Protocol of the Session on July 9, 2010

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Damit ist klar: Wir können Transparenz bei der Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses herstellen. Das schulden wir den Menschen in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort hat Lars Harms für die SSW-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE stellen heute gemeinsam einen Antrag, dass die Landesregierung ihren Einfluss im Aufsichtsrat der HSH Nordbank geltend machen möge, damit bestimmte Dokumente in öffentlicher Sitzung des PUA zitiert werden dürfen.

Um es gleich vorwegzunehmen: Ich hätte mir gewünscht, dass dieser Antrag unter der Überschrift ,,Tagesordnungspunkte ohne Aussprache“ landet. Dies wäre nicht nur für die Arbeit des PUA von Vorteil gewesen, vor allem hätten sich auch die beiden antragstellenden Fraktionen eine unfruchtbare Debatte erspart.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der geforderte Prüfbericht von Freshfields zu eventuellen Pflichtverletzungen durch Vorstandsmitglieder liegt dem PUA mit der Einstufung VS-NUR FÜR DEN DIEMSTGEBRAUCH bereits vor. Den zweiten Prüfbericht gibt es noch gar nicht. Band 5 des Prüfberichts der KPMG handelt vor allem von den Omega-Geschäften, zu denen besonders der NDR bereits ausführlich berichtet hat. Es ist also davon auszugehen, dass der Presse wesentliche Teile daraus vorliegen. Ähnliches gilt im Übrigen für das Freshfields-Gutachten. Die Protokolle der Aufsichtsratssitzungen sowie der Sitzungen des Risikoausschusses liegen dem PUA bereits vor. Fehlende Protokolle, Berichte, Tischvorlagen oder Präsentationen hat der PUA schon bei der HSH Nordbank angefordert.

Wir haben es hier also mit einer Zusammenstellung von Papieren zu tun, die wir in Teilen bereits haben und die der Presse bekannt sind - oder die es noch gar nicht gibt oder die wir bereits angefordert haben. Das ist die wilde Gemengelage, die wir jetzt haben.

(Thorsten Fürter)

Der PUA hat in den letzten Tagen eine Vielzahl an weiteren Dokumenten angefordert; dazu gehören auch Teile der im Antrag genannten Dokumente. Aus Sicht des SSW wäre es jetzt klug, erst einmal abzuwarten, ob die HSH Nordbank die Papiere bis zur Sommerpause einreicht und - was noch viel wichtiger ist - ob hier etwas Wichtiges drinsteht. Bisher bewegt sich die HSH Nordbank in Sachen Dokumentenvorlage zwischen Taktieren und Kooperieren.

Im PUA haben wir uns darauf verständigt, dass alle Dokumente erst einmal als VS eingestuft werden. Dies bringt nicht nur Vorteile für die Bank, die in Teilen sehr sensible Daten vorlegt, sondern vor allem auch für unsere Arbeit. Die VS-Einstufung ermöglicht uns eine schnelle und umfassende Arbeit, da wir die Dokumente so häufig vorab bekommen und damit bereits arbeiten können. Langwierige Auseinandersetzungen über Vertraulichkeit und damit verbunden über die Herausgabe von Unterlagen bleiben uns so erspart, und das ist ein Riesenvorteil für die Arbeit des Ausschusses, die endlich auch einmal beendet werden muss.

Bei den angeforderten Dokumenten geht es in Teilen um sehr sensible Daten, von denen wahrscheinlich 90 % total langweilig und für unseren Untersuchungsauftrag auch völlig uninteressant sind. Die restlichen 10 % sind wohl brisant; mindestens die Hälfte davon dürfte den Medien aber sowieso schon bekannt sein und damit auch uns allen.

Nach dem vorliegenden Antrag darf die HSH Nordbank zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen Dritter, eigenen Kalkulationsgrundlagen der Bank und den Persönlichkeitsrechten betroffener Vorstandsmitglieder Daten selektieren. Wenn Namen, Zahlen und Infos zu Geschäften herausgenommen werden und die Bank sogar nach eigenem Ermessen entscheiden kann, welche Textstellen öffentlich und welche nicht öffentlich zugänglich gemacht werden sollen, dann fragt man sich schon, welchen generellen Informationsgehalt die vorgelegten Papiere dann überhaupt noch haben können. Ich kann mir vorstellen, dass diese Papiere dann weiß mit Schwärzungen sind, aber viel Inhaltliches wird man dabei wahrscheinlich gar nicht herausfinden können.

Vor allem ist aber die Frage interessant, was eigentlich mit dem Persönlichkeitsschutz der Aufsichtsratsmitglieder und auch der ehemaligen Vorstandsmitglieder ist, wenn sensible Untersuchungen über sie veröffentlicht werden, ohne dass sie juristisch schuldig gesprochen worden sind. Hier geht es um gewollte öffentliche Vorverurteilung, die mit dem

SSW nicht zu machen ist und auf die auch der Kollege Weber eben gerade schon hingewiesen hat.

(Beifall bei SSW, CDU und FDP)

Der vorliegende Antrag macht deutlich, dass es hierbei nicht darum geht, den Auftrag des PUA voranzutreiben: die Kontrolle der Landesregierung durch den PUA. Vielmehr geht es in diesem Antrag um die Selbstdarstellung als brutalstmögliche Aufklärer in der eigenen Partei und in die Öffentlichkeit hinein. Allerdings möchte ich hier ganz klar sagen, dass der Auftrag des PUA die politische Aufklärung und nicht die öffentliche Vorverurteilung und Brandmarkung von einzelnen Personen ist. Der vorliegende Antrag widerspricht daher jeglicher Aufklärungsarbeit des PUA und ist direkt gegen Persönlichkeitsrechte von handelnden Personen gerichtet. Der PUA kontrolliert die Landesregierung das ist jedenfalls das Ziel -, und jetzt soll die gleiche Landesregierung laut Antrag loslaufen, um die Aufklärung ihrer selbst voranzutreiben? Das ist schon etwas, bei dem man sich Gedanken machen muss, ob das sinnvoll ist.

Dies ist in sich schon so ein merkwürdiger Gedankengang, dass ich darüber nur den Kopf schütteln kann - genau wie im Übrigen über diesen Antrag. Es kann doch nicht angehen, dass wir von der Landesregierung verlangen, tätig zu werden, um Dinge aufzuklären, von denen wir meinen, dass wir das bei der Landesregierung müssten. Es gibt dafür Worte, die ich hier leider nicht sagen darf. Aber so richtig zu verstehen ist das Ganze jedenfalls nicht.

Meine Damen und Herren, der Antrag ist also unnütz. Er dient nicht der Aufklärung. Er behindert sogar die Arbeit des Untersuchungsausschusses, weil wir an bestimmte Unterlagen vor diesem Hintergrund möglicherweise gar nicht herankommen. Und er lädt zur öffentlichen Vorverurteilung von Personen ein. Das ist nicht Ziel eines Untersuchungsausschusses. Das Ergebnis muss am Ende stehen und nicht immer vorher scheibchenweise verkündet werden. Eine solche öffentliche Vorverurteilung ist mit uns nicht zu machen. Deswegen werden auch wir diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei SSW, CDU und FDP)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort dem Herrn Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Jost de Jager.

(Lars Harms)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlich wäre es gar nicht mehr notwendig, dass ich nach dem Beitrag des Abgeordneten Harms noch einmal für die Regierung das Wort ergreife, aber ich will es der guten Form halber gleichwohl tun.

Der Antrag begehrt, jegliche Einflussnahme auf die HSH Nordbank zu nutzen, um bankinterne Unterlagen der Öffentlichkeit frei zugänglich zu machen. Ich will gleich eines vorwegsagen: Ich sehe keine Veranlassung, dem Antrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE in der Drucksache zu folgen.

Richtig ist: Die Aufarbeitung der Krise der HSH Nordbank erfordert eine höchstmögliche Transparenz.

(Beifall bei der LINKEN)

Richtig ist weiter: Sie geschieht mit höchstmöglicher Transparenz.

(Beifall bei der CDU)

Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat dazu einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss eingerichtet. Dieser hat einen umfangreichen Untersuchungsauftrag und vielfältige Möglichkeiten, seinen Auftrag zu erfüllen. Er bedient sich aller Möglichkeiten, die ihm die geltende Rechtsordnung eröffnet. Das gilt für SchleswigHolstein, und das gilt ebenso für die Freie und Hansestadt Hamburg.

Dem Informationsbedarf der Mitglieder des Ausschusses sind die Bank und die Landesregierung nachgekommen. Alle relevanten Unterlagen liegen dem Gremium vor und sind damit der parlamentarischen Kontrolle zugänglich. Zudem ist die Landesregierung auch den Aufforderungen des Unterausschusses für Unternehmensbeteiligungen nachgekommen, sodass auch dem für Beteiligungen des Landes zuständigen Gremium weitreichende Dokumente zur Kenntnis vorliegen.

Wenn derartige Dokumente herausgegeben werden, muss Folgendes vermieden werden: dass eine aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht verletzt wird, dass rechtswidrig Geschäftsgeheimnisse weitergegeben werden, dass Rechte Dritter verletzt werden, dass Schadensersatzpflichten entstehen und dass eine unbefugte Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen vorliegen könnte, was eine Straftat wäre.

Aus diesem Grund haben sowohl die Landesregierung als auch die Organe der Bank die Zulässigkeit einer Weitergabe der sensiblen Informationen in jedem Einzelfall sehr sorgfältig geprüft und abgewogen. Zwingende Voraussetzung für die Weitergabe war dabei für die Landesregierung und für die Bank, dass die Vertraulichkeit unbedingt sowohl in rechtlicher als auch tatsächlicher Hinsicht gewährleistet ist. Die zwingend erforderliche Vertraulichkeit wird in Schleswig-Holstein insbesondere durch die Geheimschutzordnung sichergestellt. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss hat selbst dafür Sorge getragen, dass zahlreiche ihm überreichte Unterlagen sekretiert und damit der Vertraulichkeit unterworfen wurden.

Mit dem vorliegenden Antrag würde im Übrigen der Landtag von den Vorstands- beziehungsweise Aufsichtsratsmitgliedern der Bank ein Verhalten fordern, welches geeignet ist, sie dem Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens auszusetzen. Das sollten weder Sie als Plenum tun noch wir als Landesregierung anweisen.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag Drucksache 17/685 mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und SSW gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt worden.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 36 auf:

Gemeinsamer Ethik- und Religionskundeunterricht

Antrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/694 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion DIE LINKE hat die Frau Kollegin Ellen Streitbörger.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das gesellschaftliche Bild in Schleswig-Holstein hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Der Anteil christlicher Schülerinnen und Schüler sinkt, der Anteil konfessionsloser oder muslimischer Lernender steigt signifikant. Die religiöse und weltanschauliche Heterogenität innerhalb der Schulen wird in den Unterrichtsstrukturen nicht ausreichend berücksichtigt.

Mit unserem Antrag wollen wir deshalb der Aufgabe nachkommen, auf diesen Wandlungsprozess zu reagieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Die öffentlichen Schulen sollen Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihren Bekenntnissen oder ihrer Weltanschauung gemeinsam unterrichten. Die Realität aber zeichnet ein anderes Bild. An den Grundschulen wird katholischer oder evangelischer Religionsunterricht angeboten. Ein anderer gleichwertiger Unterricht wie Ethik oder Philosophie existiert nicht. Hier gibt es ganz offensichtlich eine Verletzung der staatlich garantierten negativen Religionsfreiheit, die eine Benachteiligung durch Nichtreligionszugehörigkeit ausschließen soll.

Auch an den weiterführenden Schulen wird im Sekundarbereich I Religion als ordentliches Lehrfach angeboten. Ich zitiere:

„Der Religionsunterricht wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Kirchen als evangelischer und katholischer Religionsunterricht erteilt.“

So heißt es in dem Erlass des Bildungsministeriums.

Diese diskriminierende Haltung gegenüber anderen Glaubensgemeinschaften ist nicht akzeptabel. Außerdem regelt der Erlass, dass Schülerinnen und Schüler anderer Glaubensgemeinschaften dem Philosophieunterricht zuzuordnen sind.

Was aber haben wir davon, wenn ein Teil der Schülerinnen und Schüler den Religionsunterricht besucht und ein anderer Teil den Philosophieunterricht? So kommt man ganz sicher nicht miteinander ins Gespräch. Die Neutralität, die das Grundgesetz zusichert, wäre nur dann gewährleistet, wenn, wie in Berlin und Bremen geschehen, ein gemeinsamer Ethik- und Religionskundeunterricht eingeführt würde.