Liebe Frau Kollegin Spoorendonk, könnte es nicht sein, dass man dieses ambitionierte Programm, das Sie eben beschrieben haben, eher dann gemeinsam erreichen kann, wenn man sich jedenfalls über die Grundrichtungen einig ist? Dazu stellt unser Antrag genau die Fragen. Wir haben eben zur Kenntnis genommen, dass Union und FDP eine ganz andere Vorstellung von finanzieller Ausrichtung in Europa haben. Braucht man nicht die Antwort auf die Grundfrage, um das zu leisten, was Sie eben angesprochen haben?
- Lieber Herr Kollege Stegner, der Meinung könnte man durchaus sein. Ich muss aber sagen: Bei solchen Anträgen - es werden nicht die letzten sein stehen wir immer vor der Frage: Was können wir als schleswig-holsteinisches Landesparlament bewegen? Das muss das Zentrale sein. Wir können nicht einfach sagen: Wir sind politisch denkende Menschen, wir haben unsere Parteien und dort wollen wir Einfluss ausüben. Wir müssen uns mit dem befassen, was wir als Landespolitik in diese Debatte hineinbringen wollen. Darum sage ich, es ist notwendig, dass der Europaausschuss in einer qualifizierten guten Beratung sagt: Das ist unser Anliegen als schleswig-holsteinisches Landesparlament. Ansonsten - dabei bleibe ich - werden solche Debatten immer damit enden werden, dass man sagt: „Schön, dass wir mal darüber geredet haben.“ Das kann nicht die Linie sein.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der Fraktion der SPD, der hier heute von Herrn Stegner eingebracht wurde, versucht offensichtlich ein Problem zu lösen, ohne es zu benennen. Denn an keiner Stelle dieses Antrages wird auch nur im Ansatz auf das eigentliche Problem, auf die Ursache dieser Finanzkrise, eingegangen. Deshalb will ich sie hier noch einmal hinzufügen.
Die derzeitige Finanzkrise ist eine Staatsschuldenkrise. Sie ist die Folge einer jahrzehntelangen Schuldenpolitik. Herr Stegner, dafür sind zunächst einmal nicht die Banken und auch nicht die Finanzinvestoren verantwortlich,
(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Herr Stegner ist wahrscheinlich schuld! - Zurufe von der SPD)
- man merkt ja, wie aufgeregt Sie an dieser Stelle sind -, sondern diejenigen sind dafür verantwortlich, die über Jahrzehnte hinweg in ihren staatlichen Haushalten regelmäßig mehr ausgegeben als eingenommen haben. Zu einem großen Teil haben sie dann auch noch - das holt sie jetzt wieder ein staatliches Vermögen veräußert, um dies auch noch aufzubringen. Das ist die eigentliche Ursache. Ohne diese jedes Jahr wieder neu umzuwälzenden großen staatlichen Schulden gäbe es diese Finanzmärkte überhaupt nicht, dann gäbe es nur Finanzmärkte, denen nur tatsächliche Werte gegenüberstünden, nämlich die, die in der Wirtschaft benötigt werden.
- Herr Stegner, dass Sie das nicht verstehen! Man ist versucht zu hinterfragen, was eigentlich der Unterschied zwischen den gefälschten Haushaltsdaten ist, mit denen Griechenland den Weg in die EuroZone eröffnet wurde, und den von Ihnen hier vorgelegten Haushaltsdaten, als Sie Finanzminister waren.
Der Unterschied ist ganz eindeutig zu erklären: Die griechische politische Führung hat es verstanden. Das ist der Unterschied. Sie sind noch weit davon entfernt.
(Beifall bei CDU und FDP - Rasmus Andre- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So et- was nennt man Finanzminister! - Weitere Zu- rufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN - Glocke des Präsidenten)
Es wird beklagt, dass immer noch kein umfassendes Finanzgesamtkonzept vorliegt. Ja, in der Tat, es gibt keine einheitliche Wirtschaftspolitik. Ja, es gibt keine einheitliche Sozialpolitik, und ja, es gibt auch keine einheitliche Finanzpolitik. Ich wüsste auch gar nicht - wenn ich sehe, wie wir uns über diese einzelnen Facetten dieser Politikbereiche im Landtag von Schleswig-Holstein schon auseinandersetzen -, wie es gelingen sollte, dies zu erreichen.
Was es jetzt gibt, ist ein Weg zu einer Fiskalunion, der bedeutet, dass es eine gemeinsame Verantwortung der Länder in Europa, in der Europäischen Union, gibt. Es gibt eine gemeinsame Verantwortung dafür, dass mittelfristig die öffentlichen, die staatlichen Haushalte in ihren Einnahmen und Aus
gaben ausgeglichen sind und nicht mehr auf Kosten noch nicht geborener Generationen heutiges Leben organisiert wird. Das ist die Verabredung auf dem Weg zu einer Fiskalunion, die jetzt von 26 Ländern unterstützt wird. Deshalb weiß ich auch gar nicht, weshalb von einer Zersplitterung die Rede ist. Großbritannien hat sich schon häufiger einmal auch in anderen Fragen „vom Acker gemacht“.
Die Fragen, die Sie hier angesprochen haben, sind teilweise zweifellos geeignet, dazu auch einen Beitrag zu leisten, Herr Stegner. Das ist überhaupt keine Frage. Wenn wir uns allein in diesem Raum umsehen, wird deutlich, wofür wir alles technische und sonstige Prüfungen festgelegt haben. Jede Steckdose ist mehrfach mit Zertifikaten belegt, damit sie keinen Schaden anrichtet. Aber Finanzmarktprodukte sind immer noch - obwohl sie meist viel größere Schäden anrichten können - ungeprüft. Deshalb ist es sicherlich sinnvoll und richtig, diesen Weg zu gehen.
Ich sage Ihnen aber, wenn Sie jetzt das Primat der Politik einfordern, dass wir doch hoffentlich nicht zu den Primaten der Politik zurück wollen, die es schon gegeben hat. Es war doch Primat der Politik, Leerverkäufe zuzulassen. Es war doch Primat der Politik, Hedgefonds zuzulassen.
Es war doch Primat der Politik, Griechenland in die Reihe der Euroländer aufzunehmen - und das alles von derselben Regierung, die es damals gegeben hat. Dies heute zu beklagen, ist wirklich ein Problem.
Deshalb sage ich noch einmal: Wenn SchleswigHolstein jedes Jahr 4 Milliarden € braucht, um die fällig werdenden alten Schulden wieder durch neue zu ersetzen, wenn dasselbe für Deutschland in der Größenordnung von 400 Milliarden € gilt, für Frankreich in Höhe von 370 Milliarden € und für Italien in Höhe von 350 Milliarden €, dann muss man sich nicht wundern, dass es Märkte gibt, auf denen damit gehandelt wird. Deshalb gilt es zunächst einmal, eine ganz klare Ansage zu machen, dass man bereit ist, das Wachsen dieser Märkte dadurch zu beenden, dass man künftig nicht mehr endlos neue Schulden auf die alten draufpackt, sondern dass man damit beginnt, gezielt und geordnet in dem Maße, in dem dieser Schuldenberg nicht für die jeweiligen Beteiligten finanzierbar ist, dafür zu sorgen, dass er reduziert wird und auf ein erträgli
Deutschland - ich will sogar noch weiter gehen -, auch das kleine Schleswig-Holstein, das an Deutschland nur einen Anteil von etwas mehr als 3 % hat, jeder, kann in seinem Verantwortungsbereich das Notwendige tun und den notwendigen Beitrag dazu leisten, um Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Dazu einen Beitrag zu leisten, das ist alle Mühe wert.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin nicht nach vorn gekommen, um noch einmal auf die Polemik einzugehen. Ich glaube, das lohnt wirklich nicht, und die richtet sich ja auch selbst.
Das zeigt im Grunde genommen auch nur den Zustand Ihrer Koalition. Darüber entscheiden die Wählerinnen und Wähler am 6. Mai 2012. Wir können sehr sicher sein, was dabei herauskommen wird.
Ich bin noch einmal nach vorn gekommen, weil mich der Beitrag von Anke Spoorendonk und die allerletzten Sätze des Finanzministers dazu angeregt haben, hier noch einmal den Unterschied festzustellen. Jawohl, Rot-Grün hat Fehler gemacht, indem wir die Finanzmärkte nicht genügend reguliert haben. Aber die Forderung der seinerzeitigen Bundesratsmehrheit war nicht, mehr Regulierung, sondern noch weniger Regulierung einzuführen. Das ist doch der Sachverhalt, über den wir hier sprechen.
Das meinte ich vorhin mit der Medizin. Sie wollen noch mehr von der schädlichen Medizin. Wir haben inzwischen wenigstens gelernt, dass es falsch war, auf die Märkte zu vertrauen, dass es auch falsch war, bestimmte Instrumente zuzulassen, die zulasten der Menschen missbraucht worden sind.
ben. Das muss ich Ihnen ehrlich sagen. Mein Demokratieverständnis ist schon, dass die Bürgerinnen und Bürger und die von ihnen demokratisch gewählten Parlamente entscheiden, was passiert und nicht Menschen, die überhaupt nicht für irgendetwas legitimiert sind, weil sie nicht kontrolliert werden und im Übrigen auch nur kurzfristige Renditeinteressen im Kopf haben und nichts anderes. Das ist nicht meine Vorstellung vom Primat der Politik, sondern das ist etwas ganz anderes.
Aber ich finde es ist ganz interessant, was wir heute über den Unterschied gehört haben. Wir unterscheiden uns nicht in der Position darüber, dass konsolidiert werden muss, dass die Haushalte konsolidiert werden müssen, sondern wir unterscheiden uns bei der Meinung dazu, dass das nicht allein ausreichen wird, sondern dass sie dazu auch noch etwas brauchen, was Wachstum und Beschäftigung heißt, dass Sie dazu noch etwas brauchen, was Sozialstandards heißt,
dass Sie dazu etwas brauchen, was Investitionen in Bildung heißt. Er besteht auch darin, dass wir uns diesen nationalistischen Unterton, der immer da ist - und den Sie auch nicht von ungefähr formulieren, denn Sie wissen ja, dass das draußen bei den Menschen Zustimmung findet, weil sie verunsichert sind -, verkneifen.
„Die Zeit“ ist keine sozialdemokratische Zeitung. Aber sie hat in der vorletzten Woche festgestellt daran will ich erinnern -, diese sozialdemokratische Opposition - und das gilt übrigens auch für die Grünen im Bundestag - verkneife sich die reine Oppositionspose, sondern nehme ihre Verantwortung für Europa wahr
und stütze damit eine sehr schwache Regierung, die das intern gar nicht mehr begründen könne. Das schreiben unabhängige Zeitungen über dar, was da geschieht. Und darauf sind wir Sozialdemokraten stolz,
(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Christopher Vogt [FDP]: Unab- hängige Zeitung! Wer ist denn der Herausge- ber der „Zeit“?)
und wir müssen das nicht im parteipolitischen Kleinklein buchstabieren. Denn das ist richtig. Wir haben nämlich Überzeugungen, für die wir eintreten. Und Überzeugung hat auch etwas mit dem Primat der Politik, sehr verehrter Herr Finanzminister.
Herr Kollege Dr. Stegner, ich hoffe Sie stimmen mit mir darin überein, dass immer noch der Kreditgeber darüber entscheidet, unter welchen Bedingungen er einen Kredit vergibt und nicht der Kreditnehmer. Damit wäre also ein Beschluss des Landtages, wir wollen nicht mehr als 2 % Zinsen zahlen, sinnlos, wenn man für 2 % Zinsen keine entsprechenden Kredite bekommen würde.
- So gute Zwischenrufe von der Regierungsbank werden hoffentlich im Protokoll festgehalten, damit sie für die Ewigkeit erhalten bleiben. - Mich wundert manchmal, was Sie hier mit Ihrer Rabulistik erreichen wollen. Ich sage einfach nur, dass wir politische Rahmenbedingungen zu setzen haben und dass das eine Verantwortung ist, die wir haben. Ihre volkswirtschaftlichen grandiosen Analysen von der FDP bringen uns auch nicht richtig nach vorn. Ich weiß gar nicht, warum sie nicht mehr auf Sie hört.