Protocol of the Session on March 6, 2008

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt ist damit geschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 9

Transparenz in den öffentlichen Haushalten Sachsens schaffen – Ergebnisse des Sächsischen Frühwarnsystems im Internet veröffentlichen

Drucksache 4/11369, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Fraktion der GRÜNEN beginnt. Danach folgen CDU, Linksfraktion, SPD, NPD, FDP und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht.

Ich erteile jetzt der Frau Abg. Hermenau das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Mit dem Sächsischen Frühwarnsystem zur Erfassung und Beurteilung der Haushaltssituation der sächsischen Kommunen hat das sächsische Innenministerium eigentlich eine echte Verwaltungsinnovation erschaffen. Seit 2003 erfasst das Ministerium dabei eben die Haushaltsdaten sämtlicher Gemeinden in Sachsen, wertet sie aus und ordnet sie auf einer Skala von A bis D, also in vier Kategorien, ein.

Die Auswertung dieses Frühwarnsystems gewährt interessante Einblicke. 245 Kommunen bekommen derzeit die Bestnote A. Das ist erfreulich. Das heißt nämlich eigentlich, dass jede zweite Kommune in Sachsen derzeit mit ihren haushalterischen Fundamentaldaten sehr gut dasteht. Dazu gehören zum Beispiel Bautzen, Freiberg und Kamenz.

Es ist auch interessant zu sehen, dass keine einzige der größeren Städte in Sachsen eine Bestnote bekommen hat, auch Dresden nicht, trotz des WOBA-Verkaufs. Ob sich aus diesem Befund Anpassungsbedarf für den nächsten kommunalen Finanzausgleich ergibt, werden wir noch prüfen. Aber es ist auch bemerkenswert, dass es nur 27 Gemeinden in Sachsen – von den rund 500 – und damit nur 5 % sind, die mit einer instabilen, schlechten Haushaltslage – Kategorie D – zu kämpfen haben. Dazu gehören interessanterweise neben Hoyerswerda und Bad Muskau – was nicht verblüfft – auch Leipzig, Zwickau und Görlitz.

Diese Erläuterungen zeigen: Das Sächsische Frühwarnsystem gewährt sehr interessante Einblicke in die sächsischen Kommunalfinanzen. Leider hat das Innenministerium hier in Sachsen auf diesem Goldschatz gesessen wie die Henne auf den Eiern – unglaublich! Erst durch unsere Kleine Anfrage im November letzten Jahres wurde überhaupt bekannt, dass das SMI über so ein Frühwarnsystem und Analyseinstrument verfügt.

In Mecklenburg-Vorpommern ist das anders geregelt. Auch dort gibt es so etwas wie ein kommunales haushalterisches Frühwarnsystem. Man hat es sich sogar aus Sachsen abgeschaut, wie wir unserer Kleinen Anfrage entnehmen durften. Sächsische Beamte haben sogar in Mecklenburg-Vorpommern geholfen, das System aufzubauen. Das ist alles prima. Aber in MecklenburgVorpommern – anders als in Sachsen – werden die Ergebnisse des Frühwarnsystems – es heißt dort übrigens RUBIKON – im Internet veröffentlicht. Dazu gibt es

übersichtliche farbige Kartendarstellungen. Man kann auf einen Blick erkennen, welche Landkreise finanziell gut und welche Gegenden weniger gut dastehen. Außerdem ist der Zugriff auf die Haushaltsdaten, die Bewertung und Klassifizierung durch RUBIKON, für jede einzelne Gemeinde möglich.

Wir wollen natürlich, dass dieser Datenschatz des Innenministeriums endlich gehoben wird. Es kann nicht sein, dass wir als Gesetzgeber des kommunalen Finanzausgleichs unsere Informationen zu den Kommunalfinanzen ausschließlich aus den Publikationen des Sächsischen Städte- und Gemeindetages und vielleicht noch mühsam aus den Datenreihen des Statistischen Landesamtes gewinnen müssen, wenn es so etwas wie RUBIKON hier in Sachsen auch gibt.

Wenn mit viel Aufwand und Steuergeldern die Haushaltsdaten der sächsischen Kommunen erfasst und ausgewertet werden, dann sollte nicht nur Innenminister Buttolo etwas davon haben, sondern auch alle anderen, die beruflich, ehrenamtlich, wissenschaftlich oder schlicht aus Interesse mit den sächsischen Kommunalfinanzen zu tun haben.

Wir fordern daher in unserem Antrag, dass nach dem Vorbild von Mecklenburg-Vorpommern die Ergebnisse des Frühwarnsystems im Internet veröffentlicht werden. Wir erwarten uns darüber hinaus positive Wettbewerbseffekte und sogar eine Stärkung des finanzpolitischen Ehrgeizes der einzelnen Gemeinden. Das wäre wirklich einmal ein Wettbewerb zwischen den Kommunen, der den Sachsen etwas bringen würde; denn es ist doch zu erwarten, dass sich eine Gemeinde mit ihren haushalterischen Daten nicht schlechter präsentieren möchte als die Nachbargemeinde. Zudem wäre die Veröffentlichung der Daten für die kommunalpolitisch Verantwortlichen hochinteressant, weil dann überzogene Prestigeprojekte infrage gestellt würden, und zwar öffentlich, in der Diskussion mit der Bevölkerung. Notwendige Sparmaßnahmen wären nach innen und nach außen zu verteidigen.

Insofern freue ich mich, wenn Sie unserem Antrag zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDUFraktion Herr Dr. Rößler, bitte.

Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es schmerzt einen als Sachsen schon sehr, wenn die MecklenburgVorpommerner sozusagen mit einer sächsischen Innovation wie dem Frühwarnsystem den RUBIKON in die Öffentlichkeit, in die Transparenz, überschreiten und wir

das in Sachsen bisher nicht getan haben. Deshalb – ich greife gleich vor – schließen wir uns gern dem Antrag der GRÜNEN an.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn wir schon dieses Frühwarnsystem, diese Innovation, mit großem Aufwand entwickelt haben und mit ausgewählten Kennziffern das erreichen, was wir immer wollten – die Leistungsfähigkeit unserer Kommunen mit objektiven Kennziffern bewerten zu können und damit auch Vergleiche und Transparenz zu ermöglichen sowie einen gewissen Wettbewerb zwischen den Kommunen in Gang zu bringen –, dann haben wir überhaupt keinen Grund, der Öffentlichkeit dieses Kommunalranking, in welcher Form auch immer, vorzuenthalten. Wenn wir dieselbe Bewertung bei den sächsischen Schulen schon seit 2001 praktizieren, warum sollten wir diese Möglichkeit nicht für die Kommunen nutzen?

Nun ist es natürlich üblich – das kennt man doch aus langjähriger Praxis –, dass die Verwaltung ihre Informationen gern für sich behalten möchte. Ich will jetzt nicht sagen, wo die Quelle meiner Information liegt. Es war ja nicht das Bestreben des Innenministeriums, der Öffentlichkeit diese Dinge vorzuenthalten; es ist sogar für das Finanzministerium schwer gewesen, auf diese Daten, auf diese Informationen, zuzugreifen.

Deshalb ist es gut, dass wir alle – nicht nur die Ministerien, sondern auch interministeriell – zur Bewertung der kommunalen Haushalte auf die gleichen Datengrundlagen bzw. den gleichen Kenntnisstand zurückgreifen können. Wir haben auch keinerlei Grund, der Öffentlichkeit diese Informationen vorzuenthalten, insbesondere wenn die Situation so ist, wie Antje Hermenau sie gerade beschrieben hat.

Transparenz ist gut. Ein umfassender Kenntnisstand über die Datenlage ist noch besser. Es geht auch um die Bewertung von Anträgen auf Bedarfszuweisungen und anderes mehr. Es geht darum, dass die Bürgerinnen und Bürger wissen, wo ihre Gemeinde in ihrer Leistungsfähigkeit steht, auch unter Berücksichtigung der ganz unterschiedlichen Situationen im Lande.

Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht etwa so, dass eine Gemeinde in einer eher strukturschwachen Region automatisch eine schlechtere Performance haben muss – das zeigt auch diese Bewertung – als eine Gemeinde in einer scheinbar gesegneten Region. Das ist ganz unterschiedlich. Auf jeden Fall bekommen wir Aufschluss darüber, wo die Gemeinden stehen, wie sie verwaltet und regiert werden.

Ich meine, wir sollten diesem Antrag zustimmen; er ist längst überfällig.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Herr Weckesser von der Linksfraktion, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Hermenau!

(Antje Hermenau, GRÜNE: Ich lausche voller Ehrfurcht!)

Ja, ist ja klar. – Eigentlich wollte ich damit beginnen zu sagen, dass ich ein klein wenig neidisch auf Ihren Antrag bin. Warum ich ihm natürlich zustimmen werde, begründe ich dann noch. Bei der Rede von Herrn Dr. Rößler habe ich es mir anders überlegt

(Heiterkeit der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

und sage: Gott sei Dank, dass wir diesen Antrag nicht vor Ihnen gestellt haben; er wäre abgelehnt worden.

(Dr. Matthias Rößler, CDU: Ja, ja!)

Sie haben das Glück, dass er beschlossen werden kann und beschlossen wird – mit unserer Zustimmung. So spielt manchmal das Leben.

Das Problem ist die Transparenz; dieses liegt uns sehr am Herzen. Wir selbst haben das parlamentarisch und praktisch versucht. Ich nenne nur ein Beispiel. Unsere Fördermitteldatenbank ist über vier Jahre gelaufen. Das war ausgesprochen mühselig, das kann ich Ihnen sagen. Über Kleine Anfragen haben wir uns alle Daten heranschaffen müssen. Sie wurden abgetippt, eingestellt und im Internet zur Verfügung gestellt.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Aktion ABM!)

Das war eine mühselige Geschichte. Zum Beispiel hat es aber dazu geführt, dass wir von einem Nutzer eine Antwort erhalten haben, die er von der SAB bekommen hatte. Die SAB hat ihn auf unsere Fördermitteldatenbank verwiesen. Das war schon ganz witzig!

Der Aufwand war sehr hoch. Zum Schluss hat es sich – das muss man mittlerweile sagen – anders gelöst, aber so ist das manchmal. Man muss dann diese Mühsal auf sich nehmen. Frau Mattern und Herr Hilker haben das lange Zeit – ich glaube über vier Jahre – durchgehalten.

Ein anderes Problem ist nicht direkt die Transparenz, aber die Voraussetzung für Transparenz: Ich habe jahrelang mühselig versucht, den Finanzminister – egal, wer es war – zu überreden, uns den Haushalt elektronisch zur Verfügung zu stellen. Das ging lange Zeit nicht. Irgendwann ging es dann. Ich habe eine pdf-Datei bekommen, die man nicht so ohne Weiteres bearbeiten kann. Eigentlich brauche ich eine Excel-Tabelle. Aber das ist egal, man nimmt jeden Fortschritt in Kauf.

Nun zu Ihrem Antrag selbst. Der erste Punkt ist unstrittig. Der zweite Punkt ist mir noch wichtiger, denn die Transparenz in der Zusammensetzung der Kriterien, die angesetzt werden, und ihre Wichtung sind eigentlich das Spannende. Man macht das deutlich, indem man sich das abrufen kann. Man erfährt nicht nur, dass eingeschätzt wird – irgendwie bekommt jemand ein D oder ein A –, sondern man kann verfolgen, wieso. So hat man die Möglichkeit, als Kommune zu sagen: Nein, das ist uns

wurst, das ist politisch gewollt, oder: Nein, das wollen wir ändern und wir haben einen Hinweis, wo wir ändern können. Das halte ich für spannend. Deshalb ist mir persönlich Ihr zweiter Punkt noch wichtiger als der erste.

In einem Punkt sehe ich das anders. Da teile ich mehr das, was der Innenminister in Beantwortung Ihrer Kleinen Anfrage geschrieben hat. Dieser Wettbewerbsgedanke scheint mir nicht so wichtig. Da ist auch die Vergleichbarkeit nicht da – Frau Hermenau, das wissen Sie ganz genau –, wenn wir einen Wettbewerb initiieren, dass die Gemeinden untereinander einen Wettlauf machen.

Ich habe ein kleines Wochenendhaus in Hetzdorf. Hetzdorf ist eingemeindet worden zu Niederschöna. Niederschöna ist eingemeindet worden zu Halsbrücke. Halsbrücke steht in dieser Tabelle mit A. Toll! Aber ich bin in Hetzdorf, und ich sage Ihnen, da sieht es ganz anders aus.

(Heiterkeit der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)