Lieber Kollege, ich bin natürlich immer nett. Aber verstehe ich Sie richtig, dass man, wenn nur wenig genug Menschen gegen eine Regel verstoßen, aus Ihrer Sicht sagen kann, man sollte auf Sanktionen verzichten? Das würde dann zum Beispiel auch für die geringe Zahl von Steuerhinterziehern in diesem Land gelten; denn die Mehrheit zahlt brav ihre Steuern. Steuerhinterzieher müsste ich also nicht mehr verfolgen, weil es nur so wenige sind?
Für mich ist es ein Unterschied, ob wir über Sanktionen diskutieren, die sich gegen sozial Schwächere richten, die ohnehin schon sehr stark leiden und sehr viele Probleme haben, oder ob wir über Steuer
hinterzieher reden, denen es meistens recht gut geht. Außerdem ist dies natürlich auch eine Grundsatzfrage der Menschenwürde.
- Dass Sie, Herr Kubicki, mit Menschenwürde nicht viel am Hut haben, wird an Ihrem Verhalten hier sehr eindringlich deutlich.
Aber darum geht es jetzt nicht. Es geht darum, dass es auch eine grundsätzliche Frage der Menschenwürde ist, dass es auch darum geht, welches Bild wir von Menschen haben, denen es schlechter geht als uns selbst. Insofern, finde ich, ist die Frage nach Sanktionen bei Hartz IV eine andere Debatte als die über Steuerhinterzieher.
Ich bin der Meinung, wir sollten uns lieber auf die Menschen konzentrieren, die darunter leiden, nicht in Arbeit zu stehen, die gern wieder einen vernünftigen Arbeitsplatz hätten. Genau deswegen sagen wir, dass ein Sanktionsmoratorium richtig ist, ein Moratorium, das so lange in Kraft gesetzt wird, bis wir Lösungen gefunden haben, die sowohl transparent sind als auch das Problem von Grund auf angehen.
Herr Abgeordneter Andresen, für Ihre Aussage, der Herr Abgeordnete Kubicki habe mit Menschenwürde nichts am Hut, erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf!
(Günther Hildebrand [FDP]: Er soll einmal zuhören, wenn der Präsident mit ihm redet, und sich nicht mit anderen Leuten unterhal- ten! - Zurufe von der CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Stegner, ich bin nicht bereit, kommentarlos hinzunehmen, dass Sie all jene Frauen, die nicht arbeiten, weil sie es so haben möchten, weil sie dazu in der Lage sind und glauben, ihren Kindern damit eine besondere Zuwendung zukommen zu lassen,
Es ist ausdrückliche CDU-Politik, den Frauen, die sich hierfür entscheiden, dies auch zu ermöglichen. Damit kann man seinen Kindern sehr viel Gutes tun.
Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich der Vorsitzenden der SSW-Fraktion, der Frau Kollegin Anke Spoorendonk, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorhin wurde wieder das Argument angeführt: Wie kann man eigentlich bei dem Beschluss einer Schuldenbremse der Meinung sein, dass in diesem Bereich nicht alles so gut ist, wie es sein kann, und dass hier aufgestockt werden müsste? - Das, lieber Kollege Kalinka, war, glaube ich, frei umschrieben das, was Sie noch einmal zur Sprache brachten.
- Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihr wart schon alle einmal in der Situation, euch zu fragen: Wie endet eigentlich dieses sprachliche Bild?
Ich will noch einmal deutlich machen: Der Beschluss einer Schuldenbremse stellt die Rahmenbedingungen für politische Entscheidungen dar. Das ist richtig. Aber „politische Entscheidung“ heißt nicht, dass jetzt alles gekürzt werden muss,
dass nichts mehr übrig bleibt, dass wir uns soziale Verantwortung nicht mehr leisten können. Schuldenbremse heißt, dass wir mit diesen Rahmenbedingungen Prioritäten setzen und die Einkommen unseres Landes verbessern müssen. Schuldenbremse heißt auch nicht: Jetzt muss alles wehtun, und 2020 haben wir das Paradies auf Erden, dann können wir unsere Gesellschaft neu erfinden. Dies ist eine eindimensionale Sichtweise, die nichts, aber auch gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat.
Menschen leben hier und heute, und wir müssen Strukturen weiterentwickeln, wir müssen auch Strukturen erhalten, und wir müssen uns auch überlegen, wie unsere Gesellschaft in zwei, fünf oder zehn Jahren aussehen soll.
Damit bin ich bei der sozialen Verantwortung angelangt. Dieser Ministerpräsident - der heute erkrankt ist; aber der stellvertretende Ministerpräsident ist da - ist auch der Ministerpräsident der sozial Schwachen in dieser Gesellschaft. Das ist er.
Das heißt, diese Landesregierung hat auch eine Verantwortung gegenüber den Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfängern. Ich denke, wir sind uns darüber einig, dass es in diesem Bereich Fehlentscheidungen gegeben hat, dass es in diesem Bereich nicht nur Nachbesserungen geben muss, sondern man sich auch überlegen muss, ob das, was man da erbaut hat, zukunftsfähig ist.
Frau Kollegin, wir sind uns bis jetzt einig. Aber meinen Sie, dass der Hinweis auf die Schuldenbremse nicht dann angebracht ist, wenn man solch ein Feuerwerk neuer Forderungen hört, wie es Ralf Stegner vorgetragen hat?
müssen auch Ressourcen umschichten, und wir müssen uns der Verantwortung stellen, die wir alle gemeinsam für die sozial Schwachen in dieser Gesellschaft haben. So habe ich ihn verstanden, und ich finde, das ist richtig.
Noch einmal zu einem letzten Punkt, der vorhin auch anklang, weil wir auch immer wieder so von Hartz-IV-Empfängern reden. Sie, sehr geehrter Herr Kollege Kalinka, sprachen es auch an. Es wurde hier wieder einmal die Andeutung gemacht: Na ja, nicht alles komme dann auch bei den Kindern an, darum seien Sachleistungen gefragt. Ich finde, dass ist eine pauschale Bemerkung, die so nicht im Rahm stehen bleiben darf.