Wir müssen in Sachsen jetzt dafür sorgen – da bedanke ich mich bei meiner Kollegin, die das ähnlich sieht –, dass kein Kind von dem Angebot frühkindlicher Bildung ausgeschlossen wird.
Kritisch wird im Ländervergleich der berechnete Personalschlüssel gesehen. Wir haben gestern in der Regierungserklärung gehört, dass wir diese Situation verbessern
wollen. Aber die Senkung von 1 : 13 auf 1 : 12 allein im Kindergartenbereich kann nicht das Ende der Fahnenstange sein. Wir haben auch gehört, dass dieser Bereich aufgrund des besonderen Bildungsaspekts in den Bereich Kultus übergehen soll. Dies werden wir sehr genau verfolgen. Kultus wird sicher ein gut bestelltes Feld übernehmen, aber es muss auch entsprechende Konsequenzen haben, denn Bildung ist in Deutschland immer noch kostenlos.
Die SPD-Fraktion hat das Thema „frühkindliche Bildung“ seit Jahren ganz oben auf der Agenda. Seien Sie gewiss, dass wir auch in der anstehenden Haushaltsberatung für eine nachhaltige Verbesserung eintreten werden, und zwar nach dem Motto: „Gut ist noch nicht gut genug“.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kinder kommen immer gut an. Nach diesem Motto scheint die Koalition bei der Auswahl der Themen zu verfahren. Sie scheinen tatsächlich darauf zu spekulieren, dass es immer mehr Sachsen gibt, die nicht merken, dass Sie viel über das Thema „Kinderbetreuung und frühkindliche Bildung“ reden, aber leider nur vergleichsweise wenig tun. Ich möchte aus der aktuellen Bertelsmann-Studie einige andere Befunde darlegen.
„Im Vergleich mit den übrigen ostdeutschen Bundesländern hat Sachsen die niedrigste Teilhabequote bei unter Dreijährigen.“ Nicht, dass dies etwas Neues wäre; ich habe das schon mehrmals angebracht. Jetzt haben Sie es schwarz auf weiß von einer Stelle, die nicht im Verdacht steht, der Linken irgendwie nahe zu stehen. Das ist angesichts der Tatsache, dass Sachsen einmal an der Spitze lag, beschämend. Beschämend ist es auch angesichts der Tatsache, dass die zuständige Ministerin hier einst verkündete, Sachsen zum familienfreundlichsten Land machen zu wollen. Es ist einfach unredlich, dass die Sozialministerin jahrelang versucht, diesen Umstand zu vertuschen. Jahrelang haben sie uns eine manipulierte Statistik präsentiert.
Wenn wir über Fragen der Zugangsbeschränkungen und das Recht auf Krippenplatz sprechen, Frau SchöneFirmenich und Frau Dr. Schwarz, wo Konsens besteht, dann lassen Sie es uns in Sachsen umsetzen. Sie haben doch die Möglichkeit. Unsere Vorschläge haben Sie immer abgelehnt.
Aber auch, was qualitative Kriterien anbelangt, sieht es weiß Gott nicht toll aus. Bei allen drei überprüften Kriterien – Bildungsplan, Rahmenbedingungen, Regelung zur Qualitätssicherung – liegt Sachsen hinter Berlin, zum Teil
sogar sehr deutlich. Das heißt, Sachsen liegt hinter einer Stadt, in der 1990 nur in einem Drittel der Stadt ein mit Sachsen vergleichbares Betreuungssystem vorhanden war.
Ich bin immer noch beim Bertelsmann-Report. Ein weiteres Zitat daraus: „Einen Hinweis auf eine eher ungünstige Rahmenbedingung in den sächsischen Kitas gibt der berechnete Personalschlüssel, denn sowohl der durchschnittliche Personalschlüssel für die unter Dreijährigen als auch für jene über drei Jahre in Sachsen gehört im Bundesvergleich zu den ungünstigsten Werten“. Zudem sind in Sachsen Zeiten für Tätigkeiten des pädagogischen Personals ohne Kinder, wie Teamsitzung, Kooperation mit anderen Einrichtungen, Elterngespräche oder auch Fortbildung etc., weder allgemein noch präzise definiert. Weitere Rahmenbedingungen der Strukturqualität sind ebenfalls nur allgemein geregelt.
Das ist ein Déjà-vu. Seit Jahren macht die Opposition hier im Haus darauf aufmerksam. Seit Jahren sagen Ihnen Experten nichts anderes. Schließlich sind es vor allem die betroffenen Erzieherinnen und Erzieher in den Kindertagesstätten selbst und Eltern, die seit Jahren diese Veränderung anmahnen.
Eine Verbesserung des Schlüssels auf 1 : 12 wurde zwar durch die geschäftsführende Ministerin im derzeitigen Wahlkampf angekündet; die im Landtag vorliegenden Anträge mit dieser Forderung wurden jedoch immer wieder von der Koalition abgelehnt.
Gestern hat der neue Ministerpräsident erneut diese Verbesserung des Betreuungsschlüssels angekündigt. Dabei hat er etwas nachgeliefert, was Frau Orosz klugerweise vor den Kommunalwahlen weggelassen hat: Die Angelegenheit kostet seriös berechnet 33 bis 35 Millionen Euro. So viel hatten wir damals in unserem Gesetzentwurf vorgesehen. Die neue Regierung will aber gerade einmal 15 Millionen Euro einsetzen. Weitere 15 Millionen Euro sollen also nebenbei die Kommunen tragen. Den verbleibenden Rest dürfen dann wahrscheinlich die Eltern zahlen. Ich muss konstatieren: Wenn Sie sich schon einmal zu einer notwendigen sozialen bildungspolitischen Initiative durchringen, ist sie finanzpolitisch unsolide. Der Bildungsplan lässt sich nun einmal nicht nebenbei umsetzen. Es bedarf ausreichender Vor- und Nachbereitungszeiten für Erzieherinnen.
Es bedarf einer ausreichenden Fort- und Weiterbildung. Wir brauchen bessere Gruppengrößen. Hier wartet auf den neuen Minister für frühkindliche Bildung jede Menge notwendige Aufräumarbeit.
Noch ein Zitat aus dem Länderreport: „Von 2003 bis 2005 sind die reinen Nettoausgaben der öffentlichen Haushalte für frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung pro unter zehnjährigem Kind in Sachsen kontinuierlich gesunken.“ Natürlich, das wissen wir: Sie sind von einem relativ hohen Ausgangsniveau gesunken. Dennoch, meine
Damen und Herren, an gesunkenen Ausgaben für die frühkindliche Bildung pro Kind hat die seit 2004 bestehende Koalition nichts geändert. Das wird auch durch ständige Bekenntnisse und Aktuelle Debatten einfach nicht besser.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann leider nicht erkennen, dass die frühkindliche Bildung in Sachsen auf einem guten Weg ist. Es sprechen einfach zu viele Fakten dagegen. Wir werden aber weiterhin darauf drängen, insbesondere in den Haushaltsberatungen, dass die frühkindliche Bildung unter dem neuen Minister auf einen besseren Weg kommt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man von frühkindlicher Bildung spricht, kommt man nicht umhin, mit der zunehmenden Zweiklassengesellschaft im Bildungsbereich konfrontiert zu werden, die sich einerseits aus der sozioökonomischen und infrastrukturellen, andererseits jedoch aus der demografischen Fehlentwicklung ergibt.
Wohlwollende Worte und Absichtserklärungen auf dem Gebiet der frühkindlichen Bildung gibt es zahlreich. Unzweifelhaft gibt es auch Anstrengungen, dieses zum Teil brachliegende Gebiet mit zusätzlichen Angeboten zu bearbeiten; aber ist es das Schaffen und Erhalten von ausreichend Kita-Angeboten ansprechender Qualität allein? Müssen wir uns nicht vielmehr stärker mit dem Werteverfall in unserer Gesellschaft auseinandersetzen? Müssen wir nicht aufhören, uns selbst zu belügen, indem wir die unzweifelhaft bestehende gesellschaftliche Realität – gezeichnet von Familienzerfall, oft bereits bestehender elterlicher Bildungsinkompetenz und fehlendem häuslichen Anregungsmilieu für die Kinder – auch schon als gesellschaftliche Normalität und somit als akzeptablen Zustand verstehen?
In ihrem Vortrag zur frühkindlichen Bildung am 4. Mai 2006 sagte Frau Staatsministerin Orosz in der Berufsakademie Breitenbrunn: „Dabei sind die Eltern, ist die Familie die Bildungsinstanz Nummer eins. Das ist nicht nur eine aus dem Grundgesetz abzuleitende Tatsache. Dass aber andererseits die veränderte Lebensweise und die veränderten Lebensbedingungen Fragen an die familiäre Erziehung stellen, ist unbestritten. Immer mehr Kinder wachsen ohne Geschwister und nur mit einem Elternteil auf. Natürliche Lernfelder, vor allem für das soziale Lernen, reduzieren sich dadurch. Hier kann eine Kindertageseinrichtung ergänzend wirken. Gemeinschaft
liches soziales Lernen in der Gruppe ist ein wichtiger Bildungsfaktor bereits im frühen Kindesalter.“
Einerseits spricht sie dabei das Defizit, nämlich den Verlust der familiären Lebensbedingungen, an; andererseits werden Programme aufgelegt, die nicht das gesellschaftliche Defizit beseitigen, sondern vielmehr die soziokulturelle Fehlentwicklung begleiten und damit eher noch forcieren. Um es deutlich zu sagen: Als NPDFraktion sehen wir in der Arbeit der Kindertageseinrichtungen einen wichtigen, aber nur ergänzenden Faktor in der frühkindlichen Bildung. Das Grundgesetz – das hat Frau Staatsministerin Orosz richtig dargestellt – stellt die familiäre Bildung über die staatlich verwaltete. Aus Sicht der NPD-Fraktion ist es also vielmehr wichtig, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen so zu verändern, dass das Einzelkind beim alleinerziehenden Elternteil nicht die gesellschaftliche Norm wird bzw. bleibt, um den Kindern die richtigen sozialen Kontakte einer Familie zurückzugeben. Dies ist sicher längerfristig der richtigere Weg als der Neubau von Kitas. Er ist meines Erachtens aber auch der wichtigere und zielführendere Weg, um den gesellschaftlichen Werteverfall einer Ich-lebe-jetzt- und Für-michalles-Lebensphilosophie, wie sie in vielen werte- und somit gesellschaftszerstörenden Fernsehserien gepriesen wird, zurückzudrängen.
Verbunden ist das alles mit einigen grundsätzlichen Aussagen in der Politik. Wenn man Familien fördern und erhalten will, dann bedarf es der Arbeit vor Ort. Das derzeit praktizierte Berufs- oder treffender Jobnomadentum ist kontraproduktiv. Wenn man die demografische Katastrophe verhindern und Mehrkindfamilien wieder zur gesellschaftlichen Normalität machen und dadurch den Kindern auch die zur frühkindlichen Bildung wichtigen sozialen Kontakte innerhalb der Familie ermöglichen will, dann muss man die Erziehungsarbeit auch als diese akzeptieren, als Arbeit im Interesse der Gesellschaft. Diese gehört vergütet, und zwar mit allem, was sich daraus ergibt: Arbeitslosenversicherung und auch Rente.
Wir fordern ein Erziehungsgehalt. Seien Sie doch einmal ehrlich zu sich selbst: Ist es nicht besser, Erziehungsarbeit staatlich zu subventionieren, als durch ähnliche Finanztransfers lediglich Arbeitslosigkeit zu verwalten? Wenn man den Kindern, die in Trennungssituationen geraten, die notwendigen sozialen Kontakte erhalten will, muss man auch den Weg der klassischen Alleinerziehung verlassen. Kinder brauchen beide Elternteile gleichermaßen und keine stetig fluktuierenden Patchworkfamilien.
Italien, Holland und andere Staaten praktizieren sehr erfolgreich Doppelresidenzmodelle – bis hin zum Zwang gegenüber den unkooperativen Elternteilen.
Meine Damen und Herren! Wie Sie an meinen Ausführungen bemerken können, ist die Verbesserung frühkindlicher Bildung wesentlich komplexer als der Neubau von Kitas.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Abgeordneter der NPD, ich glaube, Ihnen steht es als Letztem zu, Lebensmodelle in Sachsen zu diffamieren oder Familienleistungen zu kritisieren.
Frühkindliche Bildung auf gutem Weg – Frau SchöneFirmenich, ich danke Ihnen für die differenzierte Darstellung dieses Titels, denn zu Selbstlob besteht nicht unbedingt Anlass. Der Debattentitel zeigt eher Mittelmaß, als dass wir uns auf dem besten Weg befinden, den wir eigentlich angehen sollten. Denn: Es ist doch unsere Verantwortung, unseren Kindern das Beste mit auf den Lebensweg zu geben und dabei nicht nur einen eben mal guten Weg zu gehen. Ich kann diese Frage, wie sie der Debattentitel stellt, noch nicht mit einem klaren Ja beantworten. Es ist die Frage, ob wir auf diesem guten Weg sind, zumal sich die vorschulische Bildung seit gestern auf einem anderen Weg befindet.
Auf die Studie der Bertelsmann-Stiftung ist schon eingegangen worden. Im „Länderreport Frühkindliche Bildung“ wurden die Bildungssysteme der Länder miteinander verglichen. Dabei stellten sich zwei Schwerpunkte heraus; einer davon war der quantitative. Wir sind heute schon darauf eingegangen, dass wir weit vor den westdeutschen Bundesländern in der Betreuung der Krippenkinder liegen, aber in Ostdeutschland Schlusslicht sind. Dies haben wir vor zwei Monaten bei unserer Aktuellen Debatte bereits zum Schwerpunkt gemacht. Deshalb möchte ich es heute nicht vertiefen.
Weit wichtiger war in der Studie die Aussage zur Qualität. Sie ist schwer messbar, das gebe ich zu, doch die gewählten Kriterien – Ausbildung und Anzahl des Personals – wurden herangezogen. Eines steht fest: Das Personal in Kitas in Sachsen ist mit überdurchschnittlich vielen Fachschulabsolventen gut ausgebildet. Und, Frau Dr. Schwarz, wenn ich höre, dass wir auch zu den Fachhochschulabsolventen kommen wollen, hoffe ich, dass dieser Weg weiterhin verfolgt wird.
Im Rahmen der Einführung des Bildungsplans und auch des Curriculums haben sich mittlerweile fast alle Erzieherinnen fortgebildet. Ich kann Ihnen aus eigener Erfahrung sagen, dass sie hoch motiviert sind, ihr Wissen in den Kitas einzusetzen. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten – ein Großteil der Erzieherinnen arbeitet in Sachsen in
Teilzeit. Was dieser 6-Stunden-Arbeitstag bei einer neunstündigen Betreuungszeit eines Kindes bedeutet, kann ich Ihnen mittlerweile aus eigener Erfahrung sagen.
Des Weiteren ist der Personalschlüssel sowohl im Kindergarten- als auch im Krippenbereich viel zu hoch. Laut der Studie beträgt er in Sachsen 1 : 12,7 im Kindergarten und 1 : 6,7 in der Krippe. Das entspricht, die Kommastellen weggelassen, den gesetzlichen Vorgaben, die Sie, sehr geehrte Damen und Herren der Koalition, im Sächsischen Kita-Gesetz verankert haben. Mit Kommastellen werden im Kindergarten aber rund 6 000 Kinder und in der Krippe zurzeit circa 3 000 Kinder nicht schlüsselgerecht betreut, wenn man die Schlüssel 1 : 12 im Kindergarten und 1 : 6 in der Krippe heranzieht. Oder anders gesagt: Wir bräuchten für beide Bereiche jeweils circa 500 Erzieherinnen mehr, um diesen Schlüssel, den wir uns selbst gesetzt haben, umzusetzen. Das kann uns nicht zufriedenstimmen.