Protocol of the Session on February 25, 2005

(Beifall des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Noch mehr überrascht hat uns allerdings, dass die SPDFraktion in diesem Hause diesen Antrag mit unterschrieben hat – und das, obwohl sie ihn im Januar im Deutschen Bundestag noch abgelehnt hat.

(Beifall bei der FDP)

Das ist die Politik, wie sie hier im Hause gemacht wird.

(Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Sicherlich hat sich die CDU auch geschickt angestellt, denn im Deutschen Bundestag trug der Antrag noch die Überschrift „Mineralölsteuerentwicklung und Tanktourismus“. Bei dem Titel wäre die SPD der CDU wohl nicht auf den Leim gegangen, also hat man eben die Überschrift geändert; dann war das für die SPD nicht verfänglich und sie hat einfach mit unterschrieben. So werden wir aber den Problemen in unserem Land nicht gerecht.

Sie fordern in Ihrem Antrag „geeignete Maßnahmen“ zur Eindämmung des Tanktourismus. Ich kann daraus nur folgern, dass Sie gar nicht wissen, welche Maßnahmen, nur irgendwelche geeigneten. Aber die CDU ist gar nicht so blöd, sage ich mal, wie es auf den ersten Blick scheint.

(Vereinzelt Heiterkeit – Dr. Fritz Hähle, CDU: Das ist mir zu blöd hier!)

Sie weiß nämlich sehr wohl, wie man den Tanktourismus eindämmen kann, und hat das im Antrag im Deutschen Bundestag auch formuliert – ich zitiere aus der entsprechenden Bundestagsdrucksache, Antrag der CDU/CSU-Fraktion: „Der Tanktourismus ist keine unbeeinflussbare Verwerfung der europäischen Integration, er ist hausgemacht. Die Einführung der Ökosteuer hat die Kraftstoffpreise in Deutschland überproportional zu denen in der übrigen EU ansteigen lassen. Lagen im Jahr 2000 die deutschen Benzin- und Dieselpreise um drei Cent über dem EU-Durchschnittswert, so hat sich dieser Abstand heute auf zwölf Cent vervierfacht.“ – Ende des Zitats. Das heißt also, die CDU – sofern sie im Deutschen Bundestag sitzt – kennt sehr wohl die Ursache des Problems, ist aber nicht in der Lage, hier in der Koalition mit der SPD genau diese Dinge auch zu fordern und zu formulieren, nämlich: Abschaffung der Ökosteuer.

(Beifall bei der FDP)

Solange Sie in Ihren Antrag nur hineinschreiben „geeignete Maßnahmen“, ist es ein Antrag, der auf die Medien schielt, es ist der reine Populismus. Sie wollen hiermit in die Öffentlichkeit kommen. Sie müssen sich endlich von diesem Stil verabschieden und sich ernsthaft um die Probleme unseres Landes kümmern!

Wir haben als FDP daher zwei Änderungsanträge eingebracht, die deutlich machen, wie man das Problem tatsächlich lösen kann. Wir werden das nachher noch begründen und ich würde Sie bitten, diesen Anträgen zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktion der GRÜNEN, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Tanktourismus ist ja kein neues Thema, das gibt es schon seit vielen Jahren in Deutschland – früher im Bereich Luxemburg – und natürlich jetzt auch hier besonders intensiv aufgrund der großen Länge der Grenzgebiete. Am liebsten wäre den Kollegen von der CDU und der FDP die Abschaffung der Ökosteuer.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

Das klingt ja irgendwie nach Einsparung. Nur: Dann sollten Sie auch den Bürgerinnen und Bürgern reinen Wein einschenken und sagen, dass dann demnächst die Rentenversicherungsbeiträge auf mehr als 21 % ansteigen werden.

(Unruhe und Zurufe)

Und Sie sollten sagen, welche Wirkungen auf die Arbeitsplätze eintreten würden.

(Zuruf des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Wir wissen doch ganz genau, dass eine Senkung der Beiträge um einen Prozentpunkt zwischen 30 000 und

60 000 Arbeitsplätze schafft; umgekehrt würde eine Steigerung der Beiträge also auch pro Prozentpunkt zwischen 30 000 und 60 000 Arbeitsplätze vernichten. Das gehört dazu.

Jetzt empfehlen die Antragsteller – ganz im Gegensatz zu ihren Kollegen im Bundestag; wir haben es gerade gehört –, Chipkarten in Sachsen einzuführen; Chipkarten nach dem italienischen Modell, obwohl sie ganz genau wissen, dass die EU-Energierichtlinie dieses Modell schon gar nicht mehr zulässt. Ich frage mich: Wann stellen Sie eigentlich einen Antrag zum Frisörtourismus oder zum Lebensmitteltourismus oder zum Biertourismus – und da fallen mir noch eine ganz Menge anderer Dienstleistungen ein, die ich aber jetzt nicht aufzählen will.

(Leichte Heiterkeit und Zurufe)

Es ist klar: Das Problem des Tanktourismus ist nicht so einfach zu lösen, wie es mit diesem Antrag den Schein hat. Wie wir auch alle wissen, ist eine Harmonisierung der Energiepreise, auf die die Bundesregierung gesetzt hat, bei den EU-Ministern auf Eis gelegt und in naher Zukunft nicht zu erwarten.

Wir sind gern bereit, uns an der Lösung des Problems zu beteiligen. Diesen Antrag allerdings müssen wir aus den genannten Gründen ablehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Schade!)

Wird von den Fraktionen noch einmal das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Dann bitte ich die Staatsregierung. Herr Minister Mackenroth, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit diesem Tagesordnungspunkt haben Sie ein Thema angesprochen, dessen Lösung auch der Staatsregierung sehr am Herzen liegt. Das Problem ist seit Jahren bekannt. Wie Sie sicherlich wissen, haben sich unter anderem SPD-Bundestagsabgeordnete bereits im Sommer 2003 mit dem Thema befasst. Auch der Staatsregierung brennt die fatale Situation der Tankstellenbetreiber in Grenznähe unter den Nägeln. Ich teile Ihre Sorge über den in den Grenzregionen stattfindenden Tanktourismus. Leider kann die Sächsische Staatsregierung mangels Zuständigkeit diese Lage nicht unmittelbar ändern. Das Problem – Sie wissen es – ist eine steuerpolitische Angelegenheit, die nur auf Bundesebene zwischen Wirtschafts- und Finanzressort gelöst werden kann. Deshalb fordern Sie die Sächsische Staatsregierung gegenüber der Bundesregierung zum Handeln auf.

Schon die früheren Wirtschaftsminister Herr Staatsminister Dr. Schommer und Herr Staatsminister Dr. Gillo haben dies allerdings getan. Zahlreiche Bundesratsinitiativen belegen dies. Immer wieder wurden Entschließungen und Beschlüsse gefasst, in denen der Bundesrat die Bundesregierung eindringlich aufforderte, sich des Problems „Tanktourismus“ anzunehmen.

Meine Damen und Herren! Ministerpräsident Prof. Dr. Milbradt hat bereits lange vor Ihrem Antrag auf Vorschlag des SMWA Herrn Bundesminister Eichel dringend gebeten, sich für eine Herabsetzung der Mineralölsteuer in den Grenzregionen einzusetzen und vorab vor allen Dingen schnell wirkende Maßnahmen zu ergreifen.

Herr Bundesminister Eichel teilt in seiner Antwort vom November 2004 die sächsischen Sorgen. Auch er war nicht untätig und hat gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsminister und den Mineralölverbänden zahlreiche Vorschläge geprüft, aber leider als nicht durchsetzbar eingeschätzt.

Das Konzept in Anlehnung an das von Ihnen favorisierte italienische Modell ist offenbar eines davon. Es ist in aller Munde und scheint ein Patentrezept schlechthin zu sein. Ich wäre sehr erleichtert, wenn dem so wäre.

Die Italiener hatten es in der Phase der Genehmigung 1996 vergleichsweise einfach, die geforderte Einstimmigkeit des EU-Ministerrates für sich zu gewinnen. Slowenien und die Schweiz waren bzw. sind im Gegensatz zu Polen und Tschechien keine EU-Mitgliedstaaten und müssen folglich auch nicht gefragt werden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Ich will versuchen, sie zu beantworten, Herr Kosel.

Bitte.

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Sie haben vorhin die Handlungsabläufe in der Staatsregierung geschildert. Da kommt bei mir die Frage auf: Sind Sie denn von der EU-Osterweiterung überrascht worden? Die kam doch nicht bei Nacht und Nebel!

Die Staatsregierung ist von der EU-Osterweiterung nicht überrascht worden.

(Heiko Kosel, PDS: Das freut mich! Ich hatte nur den Eindruck! – Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

Entsprechende Vorschläge bedürfen aber nun einmal einer einstimmigen Entscheidung aller Mitgliedsstaaten auf Ratsebene. Das ist kein Vorwand, sondern europäische politische Realität.

Im Übrigen läuft die italienische Ausnahmegenehmigung nächstes Jahr aus. Nach aktuellen Informationen gibt es keine Aussicht auf Verlängerung.

In Frankreich wird ein anderer Versuch der Steuererstattung unternommen. Hierbei geht es nicht um Tanktourismus, sondern um Maßnahmen zur Dezentralisierung der Kompetenzen.

(Uwe Leichsenring, NPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Im Moment nicht; eine reicht mir zunächst einmal.

Die regionalen Ermäßigungen betragen gerade einmal 2,3 Cent je Liter bei unverbleitem Benzin; bei nicht-gewerblichem Dieselkraftstoff sind es 3,5 Cent je Liter. Nach Einschätzung des Bundesministeriums der Finanzen reicht eine solche Staffelung bei weitem nicht aus, um den Tanktourismus in den Grenzregionen Deutschlands einzudämmen. Die notwendigen, weitaus höheren Differenzbeträge – in der vergangenen Woche betrug der Unterschied beispielsweise bei Euro Super 25 Cent je Liter – träfen dann wieder auf die Ablehnung unserer europäischen Nachbarn. Es dürfte kaum realistisch sein, ein einstimmiges Votum zu erwarten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Lösung kann schlussendlich nur in einer Harmonisierung der Besteuerung aller Kraftstoffe auf europäischer Ebene bestehen. Für eine deutliche Anhebung der Mindeststeuersätze auf Kraftstoffe hat sich die Bundesregierung bereits bei der Verabschiedung der EU-Energiesteuerrichtlinie im Jahr 2003 eingesetzt. In dieser Richtlinie sind, allerdings unter Gewährung von großzügigen Übergangsregelungen, steigende, aber unverbindliche Mindeststeuersätze für alle Mitgliedstaaten der EU vorgesehen.

Meine Damen und Herren! Ich appelliere an die Mineralölunternehmen, die Tankstellenpächter in Grenznähe durch Preisstaffelungen ins Inland zu unterstützen. Eine regionale Preisstaffelung der Mineralölgesellschaften ins Landesinnere, allen voran beim Marktführer Aral, könnte ohne großen Aufwand kurzfristig eine Entspannung bringen.