Protocol of the Session on March 11, 2020

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag, Drucksache 16/1229. Wer für die Annahme der Drucksache 16/1229 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag 16/1229 mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt hat

(Abg. Pauluhn (SPD) )

die AfD-Fraktion, dagegen gestimmt haben die Koalitionsfraktionen und die Landtagsfraktion DIE LINKE.

Wir kommen zu Punkt 9 Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der AfDLandtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Rücknahme der Bonpflicht - Zettelwirtschaft stoppen (Drucksache 16/1232)

Zur Begründung des Antrages erteile ich Herrn Abgeordneten Josef Dörr das Wort.

Herr Präsident! Verehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen jetzt zu einem etwas prosaischen Thema, das aber auch mit Demokratie und mit Bürokratie zu tun hat. Bevor ich mir überlegt habe, was ich Ihnen sage, habe ich mir ein paar Gedanken gemacht, wieso es eigentlich sein kann, obwohl niemand in unserem Volk so eine Zettelwirtschaft haben will, dass so etwas eingeführt wird. Ich will mal sagen, es ist an der Demokratie vorbeigegangen. Wenn wir zum Beispiel zu Mittag essen für 5,10 Euro oder 7,20 Euro müssen die netten Damen, die uns Gott sei Dank bedienen, jedes Mal mit einem Zettel ankommen, auf dem ihr Name, der Name des Kunden, die Uhrzeit und so weiter steht, das geht Ihnen ja genauso. Die Frage ist, braucht man so etwas?

Wie ist das überhaupt mit der Demokratie? Es wird viel gesprochen von Demokratie stärken, die Demokratie ist in Gefahr und so weiter, aber wer braucht die Demokratie? Brauchen die Reichen und Mächtigen eine Demokratie? Ich verkürze das auf die Reichen. Brauchen die Reichen eine gute Rentenversicherung? Brauchen Sie eine gute Krankenkasse? Brauchen Sie einen guten öffentlichen Personennahverkehr?

(Sprechen und Zurufe.)

Und das Thema von eben, brauchen Sie eine gute Polizei? Brauchen Sie gute Schulen?

(Zuruf: Am Thema vorbei.)

Das brauchen sie alles nicht, denn das haben sie schon. Das können sie sich leisten. Sie brauchen keine Rentenversicherung, sie haben ihr Vermögen. Sie brauchen auch keine Krankenversicherung. Solche Leute sind hier bei uns sehr selten, aber es gibt sie. Die brauchen die Demokratie nicht, aber wir brauchen die Demokratie. Und wir müssen die Demokratie gegen diese Kräfte verteidigen. Es ist ein

dauernder Kampf. Ich habe das hier einige Male gesagt, wir sind auf dem Rückzug, da sind wir zum Teil selbst dran schuld. Wir haben zum Beispiel, das ist das große Beispiel, das ich öfter anführe, bei der Gebiets- und Verwaltungsreform 1974 die Demokratie hier kräftig abgeholzt.

(Sprechen und Unruhe. - Zuruf: Das ist am The- ma vorbei!)

Ein guter Freund der Demokratiefeinde sind die Bürokraten.

Herr Abgeordneter Dörr, wäre es Ihnen vielleicht möglich, zu dem eigentlichen Antrag zu sprechen?

Herr Heinrich, bisher haben Sie noch niemanden unterbrochen, obwohl die ununterbrochen am Thema vorbeireden.

(Oh-Rufe. - Sprechen und Zurufe.)

Deshalb kann ich nicht sehen, dass ich am Thema vorbeirede, wenn ich nur 8 Minuten Redezeit habe und erkläre, weshalb ich etwas vortrage.

(Zuruf der Abgeordneten Berg (SPD).)

Frau Berg, wenn Sie hier reden, haben Sie 24 Minuten oder 20 Minuten, dann können Sie sich erlauben, noch weit auszuholen, das kann ich sowieso nicht.

(Abg. Berg (SPD) : Ich wollte Ihnen nur helfen.)

Ja, herzlichen Dank für die Hilfe. - Jeder beklagt die Bürokratie. Ich habe mal einen Bundesminister bei einer Veranstaltung im Saarland gehört, der hat gesagt, er hat mal gegen die Bürokratie etwas machen wollen und hat drei Leute seines Ministeriums zusammengeholt. Sie haben dann überlegt, wie sie diesen und jenen Satz einfacher machen oder ausstreichen könnten. Am Schluss, als alles fertig war, war das Ding dreimal so groß. Das ist eine alte Jacke, weil der Bürokrat, der will herrschen ohne Mut. Er braucht keinen Mut. Wenn ich etwas festlege, dann kann ich aufgrund dieser Regelung verfahren, ich brauche in Zukunft dann nicht mehr nachzudenken. Ich habe Alltagslinien, ich habe Grenzen aller Art, das ist die Bürokratie.

Alle beschweren sich. Es gibt sogar in Brüssel Beauftragte, um die Bürokratie abzubauen, aber sie wird immer mehr und mit jedem Gesetz und jeder Vorschrift, die wir hier verabschieden, tragen wir dazu bei. Ein Auswuchs dieses Bestrebens, alles zu

(Vizepräsident Heinrich)

regeln, alles zu beherrschen, ist dieser blödsinnige Bon-Erlass, der die kleinen Geschäfte dazu zwingt, für jede Leistung einen Bon auszustellen. Und was will man damit bezwecken? Angeblich soll Steuerhinterziehung oder so etwas geahndet werden. Da müsste man einmal sonst wo anfangen, wo wirklich Steuern in großem Ausmaß hinterzogen werden! Aber die Personen oder Gesellschaften, die davon betroffen sind, können sich Steuerberatungsfirmen leisten, wo sie das locker umgehen, was der Staat vorschreibt.

Das heißt, hier trifft es den Falschen. Das hat nicht nur die AfD erkannt. Das haben inzwischen auch andere erkannt, nur sind, glaube ich, die Vorschläge, die gemacht werden, nicht tauglich. Herr Altmaier hat zum Beispiel gesagt, wir machen eine BonGrenze ab 10 Euro. Dann haben wir schon wieder eine Grenze. Dann muss schon wieder kontrolliert werden, ob das auch eingehalten wird. Herr Strobel hat auch Vorschläge gemacht. Man ist sich inzwischen im Klaren, das ist keine gute Lösung. Aber man hat noch nicht die Kraft, einfach zu sagen, weg damit. Das ist unser Vorschlag, dass wir alles tun, damit diese blödsinnige Zettelwirtschaft oder dieser Zettelwahnsinn aufhört. - Herzlichen Dank.

(Beifall von der AfD.)

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort für die CDU-Landtagsfraktion Herrn Abgeordneten Volker Oberhausen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal, Herr Dörr, möchte ich bezweifeln, dass es Ihnen darum geht, die Zettelwirtschaft zu stoppen. Das kann wohl nicht das Ziel der AfD sein, wie die heutige Sitzung zeigt. Zettel mit Anträgen aus der Dezembersitzung, die dank „copy and paste“ den Weg in die heutige Plenardebatte finden, Zettel, die zum zehnten Mal die Änderung des Schulordnungsgesetzes fordern,

(Lachen und Beifall von den Regierungsfraktio- nen und der LINKEN)

Zettel - der Kollege Pauluhn hat darauf hingewiesen ‑, auf denen ein AfD-Redner regelmäßig seine rechtsradikalen Parolen abliest. All das ist nicht gemeint. Diese Zettel sind nicht gemeint. Es geht den drei Herren darum, Kompetenz auf einem Gebiet zu suggerieren, wo sie wahrlich keine Ahnung haben, nämlich der Wirtschafts- und Finanzpolitik.

(Beifall von den Regierungsfraktionen und der LINKEN.)

Deshalb dieser heutige Schaufensterantrag ohne jegliche Substanz. Dabei hat das Thema es verdient, sachbezogen diskutiert zu werden.

(Abg. Dörr (AfD) : Dann machen Sie das so, Herr Oberhausen!)

Ja, ich erläutere es Ihnen, Herr Dörr. Das Thema hat es verdient, sachbezogen diskutiert zu werden und dass wir nach Lösungen suchen, dies übrigens nicht nur in Deutschland, sondern auch im gesamteuropäischen Kontext, denn das sogenannte Kassengesetz ist keine deutsche Erfindung, sondern hatte vor Jahren bereits - Herr Dörr, hören Sie aufmerksam zu! zahlreiche Vorgänger in anderen EU-Ländern, zum Beispiel in Italien, Österreich, Lettland, Slowakei und Frankreich.

(Abg. Dörr (AfD) : Ich höre Ihnen zu! - Machen Sie alles nach, was sonst wo gemacht wird? Abg. Renner (SPD): Jetzt aber!)

Moment! Nach Einführung der Bon-Pflicht kam es in allen diesen Ländern zu einer Mehrung der Einnahmen für den Staatshaushalt,

(Beifall von der LINKEN)

denn leider hatte das bisherige System dazu geführt - auch da bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit -, dass große Summen an der Finanzverwaltung vorbeigeführt wurden. Besonders sind uns allen - Sie erinnern sich, meine Damen und Herren - noch die Prozesse im Gastronomiebereich in lebhafter Erinnerung. Manipulierte Kassensysteme mit der entsprechenden Falschsoftware haben zu hohen Schäden für den Fiskus und damit für die Allgemeinheit geführt.

Doch viele Einzelhändler und Bäcker klagen über die Papierflut an Belegen. Deshalb ist es notwendig, nach praktikablen Lösungen vor Ort zu suchen. Die Eindämmung der Papierbelege ist dabei bereits im Gesetz angelegt. Die Buchung im elektronischen Kassensystem wird mit einer Signatur verbunden. Zur Sicherstellung, dass die Umsätze im elektronischen Aufzeichnungssystem erfasst werden, wurde die Belegausgabepflicht gesetzlich geregelt. Die saarländische Landesregierung, Herr Minister Strobel, hat dazu eine praktikable Lösung vorgestellt. Herr Dörr, die hätten Sie besser einmal gelesen.

Die Vorstellung dieser praktikablen Lösung ist nämlich vom Montag. Sie geht davon aus, dass die Unternehmen nicht verpflichtet sind, den Beleg auf Papier zur Verfügung zu stellen - wir haben heute ja sehr viel über Digitalisierung gesprochen ‑, sondern

(Abg. Dörr (AfD) )

eine digitale Version reicht aus. Moderne elektronische Kassensysteme können das leisten, so Herr Minister Strobel am 09.03.2020, also vorgestern. Es besteht für den Kunden ein Wahlrecht zwischen ausgedrucktem Bon, digitalem Bon oder keinem Bon. Rein technisch ist das Scannen eines QR-Codes oder eine App, die den Beleg zur Verfügung stellt, heute bereits möglich. Dies ist die Lösung, die auch für Teile des Einzelhandels und für die Bäckereien praktikabel ist. Deshalb möchte ich zu Ihnen, Herr Minister Strobel, abschließend sagen, das ist so gut. „C’est si bon!“ - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich rufe den Kollegen Jochen Flackus von der DIE LINKE-Landtagsfraktion auf.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Oberhausen, danke für den Beitrag, vor allem den Einstieg. Wir reden ja heute über ein Bundesgesetz, das durch alle Mühlen gemahlen worden ist mit Anhörungen, Experten und so weiter, wie wir das auch hier kennen. Ich möchte an dieser Stelle einmal eine persönliche Bemerkung machen. Wir müssen hier im saarländischen Landtag aufpassen, dass diese Flut der Ein-Satz-Anträge der AfD nicht an Nachmittagen von Plenartagen dazu führt, dass wir über alle politischen Hinterhöfe geführt werden, die es so gibt in der Republik, und nicht mehr über die richtigen Sachen reden.

(Beifall von der LINKEN und den Regierungsfrak- tionen.)

Es gibt zwei Aspekte der Angelegenheit - es ist schon darauf hingewiesen worden -, eine steuerliche und eine ökologische. Wir unterstützen selbstverständlich kleine und mittlere Unternehmen und Selbstständige, die mit der neuen Regelung Probleme haben und ehrlich ihre Steuern zahlen. Die leiden natürlich auch unter dem Imageverlust, den die schwarzen Schafe der Branche eben produzieren. Das ist ja nicht eben wenig. Fakt ist, dass mindestens 10 Milliarden Steuern jedes Jahr hinterzogen werden. Der Kollege Oberhausen hat ja darauf hingewiesen. Wir hatten auch im Saarland den Fall, 2015/2016, wo alleine am St. Johanner Markt in einem Gastronomiebetrieb 1 Million Euro Steuern hinterzogen worden sind. Das kann keiner hier wollen. Das kann keiner in der Branche wollen. Diejenigen,

die anständig ihre Steuern zahlen, müssen klare Regelungen haben.

Der ökologische Aspekt ist auch verständlich. Natürlich werden da Papierberge produziert, aber es gibt bisher keine akzeptable Lösung außer dem Ausdruck. Was wir brauchen, sind standardisierte Lösungen, elektronische Lösungen. Die Bundesregierung verweigert sich dem bisher. Sie hat in einer Anfrage der LINKEN-Bundestagsfraktion erklärt, sie unterstützt nicht, dass nach standardisierten Verfahren gesucht wird. Für uns gilt der Grundsatz: Bonpflicht ist keine Papierpflicht. Darauf hat auch der Finanzminister in dieser Woche hingewiesen. Er hat eine App vorgestellt. Das wäre zum Beispiel eine Lösung. Man muss natürlich sehen, dass das steuersicher funktioniert. In Portugal gibt es Systeme mit elektronischen Belegen. Dort funktioniert es. Das ist also in anderen Ländern der Fall. Wir plädieren eher dafür, dass ein Standard festgelegt wird. Schon heute ist der Ausdruck nicht zwingend, das haben wir eben bereits gehört. Man kann über Bagatellgrenzen als Zwischenlösung diskutieren. Frankreich will das machen, das hat man für den Herbst angekündigt. Wir wollen alle, dass eine vernünftige Lösung kommt. Eine Bundesratsinitiative, wie sie in einem Satz skizziert wurde, lehnen wir allerdings ab. - Vielen Dank.