Protocol of the Session on March 6, 2008

Formal könnten wir sagen: Wir haben es mit einem Verfassungsgerichtsurteil aus dem Land Rheinland-Pfalz zu tun und das interessiert uns hier nicht. – Das wäre die formale Strecke und das wäre die schlechte Strecke.

(Zuruf des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Moment! Sie haben das ja auch erwähnt. – Dann gibt es die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, Herr Kollege Martens – das weiß ich auch –, wie Sie das hier gerade sagten. Dieses hat alle Länder abgefragt: Wie sieht denn das bei euch aus? Schreibt uns mal, wie das angekommen ist! – Da kann Sachsen noch nicht allzu viel berichten, denn bei uns ist diese Regelung erst seit reichlich einem Monat in Kraft. Ich weiß nicht, wer da statistisch einwandfrei sagen will, wo es mit dem Umsatz herauf- oder heruntergegangen ist.

Ich nehme dieses eine Beispiel, das Sie hier vorgelesen haben, sehr ernst, Herr Günther, und es ist sicher auch eine tragische Geschichte für diesen Mann.

(Tino Günther, FDP: Familie!)

Familie. Sie haben von einem Mann berichtet und es hängen in der Regel Familien daran.

Ich bringe Ihnen einmal ein anderes Beispiel: Es geht um einen Bekannten von mir und um die Zeit Mitte 2006. Das war vielleicht ein halbes oder ein Dreivierteljahr, bevor der Mann, den Sie zitiert haben, seine Gaststätte eingerichtet hat. Mein Bekannter wusste, dass im Freistaat Sachsen über dieses Thema diskutiert wird. – Seit 2006 diskutieren wir über diese gesamte Problematik und es war offen, in welcher Art und Weise sich der Landtag entscheiden wird. – Dieser Mann hat sich entschieden und hat gesagt: „Ich gehe auf Nummer Sicher, ich richte eine Nichtrauchergaststätte ein“; im Jahr 2006 schon, ohne Zwang. Er hat auf das richtige Pferd gesetzt, denn es ist für ihn ein Gewinn geworden.

Das ändert überhaupt nichts an dem Schicksal, das Sie vorgetragen haben. Ich setze das nur als ein anderes Beispiel entgegen, weil man mit einem einzigen Beispiel nicht solch einen Antrag begründen kann. Das ist mir sehr wichtig.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Die inhaltlich entscheidende Frage ist doch dann folgende: Wollen wir das, was wir beschlossen haben, oder wollen wir das nicht?

Nun habe ich nicht die Weisheit eines Verfassungsgerichts, um vorhersagen zu können, was dazu wirklich am Ende entschieden wird. Das haben wir abzuwarten und danach haben wir uns zu richten – ohne Wenn und Aber, unabhängig davon, was wir heute beschließen.

Wir wissen auch: Wir schränken die Handlungsfreiheit von Rauchern insoweit ein, als wir von ihnen verlangen, an bestimmten öffentlich zugänglichen Stellen nicht zu rauchen. – Das haben wir hier lang und breit diskutiert. Das Ursprungsziel war das generelle Rauchverbot oder die Rauchfreiheit. Ich nenne das mal „Bayerischer Weg“. Das war in der Koalition nicht mehrheitsfähig und der Kompromiss waren die abtrennbaren Raucherzimmer in Gaststätten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Morlok.

Herr Kollege Gerlach, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass wir nicht wissen, wie das Bundesverfassungsgericht abschließend entscheiden wird. Meinen Sie nicht, dass es sinnvoll wäre, gerade weil wir eben nicht wissen, wie die Entscheidung ausgeht, jetzt in der Phase, bis entschieden wird, nicht durch staatliche Vollzugsmaßnahmen unter Umständen Einzelschicksale zu entscheiden, die nachher nicht mehr reversibel sind? Meinen Sie nicht, dass es vielmehr sinnvoll wäre, ein Moratorium zu machen, den Vollzug auszusetzen, wie es zum Beispiel beim Bundesfinanzministerium ständig passiert, wenn Gerichte Bundesgesetze anzweifeln, dass bis zu einer abschließenden Entscheidung ausgesetzt wird?

Ich habe Ihre Frage verstanden. – Mit der gleichen Begründung, mit der Sie sagen: „Da könntet ihr das doch aussetzen“, hätten wir das Gesetz gar nicht erst anzunehmen brauchen, weil damals schon bekannt war, dass in anderen Ländern, die uns deutlich voraus waren, schon Klagen anlagen und weil die DEHOGA und andere uns klar signalisiert haben: „Wenn ihr das so macht, müsst ihr mit Klagen rechnen.“ Das heißt, wenn ich das jetzt – sozusagen in vorauseilendem Gehorsam – machen würde, wenn mir jemand ankündigt: „Dann gehe ich vor das Verfassungsgericht“, dann brauchte ich als Gesetzgeber bestimmte Regelungen überhaupt nicht zu treffen. Wir haben sie getroffen und wir werden uns nach dem, was das Verfassungsgericht beschließen wird, richten, ganz eindeutig.

Aber ich sage Ihnen: Es kann nicht sein, weil irgendjemand – ich will jetzt niemandem zu nahetreten, die Personen, die die Verfassungsklage eingereicht haben, sind ja auch keine Personen, die nicht richtig wissen, wie man das macht; Herr Scholz steht dahinter usw. – eine Verfassungsklage eingereicht hat oder einreichen will, dass mich das als Gesetzgeber – ich rede jetzt von mir als Teil dieses Hauses – davon abhalten kann, bestimmte Dinge, die ich für richtig halte, durchzusetzen. Wenn das Gericht mich korrigiert, lasse ich mich gern korrigieren. Aber das muss doch der politische Weg sein und nicht umgekehrt.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und der Staatsregierung)

Dann kommt die DEHOGA mit Horrormeldungen, wie existenziell schlimm das für die sogenannten Einmanngaststätten – diese wurden ausreichend beschrieben – sei, nachdem sie uns vorher zu erklären versuchten, dass etwa 50 % der Gaststätten riesige Probleme bekommen würden. Das Schreiben haben wir bekommen, bevor wir das Gesetz beschlossen haben. Letzteres hat sich nicht be

wahrheitet. „Nur 10 %“, hat die DEHOGA damals gesagt, „erwarten eine Gewinnsteigerung“. Ich weiß nicht, wie viel Prozent der Gaststätten es sind, die wirklich eine Gewinnsteigerung zu verzeichnen haben. Aber das werden wir vielleicht in einem halben Jahr wissen.

Im zuständigen Fachministerium liegen keinerlei belastbare Daten vor, dass es seit dem Inkrafttreten vor einem reichlichen Monat – das wäre auch komisch – zu raucher- und nichtraucherbedingten Geschäftsabmeldungen gekommen sei.

Zu den Argumenten für das Aussetzen haben Sie schon einiges genannt. Dann wird noch gesagt: Die rennen uns jetzt die Bude ein, es kommen zusätzliche Kosten wegen der zusätzlichen Raucherräume usw. All das wird gegen das Gesetz angebracht.

Ich komme zu einem weiteren wichtigen Punkt. Aus meiner Sicht wäre die Zustimmung zu Ihrem Antrag ein fatales Signal an die vielen Nichtraucher, die sich auch bei uns melden, Herr Günther. Das sind meistens Familien mit Kindern, die vorher Gaststätten gemieden haben, weil sie ihre in der Regel kleinen Kinder dem Rauch nicht aussetzen wollten, und die sich jetzt wohlfühlen, dass sie mit einem Baby oder einem Kleinkind in der Gaststätte sitzen und ohne Rauchbelästigung dort etwas essen oder trinken können. Das muss auch einmal gesagt werden. Es sind in diesem Fall zusätzliche Kunden für diese Gaststätten. Es sind die Gaststätten mit Raucherräumen oder Gaststätten, die sich von vornherein als Nichtraucherstätten erklärt hatten, wie ich mit meinem Beispiel gezeigt habe.

Eisdielen und ähnliche Einrichtungen, die in der Regel nur einen Raum besitzen, haben schon viel früher reagiert, weil sie wussten, dass ihre Zielgruppe Familien mit Kindern sind. Demzufolge haben sie das Rauchen gar nicht erst zugelassen, und zwar ohne dass wir ein Gesetz hatten. Das ist das, was Sie eigentlich wollen. Dann können Sie aber aus meiner Sicht diesen Weg nicht gehen.

Ein Problem bleibt – dem stimme ich zu und ich komme darauf zurück, was Herr Dr. Martens heute in einer anderen Debatte gesagt hat –, und zwar was die Selbstbestimmung der Personen betrifft. Rauchen ist eine individuelle Entscheidung. Teure Behandlungen, wie zum Beispiel gegen Krebs und seine Folge- und Nebenerkrankungen – ich bitte um Entschuldigung, ich habe einmal zehn Jahre in diesem Bereich gearbeitet –, sind kollektive Leistungen, die auch von Nichtrauchern kollektiv mitbezahlt werden.

(Karin Strempel, CDU: Richtig!)

Das ist doch das Problem, das wir haben. Wir als Gesellschaft lassen niemanden draußen stehen, der durch eigene Entscheidung bedingt kommt und sagt: Ich brauche jetzt die Leistungen des Solidarsystems, Krankenversicherung usw. und nun behandelt mich mal! Wir haben in der Krebsbestrahlung nie zu einem Patienten gesagt, dass die erhaltene Krebsbestrahlung vom Solidarsystem getragen wird, obwohl wir wussten, dass er Raucher ist und es

möglicherweise dadurch verursacht wurde. Auch wenn wir es nicht nachweisen konnten, wussten wir aber, dass die Wahrscheinlichkeit, daran zu erkranken, 30-mal höher ist. Aus diesem Grund leite ich meinen Anspruch ab, Raucher an bestimmten Stellen eine Einschränkung zu geben und zu sagen: Ich möchte diesem Ziel näherkommen, dass sehr viel weniger Menschen in der Bundesrepublik rauchen als heute, um die Kollektivkasse, wenn Sie so wollen, nicht so stark zu belasten, wie wir es derzeit tun.

(Beifall der Abg. Alexander Krauß, CDU, und Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

Es scheint Erhebungen zu geben – ich kenne es nur aus einer Pressemitteilung –, dass die Anzahl der Raucher bereits zurückgegangen sei. Aus diesem Grund – ich habe es vielleicht ein wenig zu ausführlich gemacht – können wir diesen Antrag nur ablehnen; es tut mir leid.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Die NPDFraktion, bitte, Herr Petzold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist sicherlich nicht erforderlich, dass ich groß darlegen muss, dass der Schutz der Volksgesundheit im Allgemeinen und daraus folgend der Nichtraucherschutz im Besonderen für die NPD-Fraktion eine hohe Priorität besitzt. Es ist bekannt, dass lange bevor die Sächsische Staatsregierung hierzu in Bewegung kam, wir Nationaldemokraten uns schon im Mai 2005 der Thematik Rauchverbot an sächsischen Schulen parlamentarisch angenommen haben, was dann auch Eingang in § 3 Abs. 2 des Sächsischen Nichtraucherschutzgesetzes fand.

Bei der damaligen Debatte über den entsprechenden Gesetzentwurf der Staatsregierung haben wir allerdings ausführlich auf die verheerenden Wirkungen hingewiesen, die wir für die Betreiber kleinerer Gastronomiebetriebe, wie Eckkneipen und Einraumgaststätten, erwarten.

Diesen Betrieben ist es nun wirklich nicht möglich, gesonderte Raucherräume zur Verfügung zu stellen. Wir haben schon damals nicht nachvollziehen können, warum ein Gastronom nicht das Recht haben soll, durch eine Kennzeichnung selbst zu entscheiden, ob er eine Raucher- oder eine Nichtrauchergaststätte betreiben möchte. Für die NPD-Fraktion ist wie für jeden vorausschauenden Bürger doch absehbar gewesen, dass diese in Gesetzesform gepackte beinharte Rücksichtslosigkeit für die kleinen Gaststätten das wirtschaftliche und damit das existenzielle Aus bedeutet.

Es geht hierbei nicht nur um Gaststätten, sondern um Schicksale und um Lebenswege, die hier kraft Gesetzes erbarmungslos in einer Sackgasse enden. Es geht in der Folge auch um die Vernichtung gemeinschafts- und identitätsstiftender Feierabend- und Wochenendkultur, wenn beispielsweise der Vereinsstammtisch oder die Skatrunde ihren Stammplatz verlieren.

Die angedrohten und als drakonische Repressalien zu bewertenden Geldstrafen waren ebenfalls Gegenstand unserer Kritik. Deshalb haben wir dem Gesetzentwurf der Staatsregierung damals unsere Zustimmung verweigert.

Die NPD-Fraktion hat volles Verständnis dafür, dass in den vergangenen Monaten zahlreiche Verfassungsbeschwerden von betroffenen Gastwirten bei den Verfassungsgerichten erhoben worden sind. Wie der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband, DEHOGA, verlauten ließ, kommt ein Gutachten zu den Aussichten einer Verfassungsbeschwerde, welches von den renommierten Verfassungsrechtlern Prof. Rupert Scholz und Prof. Christoph Mönch, von der Kanzlei Gleiss Lutz erstellt wurde, zu dem Ergebnis, dass bei den Nichtraucherschutzgesetzen zumindest in Teilen verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Vor allem das Eigentumsrecht und das Recht auf Berufsfreiheit sowie die unternehmerische Selbstbestimmung würden verletzt.

Der DEHOGA-Verband fordert deshalb für EinraumGastronomiebetriebe die Möglichkeit der Kennzeichnung – ich zitiere –: „Wer keinen Raucherraum schaffen kann, soll selbst bestimmen können, ob er seinen Betrieb als Raucher- oder als Nichtraucherlokal am Markt positionieren will.“

Die Zielrichtung des vorliegenden Antrages, die Existenz von kleinen Gastronomiebetrieben zu schützen, wird von der NPD unterstützt. Es ist in der Tat sinnvoll, bestehende rechtliche Unsicherheiten durch die Verfassungsgerichte überprüfen zu lassen und bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidungen den Vollzug des Sächsischen Nichtraucherschutzgesetzes im Sinne des vorliegenden Antrags auszusetzen. Die NPD-Fraktion begrüßt daher diesen Antrag und stimmt ihm zu.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Für die Fraktion der GRÜNEN Frau Abg. Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben im vorigen Jahr sehr kontrovers über das Gesetz zum Nichtraucherschutz in diesem Hohen Haus diskutiert. Viele Argumente wurden ausgetauscht. Ich glaube, wir müssen das an dieser Stelle nicht wiederholen.

Die FDP-Fraktion war damals dagegen, das Gesetz ist trotz ihrer Gegenstimmen gekommen. Wir haben jetzt das Problem, dass Klagen anhängig sind, sowohl vor dem Bundesverfassungsgericht als auch vor dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof. Der richtige Weg wäre, dass wir abwarten, wie die Entscheidungen dort fallen, und dann unter Umständen reagieren müssen, was Sie hier verlangen.

In der Begründung führen Sie auch das Landesverfassungsgericht Rheinland-Pfalz an, das in seinem Beschluss vom Februar einem Antrag auf einstweilige Verfügung stattgegeben hat. In der Begründung wird ausgeführt,

worauf diese einstweilige Verfügung zurückgeht, und zwar auf eine Ungleichbehandlung von Gaststätten, die nur einen kleinen Raum haben und keinen Raucherraum einrichten können, und Gaststätten, die aus mehreren Räumen bestehen. Es bezieht sich also auf diese Ungleichbehandlung. Was Sie vorschlagen, würde bedeuten: Wir setzen für die kleinen Gaststätten, die nur einen Raum haben, das Gesetz aus. Das ist aber in gleicher Weise eine Ungleichbehandlung, und zwar könnten nun die Inhaber der Gaststätten klagen, die Platz genug haben, um ein Raucherzimmer einzurichten, aber sagen: Wir müssen investieren, wir müssen das Gesetz durchsetzen und sind somit benachteiligt.

Der zweite Punkt ist: Um diese Ungleichbehandlung abzuschaffen, gibt es noch einen anderen Weg als den von Ihnen vorgeschlagenen. Es gäbe den Weg, dass überhaupt nirgendwo mehr geraucht werden darf, auch nicht in Raucherzimmern. Diesen Weg schlagen Sie uns aber absichtlich nicht vor, weil Sie ja ein Gegner dieses Gesetzes sind. Deshalb können Sie Ihre Gedanken natürlich auch nur in eine Richtung lenken. Wir sind der Meinung – wir waren übrigens von Anfang an dieser Meinung; und das war in unserem Gesetz auch vorgesehen –, wir wollen das Gesetz evaluieren und dann darüber entscheiden, ob es in Zukunft immer Raucherzimmer geben muss oder ob das Gesetz in diesem Punkt geändert werden soll.

Wir wollen warten, bis das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, bzw. kann auch der Sächsische Verfassungsgerichtshof eine einstweilige Anordnung – ähnlich Rheinland-Pfalz – erlassen. Dann werden wir uns danach richten. Ansonsten sehen wir im Moment keinen Handlungsbedarf.

(Beifall bei den GRÜNEN)