Protocol of the Session on September 15, 2011

Die Folge: Die Exporte Deutschlands in Europa sind weiter angestiegen, andere Länder wie Griechenland, Italien oder Portugal und Spanien blieben auf der Strecke. Sie gerieten immer mehr unter Druck und müssen jetzt einen Sozialkahlschlag hin

(Dr. Robert Habeck)

nehmen, den diese Länder noch nie gesehen haben. Die Abwärtsspirale bei den Löhnen und Gehältern setzt sich europaweit fort. Die Menschen fallen, die Profite steigen. Wir sagen Nein zu einem solchen unsolidarischen Europa.

Der Kardinalfehler war, Europa mit einer gemeinsamen Währung beginnen zu wollen. Der Euro hätte der Abschluss einer sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung sein müssen.

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE] - Zuruf des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Zuerst hätten die sozialen und ökonomischen Verhältnisse in Europa angeglichen werden müssen. Der Euro hätte dann der Schlusspunkt sein müssen.

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])

Die Ergebnisse dieser falschen Politik haben heute alle vor Augen. - Sie offensichtlich nicht, Herr Fischer. Einzelne Länder werden kaputt spekuliert, das gesamte Projekt Europa steht auf der Kippe.

Wir brauchen eine Komplettrevision der europäischen Verträge. DIE LINKE will einen demokratischen, einen sozialen, einen friedlichen und einen ökologischen Neustart für Europa.

(Beifall bei der LINKEN)

Europa als wirtschaftsliberales Wettbewerbsprojekt ist gescheitert. Deshalb geht der Antrag der SPD auch in die richtige Richtung. Ich freue mich auch über diese Selbstkritik, die in dem Antrag zum Ausdruck kommt.

Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Dolgner?

Ja, gern doch.

Sehr geehrter Herr Kollege Schippels, wenn ich Sie eben bei dem, wie Sie sich die europäische Integration vorstellen, richtig verstanden habe, wäre es dann Ihrer Meinung nach auch richtig gewesen, erst die ökonomischen Verhältnisse in den fünf neuen Bundesländern anzupassen, bevor man eine Wiedervereinigung hätte vornehmen können?

- Sie sagen es. Der Anschluss der DDR damals, die Einführung der D-Mark, hatte - natürlich war die Ökonomie der DDR nicht gerade brillant - zur Folge, dass letztlich alles, was dort gewesen ist, plattgemacht worden ist. Deshalb war das auch der falsche Weg.

(Zurufe)

Erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage?

Man hätte vorher die Ökonomie angleichen müssen und dann erst die D-Mark einführen sollen. Richtig.

Herr Kollege Schippels, ist es also richtig -

(Zurufe von der SPD)

- Entschuldigen Sie, ganz kurz noch: Es gab 1990 einen sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten, der hieß Oskar Lafontaine, der genau dies kritisiert hat, genau diesen Weg der deutschen Einigung. Er hatte recht.

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE] - Dr. Kai Dolgner [SPD]: Der ist nicht ohne Grund jetzt bei Ihnen! - Weite- re Zurufe von CDU und SPD)

Herr Kollege, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage?

Herr Kollege Schippels, gehe ich recht in der Annahme, dass Sie die Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 für einen Fehler halten?

- Ich habe das doch eben gesagt: Ich hätte mir gewünscht, dass der Anschluss nicht nach Artikel 23 des Grundgeseetzes erfolgt wäre,

(Gerrit Koch [FDP]: Ja oder nein?)

dass Deutschland in einem längeren Prozess gemeinsam zusammengefunden hätte.

(Zurufe)

So wurde einfach das übergestülpt, was aus dem Westen kam. Ich hätte mir aus den Erfahrungen

(Ulrich Schippels)

beider deutschen Staaten ein besseres und sozialeres Deutschland gewünscht.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe)

Europa als wirtschaftsliberales Wettbewerbsprojekt aufzubauen, ist vollends gescheitert. Der Antrag der SPD geht deshalb in die richtige Richtung, und ich freue mich über die Selbstkritik der Sozialdemokratie. Herr Stegner, Sie haben recht, die Medizin der Konjunkturprogramme ist zwar wichtig, aber sie löst nicht wirklich das Problem, schon gar nicht, wenn es eine Abwrackprämie ist. Man sollte nachhaltigere ökonomische Prozesse in Gang setzen.

Jetzt wird Griechenland durch die Auflagen kaputtgespart. Es wird gekürzt, und das hat auf der anderen Seite Auswirkungen auf die Steuereinnahmen, weil Griechenland in einer wahnsinnigen Rezession ist.

Meine Damen und Herren, wir brauchen - auch da bin ich offensichtlich einig mit der SPD - die Eurobonds. Wir müssen Zeichen setzen, dass Europa die Krise gemeinsam überwindet.

Übrigens hat der eben angesprochene Oskar Lafontaine schon 2008 gefordert, dass wir in Richtung Eurobonds gehen. Wäre die Bundesrepublik dem damals gefolgt, hätten wir viele Verwerfungen, mit denen wir heute konfrontiert sind, überhaupt nicht.

Wir müssen den Spekulanten das Handwerk legen. Deswegen brauchen wir eine europäische Ratingagentur, und wir brauchen selbstverständlich auch die Finanztransaktionssteuer.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Stegner, ich freue mich besonders, dass Sie auf das Heidelberger Programm verwiesen haben. Wenn ich mich recht entsinne, war es das Anknüpfen an Erfurt, die Nachfolge von Görlitz und der Vorgänger von Godesberg, und es war für die Sozialdemokratie das letzte wirklich linke Programm. Ich freue mich, dass Sie jetzt positiv darauf Bezug nehmen. Ich möchte daran anknüpfen und daran erinnern: Das Heidelberger Programm forderte die friedliche Lösung internationaler Konflikte, es verlangte eine internationale Abrüstung - da stehen wir auf Ihrer Seite -, und es verlangte:

„Grund und Boden, Bodenschätze und natürliche Kraftquellen, die der Energieversorgung dienen, sind der kapitalistischen Ausbeutung zu entziehen und in den Dienst der Gemeinschaft zu überführen.“

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben uns bei dieser Politik an Ihrer Seite.

Meine Damen und Herren, wir können uns ein Scheitern der europäischen Idee nicht leisten. Sonst werden weiterhin europaweit rechtspopulistische und neofaschistische Bewegungen und Parteien erstarken - das wurde schon erwähnt -, die wachsende Skepsis gegenüber der Europäischen Union für ihre Zwecke missbrauchen.

Völlig unerträglich sind die Heckenschützen der FDP, Herr Kubicki.

(Zurufe)

Ich habe vorhin davon gesprochen, wir sollten vielleicht Finanzpolitikerinnen und Finanzpolitiker sprechen lassen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Warum spricht denn bei Ihnen keiner?)

Ich möchte einen Faktor erwähnen: Sie haben die Deutschlandbonds angesprochen und gesagt, wenn wir gemeinsame Deutschlandbonds hätten, könnten wir in Schleswig-Holstein pro Jahr 40 Millionen bis 50 Millionen € einsparen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

- So ist es nicht, Herr Kubicki. Es gibt das Einmaleins, das lernt man in der Schule. Wir haben einen Zinsstand von ungefähr 1 Milliarde €. Die Bundesanleihen mit einer zehnjährigen Laufzeit liegen bei 1,78 %, das Land hat gerade über 2,37 % abgeschlossen.