Protocol of the Session on June 19, 2008

Des Weiteren ist der Personalschlüssel sowohl im Kindergarten- als auch im Krippenbereich viel zu hoch. Laut der Studie beträgt er in Sachsen 1 : 12,7 im Kindergarten und 1 : 6,7 in der Krippe. Das entspricht, die Kommastellen weggelassen, den gesetzlichen Vorgaben, die Sie, sehr geehrte Damen und Herren der Koalition, im Sächsischen Kita-Gesetz verankert haben. Mit Kommastellen werden im Kindergarten aber rund 6 000 Kinder und in der Krippe zurzeit circa 3 000 Kinder nicht schlüsselgerecht betreut, wenn man die Schlüssel 1 : 12 im Kindergarten und 1 : 6 in der Krippe heranzieht. Oder anders gesagt: Wir bräuchten für beide Bereiche jeweils circa 500 Erzieherinnen mehr, um diesen Schlüssel, den wir uns selbst gesetzt haben, umzusetzen. Das kann uns nicht zufriedenstimmen.

Auch auf der Tagung der Parität, in der die Studie der Befragung der eigenen Mitgliedsorganisationen als Träger von Kindertageseinrichtungen vorgestellt wurde, zeigte sich deutlich, dass endlich ein verringerter Personalschlüssel gesetzlich verankert werden muss, und zwar für Krippe, Kindergarten und Hort. Die Anforderungen des Bildungsplanes, hinter dem die FDP steht, sind aber nur dann umzusetzen, wenn Erzieherinnen mehr Vor- und Nachbereitungszeit haben. Dokumentationen und Beobachtungen, Aufgaben des Kinderschutzes sowie individuelle Gespräche mit den Eltern benötigen Zeit, Arbeitszeit. Diese Zeit muss der Landesgesetzgeber, müssen Sie, sehr geehrte Damen und Herren von CDU und SPD, mit Ihrer Koalitionsmehrheit auch hier im Gesetz verankern.

(Beifall bei der FDP)

Bisher werden nämlich zusätzliche Ressourcen nur über sehr bürokratische Verwaltungsvorschriften bewilligt. Das ist für mit Personalmängeln kämpfende Kita-Leiterinnen und Jugendamtsmitarbeiter sehr schwierig.

Sie haben versprochen, Frau Orosz, sich im Rahmen der Haushaltsverhandlungen für ein Absenken einzusetzen. Seit gestern höre ich, dass Sie sich damit auch erfolgreich durchgesetzt haben; zumal der Personalschlüssel von 1 : 12 bis Mitte der Neunzigerjahre gang und gäbe war. Wir besinnen uns also im Augenblick nur auf bereits Gewonnenes.

Ich hätte natürlich auch noch die Frage beantwortet: Fallen dann mit dem neuen Personalschlüssel sämtliche Verwaltungsvorschriften weg? Heißt das, es ist dann nur noch ein Nullsummenspiel? Haben wir nun wirklich etwas gewonnen für das, was wir in den Kita-Einrichtungen eigentlich an Personal zusätzlich bereitstellen wollten?

Ich hoffe einfach nur, dass mit der vorschulischen Bildung im Kultusressort nicht nur eine rein organisatorische Umbildung erfolgt, sondern auch ein inhaltliches Auseinandersetzen damit verbunden ist. Denn niemand weiß bisher, was diese Kompetenzveränderung in der Realität

bedeutet. Ich möchte nur davor warnen, dass das Prinzip Schule auf die Kitas übertragen wird. Ich bin mir nämlich sicher, dass uns dieses Thema in den nächsten Monaten noch begleiten wird. Es bietet Chancen, aber auch Risiken. Und die oder der neue Minister –

Bitte zum Schluss kommen.

– sollte früh über die Ausgestaltung der vorschulischen Bildung in seinem Ministerium informiert sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Ich erteile der Fraktion GRÜNE das Wort. Frau Herrmann, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim Titel der Debatte frage ich mich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition: Haben Sie den Länderreport der Bertelsmann-Stiftung zur frühkindlichen Bildung, auf den hier schon Bezug genommen wurde, nicht ganz gelesen?

Laut diesem Report liegt Sachsen bundesweit auf den letzten Rängen, was den Personalschlüssel in Krippe und Kindergarten angeht. Auch beim Betreuungsangebot der unter Dreijährigen liegen wir auf dem letzten Platz der ostdeutschen Bundesländer.

(Zuruf der Staatsministerin Helma Orosz)

„Auf gutem Weg“ sieht anders aus.

Sie, meine Damen und Herren von der SPD, müssen sich an der Stelle schon fragen lassen, ob Sie der Ministerin hier Schützenhilfe für den zweiten Wahlgang zur Oberbürgermeisterwahl in Dresden leisten. Oder wie erklären Sie sich diese Debatte?

(Unruhe bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war vor einigen Tagen beim Stadtelternbeirat in Dresden. Was dort erzählt wurde, sah alles andere als rosig aus. Der Personalschlüssel liegt in sächsischen Kindergärten offiziell bei 1 : 13. Sie, Frau Orosz, wollen den Schlüssel auf 1 : 12 senken, und das soll eine große Verbesserung sein. Bei genauer Betrachtung wird aber sichtbar, dass zum Beispiel Ergänzungsfinanzierungen wegfallen sollen und damit im Endeffekt gar keine Verbesserung des Betreuungsschlüssels eintreten wird. Und 1 : 13, das ist derzeit auch nur die Situation auf dem Papier.

Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes haben ergeben, dass der Schlüssel in sächsischen Kindergärten eigentlich bei 1 : 17 liegt, bedingt durch Urlaub, Feiertage, Krankheit von Erzieherinnen und Erziehern. Wenn man die kinderfreie Arbeitszeit einrechnet, kommen auf eine Erzieherin sogar 20 Kinder. So ist eine individuelle Förderung jedes einzelnen Kindes, wie dies im Bildungsplan vorgesehen ist, schlicht und einfach nicht

möglich. Wie wollen Sie mit einem Schlüssel von 1 : 20 den sächsischen Bildungsplan umsetzen?

Unter dieser Situation leiden nicht nur die Kinder, sondern auch die Erzieherinnen und Erzieher. Gerade junge Erzieherinnen und Erzieher, erst Anfang 20, erzählten in der Veranstaltung des Stadtelternbeirates, dass sie frustriert und gestresst sind und sich nach einem neuen Job umschauen, weil sie mit 30 nicht ausgebrannt sein wollen. In der Folge gibt es in den Kitas sehr viele Wechsel bei den Mitarbeitern. Vor allem sind die Kitas betroffen, die in städtischen Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit liegen. Dort haben Kinder häufig besonderen Förderbedarf.

(Allgemeine Unruhe)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein stabiles Team ist für Erzieherinnen wichtig. Das Konzept wird gemeinsam weiterentwickelt, Weiterbildungen werden gemeinsam geplant usw.

Meine Damen und Herren, darf ich um etwas mehr Aufmerksamkeit bitten!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Noch wichtiger sind gleiche Personen für Kinder. Kinder brauchen feste Bezugspersonen, damit sie Vertrauen fassen und eine Bindung eingehen können. Stabile Beziehung ist die Voraussetzung für kindliche Neugier, eben dafür, etwas Neues zu wagen. Daran ist erfolgreiches Lernen gebunden.

Ständiger Wechsel führt dagegen zu Unsicherheit und letztlich zur Enttäuschung bei Kindern. Das Bindungsverhalten wird gestört, und das mit weitreichenden Folgen. Sehen Sie sich Jugendhilfekarrieren an, dann wissen Sie, wovon ich spreche.

Unsere Fraktion hat schon in der letzten Haushaltsdebatte einen Personalschlüssel von 1 : 10 in Kindergärten und 1 : 4 in Krippen gefordert. Dieser Schlüssel muss auch tatsächlich bei den Kindern ankommen, und ausreichend kinderfreie Arbeitszeit für Erzieherinnen und Erzieher muss möglich sein. Nur mit ausreichender Vor- und Nachbereitung kann eine individuelle Förderung und Bildung stattfinden.

Im Sozialbericht 2006 ist zu lesen, dass sich Bildungsferne zunehmend vererbt und damit auch die Armut. Das widerspricht zutiefst unserer Vorstellung von einer gerechten Gesellschaft. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass alle Kinder gleiche Lebens- und Bildungschancen haben. Dafür müssen Erzieherinnen und Erzieher aber tatsächlich in die Lage versetzt werden, alle Kinder individuell zu bilden und zu erziehen.

Um das Wirklichkeit werden zu lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss in Sachsen noch viel passieren.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion)

Ich erteile das Wort der Fraktion der CDU; Frau Schöne-Firmenich, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Neubert, wenn ich an Ihrer Rede jetzt wirklich etwas begrüßen kann, dann ist es,

(Zuruf von der Linksfraktion: Alles!)

dass Sie offenbar davon ausgehen, dass Frau Orosz selbstverständlich am Sonntag die Wahl gewinnt. Denn Sie hatten sich ja schon Gedanken gemacht, wer die Politik fortsetzt.

(Beifall bei der CDU)

Das war wirklich einmal gut.

Zum anderen muss ich sagen: Es wäre auch schön, wenn Sie einmal zuhören würden, wenn jemand spricht.

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Denn gerade das Thema der Betreuungsquote der unter Dreijährigen hatte ich ausführlich behandelt. Und ich bleibe bei meiner Position: Ich denke, dass das Landeserziehungsgeld eine gute Maßnahme ist.

(Beifall bei der CDU)

Qualität erkennt man am Qualifikationsgrad und an der Motivation der Mitarbeiter, der Erzieherinnen in den Einrichtungen.

Wir haben ein gutes Qualifizierungsniveau. Das hat Frau Dr. Schwarz auch schon ausführlich dargestellt. Wir wollen den Anteil der Hochschulabsolventen weiter steigern. Aber wir wollen nicht nur einen Hochschulabschluss schlechthin, sondern wir wollen, dass unsere Erzieherinnen einen speziell auf Elementarpädagogik ausgerichteten Hochschulabschluss erwerben.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Sachsen ist auch dort Vorreiter. Wir haben an der Evangelischen Fachhochschule in Dresden einen Bachelorstudiengang und an der TU Dresden einen Masterstudiengang, der gezielt darauf ausgerichtet ist.

Zum Wintersemester 2009/2010 beginnen weitere Studiengänge an der Fachhochschule in Zittau-Görlitz, an der HTWK und an der Evangelischen Fachhochschule. Es gibt dazu Stellen aus dem Hochschulpakt 2020. Das hat das Wissenschaftsministerium den Hochschulen schon zugesagt. Frau Dr. Stange, vielen Dank dafür. So wird gearbeitet und nicht nur geredet.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Dr. Gisela Schwarz, SPD)

Ich denke, unser Qualifikationsniveau ist gut. Die Mitarbeiter sind befähigt, den Bildungsplan umzusetzen. Es befremdet mich schon etwas, wenn die BertelsmannStiftung moniert,

(Gespräch zwischen der Staatsministerin Helma Orosz und dem Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)