Protocol of the Session on December 4, 2019

Wir kommen zu Punkt 7 der Tagesordnung:

Zweite Lesung des Gesetzes zum Erlass des Saarländischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes, zur Änderung des Saarländischen Strafvollzugsgesetzes, zur Änderung des Saarländischen Jugendstrafvollzugsgesetzes, zur Änderung des Saarländischen Untersuchungshaftvollzugsgesetzes, zur Änderung des Gesetzes zur ambulanten Resozialisierung und Opferhilfe und zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof (Abänderungsanträge: Drucksachen 16/1106 und 16/1109) (Drucksache 16/820)

Zur Berichterstattung erteile ich dem Ausschussvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Reiner Zimmer, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Landtag hat den von der Landesregierung eingebrachten Gesetzentwurf in seiner 28. Sitzung am 15. Mai 2019 in Erster Lesung angenommen und an den Ausschuss für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung überwiesen.

Zum Inhalt, zunächst zu Artikel 1. Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben am 27. April 2016 zwei Regelungswerke zum Schutz bei der Verarbeitung personenbezogener Daten erlassen: einerseits die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) und andererseits die Richtlinie (EU) 2016/680 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates.

Das vorliegende Gesetz dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680. Diese findet auch auf den Straf-, Jugendstraf-, Untersuchungshaftvollzug, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und den Jugendarrestvollzug Anwendung. Die Umsetzung der europäischen Vorgaben in das bereichs

spezifische Recht des Datenschutzes im Justizvollzug des Saarlandes sieht das vorliegende Justizvollzugsdatenschutzgesetz vor. Das Gesetz beabsichtigt eine weitgehende Vollregelung des für den Justizvollzug geltenden Datenschutzrechts.

Mit dem vorgelegten Gesetz werden die bisherigen datenschutzrechtlichen Standards in den einzelnen saarländischen Vollzugsgesetzen in ein neues eigenständiges Justizvollzugsdatenschutzgesetz überführt und zugleich die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2016/680 in Landesrecht umgesetzt. Dadurch wird dem hohen Stellenwert des Datenschutzes im Justizvollzug Rechnung getragen. Das eigenständige Gesetz macht die komplexe Materie des Datenschutzes anwendungsfreundlicher.

Zu Artikel 2, 3 und 4. Es werden die Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 2018 - 2 BvR 309/15, 2 BvR 502/16 - durch die Einführung eines Richtervorbehaltes bei Fixierungen im Strafvollzug, Jugendstrafvollzug und Untersuchungshaftvollzug umgesetzt. Diese Entscheidung bezieht sich zwar nicht auf das Saarland und nicht unmittelbar auf Strafvollzug, Jugendstrafvollzug und Untersuchungshaftvollzug, gibt aber Veranlassung, die Bestimmungen für die Fixierung von Untersuchungsgefangenen zu präzisieren, da auch im Untersuchungshaftvollzug Fixierungen zur Anwendung kommen.

Es wird ein Eingliederungsgeld eingeführt. Hierbei soll es sich nicht um ein „Zwangsansparen” wie beim ehemaligen Überbrückungsgeld gemäß § 51 Strafvollzugsgesetz handeln. Das Eingliederungsgeld soll in Eigenverantwortung der Gefangenen angespart werden.

Zu Artikel 5. Die bisherigen datenschutzrechtlichen Standards im Gesetz zur ambulanten Resozialisierung und Opferhilfe werden im bestehenden Gesetz an die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2016/680 angepasst. Durch das einheitliche Gesetz bleibt die komplexe Materie der ambulanten Resozialisierung und Opferhilfe sowie des Datenschutzes für die betroffenen Mitarbeiter anwendungsfreundlicher.

Der Gesetzentwurf wurde vom Ausschuss gelesen und es wurde eine Anhörung unter Beteiligung unter anderem des Saarländischen Richterbundes, des Unabhängigen Datenschutzzentrums sowie Experten aus dem universitären Bereich der Rechtswissenschaften durchgeführt.

Die Koalitionsfraktionen haben zu dem Gesetzentwurf einen Abänderungsantrag eingebracht, der Ihnen als Drucksache 16/1106 vorliegt. Hierin wurde der in Art. 19 Abs. 1 Satz 2 des deutschen Grundge

(Vizepräsident Heinrich)

setzes festgelegten Pflicht des Gesetzgebers, bei einer Einschränkung von Grundrechten durch ein Gesetz oder auf Grundlage eines Gesetzes das betroffene Grundrecht unter Angabe des Grundgesetzartikels zu nennen, Rechnung getragen. Der Abänderungsantrag der Koalitionsfraktionen wurde einstimmig, bei Zustimmung aller anwesenden Fraktionen im Ausschuss, angenommen.

Der Abänderungsantrag der DIE LINKE-Landtagsfraktion wurde bei Zustimmung der LINKE-Fraktion und Ablehnung der Koalitionsfraktionen und der AfD-Fraktion mehrheitlich abgelehnt.

Das Gesetz zum Erlass des Saarländischen Justizvollzugsdatenschutzgesetzes, zur Änderung des Saarländischen Strafvollzugsgesetzes, zur Änderung des Saarländischen Jugendstrafvollzugsgesetzes, zur Änderung des Saarländischen Untersuchungshaftvollzugsgesetzes, zur Änderung des Gesetzes zur ambulanten Resozialisierung und Opferhilfe und zur Änderung des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof (Drucksache 16/820) wurde mehrheitlich bei Zustimmung der AfD und der Koalitionsfraktionen sowie bei Gegenstimmen der DIE LINKE-Landtagsfraktion beschlossen.

Der Ausschuss empfiehlt dem Plenum die Annahme des Gesetzes in Zweiter und letzter Lesung. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Ich danke dem Berichterstatter und eröffne die Aussprache. - Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dennis Lander von der LINKE-Landtagsfraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen heute über das Justizdatenschutzgesetz sprechen. Wir hatten im Ausschuss eine Anhörung. Nach der Anhörung wurde relativ schnell klar, dass der Gesetzentwurf eine Reihe von Mängeln enthält, die wir beheben müssen. Davon haben die Regierungsfraktionen in ihrem Abänderungsantrag nur wenig berücksichtigt, um genau zu sein, eigentlich so gut wie gar nichts.

Meiner Meinung nach ist es eine Unart, dass wir hier die umfangreichen Hinweise der Sachverständigen nicht aufgreifen. Wir hatten ja nicht irgendwen im Ausschuss. Wir hatten zwei Professoren aus Bremen und Saarbrücken da. Wir hatten die Vertreterinnen und Vertreter des Richterbundes sowie die Vertreterinnen und Vertreter des Datenschutzzentrums im Ausschuss. Ich denke, wir wären gut beraten, wenn wir auf die Sachverständigen mehr hören wür

den. In diesem Fall sieht es so aus, als wäre die Sachverständigenanhörung zu einer Show-Pflichtveranstaltung degradiert worden, und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann und das darf nicht sein.

(Beifall von der LINKEN.)

Wir haben, wie das eben schon angedeutet wurde, einiges in unsere Änderungsanträge mitaufgenommen. Ich möchte hier auf drei Punkte im Speziellen eingehen. Zum Ersten haben wir die Fixierung. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von 2018 festgelegt, dass wir strengere Regeln bei Fixierungen brauchen. Fixierungen sind mit die schwersten Eingriffe in die persönlichen Freiheitsrechte der Menschen, denn auch eine kurzzeitige Fixierung bedeutet letztendlich einen Freiheitsentzug, der eines richterlichen Vorbehalts, sprich einer richterlichen Entscheidung bedarf.

Der Saarländische Richterbund legte ganz klar dar, dass die Vorschläge der Regierung in diesem Fall völlig unzureichend sind. Der Richterbund schlug deshalb einen völlig neuen Fixierungsparagrafen vor, den wir in unserem Antrag auch übernommen haben. Auch wir sind überzeugt, eine Fixierung macht eine ärztliche Überwachung unumgänglich. Nach einer Fixierung sollte, wie das beispielsweise in Baden-Württemberg geregelt ist - auch diese Regelung haben wir übernommen -, ein Arzt-PatientenGespräch stattfinden, in dem dann festgestellt wird, warum diese Maßnahme letztendlich ergriffen wurde und wie es zu dieser Ausnahmesituation kommen konnte.

Die Sachverständigen betonen, das ist noch am ehesten ein menschenwürdiger Strafvollzug, und dem schließen wir uns vollumfänglich an.

(Beifall von der LINKEN.)

Das Zweite, was ich ansprechen möchte, sind unklare und schwammige Begriffe. Der komplette Gesetzentwurf wimmelt eigentlich nur so von unklaren und undefinierten Rechtsbegriffen. Damit lässt man natürlich einen großen Auslegungsspielraum für staatliche Datensammelei zum Nachteil der Betroffenen zu. Da ist dann zum Beispiel die Rede von der drohenden Gefahr statt der konkreten Gefahr.

Die konkrete Gefahr haben wir vorher regelmäßig in unseren Gesetzestexten gefunden. Sie regelt im Prinzip die Eingriffsschwelle, ab der eine Maßnahme, beispielsweise eine Überwachung, angeordnet wird. Die Maßnahme darf nur dann angewendet werden, wenn eine konkrete, beweisbare Gefahr vorliegt.

(Abg. Zimmer (SPD) )

Jetzt haben wir in dem neuen Gesetzentwurf die drohende Gefahr drin, das heißt, die Eingriffsschwelle wurde sehr weit nach vorne verlagert, und das, obwohl die Gutachterinnen und Gutachter anmerken, dass diese Formulierung in diesem Zusammenhang eigentlich gar nicht notwendig gewesen wäre. Wir haben gesehen, dass dieser Rechtsbegriff bereits in anderen Polizeigesetzen in anderen Bundesländern verwendet wurde. Wir lehnen diesen Begriff ab und wir hoffen, dass bei der anstehenden Novellierung des Polizeidatenschutzgesetzes dieser Rechtsbegriff keinen Einzug findet.

Ein weiteres, besonders heikles Thema ist die Datenübermittlung an private Dritte. Auch hier haben wir einschränkend korrigiert. Es ist weiterhin den Experten übereinstimmend negativ aufgestoßen, was in § 6 des Gesetzes steht. Hier werden private Daten und besondere Kategorien personenbezogener Daten zu vollzuglichen Zwecken erhoben, wenn diese entweder erforderlich sind oder unbedingt erforderlich sind. Da muss man sich fragen: Was denn nun? Sicherlich bleibt genau diese Unterscheidung für die Anwenderinnen und Anwender später ein Rätsel. „Generalklausel“ schimpften die Sachverständigen. Auch hier haben wir in unserem Abänderungsantrag korrigierend eingegriffen.

Sie schreiben zum Beispiel auch, dass Daten erhoben werden dürfen zu anderen vollzuglichen Zwecken. Da haben selbst die Sachverständigen nicht mehr gewusst, was Sie damit meinen. Und mit diesem Terminus schaffen Sie ja auch eine Frontaleingriffshandlung in die Datenschutzrechte der Betroffenen. Und so könnten wir das Ganze fortsetzen.

Das Problem des Ganzen ist ja, dass die Praxisbedürfnisse insgesamt in den Vordergrund gerückt wurden, während der Grundrechteschutz in seiner Gesamtheit in den Hintergrund gerückt wurde. Das ist ein Fehlen von Verhältnismäßigkeit und dieses Fehlen, liebe Kolleginnen und Kollegen, lehnen wir ab!

(Beifall von der LINKEN.)

Das Dritte, was wir in diesem Gesetzentwurf kritisiert haben, war der Begriff des Rassischen. Das wurde zweimal genannt, wir haben das korrigiert. Wir denken, dass der Begriff „rassisch“ nicht mehr in unsere Zeit passt. Im Prinzip gibt man rechten Gruppen einen gewissen Vorschub, indem man diese menschenverachtende Ideologie von menschlichen Rassen hier stützt und man sich dem letztendlich unterordnen muss. Das lehnen wir auch ab und im Zuge dessen lehnen wir auch den kompletten Gesetzentwurf ab. Es wurde eben schon gesagt, mit dem Abänderungsantrag sind wir einverstanden, aber in der

Gesamtheit lehnen wir ab und bitten um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. - Vielen Dank!

(Beifall von der LINKEN.)

Ich danke dem Abgeordneten und rufe auf für die CDU-Landtagsfraktion Frau Abgeordnete Dagmar Heib.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Die Begrifflichkeiten haben wir schon von den Vorrednern erfahren, das wird auch bei mir nicht anders sein. Wir haben es hier mit einem sperrigen Thema zu tun, nicht nur aufgrund der Begrifflichkeiten, sondern auch insgesamt. Fixierungen und Ähnliches sind keine Wohlfühlthemen.

Herr Zimmer hat in seinem Bericht aus dem Ausschuss schon gesagt, Ausgangspunkt waren hier zum einen die Datenschutz-Grundverordnung, die uns allen hinlänglich bekannt und in vielen Bereichen begegnet ist, und gleichzeitig die weitere Richtlinie 2016/680, die zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung entsprechend zugrunde gelegt wurde.

Auftrag dieses Gesetzes ist es, diese Richtlinie in unser Gesetz zu überführen. Ich werde Ihnen im Folgenden aufzeigen, dass es hier durchaus eine faire Balance gibt zwischen Grundrechteschutz auf der einen Seite und Akzeptanz und auch Möglichkeiten der Praxis auf der anderen Seite.

Es ist schon dargelegt worden, was in die einzelnen Artikel - wir haben ja ein Artikelgesetz - aufgenommen wurde. Zu Artikel 1 - Artikel 2 entsprechend - ist unter anderem die Fixierung genannt worden, zu der ich später noch einmal kommen wollte. Darüber hinaus ist sie ebenfalls in Artikel 3 und 4 aufgenommen, aber wichtig erscheint es mir, hier noch einen Satz zu verlieren. In Artikel 3 werden die Voraussetzungen geschaffen dafür, dass Strafgefangene eine strukturierte Möglichkeit erhalten, Geld für die Entlassung freiwillig und - wichtig auch - pfändungsfrei anzusparen. Das hat sich in der Vollzugspraxis als sinnvoll erwiesen und es ist auch gut, dass das hier im Gesetz so aufgenommen wird.

Die weiteren Artikel enthalten ebenfalls diese Anpassungen, beispielsweise im Gesetz der ambulan

(Abg. Lander (DIE LINKE) )

ten Resozialisierung und Opferhilfe, aber sie enthalten darüber hinaus auch noch andere Änderungen, beispielsweise die Möglichkeit, über das Gesetz über den Verfassungsgerichtshof bereichsspezifisch die gerichtliche Gewährung von Akteneinsicht an Rechtsänderungen anzupassen sowie die Möglichkeit einer flexibleren Gestaltung der Besetzung von Richterwahlausschüssen, gerade in Bezug auf die Besetzung des Gerichts mit Berufsrichterinnen und Berufsrichtern.

Warum gerade dieser Gesetzentwurf? Dazu lassen Sie mich kurz ausführen, dass der Strafvollzugsausschuss der Länder bereits im Jahr 2017 eine Arbeitsgruppe auf den Weg gebracht hat, deren Auftrag es war, einen Mustergesetzentwurf für die Umsetzung der Richtlinie 2016/680 zu erarbeiten. Dieser ist erarbeitet worden und dieser Mustergesetzentwurf, der in vielen Ländern berücksichtigt wurde, ist auch Grundlage unseres Gesetzes.

Wenn man sich für einen Gesetzentwurf entscheidet, dann entscheidet man sich auch für eine Systematik des Gesetzes. Es werden ja Anzuhörende ins Parlament eingeladen. Wenn deren Änderungsvorschläge die Systematik des Gesetzes betreffen, kann plötzlich ein ganz neuer Gesetzentwurf entstehen, und dann ist es auch nicht verwunderlich, wenn zig Änderungsanträge kommen.

Wir haben uns ganz bewusst für diese Systematik entschieden. Es war richtig, den Mustergesetzentwurf als Grundlage für diese Erarbeitung zu nehmen und auch wir im Ausschuss sind nach der Beratung weiterhin der Auffassung, dass wir in dieser Gesetzessystematik bleiben sollten.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Lassen Sie mich noch einige grundsätzliche Anmerkungen machen, die bezogen auf die Auseinandersetzung auch Begründungen liefern, warum wir den Abänderungsantrag der DIE LINKE-Fraktion ablehnen werden.