mit dem Abfall schädigen das Vertrauen der Menschen in die Aufrichtigkeit sächsischer Umweltpolitik und schmälern auch die durchaus anerkennenswerten Erfolge anderer Bereiche, die in diesem Umweltbericht aufgeführt sind.

Meine Damen und Herren, die sächsische Recyclingwirtschaft leistet einen deutlichen Beitrag zur Ressourcenschonung. Sie könnte diesen Beitrag noch vergrößern, wenn nicht die Regierungspräsidien, jetzt Landesdirektionen, Hunderttausende Tonnen von recyclingfähigen Abfällen auf Deponien lenken würden. Die Linksfraktion verlangt ein Importmoratorium für gefährliche Abfälle nach Sachsen, die auf Deponien landen sollen. Derartige Abfallverbringungen dürfen nicht mehr genehmigt werden.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Die Abfallentsorgung in Sachsen bleibt ein halbes Jahr nach der Eskalation der Müllskandale in Sachsen-Anhalt und Brandenburg weiter im Zwielicht. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen laufen, über obskure Abfallströme in Lehm- und Kiestagebaue, Wälle von Schießanlagen in Mügeln und Sörnewitz, über unsachgemäße Zwischenlagerungen in der Umgebung von Delitzsch. Das Umweltministerium mauert bei der Aufklärung von skandalösen Zuständen. Warum, Herr Staatsminister Kupfer, gesteht Ihr Haus Missstände nur ein, wenn aufgrund erschlagender Beweise nichts anderes übrig bleibt? Ich kann Ihnen das mit meiner eigenen Kleinen Anfrage beweisen.

Die Linksfraktion will es nun genau wissen. Deshalb stellten wir gestern eine Große Anfrage zur Praxis der Genehmigung und Überwachung der Entsorgung von gefährlichen Abfällen. Darunter sind jede Menge Fragen zur Vernebelungstaktik der Umwelt- und der Bergbehörden, die die Verwendung von Abfällen für die Rückverfüllung zum Beispiel des Lehmtagebaues Dresden-Lockwitz betreffen. Rost- und Kesselaschen, Filter- und Kesselstäube, die gefährliche Stoffe enthalten, gehören auf Sonderabfalldeponien und nicht in Lehmtagebaue.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Wir haben hier in Sachsen die gleichen Müllskandale, wie sie aus Sachsen-Anhalt und Brandenburg bekannt sind. Was wir nicht oder besser noch nicht haben, ist der Aufklärungswille der Staatsregierung. Herr Staatsminister Kupfer, Herr Staatsminister Jurk, ich kann Ihnen nur nahelegen, sich einen lückenlosen Überblick über all die „Persilscheine“ zu verschaffen, die Bedienstete ihrer Behörden entgegen Recht und Gesetz zur Verfüllung von Tagebauen und Aufschüttungen und bei Kontrollen aufgestellt haben.

Wie diese üblen Machenschaften mit aller Konsequenz geahndet wurden, sollte dann im nächsten Umweltbericht dargestellt werden.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Ich frage die NPD-Fraktion: Wird noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. FDP-Fraktion? – GRÜNE? – Herr Lichdi.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Man kann natürlich wie Kollege Mannsfeld und Frau Kollegin Roth auf

viele, viele Einzelfragen eingehen. Das wäre wirklich eine Debatte wert, aber die Zeit lässt das nicht zu. Deswegen möchte ich zum Schluss noch einmal etwas Grundsätzliches sagen.

Der Bericht beschränkt sich auf den Zustand der Umweltmedien in Sachsen. Das ist durchaus richtig, denn das beschreibt unsere Hausaufgaben. Aber, meine Damen und Herren, eine Umweltpolitik, die sich selbst ernst nimmt, muss die Fragen der real existierenden globalen Ungerechtigkeit mitdenken. Ich muss es an dieser Stelle einfach noch einmal sagen, und ich halte es für die richtige Stelle: Es ist einfach wahr, dass unser Wirtschafts- und Konsumsystem auf der weit überproportionalen Ausbeutung der allen Menschen gemeinsamen Umweltgüter dieser Erde beruht. Global gerecht wäre nur eine Gesellschaft, die den Umweltverbrauch auch hier in Sachsen auf das global verträgliche und gleiche Maß herunterschraubt.

(Beifall der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion)

Dazu müssten die Ressourcenströme nach Sachsen betrachtet werden. Dazu erfahren wir im Bericht Nullkommanichts. Es gibt einzelne Ansätze beim Statistischen Landesamt bezüglich der Ökobilanzen, aber die sind nicht sehr weit fortgeschritten. Ich glaube, Sie, Herr Kupfer, und Ihr Haus, haben diese Aufgabe noch nicht einmal ansatzweise erkannt. Damit bleibt die Umweltpolitik des Freistaates Sachsen Nebenkriegsschauplatz und Reparaturbetrieb unserer lebenszerstörenden Lebensweise.

Meine Damen und Herren, auch hier unterscheiden wir GRÜNEN uns fundamental von den Parteien der ökologischen Blindheit, die sonst hier im Hause vertreten sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Die CDUFraktion; Herr Prof. Mannsfeld, bitte.

(Dr. Matthias Rößler, CDU: Karl, sag denen mal Bescheid, öffne ihnen die Augen!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte ja gesagt, eine mehr politische Wertung gehört auch noch dazu. Daher muss ich zunächst einmal, eigentlich zu meiner positiven Überraschung, feststellen, dass diese Aussprache trotz aller kritischen Töne, die wir hier gehört haben, eine selten gezeigte Konstruktivität und auch Bereitschaft zu objektiver Beurteilung gebracht hat. Das ist eine Erfahrung, die ich – das kann ich sagen, weil ich schon den fünften Umweltbericht begleiten und kommentieren darf – bisher nicht gemacht habe. Das darf durchaus angemerkt werden. Ich möchte nur noch einmal zusammenfassen:

Zum Umweltbericht 2007: Herr Dr. Müller, da muss ich Sie mal konkret ansprechen: In einem Kochbuch bekommen Sie keine Anleitung, wie ein Viertaktmotor zusammengesetzt wird. Was ein Umweltbericht ist, muss man schon ein bisschen wissen, sonst kann man hier ständig

Kritik üben. Aber wenn man die Dinge überfordert, die die Grundlage bilden, kommt man eben nur zu solchen Aussagen.

Der Umweltbericht gibt eine überzeugende Bilanz für eine erfolgreiche und an den Bedürfnissen des Menschen orientierte Umweltpolitik. Wenn auch im Betrachtungszeitraum vielleicht nicht mehr so wahrgenommen, sind doch in die mit hohem finanziellen Aufwand kontinuierlich erfolgten Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen unserer sächsischen Umweltinfrastruktur auch Mittel aus Transferleistungen geflossen, woran zu erinnern mit Respekt gegenüber den Geberländern nicht vergessen werden soll.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Die Tatsache, dass wir in allen relevanten Bereichen des Umweltschutzes, des technischen wie des biotischen, weiter vorangekommen sind und wir den Sachsen lebenswerte, gesunde und zukunftssichere Lebensbedingungen anbieten können, ist ein Grund zur Anerkennung und Genugtuung.

(Beifall bei der CDU)

Das verführt uns aber nicht dazu, so zu tun, als sei auf dem Umweltsektor kein einziges Problem mehr vorhanden. Das ist keineswegs so. Ich denke, mein eigener Redebeitrag zum Problem Flächenverbrauch und Bodenschutz war ein Beleg dafür.

Die Botschaft aber ist, dass in den vergangenen Jahren und auch im Zeitraum 2002 bis 2006 – das ist der Zeitraum, den der Bericht erfassen soll – gewaltige Anstrengungen unternommen wurden. Denken Sie mit mir gemeinsam nur an all das, was unter dem Stichwort Hochwasserschutz in Sachsen geleistet worden ist und was auch der Umwelt zugute kommt. Deshalb können wir sagen: Wir haben in Sachsen eine weitgehend intakte Umwelt. Ich frage Sie: Wann konnten wir das in den vergangenen 60 Jahren einmal sagen?

(Beifall bei der CDU)

Diese Botschaft ist nicht politisch gefärbt. Sie ist objektiv und muss auch in der Öffentlichkeit Gehör finden.

All jenen Rednern, die – das ist natürlich ihr gutes Recht – auf die noch regelungsbedürftigen Einzelprobleme eingegangen sind und teilweise daraus ein Urteil über den Zustand der Umwelt in Sachsen abgeleitet haben, dem ich so nicht folgen kann, muss ich abschließend entgegenhalten: Wir haben, speziell als CDU-Fraktion, in den zurückliegenden Jahren die Dinge gut begleitet und gesteuert. Sie dürfen sicher sein, dass wir das, seit 2004 auch mit einem Koalitionspartner, weiter tun. Wir lassen uns diese erfolgreiche Entwicklung nicht schlechtreden. Jeder Bewohner und jeder Besucher kann sich im Lande selbst davon überzeugen, wie die Realität ist. Dass dies in der Öffentlichkeit so ankommt, ist mir wichtig. In der Tat – Sachsens Umweltsituation ist heute so gut wie nie zuvor.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Bitte, Frau Dr. Runge.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon gesagt worden, die Debatte ist sachlich und an Problemlagen orientiert – außer bei einer kabarettistischen Einlage, die zur Heiterkeit verführt hat.

An die Adresse der CDU gerichtet möchte ich sagen: Sie brauchen uns nicht unentwegt über den schlechten Umweltzustand in der DDR zu missionieren. Ich war damals selbst sehr geschockt, als ich aus dem Thüringer Wald kommend nach Leipzig zum Studium ging und dann zum ersten Mal in den Südraum von Leipzig mit dem Zug gefahren bin. Da war ich, ehrlich gesagt, völlig entsetzt.

Ich denke, dass seit der Wende bis heute sehr viel Positives geleistet worden ist. Aber – das ist ein Problem – Sie berufen sich immer wieder darauf, wie der Ausstoß an klimarelevanten Gasen im Zusammenhang mit dem Neubau von Braunkohlekraftwerken zurückgegangen ist. Das verführt Sie dazu, sich in Selbstzufriedenheit zu wiegen und nicht mehr den Finger auf die Themen- und Problembereiche zu legen, die man dem Umweltbericht entnehmen kann. Für diese Probleme müssen wir aber jetzt Handlungskonzepte erarbeiten.

Ein Umweltbericht hat natürlich eine deskriptive Aufgabe. Er beschreibt die Probleme. Ein Handlungskonzept muss aus dem Bericht entwickelt werden. Herr Umweltminister, ich fordere Sie deshalb auf, so etwas Ähnliches wie einen Aktionsplan zur Reduktion von Umweltbelastungen zu entwickeln, wie das für Klima und Energie geschehen ist!

Ein Thema möchte ich noch ansprechen, weil es bisher zu kurz gekommen ist. Der Bereich Verkehr ist neben den Braunkohlekraftwerken für den zunehmenden Ausstoß von klimarelevanten Gasen, für die Staubbelastung, aber eben auch für die Lärmbelastung von Menschen verantwortlich. Ich denke, dass das Thema Umgebungslärm in der bisherigen Investitionsstrategie im Themenbereich Verkehr unterbewertet wird. Hierfür müssten einfach mehr Investitionsfördermittel bereitgestellt werden, um den Anforderungen zur Minderung der Lärmbelästigung von Menschen trotz wachsenden Güter- und Personenverkehrs gerecht zu werden.

Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit dem Verkehr wurde hier schon kurz angedeutet. Das ist die Feinstaubbelastung. Es ist in der Tat so, dass wir uns nicht damit zufriedengeben können, wie in den Ballungszentren Leipzig, Chemnitz, Dresden und nun auch Plauen an verschiedenen Messstellen permanent die Grenzwerte überschritten werden. Wir können uns auch nicht damit zufriedengeben, dass in den Großstädten zwar Luftreinhaltepläne existieren, aber konkrete praktische Maßnahmen zum Mobilitätsmanagement nicht umgesetzt werden können, weil dafür die finanziellen Mittel in den Kommunen, in den Großstädten fehlen. Zum Beispiel weiß ich das von Leipzig genau.

Insofern könnte man im Bereich Verkehr im Haushaltsplan die Mittel etwas differenzierter aufteilen, um solche Defizite mit Investitionen zielgerichtet zu beseitigen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Die Staatsregierung? – Herr Staatsminister Kupfer, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Information ist die Währung der Demokratie“, sagte einst der Verfasser der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, Thomas Jefferson. Viele von uns, die in diesem Teil Deutschlands groß geworden sind, haben erlebt, wie schwierig es war, unter einer Käseglocke zu leben, in der Informationen gefiltert und schöngefärbt wurden. Ohne diese ganz besondere Währung, ohne objektive Informationen konnte sich kein Bürgertum entwickeln. Nur wer informiert ist, kann mitspielen, kann sich einbringen, kann etwas für die Gesellschaft bewegen, kann Zukunft bewusst gestalten.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, möchte ich unseren Umweltbericht verstanden wissen. Er soll unsere Politik für eine lebenswerte Umwelt transparent machen, informieren und vor allem zum Mitmachen bewegen. Hierzu gehört auch, dass wir unsere Anstrengungen verstärken werden, Umweltfakten verständlicher und transparenter in der Öffentlichkeit – insbesondere in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen – vermitteln.

Wenn wir die Jahre 1989 und 2008 miteinander vergleichen, dann stellen wir fest, dass wir heute eine gute Ausgangsbasis haben, um weitere Herausforderungen in Angriff zu nehmen. Wir haben vieles – sehr vieles – bewegt. Seit 1991 wurden 84 % aller kommunalen Kläranlagen saniert oder neu errichtet. Fast 1 500 Deponien wurden geschlossen. Die Abfallinfrastruktur wurde neu geordnet. Weniger Schwefeldioxid, Stickoxid und Kohlenmonoxid belasten die Luft.

Viele wichtige EU-Richtlinien wurden in Sachsen umgesetzt. Wir haben 270 FFH-Gebiete und 77 europäische Vogelschutzgebiete an die Europäische Kommission gemeldet. Sie nehmen insgesamt 15,9 % der Landesfläche ein. Die europäischen Anforderungen sind damit vollständig erfüllt.

Die Bestandsaufnahme der Wasserrahmenrichtlinie ist abgeschlossen. Alle gesetzten Meilensteine haben wir fristgerecht erreicht. Auch bei unserem sächsischen Klimaschutzprogramm sind wir gut vorangekommen. Bereits 5 % des Endenergieverbrauchs stammen aus erneuerbaren Energien. Anvisiert war dieses Ziel für 2010. Zum Vergleich: 2002 lagen wir noch bei 1,5 %. Wir haben im vergangenen Jahr ein Energieeffizienzzentrum gegründet, das den Ausbau erneuerbarer Energien und das Energiesparen tatkräftig unterstützt.