Zunächst einmal haben sich die sozialdemokratischen Kabinettsmitglieder mir gegenüber nicht erklärt, ob sie die Fragen kannten oder nicht. Insofern kann ich das nicht beantworten. Ich weiß nicht, wem Herr Marnette diese Fragen noch zugestellt hat. Ich kann nur sagen, dass es nach den Fragen und den Vorgängen, die ich kenne, so gewesen ist, dass es eine bilaterale Kommunikation zwischen Herrn Marnette und dem Ministerpräsidenten gewesen ist. Es gibt keine formale Notwendigkeit, jede bilaterale Kommunikation zwischen einem Minister und dem Ministerpräsident zeitgleich und automatisch allen Kabinettsmitgliedern zur Verfügung zu stellen.
Mit anderen Worten: Ist es richtig, dass die sozialdemokratischen Kabinettsmitglieder - zumindest von den offiziellen Informationswegen her - diese Vermerke und den Fragenkatalog nicht in ihre Entscheidung mit einfließen lassen konnten?
Ich verweise auf meine vorangegangene Antwort, weil die Frage keinen neuen Aspekt bringt. Ich stelle allerdings die Frage an Sie zurück, ob Sie sicherstellen können, dass Herr Stegner jede bilaterale Kommunikation zwischen ihm und dem Ministerpräsidenten allen anderen Kabinettsmitgliedern zur Verfügung gestellt hat.
Herr Minister, es geht um das Telefonat vom 18. März 2009. Die Fragen in dem Brief der Abgeordneten Heinold kamen relativ kurz nach dieser Zeit - sind also schon etwas älter -, als diese Frage das erste Mal auftauchte. Ist das denn nicht mehr recherchiert worden? Ich kenne das von meiner Handyrechnung so, dass man das nachverfolgen kann, wann man telefoniert hat und wann nicht.
Ich bin nicht der Privatdetektiv der Landesregierung, sondern derjenige, der sich für die Landesregierung äußern soll. Darum verweise ich darauf, was der Ministerpräsident Frau Heinold mit Datum vom 20. Mai 2009 geschrieben hat, und ich verweise darauf, was ich bei den vorangegangenen Fragen darauf geantwortet habe. Ich selber habe übrigens auch keinen Einblick in die einzelnen Telefonabrechnungen des Ministerpräsidenten.
Herr Minister, Sie haben ausgeführt, dass der Herr Ministerpräsident sich nicht erinnern könne, ob es dieses Telefonat mit Herrn Dr. Marnette so gegeben habe, wie das von Herrn Dr. Marnette öffentlich dargestellt wird. Ich frage Sie, ob die Landesregierung den Inhalt dieses Gesprächs für so unbedeutend hält, dass sich der Regierungschef des Landes Schleswig-Holstein wenige Zeit danach nicht mehr daran erinnern kann.
Sie setzen Ihre Tradition fort, dass Sie mich bitten, Dinge zu beantworten, die überhaupt noch nicht als existent bestätigt sind.
Herr Minister, wurden in diesem Zusammenhang im Kabinett auch Fragen von sozialdemokratischen Ministern an den Ministerpräsidenten gestellt?
Das ist mir nach Aktenlage nicht bekannt, aber wir haben ja gehört, dass sie diese Fragen normalerweise sofort zur Verfügung gestellt hätten. Offenbar gab es keinen weiteren Nachfragebedarf.
Herr de Jager, darf ich die Feststellung, dass eine Erinnerung an dieses Gespräch vom 14. nicht vorhanden ist, so verstehen, dass das Kabinett davon ausgeht, dass dieses Gespräch nicht stattgefunden hat? Wenn ja, gibt es dann aus Ihrer Sicht eine andere Interpretation als die, dass Herr Dr. Marnette in diesem Zusammenhang die Unwahrheit gesagt hat?
Ich stehe hier für die Landesregierung und soll die Bewertung der Landesregierung abgeben. Ich habe nicht zu qualifizieren, was Herr Dr. Marnette sagt oder wie Herr Dr. Marnette etwas empfindet, son
dern meine Aufgabe ist, Ihnen auf Ihre Fragen zu sagen, wie die Landesregierung das beantwortet. Ich habe mehrfach gesagt, dass der Kenntnisstand der Landesregierung der ist, dass der Ministerpräsident erklärt hat, dass er sich nicht erinnert, und an anderer Stelle - nämlich in dem Brief an Frau Heinold - die Darstellung von Herrn Dr. Marnette bereits als unzutreffend beschrieben hat.
Herr Minister de Jager, Sie haben eine Antwort auf die Frage des Kollegen Kubicki eben aus internen Kabinettssitzungen zitiert beziehungsweise darauf geantwortet, nämlich wie Sozialdemokraten dort abgestimmt haben. Deswegen frage ich Sie: Trifft es zu, was Herr Dr. Marnette öffentlich geäußert hat, nämlich dass es kritische Nachfragen zum Komplex HSH Nordbank im Kabinett außer von ihm nur von sozialdemokratischen Kabinettsmitgliedern gegeben habe?
Die Frage brauche ich nicht zu beantworten, weil es für Sie ein Leichtes ist, Ihre Mitglieder im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu bitten, die Kabinettsprotokolle durchzusehen.
Bevor wir in die Debatte eintreten, frage ich die Fraktion DIE LINKE, ob ihr Ursprungsantrag durch die Mitantragstellung des Antrags Drucksache 17/57 in diesem aufgegangen und damit erledigt ist?
Dann sind Gegenstand der Beratung der Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW, Drucksache 17/57, sowie der Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP, Drucksache 17/59. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Dann treten wir in die Aussprache ein. Für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Rolf Fischer das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung ist eine der zentralen, ja eine der wichtigsten Aufgaben, denen sich die Politik auf allen Ebenen zu stellen hat. Armut, das heißt schlechtes Wohnen, wenig ungesundes und unregelmäßiges Essen, kein oder kaum Zugang zu Arbeit, Bildung und Kultur. Armut, das heißt, Verlust von Selbstbewusstsein, mehr Isolation und Verzicht auf gesellschaftliche, auf demokratische Teilhabe. Sie alle kennen die Situationen in unseren Städten. Sie alle kennen die Armut von Kindern, insbesondere von alleinerziehenden Menschen. Ich empfehle in diesem Zusammenhang die Lektüre der „Kieler Nachrichten“ von heute, den sehr interessanten Artikel zur Situation der Armut in Deutschland, und ich empfehle Ihnen auch sehr dringend ein Gespräch mit den Vertretern des Kinderschutzbundes hier draußen im Foyer.
16 % der europäischen Bevölkerung, das sind knapp 80 Millionen Menschen, leben unter der Armutsgrenze, darunter mit fast 20 % viele Kinder.
Der vorliegende EU-Aktionsplan für 2010 nimmt dies zum Anlass und fordert uns auf, eine aktive und offensive Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung einzuleiten. Mit dem gemeinsamen Antrag von SPD, Grünen, Linke und SSW wird deutlich, wie sehr uns dieses Thema eint und dass wir bereit sind, über Fraktionsgrenzen hinweg Lösungen zu erarbeiten. Ich bedanke mich bei allen Fraktionen, dass sie diesen Weg frei gemacht haben, insbesondere auch bei Ihnen, die Sie den Ursprungsantrag gestellt haben. Dass wir in dieser Frage zusammenstehen, ist auch nach außen ein gutes Zeichen. Das ist etwas, was die Menschen in diesem Land auch aufnehmen.
Was wir dagegen nicht brauchen, ist Mangel an Mut, Mangel an Ideen und Mangel an politischem Willen. Diese Mängel aber bestimmen zentral den Antrag von CDU und FDP.