Protocol of the Session on February 10, 2010

(Abg. Willger-Lambert (B 90/GRÜNE) )

Nicht zuletzt aus diesem Grund hat die damalige CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der ich angehörte, im Bundestag die Pläne von Minister Scholz abgelehnt, denn damit hätten wir die Option zu einem Auslaufmodell gemacht.

(Beifall bei CDU und FDP. - Zuruf der Abgeord- neten Rehlinger (SPD).)

Und schließlich: Auch den Kreisen, die in eine getrennte Aufgabenwahrnehmung gehen werden, muss ein eigenverantwortlicher kommunaler Einfluss auf die Arbeitsmarktpolitik bleiben. Das Steuerungssystem der Bundesagentur funktioniert sicherlich gut bei Kurzzeitarbeitslosen und Menschen, die nahe am Arbeitsmarkt sind. Es hilft jedoch nicht weiter bei der Bekämpfung der verfestigten Langzeitarbeitslosigkeit. Wir dürfen auch die Menschen - und das sind leider viele -, die seit Anfang 2005 mehr oder weniger noch immer durchgehend Arbeitslosengeld 2 beziehen, nicht vergessen. Um ihnen einen Weg aus dem Transferleistungsbezug zu ermöglichen, brauchen wir passgenaue Hilfen vor Ort, die nur eine Kommune erbringen kann.

Herr Kollege Scharf -

Dieser Weg der dezentralen Entscheidungskompetenz entspricht zutiefst unseren christlich-demokratischen Wertevorstellungen von Subsidiarität. Deshalb werden wir ihn engagiert weitergehen. - Ich danke Ihnen herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei CDU und FDP.)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Eugen Roth.

Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die bessere Vermittlung und Behandlung von Langzeitarbeitslosigkeit betroffener Menschen ist ein zentrales Anliegen meiner Fraktion und - wie ich glaube - ein zentrales Anliegen aller Fraktionen in diesem Landtag und darf nicht im Mittelpunkt eines parteipolitischen Gezänks oder von Behördenzuständigkeitsreiterei stehen. Von daher ist die Umkehr innerhalb der Union, die sich jetzt durch die Vermittlung des hessischen Ministerpräsidenten Koch eingestellt hat, von ihrer Richtung her sicherlich zu begrüßen.

Ich muss allerdings gestehen, dass mir die Debatte und insgesamt der Charakter dieser Aktuellen Stunde heute Morgen schon etwas bizarr vorkommt, und zwar deshalb, weil Herr Koch aus meiner Kenntnis heraus bisher immer für Verschärfungen von Arbeitsmarktmaßnahmen gegenüber den von Lang

zeitarbeitslosigkeit betroffenen Menschen gestanden hatte. Was er jetzt eingeleitet hat, dürfte seinen Grund nicht darin haben, dass er plötzlich sein Faible für die Langzeitarbeitslosen entdeckt hätte, sondern darin, dass die Bundesminister Ursula von der Leyen, Thomas de Maizière und Wolfgang Schäuble in einem Schreiben an alle CDU-Bundestagsabgeordneten vom 29. Januar dieses Jahres - also vor gerade einmal etwa 14 Tagen - eindeutig erklärt haben, dass es verfassungsrechtlich in höchstem Maße bedenklich sei, die existierenden Optionskommunen abzusichern, was ja eine politische Forderung vor allem auch von Herrn Koch war. Dies hat letztendlich dazu geführt, dass die Süddeutsche Zeitung am 03. Februar titelte: „Erste Niederlage für Ursula von der Leyen“. Also bitte: Wenn jetzt schon wieder die Schuldkarten verteilt werden, wie es Kollegin Willger-Lambert in Richtung der LINKEN vorhin getan hat, sollten wir sauber bei dem bleiben, was bisher Faktum war.

(Zuruf des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Auch GRÜNE und SPD sind ja an dem, was bisher gelaufen ist, nicht ganz unschuldig. Ich möchte nur einmal die Nacht der langen Messer damals erwähnen - die Union war mit dabei -, als man diese Reformen unter Zeitdruck beschlossen hat. Herr Koch hatte in einer Linie immer für Verschärfungen zulasten der Arbeitslosen gestanden. Er hatte immer gesagt, die Arbeitslosen sollten nicht in der Hängematte liegen. Also bitte die Kirche im Dorf lassen, wie es so schön heißt.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Was mich auch etwas komisch angemutet hat: Kollege Scharf, ich möchte es nicht so scharf machen, aber mir ist bekannt, dass Sie und der heutige Landrat des Kreises St. Wendel gegen die Optionskommune gestimmt haben. Da müssten Sie uns irgendwann einmal erklären, woher dieser Sinneswandel kommt.

(Abg. Scharf (CDU) : Fragen Sie einmal nach, ob es so war.)

Ja, das ist ganz spannend, das können Sie hier ja erklären. Kommen Sie, ergreifen Sie das Wort und sagen Sie es uns! Wir sind alle sehr gespannt.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Und ich möchte auf ein Drittes hinweisen, nämlich die Tatsache, dass die SPD-Fraktion damals unter meinem heute leider erkranken Kollegen Volker Schmidt und unter Peter Gillo bereits am 01. April des vergangenen Jahres einen Antrag mit der Überschrift „Zukunft für die Argen und Optionskommune Klarheit für Arbeitslose und Beschäftigte in Jobcentern“ eingebracht hatte. Wegen des knappen Zeitkorsetts erspare ich es mir, die Diskussion zu wiederholen. Jedenfalls hat die CDU-Mehrheitsfraktion

(Abg. Scharf (CDU) )

das damals abgelehnt. Wir könnten also mindestens 10 Monate weiter sein, wenn wir uns damals nicht so sehr nach Hessen orientiert und gefragt hätten, was Herr Koch wirklich meint und was die CDUFraktion darf und was nicht.

Eines ist mir in dem ganzen Spiel bisher etwas überbewertet worden. Es war ein guter Ansatz, aber es ist leider nur eine Fußnote der Arbeitsmarktgeschichte, nämlich die Frage, ob das Saarland dies als Bundesland machen könne. Das wäre eine durchaus überlegenswerte Idee, es ist aber nur eine Protokollnotiz von Hamburg und dem Saarland. Mit Erlaubnis darf ich die Protokollnotiz eines Beschlusses der so genannten B-Länder zitieren: „Hamburg und das Saarland gehen davon aus, dass die Bundesregierung klärt, inwiefern den Ländern die Möglichkeit eröffnet werden kann, selbst die Aufgaben nach SGB II wahrzunehmen.“ - Ich befürchte, das hat in der Bundespolitik nicht annähernd die Bedeutung gespielt, wie sie uns dargestellt werden sollte.

Ein Letztes zum Abschluss: Wir müssen uns in der Tat über den öffentlichen Beschäftigungssektor unterhalten. Ich bin froh, dass es mittlerweile mehrere gibt, die mitmachen wollen.

Herr Kollege -

Herr Präsident, es ist mein letzter Satz, es ist aber ein kleiner Bandwurmsatz.

(Heiterkeit.)

Ich hatte das bereits im Jahr 2006 eingebracht. Als Letztes möchte ich sagen, dass wir sehr stark von den Kirchen unterstützt wurden. Kollege Meiser, die Kritik, die Sie an Bischof Ackermann und damit an der Aktion Arbeit des Bistums Trier, das Träger dieser Aktion ist, in der Zeitung geübt haben, halte ich für beschämend. - Danke.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Barbara Spaniol.

(Abgeordneter Ulrich (B 90/GRÜNE) verlässt den Saal.)

Herr Ulrich, wir warten gerne, bis Sie draußen sind.

(Lachen und Beifall bei den Oppositionsfraktio- nen. - Zuruf: Geht das auch von der Redezeit ab?)

Ich hoffe nicht.

(Zuruf.)

Es ist Ihr Partner. Schauen Sie, wie Sie mit ihm zurechtkommen. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ursache für das arbeitsmarktpolitische Dilemma rund um die Organisationsstruktur der Jobcenter ist nicht die Arbeitsfähigkeit vieler Argen oder die fachliche Zuständigkeit oder alles drumherum, sondern Ursache all dieser Auswüchse ist eine generelle Fehlkonstruktion der gesamten Hartz-Gesetze, die gestern vom Bundesverfassungsgericht höchstrichterlich festgestellt worden ist. Wir diskutieren heute auch darüber, dass die CDU im Bund endlich erkannt hat, dass das von ihr verschuldete, unwürdige Gezerre um die Strukturen der Jobcenter Lösungen für den Arbeitsmarkt blockiert hat. Ein wirklich wertvolles Thema für eine Aktuelle Stunde heute wäre gewesen, dass Hartz 4 mit dem Karlsruher Urteil endgültig gescheitert ist. Das Karlsruher Urteil ist eine längst überfällige schallende Ohrfeige für eine Politik der Demütigung, der Repression und Lohndrückerei. Sie werden natürlich alle Schlupflöcher suchen, aber Sie kommen nicht drumherum, dass diese Politik gescheitert ist.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Wir begrüßen es, dass das Urteil dazu genutzt werden muss zu regeln, was ein menschenwürdiges Leben ausmacht, was ein Mensch zum Leben braucht. Eine für viele neue Erkenntnis, wie ich betonen möchte, kommt hinzu: Fast alle Bezieher von Hartz 4 wollen arbeiten. Hören Sie gut zu. Das war der wichtigste Satz der Schlagzeile von vorgestern und das Ergebnis - man höre und staune - einer Studie des DIW, das sicherlich nicht der LINKEN nahesteht. Damit sind auch die Vorurteile widerlegt, die immer noch in vielen konservativen Köpfen zu den Themen Arbeitsmoral und Erwerbslosigkeit festsitzen.

Die Debatte um die Neuregelung der Jobcenter ist von Anfang an nichts anderes gewesen als ein unwürdiges Tauziehen, das auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen worden ist, auf dem Rücken der Erwerbslosen, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Argen und der Optionskommunen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Unabhängig davon, wie dieses Tauziehen ausgehen und wer es am Ende gewinnen wird, ist es so, dass den betroffenen Erwerbslosen - und da machen wir uns nichts vor - völlig egal ist, wie eine Struktur aussieht und wie die Behörde heißt, die sie berät. Entscheidend ist etwas ganz anderes: Die zentrale Herausforderung, um die es wirklich geht, ist die Unterstützung und Betreuung von Langzeitarbeitslosen, und zwar möglichst unbürokratisch und effektiv aus einer Hand. Es geht um Menschen. Es geht um Menschen, die in der Regel kein finanzielles Polster haben, sodass jede Fehlfunktion einer Struktur zum Beispiel beim Ausbezahlen von Leistungen gleich

(Abg. Roth (SPD) )

existenzielle Folgen hat. Das ist das Problem. Die Jobcenter kommen immer wieder der sofortigen Zahlung an Betroffene nicht nach. Widersprüche liegen monatelang ohne Bearbeitung in den Ämtern. Betroffene müssen erst mit Klagen drohen, bevor sich etwas tut.

Die Betroffenen brauchen qualifizierte Beratung auf Augenhöhe von Beratern, die auch die Zeit haben, sich gezielt zu qualifizieren, und nicht in befristeten Arbeitsverträgen geparkt werden oder in Teilzeit angestellt sind.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Mit einer solchen Personalpolitik kann keine optimale Betreuung von langzeitarbeitslosen Menschen durchgeführt werden. Das Folgende habe ich an dieser Stelle schon einmal erwähnt. Aus einer Antwort auf einer Anfrage der LINKEN im Bundestag ging hervor, dass bei der Regionaldirektion RheinlandPfalz/Saarland 30 Prozent der Arge-Mitarbeiter, die Langzeitarbeitslose betreuen, nur einen befristeten Arbeitsvertrag haben. Das gibt es in keiner anderen Regionaldirektion. Hier müssen wir ansetzen. Es wird ebenso deutlich, dass es nicht um Repressalien geht, sondern darum, Arbeitssuchenden zu helfen. Dazu muss die Qualität der Beratung verbessert werden. Dazu gehört es, die Eignung der Beschäftigten in den Argen für ihre verantwortungsvolle Tätigkeit deutlich zu verbessern. Dazu muss sichergestellt werden, dass es einen ausreichenden Personalstamm von unbefristet Beschäftigten gibt.

Ich komme zum Schluss und fasse zusammen. Der Dachverband Unabhängiger Erwerbslosen- und Sozialhilfeinitiativen fordert zu Recht Leistungen aus einer Hand und Schluss mit Sanktionen, wenn es um das Existenzminimum geht. Das bringt es auf den Punkt. Erwerbslosigkeit ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und mit einem Flickenteppich an Zuständigkeiten wird das Problem nicht gelöst. Jede Neustrukturierung muss zum Ziel haben, die Rechtsstellung der Leistungsbezieher zu stärken.

Frau Kollegin Spaniol -

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Der Streit um behördliche Zuständigkeiten bleibt verantwortungslos, solange die Betroffenen nicht über eine Demokratisierung eingebunden werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer.