Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren der demokratischen Parteien! Der Kollege Petzold hat hier aus meiner Sicht alles gesagt. Deshalb werde ich hier nicht stehen, um noch einmal alles nachzubeten, denn genauso sehen wir das auch. Es ist doch so, dass die Tankstellenpächter inzwischen in den Grenzregionen mehr Limonade verkaufen als Benzin.
Dazu kommt, dass die Tankstellenpächter nicht gerade zu den mittelständischen Unternehmen gehören, denen es gut geht;
denn sie sind Agenturen der großen Mineralölkonzerne und bekommen eigentlich nur Provision für die Vermittlung des vertankten Sprits. Auch aus dem Grunde sollten wir alles tun, was in unseren Möglichkeiten liegt, hier den mittelständischen Unternehmern in den Grenzgebieten zu helfen. Dazu ist dieses Modell, das in Italien praktiziert worden ist, ideal geeignet. Deswegen unterstützen wir diesen Antrag und wollen ihn auch mit unserer Kraft nach Berlin bringen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es klingt so verführerisch und viel zu schön, um wahr zu sein: Nach den Vorstellungen der Fraktionen der CDU und der SPD soll der Schaden, der wegen der niedrigen Kraftstoffpreise in den beiden Nachbarländern und des damit verbundenen Rückgangs der Zahl der Benzinkunden diesseits der Grenze für Tankstellen im Grenzgebiet entsteht, durch ein Chipkarten-Tanken wettgemacht werden. Billiges Benzin ist allemal populär. Dennoch kann ich Ihnen für diesen Antrag keinen Beifall spenden, denn darin passt vieles nicht zusammen, was zusammen gehört. Sie verweisen in der Antragsbegründung auf die Ausnahmeregelung der EU im Jahr 2001 für die norditalienische Grenzregion zu Schweiz und Slowenien. Dort handelt es sich aber um vergleichsweise schwach besiedelte Gebiete, die in keinem Verhältnis auch zur Größe der Grenzregion Deutschlands zu Polen und Tschechien stehen. Für die Bundesrepublik bräuchte es eine Lösung,
Außerdem kommt hinzu, dass es an der slowenisch-italienischen Grenze ein wechselseitiges Preisgefälle gibt. Das heißt, einige Waren bzw. Dienstleistungen sind in Slowenien billiger, andere wiederum in Italien, während in Sachsen fast alle Waren und Dienstleistungen teurer sind als bei unseren polnischen und tschechischen Nachbarn. Der sächsische Tanktourismus ist, anders als in Norditalien, Bestandteil eines allgemeinen Versorgungstourismus. Daher werden hier mit der Chipkarte auch nicht die gleichen Ergebnisse erzielt werden können. Billiger als bei unseren Nachbarn wird es sich über das Chipkarten-Modell nicht machen lassen, denn – das ist Ihnen sicherlich bewusst – die EU hat bereits das italienische Modell nur zähneknirschend befürwortet. Das ist bei dem dort herrschenden Nichtwettbewerbsverzerrungsfetischismus wohl auch nachvollziehbar.
Energische Vorstöße von Bundestagsabgeordneten aus der Grenzregion im Jahr 2003 scheiterten an der Bundesregierung ebenso wie zaghafte Anfragen ebendieser Regierung bei der EU, womit ich nicht sagen will, die Lage an der Grenze dürfe so bleiben – inklusive Tanktourismus –, wie sie ist. Doch es bedarf insgesamt anderer Lösungen auch seitens der Staatsregierung, um den Grenzregionen zum wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung zu verhelfen.
Vielleicht wäre eine der hier möglichen Maßnahmen die Unterstützung eines verstärkten Angebotes von kalt gepresstem Pflanzenöl besonders für Dieselmotoren vor allem in den sächsischen Grenzregionen. Der Liter kostet hier momentan 70 Cent. Die positiven Folgen wären nicht nur umweltpolitischer Natur, sondern eben auch auf dem Gebiet der Wirtschafts-, Sozial- und Steuerpolitik zu spüren. Wir in der PDS denken über solche Lösungen nach. Tun Sie es bitte auch.
Meine Damen und Herren! Mein zweiter Einwurf ist folglich der, dass die am besten geeignete Maßnahme dafür, die Anreize für Tankfahrten ins Ausland zu beenden und dadurch Tankstellen im Grenzgebiet das wirtschaftliche Überleben zu sichern, die wirtschaftliche Entwicklung der Grenzregionen auf beiden Seiten der Grenze wäre. Wenn wie in der Oberlausitz mit der längsten Grenzlinie der Bezirke der Agenturen für Arbeit in Sachsen die Arbeitslosigkeit am höchsten und das Durchschnittseinkommen am geringsten ist, dann ist es nur verständlich, dass Bürgerinnen und Bürger ihr finanzielles Heil und Wohl in Tschechien suchen, und nicht nur bei Benzin, sondern bei allen Dienstleistungen des Alltags. Ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung ist auf den preiswerten Einkauf in Polen und Tschechien dringend angewiesen. Werden also nun auch für Friseure, Gaststätten, Werkstätten etc. entlang der sächsischen Grenzen Chipkarten eingeführt, oder stellt sich die NPD mit ihrem ohnehin ja nur deutschsprachig produzierten „Grenzen dicht!“-Plakat auf, um den Grenzübertritt der betroffenen Sächsinnen und Sachsen nach Polen und Tschechien zu verhindern? Die Leute würden Ihnen was erzählen!
Herr Kosel, Sie haben vorhin vorgeschlagen, dass wir statt einer Tankkarte den Autofahrern doch Rapsöl zur Verfügung stellen. Ist Ihnen klar, dass Rapsöl in Benzinmotoren nicht verwendbar ist?
Ich sprach von Dieselmotoren, Herr Kollege, Sie haben nicht genau hingehört. Das werden Sie im Protokoll hoffentlich nachlesen können. Ich sprach von Dieselmotoren.
Ich sprach von einer möglichen Variante, von einer möglichen Maßnahme und ich sprach von Dieselmotoren, Herr Gillo. Lesen Sie bitte nach, dann werden Sie sich davon überzeugen. Meine Damen und Herren! Überhaupt ist das Aufstellen der Chip-Apparate und das Aushändigen, Laden und Abrechnen der Chipkarten so einfach nicht, wie es scheint. An der slowenisch-italienischen Grenze ist das weniger aufwendig gelaufen. Der Bürger, der dazu berechtigt war, ging einfach zur entsprechenden Handelskammer. Sollte es hier dennoch technisch gut funktionieren, was angesichts der Maut-Farce in Deutschland zu bezweifeln wäre, stellt sich die Frage: Wer kommt in den Besitz einer solchen Karte, will sagen, wie weit ist das Einzugsgebiet und nach welchen Staffelungen erfolgt es? Bekäme ich, der ich fast 50 Kilometer von der polnischen Grenze wohne, keine oder, da ich reichlich 30 Kilometer von der tschechischen Grenze entfernt lebe, doch eine?
Denn, wie bereits gesagt, ungeachtet aller schmerzlichen Abwanderung – aber nicht wegen des teuren Benzins, sondern wegen fehlender Arbeitsplätze und Berufschancen – sind die sächsischen Grenzgebiete noch recht dicht besiedelt.
Die Absicht des Antrages ist die Rettung von Tankstellen im Grenzgebiet. Könnte man also erwarten, dass die Tankstelleninhaber und -pächter dem Antrag reineweg begeistert folgen? Dem ist nicht so. Von den reichlich zwei Dutzend Tankstellen, die ich allein in der Oberlausitz für grenznah hielt, haben fast ein Drittel große Bedenken, ob das die richtige Lösung sei. Etwa zwei Drittel meinen, sie greife zu kurz, und nur ein geringer Teil hält etwa die Chipkarte für eine gute Lösung. Alle zusammen haben nicht die rechte Vorstellung, wie dies bei den
Ein Tankstelleninhaber sagte Folgendes: „Ich halte nicht viel davon, das muss zentral in Europa gelöst werden über eine einheitliche Mineralölsteuer. Theoretisch ist das durch die Politik nicht erreichbar, weil aus Steuergründen nicht gewollt. Praktisch ist es bei der langen Grenze nur mit einem enormen Bürokratieaufwand durchsetzbar.“
Ein weiterer Tankstellenpächter plädiert für ein Bonussystem, wie es die Tankstellen intern für ihre Ketten bereits haben, weil die Gesellschaft ihr eigenes Abrechnungssystem habe.
Ein anderer wieder meint lakonisch: „Wir sind eine strukturschwache Region, wir sind ins kalte Wasser geworfen worden und fertig.“
An sich eine feine Sache, sagt ein weiterer Tankstelleninhaber, aber er glaube nicht, dass die Kunden ein kompliziertes Abrechnungssystem haben wollen. Außerdem locken andere Billiganbieter – Gaststätten, Apotheken, Friseure – jenseits der Grenze nach wie vor.
Kurz und gut: Selbst jene, denen mit diesem Antrag geholfen werden soll, äußern mehr Bedenken als Zustimmung.
Meine Damen und Herren! In Fragen des Tanktourismus steht fest: Die Lage ist prekär und den konstant hohen Benzinpreisen auf deutscher Seite stehen ein sinkendes Lohnniveau und niedrige Einkommen gegenüber. Das wirtschaftliche Aufblühen der Grenzregionen auf beiden Seiten der Grenze wäre, wie bereits festgestellt, die beste Lösung für jeglichen Dienstleistungs- und Warentourismus. Die Chipkartenlösung ist für sächsische Verhältnisse nur stark eingeschränkt geeignet. Außerdem fehlt ihr die notwendige Unterstützung durch die Bundesregierung, die „… von gestaffelten Steuersätzen innerhalb Deutschlands nicht viel hält“. Der Bund setzt sich vielmehr für eine Angleichung der Steuersätze auf der europäischen Ebene ein. Aber auch daraus wird so schnell nichts werden, denn zum Beispiel unsere polnischen Nachbarn haben für die Anpassung an den EUMindeststeuersatz bei Benzin eine Übergangsfrist, und das sind die korrekten Fristen, bis 2009 und bei Diesel bis 2011. Ein Beschluss des Bundesrates vom 14. Mai 2004 zur Verkürzung dieser Übergangsfristen ist europarechtlich nicht durchsetzbar. Polen und Tschechien sind jetzt gleichberechtigte Mitglieder der EU. Daran haben sich hierzulande einige wohl noch nicht so recht gewöhnt.
Der vorliegende Antrag behandelt ein ernsthaftes Problem, das nicht zu bagatellisieren ist. Er ist aber kaum realisierbar und wenig zielführend, allerdings wohl auch nicht schädlich. Deshalb werden wir ihm weder zustimmen noch ihn sonderlich bekämpfen.
Damit die Koalitionsfraktionen all dies mental besser verkraften, zum Schluss noch ein kurzer Hinweis: Wie dem Brandenburger Blätterwald zu entnehmen war, hat die Polizei in Frankfurt (Oder) kurzzeitig bereits ihre Autos in Polen getankt. Der oberste Dienstherr der Frankfurter Polizei ist Innenminister Schönbohm von der CDU und der Ministerpräsident heißt Platzek und ist von der SPD.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit großer Verwunderung wurde in meiner Fraktion der hier behandelte Antrag zur Kenntnis genommen. Galt denn nicht insbesondere bei Ministerpräsident Prof. Georg Milbradt jede Forderung der NPD nach besserem Schutz heimischer Märkte als Beweis für eine rückwärtsgewandte, autarkistische Ideologie, die im Zeitalter der Globalisierung nicht umzusetzen sei? Nun verlassen auch jene, die ansonsten das Banner der Marktwirtschaft vor sich hertragen, den von ihnen ansonsten bei jeder Gelegenheit angepriesenen Pfad der Tugend. Wir Nationaldemokraten nehmen das mit Interesse zur Kenntnis. Zum Thema. Es wurde ja schon das Meiste gesagt. Die Mineralölsteuerbelastung in Deutschland ist eine der höchsten europaweit – natürlich zurückzuführen auf die Ökosteuer, die mit 15 Cent – rechnet man die Mehrwertsteuer dazu, mit 18 Cent pro Liter – zu Buche schlägt. Angesichts dieser Tatsache und natürlich auch aufgrund der immer schlechter werdenden gesamtwirtschaftlichen Lage ist es den Anwohnern in den grenznahen Bereichen nicht zu nehmen, dass sie insbesondere in den Grenzregionen zu Polen und Tschechien tanken – für Sachsen gesprochen.
Aus diesen Gründen unterstützen wir die hier vorliegende Initiative, mit der Druck auf die Bundesregierung ausgeübt werden soll, um endlich auch in Deutschland das schon in Italien bewährte Chipkartenmodell einzuführen – was sich nicht nur ökonomisch, sondern auch ökologisch positiv auswirken würde. Alternativ dazu wäre auch eine regionale Staffelung der Mineralölsteuersätze nach französischem Vorbild möglich.
Der Bundesregierung in Berlin müssen endlich Beine gemacht werden, wenn es um die Vertretung nationaler Interessen geht. Vonseiten der EU-Kommission möchte man das Problem natürlich wie immer einseitig auf deutsche Kosten lösen. Denn: Wenn die Kommission für die Beitrittsländer bei der zum 1. Mai 2004 vereinbarten Anpassung der Mindestbesteuerung von Mineralölprodukten jetzt darüber nachdenkt, Polen Übergangsfristen bis 2013 einzuräumen, und wenn gleichzeitig Frankreich und andere Länder im großen Umfang Ausnahmeregelungen bei der Mehrwertsteuer für einzelne Produkte erreichen wollen, dann steht das deutsche und insbesondere das sächsische Tankstellengewerbe in den grenznahen Gebieten kurz vor seiner dauerhaften wirtschaftlichen Vernichtung. Um diese Entwicklung abzuwenden, unterstützen wir den Antrag von CDU und SPD.
Zum Schluss möchte ich noch kurz auf den Änderungsantrag Drucksache 4/0859 der FDP eingehen. Dem könnten wir im Großen und Ganzen so zustimmen – wenn da der vierte Punkt, Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten, nicht wäre. Liebe Kollegen von der FDP: Wann wollen Sie endlich verstehen, dass auch eine weitere Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten erstens die kleinen Einkaufsläden noch weiter ins Hintertreffen gegen
über den großen Marktketten bringt und zweitens, dass man einen Euro, den man in der Tasche hat, nur einmal ausgeben kann – egal, wie lange die Läden offen haben, ob das 10, 12 oder 24 Stunden wären.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um gleich auf meinen Vorredner von der NPD zu dem Thema Ladenöffnungszeiten einzugehen: Herr Petzold hat ja eindrucksvoll dargestellt, warum die Menschen nach Tschechien und nach Polen fahren: eben nicht nur zum Tanken, sondern auch zum Einkaufen, und deswegen ist hier der Punkt auch sehr sinnvoll aufgehoben. Aber zur Entwicklung: Wir haben hier im Landtag schon einmal erlebt, dass ein Antrag recycelt wurde, nämlich von der Fraktion der GRÜNEN. Sie können sich noch daran erinnern, es ging um das Grüne Band, und man wollte, dass wir in Sachsen auf die Verkaufserlöse aus Mauergrundstücken in Berlin verzichten sollten. Die GRÜNEN sind neu im Parlament, da hat man vielleicht noch Verständnis dafür. Dass es aber auch die CDUFraktion nötig hat, einen Antrag zu recyceln, der im Januar im Deutschen Bundestag behandelt wurde, hat uns schon etwas überrascht – einfach aus dem Deutschen Bundestag aufgewärmt.