Beschlussfassung über den vom Untersuchungsausschuss „Verdachtsfälle von Missbrauch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Homburg“ eingebrachten Antrag betreffend: Erweiterung des durch den Einsetzungsantrag Drucksache 16/952 der CDU‑Landtagsfraktion, der SPD-Landtagsfraktion und der DIE LINKE-Landtagsfraktion benannten und durch Antrag Drucksache 16/1050 der CDULandtagsfraktion, der SPD-Landtagsfraktion und der AfD-Landtagsfraktion konkretisierten Untersuchungsgegenstandes „Verdachtsfälle von Missbrauch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Homburg“ gemäß § 12 Abs. 5 LTG (Drucksache 16/1114)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Landtag des Saarlandes hat in seiner 30. Sitzung am 28. August 2019 den Untersuchungsausschuss „Missbrauchsfälle in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Homburg“ eingesetzt, dessen Bezeichnung in der 32. Sitzung am 24. Oktober 2019 in „Verdachtsfälle von Missbrauch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Homburg“ konkretisiert wurde. Zwischenzeitlich liegen uns neue Erkenntnisse aus der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am Universitätsklinikum des Saarlandes vor. Sie gehen über die bisher bekannten Verdachtsfälle sexuellen Missbrauchs in der Kinder- und Jugendpsychiatrie hinaus, die zur Einsetzung des ursprünglichen Untersuchungsausschusses geführt hatten.
Der Untersuchungsausschuss hat in seiner vorletzten und in seiner gestrigen Sitzung über die Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes und die damit verbundene neue Bezeichnung intensiv beraten. Es wurde zudem über die Rechtsstellung der bisherigen Betroffenen und eventueller weiterer Betroffener bei einer Ausweitung des derzeitigen Untersuchungsgegenstandes beraten.
Der Ausschuss ist dabei einstimmig zu der Überzeugung gelangt, dass eine Erweiterung des bisherigen Untersuchungsgegenstandes wegen des Sachzusammenhangs angebracht sei. Er hat deshalb den vorliegenden Antrag gemäß § 12 Abs. 5 des Gesetzes über den Landtag eingebracht. Die Art und die Umstände des Umgangs mit Hinweisen auf Missbrauchsverdachtsfälle im Bereich des Universitätsklinikums gebieten, ausgehend von den Verdachtsfällen in zwei unterschiedlichen Kliniken des UKS, nunmehr eine grundsätzliche Untersuchung. Da die Untersuchungen noch am Anfang stehen und die Übersendung erster größerer Aktenbestände für die kommende Woche angekündigt ist, ist mit einer Verzögerung der Untersuchung infolge der Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes meines Erachtens nicht zu rechnen.
Der Ausschuss empfiehlt dem Plenum deshalb einstimmig, mit den Stimmen aller Fraktionen, die Annahme des vorliegenden Beschlussantrages. - Vielen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 16/1114. Wer für die Annahme der Drucksache 16/1114 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 16/1114 einstimmig angenommen ist. Zugestimmt haben alle Abgeordneten dieses Hauses.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir treten in die Mittagspause ein und unterbrechen die Sitzung bis um 14.00 Uhr.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir fahren fort in unserer heutigen Tagesordnung. Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Kinderrechte ins Grundgesetz (Drucksache 16/1104)
Zur Begründung des Antrages erteile ich Frau Abgeordneter Heike Becker das Wort zu ihrer Jungfernrede. Ich darf um besondere Aufmerksamkeit bitten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute bei meiner ersten Rede müsste ich eigentlich anders als üblich in diesem Hause beginnen, nämlich mit “Liebe Kinder”, und zwar genau deshalb, weil es um ihre Rechte geht. Rechte, auf die Kinder permanent pochen und sich vor allem verlassen können. Kinder in den Mittelpunkt zu stellen, ist zwar ein großer Anspruch, aber leider ist dies im Alltag und im politischen Geschäft noch nicht ausreichend verwirklicht. Viele von uns sehen Kinder als unsere Zukunft. Doch sind Kinder keine kleinen Erwachsenen, sie sind heranreifende Persönlichkeiten. Es ist gut, dass wir miteinander darüber sprechen, was wir tun können, um ihren Weg auch als Politik und Staat zu begleiten.
Herr Präsident, erlauben Sie mir, an dieser Stelle Johann Wolfgang von Goethe zu zitieren, der einst sagte: „Denn wir können die Kinder nicht nach unserem Sinne formen.“ - Das ist richtig, das können wir nicht, denn Kinder sind vom ersten Tag an Persönlichkeiten. Sie entwickeln frühzeitig Kompetenzen, sie wollen lernen. Unsere Aufgabe ist es, sie dabei
zu fördern und die richtigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu brauchen Kinder Erwachsene, die sich für sie einsetzen, für ihre Rechte kämpfen und dafür sorgen, dass es ihnen gut geht. Kinder brauchen Schutz und Fürsorge. Deshalb ist die Zeit überreif, Kinderrechte ins Grundgesetz aufzunehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind uns durchaus bewusst, dass sich mit der Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz die Lebenswirklichkeit der Kinder in unserem Land nicht automatisch ändern wird. Doch mit der Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz verpflichten sich der Staat und die Gesellschaft, die Bedingungen für das Aufwachsen von Kindern in unserem Land zu verbessern. Damit dies gelingt, müssen politische Anstrengungen folgen. Ja, aus der Grundgesetzänderung muss Verfassungswirklichkeit werden.
Deshalb sage ich jetzt hier auch ganz deutlich, wir wollen keine Symbolpolitik! Nein, wir wollen ein klares Bekenntnis der Politik für Kinderrechte mit Verfassungsrang.
Bereits 1989 wurde die Konvention über die Rechte des Kindes von der Vollversammlung der Vereinten Nationen einstimmig beschlossen. Ich wiederhole, einstimmig. Die sogenannte UN-Kinderrechtskonvention wurde im Jahr 1992 von Deutschland ratifiziert. Ziel der Konvention ist es, die Rechte der Kinder weltweit zu stärken und für positive und kindgerechte Lebensbedingungen zu sorgen. So heißt es in Artikel 4 des Übereinkommens: „Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte. Hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte treffen die Vertragsstaaten derartige Maßnahmen unter Ausschöpfung ihrer verfügbaren Mittel und erforderlichenfalls im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit.“ - Wir unterstützen daher die jetzige Gesetzesinitiative auf Bundesebene und wollen, dass nach langen Beratungen nun endlich den Kindern Rechte mit Verfassungsrang zugeschrieben werden. Wir müssen diese Initiative weiterbegleiten und vorantreiben, meine sehr geehrten Damen und Herren.
sung von Kindern, zunehmende Kinderarmut sowie fehlende Bildungschancen für viele junge Menschen. All dies zeigt uns auf, dass wir in Deutschland von einer kinderfreundlichen Gesellschaft noch weit entfernt sind und dass die Rechte der Kinder zu wenig Beachtung finden. Ich finde es deprimierend zu sehen, dass mit dem Besten, was wir haben, nämlich mit unseren Kindern, oft sträflich umgegangen wird. Erschreckend ist auch festzustellen, dass es oft sogar die eigenen Eltern oder das direkte Umfeld dieser Kinder sind. Deshalb muss der Staat unsere Kinder schützen.
In den Politikbereichen muss die Achtung der Kinderrechte zur Richtschnur unseres Handelns werden. Dabei ist es wichtig, dass wir die Welt aus dem Blickwinkel der Kinder betrachten. Wenn wir für kindgerechte Lebensbedingungen sorgen wollen, muss das Kind im Mittelpunkt unseres politischen Handelns stehen. Unser Ziel muss es sein, dafür Sorge zu tragen, dass alle Kinder im Land unabhängig von ihrer Herkunft die gleichen Zukunftschancen und Lebensperspektiven haben. Damit die Rechte verwirklicht werden können, müssen auch die entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen werden. Es gibt auch Personen, die die Heraufstufung der Kinderrechte zu Rechten mit Verfassungsrang kritisch sehen. Doch diesen Kritikern können und müssen wir entschieden entgegentreten. Kinder werden dadurch in ihrer Rolle gestärkt, und Eltern können mit verbesserter Legitimation alles Erforderliche für das Wohl ihrer Kinder einfordern.
Manche sind auch der Auffassung, durch Kinderrechte würden die Rechte der Eltern geschwächt. Man muss diese Sorge zwar ernst nehmen, aber genau durch Kinderrechte im Grundgesetz werden die Rechte der Eltern gestärkt. Das besagt auch Artikel 5 der UN-Kinderrechtskonvention, in dem es nämlich heißt, dass die Vertragsstaaten in der Verwirklichung der Kinderrechte die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Eltern weiterhin zu achten haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, halten wir uns mal vor Augen: Wir sind eines der reichsten Länder der Welt, und trotzdem ist jedes fünfte Kind arm oder von Armut bedroht. Dieses Problem wäre lösbar, wenn wir die Weichen in der Politik stellen würden. Das Wohl von Kindern bei zukünftigen Entscheidungen muss in den Mittelpunkt gestellt werden. Kinder müssen konsequent mit ihren eigenen Bedürfnissen wahrgenommen werden. Und so ist die Bekämpfung der Kinderarmut eines unserer wichtigsten Ziele. Kinder, die in familiärer Armut aufwachsen, erfahren von An
fang an Benachteiligungen. Sie sind materiell nicht ausreichend versorgt, sie leiden häufiger unter gesundheitlichen Problemen, sie können Angebote im Freizeit- oder im kulturellen Bereich nicht wahrnehmen. Das heißt, sie erfahren schon in früher Kindheit, was es heißt, nicht mithalten zu können, ja gar ausgeschlossen zu sein.
Daher setzen wir uns für eine Weiterentwicklung bedarfsgerechter und präventionsorientierter Maßnahmen ein. Bei dem heute veröffentlichten Ergebnis des ersten Kinderrechte-Indexes sieht auch das Deutsche Kinderhilfswerk Nachholbedarf unter anderem in den Bereichen Gesundheit und angemessene Lebensstandards. Deshalb muss es unser Ziel sein, eine „Große Lösung“ für Leistungen für Kinder und Jugendliche umzusetzen.
Wir setzen uns daher auch für eine Kindergrundsicherung ein und wollen, dass kein Kind in Deutschland mehr arm ist. Hierbei dürfen natürlich die Kinder mit Behinderungen nicht außen vor bleiben. Welche Kämpfe müssen sie und ihre Eltern ausstehen, um endlich zu ihrem Recht zu kommen? Sie haben aber das Recht, gleichberechtigter Teil unserer Gesellschaft zu sein. So ergeht es auch den Kindern mit Migrationsbiografien, sei es entweder bei sich selbst oder in ihren Familien, denn sie erleben weiterhin Diskriminierung. Flüchtlingskinder sind sogar an vielen Stellen viel zu lange abgeschottet oder gar ausgeschlossen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, unsere Kinder sind großartig. Jeder junge Mensch ist wunderbar und in unserer Gesellschaft herzlichst willkommen. Es geht hier um die Rechte aller Kinder. Es geht um sehr viel. An dieser Stelle wiederhole ich noch einmal: Kinder gehören in den Mittelpunkt der Politik.
Jedes Kind verdient es, geliebt, geschützt, unterstützt und vor allem von der Gesellschaft wertgeschätzt zu werden. Lassen wir sie ihre Fähigkeiten entfalten und zum Blühen bringen! Von daher bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.
Ich danke der Frau Abgeordneten für ihren engagierten Redebeitrag und eröffne die Aussprache. Ich rufe für die DIE LINKE-Landtagsfraktion Herrn Dennis Lander auf.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein wichtiger Schritt, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, denn Kinderrechte sind Menschenrechte. Noch im Juni beantragte die Linksfraktion im Bundestag einen entsprechenden Antrag. In der Debatte stand leider vor allen Dingen die Union auf der Bremse. Der CDU-Abgeordnete Thorsten Frei sagte - ich zitiere -: „Wir haben ein austariertes Verhältnis von Staat, Eltern und Kindern. Und dieses Verhältnis darf durch eine Änderung des Grundgesetzes nicht zugunsten des Staates und zu Lasten der Eltern verschoben werden.“
Ich halte das für Unsinn, liebe Kolleginnen und Kollegen, denn die Kinder sind ja nicht das Eigentum der Eltern.
Seit Anfang des Jahrtausends ist die gewaltfreie Erziehung im Bürgerlichen Gesetzbuch festgeschrieben. Auch dagegen stimmte damals die Union. 19 Jahre später existieren zahlreiche Studien, die die positive Wirkung dieser Maßnahme oder dieser Norm belegen. Aber leider existieren nach wie vor auch Eltern, die der Meinung sind, dass ein kleiner Schlag oder ein Klaps noch niemandem geschadet hätte. Deshalb ist das Kämpfen um Kinderrechte, das Bohren dicker Bretter, langwierig und nicht immer einfach.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist deshalb höchste Zeit, dass Kinderrechte endlich ins Grundgesetz kommen. Aber das alleine ändert ja leider relativ wenig. Im Saarland sind seit 2007 Kinderrechte in der Landesverfassung verankert. Auch darauf weist ja der Antrag der Koalition zu Recht hin. Ist deshalb das Saarland im Schutz von Kindern vor Gewalt, Vernachlässigung und Ausbeutung besonders gut aufgestellt oder ist das Saarland zumindest im Ländervergleich mit Bundesländern, die das nicht in ihre Verfassung geschrieben haben, besser aufgestellt?
Die Antwort ist Nein. Das Saarland ist beispielsweise von Kinderarmut stärker betroffen als andere Bundesländer.