Protocol of the Session on April 10, 2019

(Beifall bei der SPD.)

Eines ist klar: Wenn dieses Land an etwas keinen Mangel hat, dann an Ideen. Da können wir nachlegen. Wenn es weitere Projekte braucht - auch da sind wir im Moment in der Abstimmung -, werden wir diese selbstverständlich zügig dort vorlegen, wo auch immer wir Unterstützung bekommen können.

Im Übrigen glaube ich auch, dass berechtigte Forderungen aus dem Saarland keine Majestätsbeleidigung sind. Sie sind nichts anderes als das, was man von uns verlangt. Wir machen an der Stelle nichts anderes als unseren Job. Wenn wir eines lernen können - so sehr es uns auch manchmal ärgert -, dann ist es das, dass der Osten es nicht schlecht gemacht hat. Das muss man doch mal feststellen. Deshalb glaube ich schon, dass wir dort lauter werden müssen, aber nicht indem wir uns gegenseitig beschimpfen und übereinander schimpfen, sondern

(Ministerin Rehlinger)

indem wir gemeinsam die gleichen Forderungen mit lauter Stimme dort überbringen und in den Mittelpunkt unserer Debatten stellen.

(Zuruf.)

Ich merke gerade selber, dass das nicht meinen Beliebtheitsgrad fördert, aber ich bin nicht auf der Suche nach neuen Freundschaften in Berlin, zumindest nicht nach solchen. Ich bin der festen Überzeugung, wer nichts fordert, bekommt auch nichts. Deshalb müssen wir unsere Stimme laut erheben, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber mit dem gleichen Tenor.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das gilt im Übrigen nicht nur für die Kohlekommission. Ich habe es eben schon gesagt. Es gibt eine ganze Reihe von anderen Feldern, für die wir auch auf dem Spielfeld sein müssen. So groß die Herausforderungen an dieser Stelle schon absehbar sind, so groß sind sie in anderen Feldern erst recht. Die Stichworte dazu sind uns allen hinreichend bekannt. Das sind nicht nur die großen Themen Energie, Energiestandort und Kohleverstromung, sondern es sind natürlich auch Stahl, Handelskonflikte und Automotive. Bei all den genannten Punkten gibt es eine maximale Betroffenheit unseres Bundeslandes. Eine maximale Betroffenheit! Das wird eine riesige Strukturwandelaufgabe für dieses Bundesland werden. Ich glaube, dieser Strukturwandelaufgabe können wir nicht kleinkrämerisch begegnen, sondern nur mit gemeinsamer Kraftanstrengung.

In diesem Sinne finde ich es auch gut, dass die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und Landräte nach Berlin gefahren sind, denn es macht deutlich, in welcher Breite wir gemeinsam unterwegs sind, um für saarländische Interessen zu kämpfen. Ich glaube, es ist ein gutes Signal in Berlin gewesen. Es ist aber auch ein mindestens genauso gutes Signal für die Saarländerinnen und Saarländer gewesen, dass es einen Schulterschluss gibt. Ich finde, es ist ein Schulterschluss, den wir für die Zukunft ganz sicherlich auch brauchen werden.

Wenn man so will, steht das nächste Anwendungsfeld schon vor der Tür. Die Kommission Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse macht es ja mehr als deutlich. Dort geht es um die Verschuldung und die Altschuldenproblematik der Kommunen. Dort gibt es die gleiche Interessenslage. Wir wollen die Kommunen natürlich in die Lage versetzen, noch mehr zu investieren als das, was wir Ihnen schon durch den Saarland-Pakt ermöglicht haben. Es geht dort zum Beispiel auch um die Frage von Struktur- und Wirtschaftsförderung. Diese Kommission hat, wie ich finde, eine ganz große Bedeutung für unser Land. Sie ist fast genauso wichtig wie die Umsetzung der Ergebnisse aus der Kohlekommission, weil dort an den ganz großen Hebeln gedreht werden kann.

Es ist klar, dass die Strukturhilfen erstens nicht mehr nur in alle Himmelsrichtungen verteilt werden können und dass zweitens Strukturhilfen gemessen an sogenannten Prognoseindikatoren künftig früher ansetzen müssen. Kolleginnen und Kollegen, es macht absolut keinen Sinn, dass eine Wirtschaft erst abstürzen muss, damit die Kennzahlen förderungswürdig sind und man erst dann wieder in den Genuss von Strukturhilfen kommen kann. Es wäre besser, sofort und jetzt zu helfen, anstatt später nur zu reparieren. Ich halte das für die deutlich klügere Politik und finde, das müsste eines der wichtigen Ergebnisse dieser Kommission sein, denn es ist etwas, was Bürgerinnen und Bürger von Politik verlangen. Man muss vorausschauend handeln und nicht immer nur beispringen, wenn es im Grunde genommen schon zu spät ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Es gibt sicherlich noch eine Reihe von anderen Feldern und einige Debatten, die nochmal hochflammen. Das Folgende ist meine persönliche Haltung, die ich jetzt ungern für die gesamte Landesregierung vortragen will. Ich möchte sie aber dennoch darlegen, weil sie ohnehin im öffentlichen Raum steht. Es ist die Frage, ob wir angesichts der Herausforderungen sowohl im Strukturwandel als auch bezogen auf die Digitalisierung und die dafür notwendigen Investitionen in Infrastruktur den engen Rahmen der Schuldenbremse so halten können oder nicht. Das ist mehr als nur irgendeine leicht abzutuende linke Spinnerei an der Stelle, besonders wenn ich sehe, wer sich momentan aus den Bereichen der Wirtschaft und der Wirtschaftswissenschaft dazu entsprechend äußert. Ich glaube, wir stehen dort sicherlich erst am Anfang der Debatte, aber sie wird uns ereilen - um das zumindest mal der Vollständigkeit halber erwähnt zu haben.

(Beifall bei der SPD.)

Was die großen Gesellschaftsbelange angeht - dazu haben wir ja nachher noch einen gesonderten Tagesordnungspunkt -, ist im Grunde genommen die Diskussion, die wir jetzt miteinander führen, nur ein erstes konkretes Anwendungsbeispiel. Es geht nämlich darum, wie wir die Transformation in unserer Gesellschaft schaffen, die Transformation in Sachen Klimaschutz hin zu einer ökologisch nachhaltigen Gesellschaft, wozu ganz sicherlich das Thema Energiewende gehört. Es zählt aber auch das Thema Verkehrswende und Wärmewende dazu. All das haben wir noch vor uns, liebe Kolleginnen und Kollegen. Was wir miteinander diskutieren, ist nur ein erster konkreter Anwendungsfall.

Ich finde, wir sollten alles daransetzen, dass diese Wenden tatsächlich auch so angegangen werden, wie es immer gesagt wird: sozial und ökologisch, denn diese Wenden können alle erst dann erfolg

(Ministerin Rehlinger)

reich gemeistert werden. Es soll der Beweis dafür geliefert werden, dass es funktioniert. Ich glaube, dafür ist es noch nicht zu spät, aber es braucht mahnende Stimmen. Machen wir uns in diesem Sinne auf den Weg, diese mahnenden Stimmen zu sein, für unser Land das Beste zu fordern. Ich glaube, da ist noch viel für uns drin. - Herzlichen Dank und Glück auf.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich danke Ihnen, Frau Ministerin. - Als nächsten Redner habe ich auf der Rednerliste den Abgeordneten Marc Speicher für die CDU-Landtagsfraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle hier im Raum sind uns einig darüber, dass das Saarland als Flächenmaß nicht immer herhalten muss, trotzdem gibt es Momente, in denen es passt. Wenn man sich vor Augen führt, dass allein der Flächenverbrauch des Braunkohlenbergbaus in Deutschland 2.700 km² beträgt und damit so groß ist wie unser Bundesland Saarland, dann macht das deutlich, welche Bedeutung der Braunkohlenbergbau in Deutschland noch hat. Deutschland ist Weltmarktführer im Braunkohlenbergbau. 16 Prozent des weltweiten Abbaus finden bei uns in Deutschland statt. Im europäischen Vergleich ist es so, dass in Deutschland dreimal so viel Braunkohle gefördert wird wie in Polen auf Platz 2. Was die Vorkommen betrifft, sind wir weltweit auf Platz 3.

Wenn man sich die wirtschaftlichen Zahlen anschaut, sieht man, dass im Saarland von einer Bruttowertschöpfung von 300 bis 500 Millionen Euro gesprochen wird - das ist viel für uns. Allein der Landkreis Görlitz hat aber eine Bruttowertschöpfung von 900 Millionen Euro, damit doppelt oder dreimal so viel wie unser gesamtes Bundesland. Ähnliches gilt für den Bereich des Landkreises Spree-Neiße. Wenn man auf die Beschäftigten und die Arbeitsplätze schaut, sind das im Revier Lausitz 8.000 Mitarbeiter. Rechnet man die indirekten Arbeitsplätze mit hinzu, sind es obendrauf noch weitere 16.000 in 500 Unternehmen. Als zweites Beispiel möchte ich das rheinische Revier nennen. Hier sprechen wir von einer Bruttowertschöpfung von 1,7 bis 2 Milliarden Euro und von 9.000 direkt betroffenen Arbeitsplätzen, die wegfallen werden, und von 18.000 Arbeitsplätzen, die indirekt betroffen sind. Das alles macht deutlich, dass wir in diesen Gebieten einen Strukturwandel sehen, der gravierend sein wird. Wir hatten vom Beginn Mitte der Sechzigerjahre bis zum Jahr 2012 rund 50 Jahre, praktisch zwei Generationen, Zeit, sozialverträglich umzustellen und unseren Strukturwandel durchzuführen. Keiner der Beschäf

tigten ist ins Bergfreie gefallen. Es gelang, den Abbau sozialverträglich durchzuführen.

Gestatten Sie mir noch eine persönliche Bemerkung: Herr Lafontaine, seit 20 Jahren hören wir von Ihnen die alte Platte, die alte Leier, was Sie alles als Bundesfinanzminister gemacht haben. Seit 20 Jahren hören wir, was Sie in den wenigen Tagen im Winter 1998/1999 getan haben und was Sie vor allem noch hätten tun können, wenn Sie im Amt geblieben wären. Sie haben damals hingeschmissen, aus einer sehr verantwortungsvollen Position heraus, hingeschmissen als SPD-Vorsitzender und Finanzminister. Sie hatten alle Instrumente in der Hand, mit denen Sie etwas hätten tun können. Seit 20 Jahren erzählen Sie uns, was Sie alles hätten machen können. Wahrscheinlich sind Sie auch der Meinung, wären Sie noch ein paar Tage länger im Amt geblieben, wäre die Regierung nicht von Bonn nach Berlin, sondern von Bonn nach Saarbrücken umgezogen.

(Zurufe von der LINKEN.)

Peter Altmaier hingegen ist geblieben. Es geht nämlich nicht um „hätte“, „wäre“ und „könnte“, es geht um Fakten, es geht um das, was man bewegen kann. Peter Altmaier trägt Verantwortung seit 25 Jahren, in Bonn und in Berlin. Er hat einiges in die Waagschale zu werfen.

(Erheiterte Zurufe: Das stimmt allerdings!)

Er bringt auch mehr Fakten auf die Waage als Sie. Ich möchte noch ergänzend zu dem, was Alex Funk eben gesagt hat, als Beispiel die Bundeswehr nennen: Dass das Saarland heute noch Bundeswehrstandort ist, das haben wir insbesondere Peter Altmaier zu verdanken. In Saarlouis, in Merzig, in Lebach gibt es noch Bundeswehrstandorte. Wäre es so gekommen, wie es ursprünglich geplant war, hätten wir diesbezüglich fast nichts mehr vorzuweisen. Entsprechendes gilt für das Bundesamt für Finanzen, das nach Saarlouis kam und mittlerweile die dreifache Zahl von Beschäftigten hat, verglichen mit der Zahl, die es zu Beginn in den Neunzigerjahren hatte.

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Das ist doch eine ganz andere Dimension!)

Jedes Unternehmen, das es in Deutschland gibt, vom Kleinstunternehmen bis zum Großkonzern, muss die Umsatzsteuer nach Saarlouis schicken, um im Ausland tätig werden zu können. Das, was an Zuwachs hinzukam durch Peter Altmaier beim Bundesamt für Finanzen, mittlerweile Bundeszentralamt für Steuern, entspricht ungefähr dem Zwei- bis Dreifachen eines neu geschaffenen Bundesamtes, wenn man beispielsweise auch betrachtet, was jetzt nach Leipzig ging.

(Ministerin Rehlinger)

Als weiteres Beispiel möchte ich nennen, was im Bereich Verkehr passiert ist: Der Bundesverkehrswegeplan im vordringlichen Bedarf ist heute praktisch leer, weil Peter Altmaier dafür gesorgt hat, dass man hier einiges voranbringt. Ich erinnere beispielsweise an die Ortsumgehung Roden.

Als dritten Punkt möchte ich anführen: Das, was wir allein zwischen 2009 und 2019 als Steinkohlereviere an Absatzfinanzierung vom Bund bekommen haben, entsprach 14 Milliarden Euro für die Subventionierung der Steinkohle auch im Bereich der Hochöfen. Davon hat auch die Hütte in Dillingen profitiert. Zählt man von 2009 bis 2019 zusammen, was der Bund an Anpassungsgeldern, an Ewigkeitslasten übernommen hat, erhält man einen Betrag von 21 Milliarden Euro, der nach Nordrhein-Westfalen und ins Saarland geflossen ist. Das entspricht auch den Beträgen, die nun nach Osten und in die rheinischen Reviere gehen.

Ein letzter Punkt: Es geht um Solidarität. Wir als Saarländer wissen, was es heißt, kumpelhaft zu sein, zu den Kumpeln zu stehen. Die Kumpel im Braunkohlenbergbau haben das gleiche Recht auf sozialverträglichen Abbau, das die Kumpel im Steinkohlenbergbau in NRW und im Saarland hatten. Deswegen: Es geht um Solidarität! Glück auf!

(Beifall von der CDU und bei der SPD.)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter. Das war hinsichtlich der Redezeit eine Punktlandung. - Ich rufe nun für die DIE LINKE-Landtagsfraktion den Fraktionsvorsitzenden Oskar Lafontaine auf.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Debatten sind ja dafür da, auch auf die Argumente der Gegenrede einzugehen. Das, was Sie gerade vorgetragen haben, Herr Kollege, ist wirklich sehr, sehr unklug. Das will ich Ihnen einmal sagen.

(Beifall von der LINKEN.)

Ich saß da wirklich fassungslos auf meinem Platz. Sie haben am Schluss gesagt, der Bund hätte 21 Milliarden Euro für uns aufgewandt. Säße ich hier als Vertreter einer anderen Region, würde ich sagen: Ja nun, was wollen die überhaupt noch? Für ganz Ostdeutschland haben wir 40 Milliarden Euro bereitgestellt, die haben 21 Milliarden bekommen. Wie kann man nur so unklug argumentieren? Sie hätten besser geschwiegen. Zum Rest Ihrer Ausführungen sage ich aus Zeitgründen nichts.

(Beifall von der LINKEN.)

Zu den Ausführungen von Frau Wirtschaftsministerin Rehlinger möchte ich sagen, dass ich Ihre Ausführungen zu den Investitionen später bei meinem Bei

trag zum entsprechenden Tagesordnungspunkt aufgreifen werde. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle nicht zu nahe treten, sondern einfach nur warnen: Wenn man sich auf die Kohleverstromung reduziert, wird das darauf hinauslaufen - das gilt auch für Sie, Herr Kollege Roth -, dass die Kraftwerke auf Gas umgestellt werden, und das war's dann. Ich glaube nicht, dass Sie das wollten. Ich glaube, dass wir „Kohleausstieg“ sagen müssen, und das ist eben nicht nur -

(Abg. Roth (SPD) : Aber immerhin auf Gas!)

Ja gut, wir haben immer gesagt, jeder Fortschritt wird begrüßt. Selbstverständlich. Aber wir müssen uns auch fragen: Reicht das oder reicht es nicht? Jetzt reden wir über das „Reicht nicht“, das wollte ich dazu sagen.

Sie haben ja in sanfter Form den Bundeswirtschaftsminister mal in Schutz genommen, mal auch angegriffen. Das ist einfach auch notwendig, selbst wenn sich die Kolleginnen und Kollegen der CDU aus verständlichen Gründen vor ihn stellen und versuchen, ihn in Schutz zu nehmen. Ich bleibe aber bei unserer Auffassung, dass es einfach nicht geht, dass jemand so lange ein Ressort verwaltet und dabei nichts rüberbringt.

(Beifall von der LINKEN.)

Der Kollegin Schmitt-Lang muss ich sagen: Das ist alles wunderbar, was Sie aufgezählt haben. Das kommt mir alles bekannt vor. Ich könnte jetzt Hüte ziehen, da würde sich aber Ihr Kollege wieder aufregen. Das will ich alles nicht tun. Ich will Ihnen nur sagen: Auch die anderen Bundesländern haben MaxPlanck-Institute und DFKIs und das alles, was Sie erwähnt haben. Das haben auch die anderen Länder, das hat in der Debatte keine entlastende Funktion. Darauf möchte ich Sie nur hinweisen.

Der Kollege Roth hat ja den kleinen Trick versucht zu sagen: Alle sind jetzt aufgerufen, also machen Sie von den LINKEN jetzt auch einmal etwas! - Das ist ja wunderbar, was hätten wir tun sollen?

(Zuruf des Abgeordneten Scharf (CDU).)

Hätten wir nach Brandenburg gehen sollen und sagen sollen: Verzichtet jetzt mal auf eure Gelder und gebt uns etwas ab! - Ich glaube, dieser Ansatz ist wohl nicht ganz ernst zu nehmen. Es ist nun mal so, dass die Leute angesprochen werden müssen, die auch im Bund die Mehrheit haben. Denn die werden letztlich entscheiden, was in den Haushalt eingestellt wird beziehungsweise was die Regierung als Vorlage bringt. Das war immer so. Manchmal habe ich den Eindruck, als wäre dieser Umstand gar nicht mehr bekannt.