Protocol of the Session on May 28, 2008

Sehr verehrter Herr Prof. Bolick, richtig ist, dass wir uns auch die Initiative „Bahntechnik“ in Sachsen sehr genau anschauen. Sie wissen auch, dass diese Initiative seinerzeit ausgeschrieben wurde und dass sich IZBE beworben hat, die Projektträgerschaft zu erwerben, und innerhalb des Verfahrens unterlegen war. Ich halte sehr viel davon, dass die „Bahntechnik“ Sachsen mit ihrem Projektträger, auch mit der IZBE, kooperiert. Aber ich sage auch sehr deutlich: Wir werden uns die Ergebnisse der Projektphase 1 der BTS sehr genau anschauen und danach weitere Entscheidungen treffen. Mir ist es für die Industrie, den Arbeitsmarkt und klimapolitisch viel zu wichtig, dass die Bahninitiative erfolgreich wird, als dass wir zulassen könnten, dass dort konkurrierende Initiativen auftauchen. Von daher schaue ich mir das sehr genau an. Hier wollen wir die Potenziale bündeln und sie nicht zersplittern.

Wir wollen gemeinsam für bessere Rahmenbedingungen für die sächsischen Betriebe sorgen. Die Verbundinitiati

ven sind unser wirtschaftspolitisches Programm, um regionale Unverwechselbarkeit und überregionale Vernetzung unserer Unternehmen voranzubringen. In den letzten Jahren haben andere Bundesländer nachgezogen und nach sächsischem Vorbild begonnen, ebenfalls strategische Netzwerke aufzubauen. Darauf können wir stolz sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Ich hoffe sehr, dass Sie mich auch bei den Haushaltsberatungen unterstützen werden, wenn es gilt, die nötigen Finanzmittel für Verbundinitiativen einzustellen. Ich füge aber auch hinzu: Natürlich machen wir uns Gedanken, ob Initiativen, die besonders gut laufen, nicht von der Industrie selbst getragen werden können. Ich verweise ausdrücklich darauf, dass die Initiativen besonders auf die Unterstützung kleiner und mittelständischer Unternehmen abzielen. Man muss sich genau überlegen, ob man Beiträge verlangt. Bei „AMZ“ sind wir im Gespräch mit der Industrie. Inwieweit „AMZ“ nach vielen Jahren der erfolgreichen Arbeit allein laufen kann, gilt es gemeinsam mit den Unternehmen und den Wissenschaftlern am Tisch zu beraten.

Lassen Sie uns gemeinsam die Erfolgsgeschichte unserer Verbundinitiativen fortschreiben. Ich werde Ihnen selbstverständlich einen Bericht über die konkreten Ergebnisse und zukünftigen Weichenstellungen für unsere sächsischen Verbundinitiativen abliefern.

(Beifall bei der SPD, CDU, vereinzelt bei der Linksfraktion und der Staatsregierung)

Ich rufe zum Schlusswort auf. – Das wird nicht gewünscht. Dann komme ich zur Abstimmung über die Drucksache 4/9634 und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer Stimmenthaltung und wenigen Gegenstimmen ist der Antrag mit großer Mehrheit beschlossen worden.

Der Tagesordnungspunkt ist damit beendet.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 10

Für ein solidarisches Gesundheitswesen – Gesundheitsfonds verhindern

Drucksache 4/11472, Antrag der Linksfraktion

Gesundheitsfonds stoppen – Mehrbelastungen für Arbeitnehmer und Betriebe in Sachsen verhindern

Drucksache 4/11816, Antrag der Fraktion der FDP

Es beginnt die Linksfraktion, danach FDP, CDU, SPD, NPD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht.

Ich erteile jetzt dem Abg. Wehner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der geplanten Einführung des Gesundheitsfonds zum 1. Januar 2009 wird die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung neu organisiert. Das ist allen bekannt.

Bis zu diesem Zeitpunkt werden die Beiträge der Kassen individuell bestimmt. Ab dem Jahre 2009 wird es einen von der Bundesregierung per Rechtsverordnung festgelegten einheitlichen prozentualen Beitragssatz für alle Krankenkassen geben. Dies bedeutet, dass die Krankenkassen ihre bisherige Finanzhoheit verlieren. Die Mittel des Gesundheitsfonds setzen sich aus den Beiträgen der Beitragszahler und der Arbeitgeber sowie einem Bundeszuschuss zusammen. Die Verwaltung des Gesundheitsfonds wird durch das Bundesversicherungsamt erfolgen. Die Organisation des Beitragseinzugs bleibt zumindest bis zum 31. Dezember 2010 weiterhin die Aufgabe der Krankenkassen. Ab dem Jahre 2011 sollen die Arbeitgeber dann die Möglichkeit erhalten, auf Antrag die Beiträge gebündelt an eine Weiterleitungsstelle, die die Beiträge an alle Sozialversicherungsträger weitergibt, zu entrichten.

Die Krankenkassen erhalten aus dem Gesundheitsfonds zur Deckung ihrer Ausgaben eine Grundpauschale pro Versicherten. Darüber hinaus findet die Morbiditätsstruktur der Versicherten dahin gehend Berücksichtigung, dass die Krankenkassen alters-, geschlechts- und krankheitsbezogene Zu- und Abschläge erhalten bzw. leisten.

Mit diesen Zuweisungen wird der bestehende Risikostrukturausgleich zwischen den Kassen zu einem morbiditätsorientieren Risikostrukturausgleich weiterentwickelt. Dadurch sollen Unterschiede in den Versichertenkollektiven hinsichtlich Alter, Geschlecht und Morbidität ausgeglichen werden, um dem unterschiedlichen Versorgungsbedarf der Versicherten Rechnung zu tragen.

Kommt eine Kasse mit den Zuweisungen nicht aus, so muss sie Zusatzbeiträge erheben. Diese dürfen aber maximal 1 % des beitragspflichtigen Einkommens der Mitglieder ausmachen. Beträgt der Zusatzbeitrag maximal 8 Euro pro Monat, so muss die Kasse keine Einkommensprüfung vornehmen. So weit zu den Regelungen zum Gesundheitsfonds, meine Damen und Herren.

Ein Gesundheitsfonds mit einem einheitlichen Beitragssatz für alle gesetzlichen Versicherten ist sinnvoll.

Da Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung überall in Deutschland zu gleichen Bedingungen unabhängig von der Höhe des Beitragssatzes bereitgestellt werden, erscheint es schlüssig, wenn ein einheitlicher, deutschlandweit gleicher Beitragssatz erhoben würde. Ein Gesundheitsfonds als solcher wäre also kein Problem, sondern sogar begrüßenswert. Außerdem könnte eine gerechte, nachhaltige und solidarische Finanzierung der Krankenversicherung auf den Weg gebracht werden – wenn es denn auch so gewollt wäre.

Was ist also das Motiv für unseren Antrag? Die Einführung des Gesundheitsfonds erfolgt ohne zu gewährleisten, dass die Kassen mit den zur Verfügung stehenden Mitteln auskommen können. Es bleibt also abzuwarten, ob die Bundesregierung den Steuerzuschuss, der überwiegend für die Erwerbslosen aufgebracht werden muss, erhöht und somit der gesetzlichen Krankenversicherung mehrere Milliarden Euro zusätzlich zukommen lässt. Nur über eine

solche Entscheidung ließe sich ein insoweit gedeckelter Beitragssatz von 15 % festlegen. Wenn nicht, dann müssen die Beiträge in die gesetzliche Krankenversicherung erheblich angehoben werden.

Nun, es stehen Wahlen bevor, wir dürfen also gespannt sein. Es scheint aber sicher: Die Kassen werden nicht umhinkommen, die sogenannten kassenspezifischen Zusatzbeiträge zu erheben, und diesen Beitrag zahlen allein die Versicherten. Insofern hat die Staatsregierung – hier Frau Staatsministerin Orosz – recht, wenn sie in ihrer Stellungnahme darauf hinweist, dass nicht nur die Arbeitnehmer belastet werden. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass über einen solchen Weg das paritätische Beitragssystem der gesetzlichen Krankenversicherung aufgekündigt wird. Das kritisieren wir, und das kritisieren die Gewerkschaften und Sozialverbände.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Weswegen die Sächsische Staatsregierung keinen Anhaltspunkt zu erkennen vermag, der eine Initiative des Bundesrates rechtfertigen könnte, um den Gesundheitsfonds zu stoppen – wie in der Stellungnahme ausgewiesen –, das erschließt sich mir überhaupt nicht. Sind es der Staatsregierung die sächsischen Versicherten nicht wert, für ihre Interessen einzutreten?

(Zuruf der Staatsministerin Helma Orosz)

Im Übrigen, Frau Staatsministerin, haben Sie offenbar einen Sinneswandel vollzogen. Entgegen Ihrer Einlassung in der Stellungnahme auf unseren Antrag vom 1. April 2008 lassen Sie sich nicht einmal drei Wochen später in der „Sächsischen Zeitung“ vom 16. April 2008 zitieren, dass Sachsens Versicherte in den gesetzlichen Krankenversicherungen bei Einführung des Gesundheitsfonds Anfang 2009 mit höheren Beiträgen auch die höheren Ausgabenniveaus anderer Länder mitfinanzieren müssten und dies weder einem sächsischen Versicherten noch einem sächsischen Arzt vermittelbar sei. Sie kritisieren diese Regelung als systemfremd. Aber was machen Sie? Was macht die Staatsregierung? Nichts, meine Damen und Herren. Die Staatsregierung erkennt keinen Ansatzpunkt, der eine Initiative des Bundesrates rechtfertigen könnte.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: So ist es!)

In Ihrer Stellungnahme zu unserem Antrag behaupten Sie noch, es sei unzutreffend, dass die Erhebung von Zusatzbeiträgen zu einer einseitigen Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer führe. – Okay, das ist richtig, soweit im Antrag auf den Kreis der Berufstätigen abgestellt wird. Doch es ändert nichts an der Sache der Beitragserhöhung. Es wird nicht besser, weil alle Versicherten betroffen sind, auch die Rentnerinnen und Rentner, Geringverdiener und ALG-II-Empfänger, die ein Einkommen unter 800 Euro und – unabhängig von ihrem Haushaltseinkommen – 8 Euro zuzuzahlen haben. Das nennen wir sozial ungerecht. Frau Staatsministerin, Beitragserhöhung ist Beitragserhöhung, wie Sie selbst

einmal feststellen und ein anderes Mal verneinen. Nun frage ich Sie: Was soll denn gelten?

Es reicht auch nicht aus, in den Medien Ihren Unmut zu verkünden. Sie haben es als Mitglied der Staatsregierung doch in der Hand, und Sie hätten auch die Unterstützung des damaligen Ministerpräsidenten gehabt. Als Prof. Milbradt noch im Amt war, hat er sich in der Öffentlichkeit auch nicht anders geäußert als Sie. Also, warum unterstützen Sie unseren Antrag nicht?

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich nehme es einfach einmal vorweg wegen der alten Leier, er komme nicht aus Ihren eigenen Reihen. Ja, wenn Sie denn auch in Ihren eigenen Reihen so träge sind, meine Damen und Herren! Das System der gesetzlichen Krankenversicherung wird kollabieren, sage ich. Es wird eine Jagd der Kassen auf Gutverdiener beginnen; denn Geringverdiener zahlen weniger Zusatzbeiträge. Also werden die Kassen mit vielen Geringverdienern höhere Zusatzbeiträge verlangen, und Kassen mit vielen Gutverdienern können sich niedrige Zusatzbeiträge leisten.

Das Jahresgutachten des Sachverständigenrates 2007/ 2008 hat auf diese absurde Konsequenz hingewiesen: Der Zusatzbeitrag einer Kasse müsse umso höher sein, je mehr ihre Mitglieder von der Überforderungsregelung betroffen sind. Dies betrifft insbesondere die großen Versorgerkassen, die schon bei der Einführung keine ausreichenden Gelder zugewiesen bekommen. Es betrifft also auch sächsische Versicherte. Das Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung wird durch die Regelung im Wettbewerbsstärkungsgesetz weiter ausgehöhlt. Es wurde verpasst, den Zweig der privaten Krankenversicherung einzubeziehen. Die Beitragsbemessungsgrenze von 3 600 Euro wurde beibehalten, und andere Einkunftsarten wurden nicht einbezogen. Somit bleibt es bei der gesetzlichen Krankenversicherungsfinanzierung aus kleinen und mittleren Einkommen. Die paritätische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung wird nach und nach aufgekündigt. Der Zusatzbeitrag ist ein Beispiel dafür. Die finanziellen Belastungen der Versicherten, die Praxisgebühr und Zuzahlungen, sind ebenfalls geblieben.

DIE LINKE fordert ein umfassendes und sozial gerechtes System der gesetzlichen Krankenversicherung. Das kann nur eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung nachhaltig leisten, meine Damen und Herren, und zwar eine, in der alle Bürgerinnen und Bürger, alle Versicherten und alle Beschäftigten Mitglieder sind; die solidarisch zwischen Arm und Reich und Krank und Gesund ausgleicht; eine Versicherung, in der auf alle Einkommensarten Beiträge erhoben werden; eine Versicherung, meine Damen und Herren, die auf Zuzahlungen wie Praxisgebühr, für Medikamente und Krankenhaus verzichtet; eine Versicherung, in der die Beitragsbemessungsgrenze schrittweise angehoben wird. All dies vermag der Gesundheitsfonds so, wie er konstruiert ist – also, die sogenannte neue Organisation der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung – nicht zu leisten.

Die Einrichtung des Fonds wird circa 518 Millionen Euro kosten. Die Schaffung einer zusätzlichen Behörde blockiert nahezu alle Anstrengungen für eine nachhaltige Finanzierung des Systems der Gesundheitsversicherung, der gesetzlichen Krankenversicherung. Insoweit muss diese Regelung gestoppt werden.

Dem Antrag der Fraktion der FDP, sehr geehrte Kollegin Schütz und meine Herren von der FDP, können wir nur im Punkt 1 zustimmen. Die Forderung im Punkt 2 will tatsächlich keine Veränderungen. Hier soll alles beim Alten bleiben. Ein am Wettbewerb orientiertes Gesundheitssystem wird zwangsläufig dazu führen, dass die Zweiklassenmedizin verstärkt wird, und es wird zwangsläufig dazu führen, dass insbesondere chronisch Kranke und sozial Schwache nicht mehr ausreichend gesundheitlich versorgt werden. Das können und das wollen wir nicht unterstützen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die FDP-Fraktion; Frau Abg. Schütz, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der aus dem Wettbewerbsstärkungsgesetz hervorzugehende Gesundheitsfonds steht kurz vor der Einführung – ein Gesundheitsfonds, der aus dem schlechten Kompromiss der CDUKopfpauschale und der SPD-Bürgerversicherung hervorgegangen ist, oder anders gesagt: Aus Äpfeln und Birnen versucht man jetzt, eine Orange, hoffentlich wohlschmeckend, zu verteilen. Ein Gesundheitsfonds, der unsere Probleme im Gesundheitswesen zudem nicht lösen, sondern, ähnlich einem Placeboeffekt, eher zahlreiche neue schaffen wird. Alle, ob Krankenkassen, Ärzteverbände, die Wirtschaft und zahlreiche Politiker, mittlerweile auch von CDU und SPD, halten die Einführung des Fonds für falsch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die selbst gesteckten Ziele aus dem Koalitionsvertrag von SchwarzRot zur Reform der Sozialversicherung sind gescheitert.

Es heißt dort: „CDU/CSU und SPD stellen sicher, dass die Lohnzusatzkosten dauerhaft unter 40 % gesenkt werden. Für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung wird in 2006 ein umfassendes Zukunftskonzept entwickelt, das auch darauf angelegt ist, die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung mindestens stabil zu halten, möglichst zu senken.“ So steht es im Koalitionsvertrag auf Bundesebene vom 11.11.2005. Wir hatten schon damals gehofft, dass dies kein Faschingsscherz ist.

Was ist nun dabei herausgekommen? Herausgekommen ist ein Gesundheitsfonds, den offenbar außer Ulla Schmidt und Angela Merkel keiner mehr haben will.

(Beifall bei der FDP)

Herausgekommen sind Wortungetüme mit 46 Buchstaben – das ist heute schon genannt worden –: Morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich. Das versteht kein Bürger, geschweige denn ein Versicherter.

Herausgekommen ist auch ein Beitragssatz in der Sozialversicherung von rund 41 % in diesem Jahr. Und wenn der Gesundheitsfonds im nächsten Jahr kommen sollte – was, wie ich hoffe, immer noch mit Verstand abzuwenden ist –, werden es durch die steigenden Krankenversicherungsbeiträge noch höhere Abgaben sein.