- So ist es nicht, Herr Kubicki. Es gibt das Einmaleins, das lernt man in der Schule. Wir haben einen Zinsstand von ungefähr 1 Milliarde €. Die Bundesanleihen mit einer zehnjährigen Laufzeit liegen bei 1,78 %, das Land hat gerade über 2,37 % abgeschlossen.
Die Differenz beträgt 0,5 %. Wenn man auf zehn Jahre geht, kommt man vielleicht auf eine Differenz von 1 %. 1 % von einer Milliarde sind 10 Millionen. Darüber können wir gern reden, Herr Kubicki. Es sind auf jeden Fall keine 40 Millionen bis 50 Millionen €, die das ausmacht, sondern es ist ein weit geringerer Betrag.
Herr Schippels, da ich 18 Jahre Finanzpolitik im Landtag gemacht und lange Zeit dem Finanzausschuss angehört habe, frage ich Sie freundlicherwei
se: Wissen Sie, wie hoch der Schuldenstand des Landes Schleswig-Holstein ist? Wissen Sie, wie viel Milliarden € das Land Schleswig-Holstein jedes Jahr revolviert, wie viel Neuverschuldung das Land jedes Jahr aufnimmt - nicht Nettoneuverschuldung -, um alte Schulden zurückzuzahlen?
Ich weiß aber auch, dass wir sehr lange Laufzeiten haben, in der Regel zwischen fünf und sechs Jahren. Insofern ist Ihre Rechnung eine Milchmädchenrechnung.
Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass das Land SchleswigHolstein jedes Jahr etwa 4 Milliarden € revolviert und dass 1 % von 4 Milliarden 40 Millionen sind? So weit können Sie rechnen?
Ich sage noch einmal etwas zur FDP: Erst haben Sie das Schlamassel mit Ihrer falschen Wirtschaftspolitik angerührt, und jetzt torpedieren Rösler und Co. auch noch direkt das letzte Vertrauen in Europa. Und das alles nur aus einem Grund - das wurde hier auch schon gesagt -: Es gilt für die FDP, die politische Insolvenz abzuwenden. Das ist völlig verantwortungslos, das ist ein Spiel mit dem Feuer. Hoffentlich bricht dieses Feuer nicht aus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Schülerinnen, Schüler und Lehrer des Berufsbildungszentrums Schleswig und Bürger des Bürgervereins Karlshof-IsraelsdorfGothmund aus Lübeck. - Seien Sie herzlich willkommen!
Für die Fraktion des SSW hat nun die Fraktionsvorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Richtig ist, dass der Europabericht der Landesregierung in dieser Debatte nicht den Stellenwert bekommt, der ihm eigentlich zusteht. Darauf werde
Hier und jetzt geht es um die Rahmenbedingungen, und diese Rahmenbedingungen gelten für uns alle. Darum ist es wichtig, dass wir uns in dieser Debatte damit auseinandersetzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den letzten zehn Jahren sind wir Zeugen geworden, wie einer der zentralen Glaubenssätze des Kapitalismus seine Gültigkeit verloren hat: Die Annahme, dass wirtschaftliches Wachstum dem Wohlstand der Gesellschaften dient, hat sich in Luft aufgelöst, seitdem Hedgefonds und Ratingagenturen nicht davor zurückschrecken, selbst die Weltmächte aufs Korn zu nehmen. Diese Marktkräfte sind keine Naturgewalten. Die Schritte zur Etablierung der neuen Finanzmärkte waren aktive politische Entscheidungen.
In Deutschland wurden Hedgefonds und Kreditderivate 2004 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung zugelassen. Aber die neue Finanzwelt ist kein Freund der Politik und kennt keine moralischen Maßstäbe. Das sehen wir spätestens jetzt, wo Staaten und ihre Währungen zu Jagdwild werden.
Wenn die Politik regulierend eingreifen kann, um die Banken zu stützen, dann hat sie auch die verdammte Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Finanzindustrie unsere Demokratien nicht zerstört.
Deshalb unterstützen wir die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer und einer rigiden Regulierung der Finanzmärkte. Aber es wird, wenn überhaupt, noch lange dauern, bis die Söldner der Finanzwirtschaft wieder entwaffnet sind. Zu einflussreich ist ihre Lobby, zu groß ist ihre wirtschaftliche Bedeutung für die großen Finanzstandorte wie London. Solange sie weiter marodierend durch die Welt ziehen, schwindet aber das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit und die Souveränität der Parlamente und Regierungen und damit in die Demokratie insgesamt.
Wenn etwas durch die deprimierende jüngere Geschichte der Finanzwirtschaft deutlich wird, dann ist es, dass man aufpassen soll, welche Geister man ruft. Dies gilt auch für die Frage, wie sich angesichts der Griechenlandkrise die Ökonomie der Eurozone retten lässt.
Der SSW hat die Einführung des Euro mit großer Skepsis verfolgt, aus guten Gründen, die wir heute bestätigt sehen. Aber es gibt kein Zurück mehr. Wenn wir vor einem weißen Blatt Papier säßen, dann wäre es richtig, die anderen 16 Euroländer zu entlasten und Griechenland wieder die Handlungsspielräume zu geben, die eine eigene Währung bietet. Aber die Folgen dieses Schrittes wären in der Realität derart gravierend und unüberschaubar, dass er keine wirkliche Option ist. Es kann nur um die Frage gehen, wie innerhalb des bestehenden Systems eine Rettung erfolgen kann, die die Attacken der Finanzmärkte auf den Euro stoppt und den Griechen einen Neuanfang ermöglicht.
Die bisherige Politik ist dazu nicht geeignet. Denn es bringt nichts, nun im besten Stile der Weltbank und des IWF neoliberale Reformen durchzudrücken und allein auf massive Kürzungen und Privatisierungen zu setzen. Diese Maßnahmen haben den Effekt gehabt, dass der letzte Rest an griechischer Wirtschaft abgewürgt wurde.
Ohne eine funktionierende reale Wirtschaft wird es dort aber keine Steuereinnahmen, keine nachhaltige Haushaltskonsolidierung und keine Arbeitsplätze geben.
Natürlich braucht die Eurozone eine Schuldenbremsung. Sie muss aber ein Mix aus Ausgabenkürzungen und Einnahmesteigerungen sein, ansonsten endet diese Diät tödlich.
Vor allem aber löst der Schuldenabbau allein nicht die wirtschaftsstrukturellen Probleme des Landes. Ohne eine gezielte Förderung der Wirtschaft wird Griechenland niemals wieder auf die Beine kommen. Insofern ist die Diskussion darüber, ob sich die Eurozone zu einer Transferunion entwickelt, auch recht theoretisch. De facto ist sie es schon, indem die Regierungen notgedrungen die sogenannte „No-bail-out“-Klausel übergangen und Milliarden in riesige Rettungsschirme gepumpt haben, die Griechenland am Ende gar nicht abbezahlen kann. Die Währungsunion kann gar nicht anders als eine Transferunion sein, weil sie aus politischen Gründen Mitgliedsländer aufgenommen hat, die nicht für einen so starken Euro gebaut sind.
Die Frage ist allerdings, welche Konsequenzen aus dieser Erkenntnis gezogen werden. Die Anträge der SPD und der Grünen geben, wie viele Stimmen in der deutschen Debatte, die Losung „mehr politische
Integration“ aus. Diese Forderung nach einer Zentralisierung hat in der deutschen Politik eine lange Tradition. Aus der aktuellen Eurokrise einen Imperativ für eine Wirtschaftsregierung, Eurobonds oder gar für die Vereinigten Staaten von Europa abzuleiten, ist aber wirklich ein theoretisches Unterfangen, das mit der Wirklichkeit anno 2011 sehr wenig zu tun hat.
Liebe Frau Kollegin Spoorendonk, können Sie mir sagen, was mehr Gemeinsamkeit in der Politik der europäischen Staaten mit Zentralisierung zu tun hat?
Wieso sagen Sie, das sei eine Zentralisierung, wenn wir sagen, wir wollten mehr gemeinsame Politik mit den europäischen Ländern machen?
- Lieber Kollege Stegner, ich werde in demselben Dreiminutenbeitrag, den ich vorhin nannte, auf die Anträge zurückkommen. Aber wenn ich sehe, dass von einer Wirtschaftspolitik und einer Finanzpolitik gesprochen wird, deutet das auf sehr viel Zentralisierung hin. Ich will noch einmal sagen: Selbst die größten Idealisten kommen nicht um die Realität herum, dass ein allzu forsches Vorgehen die Union als solche bedroht, und zwar von zwei Seiten. Lieber Kollege Stegner, ich hoffe, dass ich Ihre Frage beantwortet habe.
rung vom Kollegen Stegner, seit 1925 würde die Sozialdemokratie die Vereinigten Staaten von Europa verlangen, und dass er immer noch hinter dieser Forderung stünde, durchaus Zentralisierung beinhaltet?