Protocol of the Session on July 9, 2010

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Abgeordneter Ulrich Schippels das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 31. Mai 2010 haben wir im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss den Vertreter von Freshfields, Herrn Emde, gehört. Herr Emde sollte uns über das sogenannte Freshfields-Gutachten Auskunft geben. Dieses ist vom damaligen Aufsichtsrat der HSH Nordbank in Auftrag gegeben worden, um die Verantwortung für das Desaster um die HSH Nordbank zu klären.

Alle Akten, die der Parlamentarische Untersuchungsausschuss von der HSH Nordbank erhalten hat, sind als „VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“ nach unserer Geheimschutzordnung eingestuft worden. Diese Einstufung erfolgte auf Bitten der HSH Nordbank.

Ein Ergebnis dieser Einstufung war, dass der Parlamentarische Untersuchungsausschuss bei der Befragung von Herrn Emde unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen musste. Dies ist alles andere als hilfreich, zumal Herr Emde nur drei Tage zuvor im Hamburger Untersuchungsausschuss übrigens zum zweiten Mal - in öffentlicher Sitzung ausgesagt hat. Aus juristischen Gründen konnten wir es den Hamburgern nicht gleichtun. Dies ist nicht nur widersinnig, sondern dies ist auch gegenüber der Öffentlichkeit nicht vermittelbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir befürchten, dass der Parlamentarische Untersuchungsausschuss immer mehr zu einem Geheimausschuss wird. Übrigens müssen auch die Ergebnisse dieser nicht öffentlichen Befragungen vertraulich behandelt werden. Auch in einem öffentlichen Abschlussbericht können sie also nicht dargestellt werden. Damit ist das gemeinsam formulierte Ziel des Untersuchungsauftrages, nämlich Konsequenzen für die Zukunft abzuleiten, gefährdet.

Damals wurden die Akten auf Bitten der HSH Nordbank eingestuft. Der Untersuchungsausschuss hat dieser Bitte der HSH Nordbank entsprochen. Zum einen ging es darum, möglichst schnell Zugang zu den Akten zu bekommen. Zum anderen ist auch klar, dass die Qualität - auch die eventuell notwendige Einstufung einer Akte - erst dann bewertet werden kann, wenn man selbst Einblick in diese hat.

Wir als Fraktion DIE LINKE meinen - das ist die Erkenntnis nach einem Dreivierteljahr Untersuchungsausschuss -, dass es keiner Einstufung von Akten bedarf; denn die Geheimschutzordnung auch das haben wir in dem Prozess gelernt - sagt auch jenseits einer Einstufung, dass zum Beispiel Geschäftsgeheimnisse zu wahren sind.

Hierzu gibt es im Hohen Hause unterschiedliche Interpretationen. Deshalb ist zwischen den verschiedenen Interessen abzuwägen. Wir haben unseren gemeinsamen Antrag so formuliert, dass die Rechte der HSH Nordbank und anderer Betroffener auf jeden Fall gewahrt bleiben. Wir wollen, dass die HSH Nordbank nicht alle, sondern nur einige Dokumente der Öffentlichkeit frei zugänglich macht. Ich möchte mit Erlaubnis aus dem Antrag zitieren; denn nicht jeder liest die Anträge zur Gänze:

„Die HSH Nordbank soll die Möglichkeit erhalten, die Veröffentlichung unter Wahrung der Geschäftsgeheimnisse Dritter, eigener Kalkulationsgrundlagen sowie unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte betroffener Vorstandsmitglieder vorzunehmen.“

Wir glauben, dass die Veröffentlichung einiger wesentlicher Materialien, zum Beispiel die des sogenannten Freshfields-Gutachtens oder auch ein Teil des Abschlussberichts der Prüfungsgesellschaft KPMG zum Jahresabschluss 2008, ohne Weiteres möglich sein muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sind der Meinung, dass die Öffentlichkeit, die übrigens mit sehr viel Geld die HSH Nordbank vor einem frühen Tod bewahrt hat, ein Recht hat, zu erfahren, wer die politische Verantwortung für dieses Desaster trägt.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn die HSH Nordbank sich einer öffentlichen Debatte verweigert, dann sollte sie in Rechnung stellen, dass es die Bank ohne das Geld der Menschen in Schleswig-Holstein gar nicht mehr gäbe. Der beste Weg zu Offenheit und Transparenz ist die Einsicht der Verantwortlichen der HSH Nordbank. Das Land Schleswig-Holstein als Miteigentümer hat erheblichen Einfluss auf die Bank. Wir wollen, dass das Land seinen Einfluss nutzt, um endlich eine offene gesellschaftliche Debatte zu diesem Thema führen zu können.

(Beifall bei der LINKEN)

Nur durch Offenheit und Ehrlichkeit kann auch die Bank wieder Vertrauen schaffen. Eine Bank, die

(Präsident Torsten Geerdts)

mauert, die nicht ehrlich und offen mit der Vergangenheit umgeht, eine solche Bank hat auch keine Zukunft.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort für die CDU-Fraktion erteile ich dem Kollegen Tobias Koch.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte 37-mal hat die Opposition seit Bekanntwerden der Krise bei der HSH Nordbank den Rücktritt des Finanzministers gefordert. Kaum eine Pressemitteilung zu diesem Thema, die nicht mit der Aufforderung endete, der Finanzminister müsse umgehend zu den erhobenen Vorwürfen Stellung nehmen.

(Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist kein Rücktritt!)

Vor drei Wochen dann der große Tag der Opposition, die Vernehmung des Finanzministers als Auskunftsperson im Untersuchungsausschuss. Alle Fragen wurden detailliert beantwortet, an keiner einzigen Stelle geriet der Minister in Bedrängnis, und folgerichtig war selbst in den Pressemitteilungen der Opposition anschließend von einem Rücktritt keine Rede mehr.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor- her auch nicht! - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Das haben Sie schon gefordert, be- vor die Aussage überhaupt kam!)

Stattdessen verlangte der Obmann von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nunmehr eine Entschuldigung für die angebliche Täuschung des Landtages bei der Kapitalerhöhung 2008. Allerdings haben sämtliche hierzu befragte Zeugen dieser Sichtweise des Kollegen Fürter klar widersprochen. Auch die vorliegenden Unterlagen belegen eindeutig das Gegenteil. Eine Täuschung des Parlaments kann es logischerweise nicht gegeben haben, wenn dem Parlament vor der abschließenden Gremienbefassung sämtliche relevante Tatsachen bekannt waren.

Dennoch verfährt der Kollege Fürter unverdrossen nach dem Motto: Eine starke Behauptung ist besser als ein schwaches Argument. Mit Ihrem früheren Job als Richter hat das - glaube ich - nicht mehr so richtig viel zu tun, Herr Kollege Fürter.

(Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Immer schön persönlich werden und nicht zur Sache sprechen!)

- Das hat alles einen Zusammenhang, den Sie dann jetzt gleich erkennen werden. Denn nachdem es der Opposition bislang nicht gelungen ist, einen Nachweis für ein Fehlverhalten der Landesregierung zu erbringen, wird nunmehr offenbar an einem weiteren Vorwurf gestrickt. Es wird versucht, den Untersuchungsausschuss in das schlechte Licht eines Geheimausschusses zu rücken. Auch mit dem heutigen Antrag wird unterschwellig der Vorwurf des Vertuschens und Täuschens erhoben. Angeblich könne nur mit der Veröffentlichung bestimmter Unterlagen eine transparente Aufarbeitung vorgenommen werden.

Meine Damen und Herren, zu Beginn der Arbeit des Untersuchungsausschusses waren sich alle Fraktionen darin einig, dass wir den Anforderungen der Bank hinsichtlich der Vertraulichkeit der überlassenen Unterlagen entsprechen. Im Interesse einer sachgerechten und umfassenden Aufklärung haben alle Fraktionen einer diesbezüglichen Einstufung zugestimmt. Nur auf diesem Weg war sicherzustellen, dass sämtliche benötigten Dokumente dem Parlament zeitnah und vollständig zur Verfügung stehen. In § 4 der Geheimschutzordnung heißt es hierzu:

„Den Geheimhaltungsgrad der VS bestimmt die herausgebende Stelle.“

Das ist also die HSH Nordbank. § 7 der Geheimschutzordnung regelt weiterhin, dass Sitzungen, in denen Verschlusssachen behandelt werden, nicht öffentlich stattfinden.

Wer dennoch wie der Kollege Fürter seine Hand dafür hebt, vertrauliche Unterlagen in öffentlicher Sitzung zu behandeln, der verstößt damit ganz klar gegen Recht und Gesetz.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Das geschah im Übrigen wider besseres Wissen, denn im Ausschuss war zuvor die Rechtslage durch den Wissenschaftlichen Dienst des Landtages noch einmal ausdrücklich bestätigt worden.

Bei allem Interesse der Opposition daran, aus der Krise der HSH Nordbank politisches Kapital zu schlagen, darf dieses jedoch nicht zur Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipien führen, Herr Kollege Schippels.

(Ulrich Schippels)

Herr Abgeordneter Koch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schippels?

Ja, das tue ich.

Herr Koch, kann es sein, dass Sie eben etwas aus einer nicht öffentlichen Sitzung preisgegeben haben?

- Nein.

(Beifall und Heiterkeit)

Das kann nicht sein, Herr Kollege Schippels, höchstens das Abstimmungsergebnis. Das haben wir mittlerweile durch den Wissenschaftlichen Dienst des Landtages klären lassen, wie Sie wissen.

Ich will darauf hinweisen, dass im schlimmsten Fall die Veröffentlichung der angeführten Unterlagen sogar die Schadenersatzansprüche gegenüber den ehemaligen Vorständen gefährden würden. Ich weiß nicht, ob Sie sich dieses Risikos bewusst sind. Es ist doch sicherlich keine gute Prozesstaktik, den Betroffenen, den Beschuldigten, die in den Unterlagen enthaltenen Vorwürfe und Argumente jetzt öffentlich zugänglich zu machen.

Insgesamt überwiegt somit der Eindruck, dass der Antrag der beiden Oppositionsfraktionen nicht dem Interesse einer ernsthaften Untersuchung dient, sondern dass allein die politische Auseinandersetzung im Vordergrund steht. Wie schön wäre es doch für die Opposition, anschließend den Rücktritt des Wirtschaftsministers fordern zu können, wenn dieser bei der Umsetzung des gestellten Antrages nicht erfolgreich wäre.

Dieses Spiel machen wir als CDU-Fraktion nicht mit. Gerade den Grünen würden wir empfehlen, mit ihrem Anliegen doch zunächst auf ihre eigenen Regierungsvertreter in Hamburg zuzugehen.

(Beifall der Abgeordneten Ingrid Brand- Hückstädt [FDP] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

Sie werden dann feststellen, dass nicht einmal die Mitglieder des Untersuchungsausschusses in Hamburg Kopien der vertraulichen Unterlagen erhalten haben, sondern dass sie diese lediglich in der Geschäftsstelle des Ausschusses einsehen dürfen.

Versuchen Sie also bitte, weder uns als Fraktion noch die Landesregierung hier in irgendeine Ecke zu stellen, wenn wir Ihren Antrag heute ablehnen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich dem Kollegen Jürgen Weber.