Protocol of the Session on July 9, 2010

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich dem Kollegen Jürgen Weber.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Koch, ich hatte mir so fest vorgenommen, mich auf Ihren Beitrag zu beziehen und zu sagen: Das sehe ich genauso. Sie machen es einem aber wirklich schwer mit Ihren Sidesteps und Vernebelungsargumenten im Hinblick auf die Bewertung dessen, was wir bisher gemacht haben.

Allerdings: In der rechtlichen Bewertung dessen, was Sie vorgetragen haben, stimmen wir Ihnen zu, und deshalb werden wir den vorliegenden Antrag auch ablehnen, ihm unsere Zustimmung also nicht geben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich möchte dazu drei, vier Sätze sagen: Das ist keine politische Bewertung, sondern eine rechtliche. Wir müssen uns also nicht gegenseitig in der Frage überbieten, wie viel Transparenz und Aufklärung wir wollen. Wir sind auch nicht Mitglieder eines Geheimausschusses. Ich habe das nicht quantifiziert, aber ich gehe davon aus, dass ungefähr 98 % der bisherigen Sitzungen des Untersuchungsausschusses öffentlich waren und nicht nicht öffentlich. Insofern ist dieser Vorwurf meines Erachtens völlig daneben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie verlangen - das ist auch ziemlich tricky - in dem Antrag, dass Protokolle des Aufsichtsrats, des Risikoausschusses - ich muss das vorlesen, das kann ich mir alles gar nicht merken -, Teile des KPMG-Berichtes sowie das Freshfield-Gutachten zur Frage möglicher Pflichtverletzungen von Aufsichtsratsmitgliedern selbst - wie es wörtlich heißt - „unter Wahrung der Geschäftsgeheimnisse Dritter, eigener Kalkulationsgrundlagen sowie“ - das ist das Interessante dabei - „unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte betroffener Vorstandsmitglieder“ veröffentlicht werden sollen.

Sie sind tricky genug und verlangen jetzt nicht, dass die Landesregierung oder der Landtag diese Dinge veröffentlicht, weil sie genau wissen, dass das rechtlich überhaupt nicht geht, sondern Sie sagen, das soll die HSH Nordbank machen. Sie wissen genau, dass diese Rechte eben genau dort zu den

entsprechenden Problemen bei Veröffentlichungen führen. Es geht dann immer um Details, um die Frage, wo sie die Grenzen setzt und welche Details sie veröffentlicht oder nicht veröffentlichen wird, damit Sie dann die von Ihnen schon vorbereiteten Kleinen Anfragen stellen und sagen können, hier wurde die Öffentlichkeit aber hinters Licht geführt. Dieser Trick ist relativ durchsichtig und führt übrigens auch nicht dazu, dass wir im Untersuchungsausschuss zu besseren Ergebnissen kommen können. Wir kommen im Untersuchungsausschuss dann zu besseren Ergebnissen, wenn wir rechtssicher alle Akten, die wir bekommen, heranziehen.

Wir teilen in der Tat die Kritik, was die zögerliche Herausgabe von Akten der HSH Nordbank angeht. Das tun wir übrigens alle. Das werden wir auch weiterhin tun. Wir werden auch bei der abschließenden Bewertung der Ergebnisse zu Urteilen kommen. Vielleicht werden wir uns da nicht in jedem Punkt einig, aber sowohl was die Verantwortung der Bank, was die Vorstandsmitglieder, was die Aufsichtsratsmitglieder und auch was andere, die im Bereich der Bank Verantwortung getragen haben, und sei es beratende Verantwortung, anbelangt, werden wir das deutlich machen.

Diese rechtlichen Tricks, die Sie hier vorschlagen, halten wir für nicht förderlich und auch für zu riskant, um die Ergebnisse zu erzielen, die wir erzielen wollen. Deshalb werden wir - wie gesagt - Ihrem Antrag nicht folgen und ihn ablehnen.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und des Abge- ordneten Lars Harms [SSW])

Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich der Frau Kollegin Ingrid Brand-Hückstädt.

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich danke meinen beiden Vorrednern Herrn Koch und Herrn Weber ausdrücklich. Ich werde in Anbetracht der Zeit meine Rede etwas verkürzen, weil Sie schon sehr viel vorweggenommen haben.

Auch ich möchte sehr deutlich sagen: Wir sind kein Geheimausschuss. Von den 38 Sitzungen - denke ich - sind neun Zehntel in öffentlicher Sitzung abgehalten worden. Das haben wir ohne Probleme getan. Ab und zu wurde es vielleicht einmal etwas schwierig zu entscheiden, ob wir das in öffentlicher oder nicht öffentlicher Sitzung tun dürfen. Darüber haben wir offen diskutiert und dann trotzdem die

Fragen - wenn wir sie meinten stellen zu müssen auch stellen dürfen. Wir haben sie gestellt. Ob wir die jeweils richtigen Antworten bekommen haben, ist eine ganz andere Frage.

Ich verwahre mich deshalb ausdrücklich gegen die Formulierung der Linken, die von einer Geheimaktion und so etwas sprechen. Dieser Ausschuss ist auch nicht intransparent, sondern er ist transparent genug.

Wir haben uns auch fast in jeder Sitzung - so wie der Kollege Koch es gesagt hat - jedes Mal sehr sensibel Gedanken darüber gemacht. Wir haben jedes Mal darüber nachgedacht, ob die Unterlagen, die wir bekommen haben, tatsächlich noch einmal wieder eingestuft werden müssen oder ob wir noch einmal an die Bank herantreten sollten. Ich erinnere auch daran, dass die beiden Vorsitzenden mit dem Geschäftsführer bei der HSH Nordbank gewesen sind und darüber mehrere Gespräche geführt haben, ob es erforderlich ist oder nicht.

Ich möchte hier ganz deutlich sagen, dass uns dieses Problem ständig bewusst ist und wir auch ständig versuchen, es zu lösen. Es darf hier nicht so getan werden, als würden wir über alle diese Probleme hinweggehen.

Der nächste Punkt! Das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit haben wir jedes Mal bedacht und uns jedes Mal überlegt, wie wir an die Öffentlichkeit gehen. Das hat jeweils der Ausschussvorsitzende mit dem Stellvertreter in einer Presseerklärung getan. Auch dort herrscht keine Intransparenz.

Ich stimme dem Kollegen Weber zu, dass der Trick mit dem Antrag der Grünen und der LINKEN, die Landesregierung aufzufordern, Einfluss auf die Aufsichtsratsmitglieder zu nehmen - ich betone diese Formulierung -, schon sehr komisch ist. Das wird in vielerlei Hinsicht, sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht, ausgesprochen schwierig.

Erstens. Aufsichtsratsmitglieder sind zur Wahrung der Unternehmensinteressen verpflichtet für manche offenbar eine neue Erkenntnis hier, wie wir wissen, aber so hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Daraus ergibt sich die Frage: Was wird ein verantwortungsvoll handelndes Aufsichtsratsmitglied wohl tun? Es wird genauso abwägen wie wir im Untersuchungsausschuss zwischen den Interessen der Bank an der Verschwiegenheit und dem Aufklärungsinteresse des Untersuchungsausschusses und der Öffentlichkeit und genau wie wir im Ausschuss handeln. Deshalb braucht man

(Jürgen Weber)

nicht wahnsinnig viel Phantasie, um sich ausrechnen zu können, wie die Entscheidung wohl ausgehen wird.

Zweitens. In ihrer Tätigkeit sind die Mitglieder des Aufsichtsrats keinerlei Weisungen unterworfen, sondern verpflichtet, eigenständig und eigenverantwortlich zu handeln - so der BGH bereits 1982. Auch das möglicherweise eine Überraschung für alle.

Damit ist klar, dass niemand von einem Aufsichtsrat bestimmte Handlungen erzwingen können soll so das OLG ausführlich 1987. Daraus ergibt sich die nächste Frage: Aufgrund welcher rechtlichen Grundlage sollen die Aufsichtsratsmitglieder zu bestimmtem Handeln beeinflusst werden?

Drittens. Die Landesregierung hat kein Mitglied mehr im Aufsichtsrat der HSH Nordbank, im Gegensatz zur Freien und Hansestadt Hamburg, wo der Einfluss der Grünen ja hilfreich sein könnte für Ihr Anliegen, Herr Fürter.

Aus alledem wird deutlich, dass die FDP-Fraktion Ihren Antrag nicht mittragen wird. Das wird Sie nicht verwundern, denn Aufforderungen zu rechtswidrigem Handeln hat sich die FDP aus rechtsstaatlichen Gründen noch nie angeschlossen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt der Kollege Thorsten Fürter das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Koch, da Sie immer gern persönlich werden, auch in Pressemitteilungen, jetzt auch im Plenum, muss ich das einmal zurückgeben. Herr Weber und Frau Brand-Hückstädt haben es verstanden und mit ihren Argumenten abgelehnt. Ich habe den Eindruck, Sie haben nicht einmal verstanden, was wir hier heute beantragen. Das war Ihrem Wortbeitrag zumindest nicht zu entnehmen.

Die HSH Nordbank konnte Anfang 2009 nur durch eine Eigenkapitalspritze von 3 Milliarden € sowie Schutzgarantien von 10 Milliarden € durch die Länder Schleswig-Holstein und Hamburg vor dem Untergang bewahrt werden. Eine Insolvenz mit verheerenden Auswirkungen für die betroffenen Länder hätte sonst auf der Tagesordnung gestanden, denn aufgrund der Gewährträgerhaftung noch in Höhe von etwa 50 Milliarden € stehen die Länder

für Verbindlichkeiten gerade. Deswegen klärt ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die „Beinahepleite“ auf. Die Aufklärungsarbeit hat aber ein dickes Problem. Worum geht es konkret?

Der Ausschuss hat Sachverhalte aufzuklären, die bis in das Jahr 2003 zurückreichen. Im Rahmen der Vernehmungen berufen sich Zeugen oftmals darauf, sich nicht mehr an einzelne Vorgänge erinnern können, schließlich - so heißt es dann - liege die Sache ja auch schon lange zurück. Erstaunlicherweise kommt dieses Argument immer gerade dann, wenn es richtig spannend wird.

Vor Gericht - Herr Kubicki, Sie werden das kennen - macht man in solchen Situationen konkrete Vorhalte aus Akten, sei es zur Auffrischung des Gedächtnisses, sei es zur Aufklärung von Widersprüchen. Aber gerade das ist derzeit aus rechtlichen Gründen nicht möglich.

Warum ist das so? Fast alle der über 100 Akten, die der Untersuchungsausschuss bis heute beigezogen hat, befassen sich mehr oder weniger mit Geschäftsgeheimnissen der HSH Nordbank. Der Ausschuss ist deshalb verpflichtet, die Öffentlichkeit auszuschließen, sofern er sich im Detail mit den Akten der Bank befassen will. So weit haben Sie völlig recht, und deswegen haben die Grünen auch der Einstufung dieser Unterlagen zugestimmt, und sie bleibt auch richtig. Der Ausschuss hatte keine andere Möglichkeit, als so zu entscheiden.

Das bedeutet, dass Vorhalte aus Akten erst nach Ausschluss der Öffentlichkeit möglich sind. Auch der Abschlussbericht des Ausschusses wird zu einem Großteil - ich hoffe, das kommt für die Parlamentarier nicht überraschend - nicht öffentlich einsehbar sein. Der Untersuchungsausschuss - ich bleibe dabei - droht so, zu einem Geheimausschuss zu verkommen.

Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Schleswig-Holstein haben den Rettungsschirm für die HSH Nordbank finanziert. Sie bezahlen die Arbeit des Untersuchungsausschusses. Es müsste deshalb doch selbstverständlich sein - das ist jedenfalls unsere Auffassung -, dass die wesentlichen Unterlagen des Untersuchungsausschusses nicht vor ihnen versteckt werden.

Meine Damen und Herren, wenn wir ehrlich sind, sind die wesentlichen Unterlagen doch sowieso schon bei der Presse. Sie sind beim „Spiegel“, sie sind beim „Stern“, die Aufsichtsratprotokolle, die Gutachten, sie sind beim „Focus“. Ich glaube ehr

(Ingrid Brand-Hückstädt)

lich gesagt nicht, dass diese Geheimnistuerei der Bank am Ende guttut.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Ausschussmitglieder helfen sich, so gut sie können, indem sie aus Zeitungsartikeln zitieren, um die Zeugen auch einmal ein bisschen in Verlegenheit zu bringen. Und was passiert dann? Sie ernten Spott, etwa von Herrn Minister Wiegard. Wenn dem Minister in öffentlicher Sitzung die Berichte diverser Nachrichtenmagazine vorgehalten werden, sagt er dazu wortwörtlich:

,,Und ich kann auch wirklich nichts dafür, dass Sie vielleicht, wenn Sie alt und ergraut sein sollten, immer noch denselben Artikel aus dem ‚FOCUS’ oder dem ‚Stern’ zitieren, auch wenn er der Wahrheit nicht entspricht. Das ist wirklich nicht mein Problem, das ist Ihr Problem …“

Das ist die Situation, die wir im Ausschuss haben. Wir werden dort teilweise verächtlich gemacht.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Es gibt aber eine Lösung, wenn die HSH die aufgelisteten Dokumente - mit den im Antrag genannten Einschränkungen - frei zugänglich macht. Wir verlangen da nichts Weltumstürzlerisches. Wie ich eben schon sagte, sind die Dokumente im Wesentlichen ohnehin schon bei der Presse vorhanden. Frau Brand-Hückstädt, Sie sagen, das sei rechtswidrig. Ich habe kein richtiges Argument gehört, warum ein Kreditinstitut Gutachten, die es in Auftrag gibt, nicht von sich aus der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen kann. Es wäre mir auch neu, dass ein Kreditinstitut nicht von sich aus Dinge der Öffentlichkeit zugänglich machen kann.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit könnten wir auch die Fragen besprechen, wenn es ans Eingemachte geht.

Als der Landtag vor fast genau einem Jahr über die Neubesetzung des Aufsichtsrats debattierte, sicherte Finanzminister Wiegard von dieser Stelle aus zu, dass die Landesregierung ihren Einfluss im Aufsichtsrat weiter behalten wird. Die Information und Rückkopplung der Beteiligungsverwaltung der Landesregierung über alle Angelegenheiten des Aufsichtsrats seien weiterhin sichergestellt - so Herr Wiegard an dieser Stelle. Es ist jetzt einmal der erste Punkt, wo wir das in die Realität umsetzen können, was Herr Wiegard damals versprochen hat.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)