Protocol of the Session on July 10, 2008

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich zitiere dazu einen Brief von Landesbischof Jochen Bohl anlässlich des 40. Jahrestages der Sprengung der Universitätskirche St. Pauli. Darin schreibt er: „Insofern denke ich, dass die intensiven Diskussionen und Auseinandersetzungen doch zu einem guten Ergebnis geführt haben. Ich will auch klarstellen, dass ich die Lösung mit den drei nicht vollständig ausgeführten Säulenpaaren angesichts des zu erwartenden Raumeindrucks im Gesamten nunmehr im Sinne eines Kompromisses für vertretbar halte. Den von der Universitätsleitung gewünschten Einbau einer Glaswand zwischen dem Kirchenschiff und dem Chorraum kann die Landeskirche jedoch nicht mittragen.

(Beifall bei der CDU)

Auf der Sachebene darf ich darauf verweisen, dass sich die Raumakustik insbesondere in Bezug auf die Orgel beträchtlich verschlechtern und kaum beherrschbare Probleme aufwerfen würde.“ So Landesbischof Bohl in seinem Brief vom 31.03. dieses Jahres.

Meine Damen und Herren! Als studierter Musiker und jemand, der vor vielen Jahren mit dem leider viel zu früh verstorbenen Universitätsmusikdirektor Prof. Unger wieder Aufbaukonzerte zur Paulinerkirche veranstaltet

hat, kann und muss ich diese Einschätzung hier und heute ganz genauso mittragen.

(Beifall bei der CDU)

Darum appelliere ich heute nochmals an alle Beteiligten, den Ursprungskompromiss umzusetzen und vereinbarungsgetreu zu realisieren.

(Beifall bei der CDU)

Den NPD-Antrag halte ich aus den eingangs geschilderten Gründen für obsolet und empfehle, ihn abzulehnen.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Zurufe von der NPD)

Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Herr Gansel, Sie haben sich noch zu einem Wortbeitrag gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich hätte ich damit gerechnet, dass Prof. Weiss hier und heute das Wort ergreift; denn ausweislich der Plenarprotokolle war er im Jahr 2003 bei einer Landtagsdebatte zum gleichen Thema sehr engagiert und, man könnte auch sagen, sehr hysterisch aufgetreten. Vielleicht hängt das Schweigen des ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden aber auch mit der Kritik an ihm durch den Pauliner-Kirchenverein zusammen.

Auf der Internetseite des Pauliner-Kirchenvereins schreibt nämlich unter anderem ein Dieter Hilbert, dass es Ihnen, Herr Weiss, als Nachwenderektor sehr schwer gefallen sei, Wolfgang Natonek zu würdigen, der seine Opposition gegen das SED-Regime mit einer langen Haftstrafe büßte. Hilbert behauptet sogar, dass man Sie, Herr Weiss, erst nachdrücklich zu einer Würdigung Natoneks drängen musste. Dieses und vieles andere ist auf der Internetseite des Pauliner-Kirchenvereins nachzulesen. Es ist nicht unbedingt löblich und für Sie ein Ehrenausweis, was dort niedergeschrieben steht. Aber vielleicht erklärt das Ihr Schweigen.

Von den etablierten Fraktionen wurde angedeutet, dass wir uns mit unserem Antrag auch gegen die Autonomie der Universität ausgesprochen hätten, was mitnichten der Fall ist. Die Hochschulautonomie stellen wir auch in diesem Fall nicht infrage. Allerdings ist das Universitätsgelände auch nicht das Wohnzimmer des Universitätsrektors Franz Häuser. Außerdem war die Paulinerkirche ein Baudenkmal von nationaler Bedeutung, dessen kulturhistorischer Wert kaum zu überschätzen ist. Deswegen ist die Paulinerkirche selbstverständlich auch ein Thema für den Sächsischen Landtag, zumal es einen Kabinettsbeschluss für den Wiederaufbau aus dem Jahr 2003 gibt und der Freistaat die Neugestaltung des Leipziger Universitätsgeländes auch in nicht unerheblichem Maße mitfinanziert.

Die Rede von der Universitätsautonomie wird in diesen Tagen durch Herrn Clemen zwar nur in abgeschwächter Form, aber gerade in Leipzig sehr oft bemüht, um die Diskussion über den Umgang mit einem der bedeutends

ten Kulturdenkmäler Sachsens zu unterdrücken. Dabei wollen wir als NPD mit unserem Antrag nicht mitmachen, zumal auch die Bürger der Stadt Leipzig ihre Universitätskirche nicht vergessen haben und sich einen möglichst originalgetreuen Wiederaufbau wünschen.

Erst am 5. April dieses Jahres sprachen sich überwältigende 77 % der vom Leipziger Stadtmagazin „Hallo Leipzig“ befragten Bürger für einen Kanzeleinbau und gegen eine Glaswand in der neuen Universitätsaula aus. Die Stadtzeitung druckt in ihrer Ausgabe vom 19. April auch zahlreiche Leserzuschriften zur Paulinerkirche ab, aus denen vielfach Wut und Unverständnis über die Geschichtslosigkeit der Stadtoberen und der Universitätsoberen spricht. Ein Leser schrieb beispielsweise: „Würde der Raum so gestaltet, wie man ihn jetzt gestalten will, hätte man die Uni von 1970 stehen lassen können. Diese wurde ja geboren aus dem Gehirn eines greisen Diktators, der mit dem Wort Tradition und Heimatverbundenheit nichts anfangen konnte.“ So ein Leserbriefschreiber.

Die Leipziger spüren durchaus, dass es der alte Ungeist Walter Ulbrichts ist, der in der größten Stadt Sachsens immer noch sein Unwesen treibt. Es ist der Jargon des Obergenossen, mit dem auch heute noch Kritik an der Ausführung des Egeraat-Entwurfes niedergebügelt wird; denn wie schon vor 40 Jahren bei der Kirchensprengung ist auch heute noch schwammig von Modernitäts- und Funktionalitätserfordernissen die Rede.

Diese merkwürdige Konstanz der Argumentationsmuster ist auch dem Trompeter Ludwig Güttler aufgefallen, der die Wiedererrichtung der Dresdner Frauenkirche angetrieben hatte. Prof. Güttler sagte: „Letztlich herrscht nahezu eine Übereinstimmung zwischen der ehemaligen SED, die sich an der Paulinerkirche störte, und denen, die heute sagen, sie passt nicht mehr hin. Ich verstehe nicht, dass sich eine so offene Stadt wie Leipzig ihrer Universitätskirche berauben lässt. Dass diese wunderschöne Kirche in einem barbarischen Akt der Willkür gesprengt wurde, verstehe ich als Aufforderung, sie allein schon deswegen wieder aufzubauen.“, so Güttler.

Es ist ein ungutes Zeichen für Deutschland, dass der Willkürakt der SED durch das merkwürdige Verhalten von Stadt und Universität eine Art nachträgliche Legitimation erhält. Der Wiederaufbau der Paulinerkirche ist eigentlich eine nationale Verpflichtung. Jetzt wird aber auch noch der 2004 gefundene Architekturkompromiss kastriert und um vieles dessen beraubt, was noch an die alte Universitätskirche erinnert hätte. Das ist eine auch im Vergleich zu anderen deutschen Städten zutiefst unhistorische Politik.

Andere Städte sind nämlich gerade dabei, sich ihrer modernistischen Bausünden aus der Nachkriegszeit zu entledigen. Man schaue nur nach Frankfurt am Main, das in der Nachkriegszeit das Zentrum des deutschen Architekturmodernismus war. Dort wird im nächsten Jahr das Technische Rathaus, ein hässlicher und seelenloser Neubauklotz, endlich abgerissen und an seine Stelle eine Teilrekonstruktion der Frankfurter Altstadt mit einigen der

schönsten, im Bombenkrieg zerstörten Altstadthäuser treten. Frankfurt sollte Leipzig ein Vorbild bei der Bewahrung bzw. Rekonstruktion des bauhistorischen Erbes sein.

Selbst im „Rheinischen Merkur“ ist mittlerweile zu lesen, dass nur noch ein Machtwort aus Dresden die verzwickte Lage in Leipzig lösen könne. Deshalb appelliert die NPDFraktion an den Ministerpräsidenten, die geschichtsblinde Leipziger Universitätsleitung mit seinen Mitteln in die Schranken zu weisen und jede weitere Baumaßnahme auf dem Universitätsgelände auf ihre Übereinstimmung mit dem Architekturkompromiss von 2004 zu prüfen. Und all jene Abgeordneten, denen an der Paulinerkirche gelegen ist, bitte ich um die Zustimmung zum NPD-Antrag.

(Beifall bei der NPD)

Herr Prof. Weiss, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Gestatten Sie mir eine Richtigstellung. Herr Gansel sagte eben einige Sätze über das Verhältnis des damaligen Rektors, also von mir, gegenüber Wolfgang Natonek. Ich möchte dazu sagen: Wolfgang Natonek, ein begnadeter Redner, ein Mann von großem Charisma, älter übrigens als der Durchschnitt der Studenten, die 1947 das Studium wieder aufgenommen haben, älter deswegen, weil er, jüdischer Abstammung, von den Nazis gehindert wurde, ein Studium im Dritten Reich aufzunehmen,

Liberaldemokrat, der immer wieder zum Vorsitzenden des Studentenrates gewählt wurde, wurde deswegen, weil er immer wieder gewählt wurde gegen den Willen der SED, kurzerhand verhaftet und zu mehreren Jahren, ich glaube, zu 15 Jahren Zuchthaus, verurteilt. Er wurde dann irgendwann freigelassen, ging nach Westdeutschland, und jetzt komme ich zur Richtigstellung.

Eine meiner ersten selbst gewählten Aufgaben als Rektor im Zuge der sogenannten Rehabilitierung war es, Wolfgang Natonek zu rehabilitieren von dem doppelten Unrecht, das ihm widerfahren ist: Er hat 1993 im Gewandhaus bei der Eröffnung des Studienjahres die Festrede gehalten und war Gast der Universität, aber auch in meinem privaten Haus.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der Linksfraktion, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Wird von der Staatsregierung noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Möchten Sie das Schlusswort halten? – Das ist auch nicht der Fall.

Dann stelle ich die Drucksache 4/12517 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte? – Die Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Stimmen dafür wurde der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den

Tagesordnungspunkt 7

Keine Ausweitung von Massen-Gentests – Recht der Bürger auf Datenschutz garantieren

Drucksache 4/12725, Antrag der Fraktion der FDP

Auch hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die einreichende Fraktion der FDP; danach folgen CDU, Linksfraktion, SPD, NPD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht.

Ich erteile nun der FDP-Fraktion das Wort; Herr Zastrow, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich hätte man es ja vorher wissen müssen: Natürlich musste einer der deutschlandweit größten und aufwendigsten Gentests in Sachsen stattfinden. Denn immer, wenn es darum geht, die Bürger- und Freiheitsrechte der Menschen auf dem Altar einer vermeintlichen Stärkung von Ordnung und Sicherheit zu opfern, sitzt die Staatsregierung in der ersten Reihe und ist deutschlandweit ganz vorn dabei. Wir stellen fest: Der Schutz der Privatsphäre hat in dieser Regierung keine sonderlich erkennbare Lobby.

Wir haben es in den vergangenen Jahren oft sehen müssen: Immer wenn es besonders schräge und rechtspopulistische Ideen zur Kriminalitätsbekämpfung gegeben hat,

war der Freistaat mit seinen besten Männern – also Herrn Buttolo und Herrn Mackenroth – ganz vorn dabei. Ganz egal, ob es der laute Beifall der Sächsischen Staatsregierung zu den Plänen des Ausspähens von privaten Computern gewesen ist oder ob es die für jedermann öffentlich zugängliche Sexualstraftäterdatei und die damit verbundene mittelalterliche Aufforderung zur Lynchjustiz oder eben auch der genetische Fingerabdruck war, den Herr Buttolo jedem Straftäter abnehmen möchte. Jedem Straftäter, also auch den Ladendieben, Graffitisprayern, Steuerhinterziehern oder Schwarzfahrern –; so habe ich Sie damals verstanden, weil das laut Ihren Aussagen alles Straftaten sind, die am Ende eine „Vorstufe zu Raub und Kindesschändung“ sind.

Erinnert sei auch an Ihre legendäre Rede, Herr Buttolo, hier in diesem Haus, in der Sie vor einem Gegenschlag des organisierten Verbrechens warnten und völlig aufgeregt sizilianische Verhältnisse in Sachsen skizzierten. Leider ist das für Sie inzwischen typisch, denn Sie produzieren sich hier sehr oft als Panik- und Scharfmacher, ohne dass es diese von Ihnen angesprochenen, heraufbe

schworenen Gefahren überhaupt gibt. In Italien machen sich übrigens Innenminister als Mafiajäger einen Namen – in Sachsen als von der Mafia Gejagte. Ich weiß nicht, ob das der richtige Weg ist. Ich finde dieses Verhalten auf jeden Fall schlecht für den Ruf unseres Landes. Für mich ist das nichts anderes als innenpolitische Geisterfahrerei.

(Beifall bei der FDP)

Natürlich, meine Damen und Herren, sind all diese Verirrungen nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver. Sie lenken nämlich davon ab, dass Sachsen zu einem Land der großen Ermittlungspannen geworden ist. Ich erinnere Sie nur an die jüngsten Fälle – an den Fall Stephanie, an den Fall Mederake –; ich erinnere Sie aber auch an die Vorgänge im Amt für Verfassungsschutz und daran, dass hier in Sachsen aller 24 Tage ein Insasse aus dem Maßregelvollzug entkommt.

Damit sind wir auch schon beim aktuellen Fall; denn ich sehe in der euphorischen Bewertung des Massen-Gentests, den Sie als Staatsregierung vorgenommen haben, nichts anderes als ein weiteres Ablenkungsmanöver. – Ein Ablenkungsmanöver davon, dass dieser Massen-Gentest eben nicht so erfolgreich gewesen ist und man seine Wirkungsweise durchaus infrage stellen kann und infrage stellen muss.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Klaus Bartl und Dr. Volker Külow, Linksfraktion)

Kurz zwei Worte zur Geschichte dieses Massen-Gentests: Um den sexuellen Missbrauch zweier Mädchen aufzuklären, wurde ein Täterprofil erstellt, wonach 127 751 Männer als mögliche Verdächtige infrage kamen. Eine Sonderkommission, in der zeitweise bis zu 70 Beamte arbeiteten, wurde gebildet; von inzwischen 14 222 Personen wurden DNA-Proben entnommen. Dafür benötigte die Polizei rund zwei Jahre. Mehr als 110 000 Männer hätte man übrigens noch testen müssen – abgesehen davon, dass laut einer Antwort auf eine Kleine Anfrage meines Kollegen Jürgen Martens bis zum Februar mehr als 400 Männer trotz zweimaliger Aufforderung nicht zum Test erschienen waren.

Die Kosten für diesen Massen-Gentest belaufen sich laut Schätzungen, die ich den Medien entnommen habe, auf ungefähr 300 000 Euro. Am 17. Juni wurde der Täter Gott sei Dank festgenommen. Das Täterprofil stimmte. Überführt hat ihn letztlich das von ihm benutzte Kraftfahrzeug.