Protocol of the Session on July 9, 2008

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 4

2. Lesung des Entwurfs Sächsisches Gesetz über die kommunale Energievorsorge

Drucksache 4/8624, Gesetzentwurf der Fraktion der NPD

Drucksache 4/12699, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Es beginnt die NPD. Danach folgen CDU, Linksfraktion, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich erteile nun dem Abg. Gansel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es vergeht – und das zu Recht – kaum noch eine politische Debatte, in der nicht auch energie- und klimapolitische Fragestellungen in den Fokus gerückt werden. Energiepolitik ist Klimapolitik. Das heißt, dass die Energiepolitik von heute das Weltklima von morgen prägt. Niemand, der politisch ernst genommen werden will, zweifelt noch daran, dass wir uns in einem Prozess des Klimawandels befinden, der sich in eine regelrechte Klimakatastrophe auswachsen wird, wenn grundlegende politische Kurskorrekturen ausbleiben.

Anheizer der Erderwärmung ist das Klimagas Kohlendioxid, das in erster Linie durch die Verbrennung von fossilen Rohstoffen wie Öl, Kohle und Gas entsteht. Der Mensch ist es, der durch die Vernutzung ebendieser fossilen Brennstoffe den CO2-Anstieg verursacht. Damit fällt der Energiepolitik eine Schlüsselrolle für eine zukunftsgerichtete Umwelt- und Wirtschaftspolitik zu, denn der Klimawandel hat auch direkt ökonomische Folgen und Komponenten. Nach Schätzungen könnten in den nächsten 50 Jahren allein auf die deutsche Volkswirtschaft Kosten von annähernd 800 Milliarden Euro zur Behebung von Klimaschäden und zur Bewältigung gestiegener Energiekosten zukommen. Die Kosten eines Gegensteuerns zur Verminderung der Treibhausgase wären hingegen deutlich geringer. Deshalb müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um den Klimawandel durch den Ausbau CO2-freier Energietechniken zumindest zu begrenzen.

Mit dem vorliegenden Entwurf für ein Sächsisches Energievorsorgegesetz will die NPD-Fraktion einen Beitrag für einen energiepolitischen Paradigmenwechsel in Sachsen leisten. Ein Anliegen unseres Gesetzentwurfes ist einerseits eine höhere Energieeffizienz und andererseits die stärkere Nutzung heimischer erneuerbarer Energien.

Für den Bereich der Energievorsorge als Bestandteil der allgemeinen Daseinsvorsorge sieht die NPD – übrigens in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht – die öffentliche Hand in der Pflicht. Mit dem Gesetzentwurf wollen wir die kommunalen Gebietskörperschaften in die Lage versetzen, ihren Energievorsorgeaufgaben besser als bislang nachkommen zu können. Angesichts der Teuerungsspirale auf den internationalen Energiemärkten, der Klimabelastung durch die fossilen Energieträger und der Langfristrisiken der Kernenergie müssen auch im Freistaat Sachsen die Weichen der Energiepolitik neu gestellt werden.

(Gitta Schüßler, NPD: Genau!)

Das bedeutet nach Auffassung der NPD-Fraktion, dass wir wegkommen müssen von der zentralen Stromerzeugung in Großkraftwerken mit ihren immensen Energieverlusten und hinkommen müssen zu einer Vor-OrtEnergieerzeugung durch die hocheffiziente Kraft-WärmeKopplung. Diese Diskussion muss geführt werden, auch wenn sich die Sächsische Staatsregierung dem energiepolitischen Stillstand verschrieben hat; was bei der Debatte zur Fortschreibung des Sächsischen Energieprogramms offen zutage trat.

Anstoß für den Gesetzentwurf der NPD-Fraktion war im Frühjahr 2007 eine Einlassung des Präsidenten des Landesverbandes Erneuerbare Energien Sachsens. Wolfgang Daniels sagte seinerzeit der „Sächsischen Zeitung“, dass mehr Aufgaben der Energievorsorge auf die Gemeinden verlagert werden müssten, wenn Sachsen seinen Energie

bedarf wirklich aus heimischen erneuerbaren Energien decken wolle. Dort, in den Gemeinden, müsste die Energiepolitik durch eine intensive Einbindung der lokalen Entscheidungsträger verankert werden, um die jeweiligen regionalen Bedingungen optimal nutzen zu können. Auch eine Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums zu den Potenzialen der Fernwärme empfiehlt eine zielorientierte Kommunalpolitik zur Erschließung und Bündelung energiepolitischer Potenziale.

Damit wäre ich bei einem weiteren Anreger des NPDGesetzes. Johannes van Bergen, der Präsident des Bundesverbandes Kraft-Wärme-Kopplung e. V., hält eine Verdopplung der Fern- und Nahwärmeabgabe und in Verbindung mit den heute schon verfügbaren KWKTechnologien sogar eine Verfünffachung der Erzeugung von KWK-Strom für möglich. Voraussetzung dafür sei aber, dass die kommunalen Energieversorger künftig konsequent auf die lokale Stromerzeugung in KraftWärme-Kopplungsanlagen setzen.

Dieser Strategiewechsel hin zur Dezentralisierung muss nach unserer Auffassung zu einer energiewirtschaftlichen Kommunalisierung führen. Während im Zuge der Verwaltungs- und Funktionalreform von der Staatsregierung zweifelhafte Aufgabenkommunalisierungen vorgenommen wurden, unterbreitet die NPD-Fraktion hier Kommunalisierungsvorschläge, die sowohl im Einklang mit der Daseinsvorsorgeaufgabe der Kommunen als auch mit den Einschätzungen ausgewiesener Energiefachleute stehen.

Mit ihrem Gesetzentwurf will die NPD-Fraktion durch klare Kompetenzzuweisungen die erforderlichen Zuständigkeiten und Verwaltungsstrukturen für die sächsischen Gemeinden und Landkreise schaffen. Energieversorgung muss zur kommunalen Pflichtaufgabe werden, was selbstverständlich im nächsten kommunalen Finanzausgleich berücksichtigt werden muss. Schließlich hat auch das Bundesverfassungsgericht mehr als einmal festgestellt, dass neben der Wasserversorgung auch die Energieversorgung zu den klassischen, die staatliche Daseinsvorsorge betreffenden Aufgaben gehört und somit auch eine Aufgabe der kommunalen Gebietskörperschaften ist.

(Gitta Schüßler, NPD: Hört, hört!)

Der NPD-Gesetzentwurf verfolgt vor allem das Ziel der Förderung und Ausweitung der verbrauchsnahen Energieerzeugung. Wir wollen mehr Energieeffizienz und eine wesentlich stärkere Einbeziehung CO2-freier Energiegewinnung. Eine Konkretisierung werde ich in meinem zweiten Redebeitrag vornehmen.

Danke einstweilen.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Mir liegt noch eine Wortmeldung vor. Herr Abg. Gerlach, möchten Sie diese aufrechterhalten? – Dann, bitte. Ich gehe davon aus, wenn es weitere Redner gibt, dass sie sich ankündigen. – Herr Lichdi dann noch. – Jetzt Herr Gerlach, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde versuchen, das gleich für die Koalition zusammenzufassen. Ich mache es mal kurz: Dieses Gesetzeswerk, auf das Sie fast überhaupt nicht eingegangen sind – – Sie haben nur über allgemeine Sachen, über Klimaschutz usw. gesprochen. Das hätte eigentlich dazugehört. Aber ich will es gerade von Ihnen nicht erwarten. Das Ganze, was Sie vorgestellt haben oder was Sie nicht vorgestellt haben, aber was Sie schriftlich vorgelegt haben, –

(Jürgen Gansel, NPD: Es liegt Ihnen schriftlich vor, Sie haben es doch auch gelesen! – Stefan Brangs, SPD: Nur abgelesen!)

verstößt gegen Europarecht. Es hat ein Problem mit unserem Kommunalrecht. Das könnte man ändern. Es hat verfassungsrechtliche Probleme.

(Stefan Brangs, SPD: Genau!)

Sie bringen Planwirtschaft ins Spiel, die wollte ich nicht wieder haben. Sie haben bürokratische Dinge festgeschrieben, wie Energieversorgungsamt, Sie wollen Energieberichte machen; den Energiebeauftragten geben Sie eine ganz andere Funktion, als wir das ursprünglich vorgesehen haben, und

(Jürgen Gansel, NPD: Vielleicht haben wir etwas andere Vorstellungen als Sie!)

das Ganze, was Sie machen, verursacht wesentliche Kosten.

Herr Gansel, Sie haben in Ihrer Biografie stehen, dass Sie etwas mit Geschichte zu tun hatten. Vielleicht lesen Sie sich einmal die Protokolle der Volkskammer durch, als es darum ging, die 14 Energiekombinate der DDR in den ganzen Prozess der Treuhand zu überführen. Wir hatten damals zwei Möglichkeiten, es gab zwei Gesetzentwürfe: Das eine war – das wollten wir –, das Eigentum der 14 Energiekombinate auf die Stadtwerke und damit indirekt auf die Länder zu übertragen, sodass die Länder das entsprechend ausüben sollten. Es gab einen anderen Entwurf, im dem es hieß, dass es RWE bekommt. Da hat die FDP noch ein bisschen mit verhandelt, und da haben es noch ein paar andere mitbekommen – etwa 15 % – –

Für diese Richtung wurden damals die Strukturen festgelegt. Was Sie wollen – dies einfach mit einem locker geschriebenen Gesetzentwurf wieder hinauszuwerfen –, so einfach ist die Welt nicht. Ihre Welt vielleicht und die Ihrer Wähler von mir aus auch. Aber es ist etwas komplizierter, als Sie es sich hier machen. Wenn Sie das Ganze schon wollen, dann müssten Sie sehr viel tiefer ansetzen und sagen, wie Sie das Ganze wollen. Oder Sie sagen, mich interessiert dieser ganze rechtliche Apparat nicht, so wie Sie uns eigentlich formal nicht anerkennen wollen, indem Sie sagen: Ihr labert alle nur herum usw. usf.! Das ist ja Ihr innerer Ansatz. Dann wollen Sie uns am Ende auch noch abschaffen. In dieser Beziehung sind Sie konsequent: Was interessiert mich euer ganzes Gesetzesgequake, wir machen mal was ganz anderes.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Sollten Sie dann noch irgendwelches Zeug bringen, können wir das nur ablehnen, weil Sie hier an Dingen rütteln, die den Rechtsstaat als solchen aushebeln. Das wollen wir nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Herr Abg. Lichdi, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Gesetzentwurf bezweckt nach eigener Aussage die Stärkung der sachlichen und formalen Kompetenzen der Kommunen in der Energiepolitik. Die NPD-Fraktion hat sich hier auf die einschlägigen Zahlen des Bundesverfassungsgerichtes berufen, die nach meiner Kenntnis aber einen anderen Regelungsgegenstand hatten. Nun, sei es drum!

Es ist interessant nachzulesen, welche Zwecke Sie in diesem Gesetz verfolgen. Im Vorblatt ist zu lesen, dass Sie die Energieautarkie Sachsens anstreben. Dass Ihnen das natürlich gut in den Rahmen passt und allen Denkwelten Ihrer geistigen Vorgänger entspricht, ist klar. Ich kann Ihnen nur sagen, dass es aus energiepolitischer Sicht nicht um Energieautarkie, sondern nur um Energieautonomie gehen kann.

Entsprechend ist in Ihrem Vorblatt weiter vermerkt, Sie seien gegen Liberalisierung, gegen Europäisierung und gegen Globalisierung – dies immer mit Querstrichen. Das zeigt auch Ihre Gedankenwelt, dass bei Ihnen alles um das eine geht, dass dies Ihr Feindbild ist, dass dieses Gesetz gut in Ihr Konzept der Europafeindlichkeit und der Lösung Deutschlands aus seinen internationalen Bindungen passt – das ist ja Ihr Endziel – und dass Sie das mit diesem Gesetzentwurf, der so unscheinbar daherkommt, weiter verfolgen.

Nur – Herr Kollege Gerlach sprach es bereits an und ich denke auch, die Debatte vorhin hat es gezeigt –, damit haben Sie natürlich die energiepolitische Gemengelage total verkannt; denn es ist gerade die Europäische Union, die gegen die „vermachtete“ Struktur des Energiemarktes in Deutschland durch die vier großen Oligopolisten, die Erzeugung und Netz kontrollieren, vorgeht. Dabei sehe ich gerade die Europäische Union und die Europäische Kommission auf dem richtigen Weg, um diese verkrusteten Strukturen aufzubrechen. Aber das können und wollen Sie bei Ihrer ideologischen Grundrichtung natürlich nicht erkennen.

Nein, dieses Gesetz ist ein Paradebeispiel für ein sinnloses, untaugliches und hyperbürokratisches Gesetz und, meine Damen und Herren, ich möchte mich im Namen von Dr. Daniels ausdrücklich dagegen verwahren, dass Sie sein Interview und seine Aussagen vor über einem Jahr in der Presse jetzt zum Anlass nehmen, ihn als

Gewährsmann für Ihren untauglichen, bürokratischen Gesetzentwurf heranzuziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Staatsministers Thomas Jurk)

Ich weiß, was Herr Dr. Daniels meint, wenn er sagt, die Kommunen müssten in den Prozess der erneuerbaren Energien mehr einbezogen werden; und das ist ganz bestimmt nicht das, was Sie hier aufgeschrieben haben.

Es ist auch hoch spannend, sich einmal das institutionelle Setting Ihres Gesetzentwurfes anzusehen. Sie wollen in jeder Gemeinde und jedem Kreis ein Energievorsorgeamt schaffen. Außerdem soll es hauptamtliche Energiebeauftragte geben, welche die Aufsicht über die kommunale Energievorsorge ausüben. Also, der Begriff des Beauftragten ist eigentlich in der Ordnung des Grundgesetzes anders bestimmt, als Sie es hier tun. Wir haben Gleichstellungsbeauftragte, Ausländerbeauftragte usw., und diese haben eine bestimmte, spezifische Struktur in der Verwaltung. Ihnen schwebt offensichtlich etwas Ähnliches wie die ehemaligen Führerbeauftragten vor, beispielsweise der Beauftragte für den Vierjahresplan; das war ja der Herr Göring. Die Nazis haben es sich sozusagen zum Prinzip ihrer Verwaltungspolitik gemacht, dass sie das normale Verwaltungssystem durch Sonderbeauftragte ausgehebelt haben, die durchgreifen sollten, aber im Grunde dieses normale System durcheinandergebracht haben. – Nein, das ist alles nicht so ernst zu nehmen, was Sie hier tun.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Vielleicht noch einige Details, die zeigen, dass Sie sich nicht mit der Materie auseinandergesetzt haben. Sie versuchen sich hier ein freundliches Image für die erneuerbaren Energien zu geben. Wenn man aber im § 2 die Kriterien für die Förderungswürdigkeit energiewirtschaftlicher Vorhaben nachliest, dann fehlt dabei ausgerechnet die Windkraft. Diese wollen Sie also nicht fördern. Wahrscheinlich ist Ihnen entgangen, dass die Windkraft sowohl in Sachsen als auch in Deutschland den weitaus größten Anteil an den erneuerbaren Energien ausmacht. Warum fehlt sie bei Ihnen? Weil es Ihnen wahrscheinlich nicht um die erneuerbaren Energien geht, sondern darum, hier mit populistischen Sprüchen wieder Stimmung gegen Europa machen zu wollen. Die Windkraft hat nun einmal Probleme in der Akzeptanz, und dafür wollen Sie wohl nicht in die Bresche springen.

Es wäre noch vieles zu sagen; ich möchte dem geneigten Hause aber noch den § 4 Abs. 1 letzter Satz vorlesen, damit Sie einen Eindruck davon gewinnen, wie sinnlos und abartig Ihr sogenannter Gesetzentwurf auch in juristisch-fachlicher Hinsicht ist. Sie wollen, dass bauliche Anlagen und Anlagen der erneuerbaren Energien einer Genehmigungspflicht des Energievorsorgeamtes unterworfen werden. – Das ist ein völlig grotesker Vorgang.

(Heiterkeit des Staatsministers Thomas Jurk)

Nun haben Sie dafür aber keine genauen Kriterien angelegt, sondern sagen – ich zitiere –: „Das Energievorsorgeamt und die Energiebeauftragten“ – also, wer jetzt eigentlich? – „der kreisangehörigen Gemeinden können“ – der Jurist weiß sofort: Ermessen; aber nach welchen Kriterien? – „die Zustimmung nur versagen, wenn das Bauvorhaben den gültigen Energieplänen auf Gemeinde- oder Landkreisebene deutlich entgegensteht.“ – Was heißt das? Jeder Jurist sieht sofort: Das ist eine nicht anwendbare Rechtsnorm.