Protocol of the Session on June 18, 2008

(Beifall bei der FDP)

Die neuen Schularten sind mit dem Schulgesetz eingeführt worden, das hier im Landtag Ende Januar 2007 beschlossen worden ist. Erst jetzt - anderthalb Jahre später - bringt die Regierung eine Gesetzesvorlage zum Landesbesoldungsgesetz ein, die sich auf die Folgen für die Funktionsstellenstruktur bezieht. Außerdem möchte die Landesregierung dieses Gesetz bereits zum 1. August in Kraft treten lassen. Für eine vernünftige parlamentarische Bera

(Dr. Henning Höppner)

tung gibt es damit kaum den erforderlichen zeitlichen Spielraum. Sowohl die verspätete Einbringung der Vorlage als auch das hektische Durchpeitschen dieser Gesetzesänderung zeigen das Unvermögen der Großen Koalition, solide Regierungs- und Parlamentsarbeit zu leisten.

(Beifall bei der FDP)

Verstärkt wird dieser Eindruck, wenn man sich den Kosten der neuen Schulleitungs- und Funktionsstellen zuwendet. Meine Vorredner aus den Reihen der Koalition haben das schon zaghaft angesprochen.

Ursprünglich hatte die Landesregierung geglaubt, die nötigen Mittel könnten - Zitat - „im Wesentlichen“ durch Standortkonzentration im Rahmen der Schulentwicklung erwirtschaftet werden. - So steht es in der Vorbemerkung zu dem Gesetzentwurf. Daraus wird aber nichts, weil Schulen vielfach nur umgewandelt, in den seltensten Fällen aber zusammengelegt werden. Das geschieht - wie wir wissen mit dem Segen der Landesregierung, die ihre selbst gesetzten Mindestgrößenvorgaben in einer ganzen Reihe von Fällen nicht ernst nimmt. Die Frage, was das in einigen Jahren angesichts des regierungsamtlich vorausgesagten Rückgangs der Schülerzahlen um 20 % bedeuten wird, ist an dieser Stelle nicht zu erörtern. Landtag und Schulträger werden sich mit diesem Thema in Zukunft aber sicherlich noch öfter zu beschäftigen haben. Was bleibt, sind die Mehrkosten in Höhe von 5,2 Millionen €, die bis 2013 auf den Haushalt zukommen; ab 2014 werden es jährlich eine Dreiviertelmillion Euro sein.

Die Landesregierung will diese Mittel aus der für das Lehrerbudget gebildeten Rücklage finanzieren. Faktisch bedeutet dies, dass Gelder angezapft werden, die im Bedarfsfall für normale Lehrerstellen verfügbar sein sollen. Wer garantiert eigentlich, dass dies nicht eines Tages zulasten der Unterrichtsversorgung geht, und zwar in dem Fall, in dem die Rücklage für das Lehrerbudget tatsächlich für die Finanzierung der normalen Lehrergehälter benötigt wird? Letzteres ist der Zweck, für den diese Rücklage eigentlich gebildet worden ist. Unter Umständen könnten durch eine Inanspruchnahme dieser Mittel für die Beförderungsstellen im Bedarfsfall nicht mehr genügend Mittel zur Verfügung stehen. Mein Vorwurf lautet: Sie haben keine saubere Finanzierung geplant.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

- Dann können Sie die Rücklage ja auf null setzen, wie es der Landesrechnungshof vorgeschlagen hat!

(Beifall bei der FDP)

Entweder benötigt man dieses Geld als Reserve, um die Lehrerstellen bezahlen zu können, oder man benötigt es nicht. Dann kann man auf diese Rücklage allerdings verzichten.

(Wortmeldung des Abgeordneten Holger As- trup [SPD])

- Es tut mir leid, ich kann jetzt leider keine Zwischenfrage zulassen.

Unausgewogen ist der Gesetzentwurf der Landesregierung im Hinblick auf die Eingruppierung von Führungsaufgaben im Bereich der Sonderpädagogik. Koordinatoren für den Förderzentrumsteil einer Regional- oder Gemeinschaftsschule sind danach in die Besoldungsgruppe A 13 mit Zulage eingestuft, ihre Kollegen, die aus der Realschullehrerlaufbahn kommen und eine andere Koordinierungsfunktion übernehmen, erhalten dagegen A 14. Dabei beginnen beide Lehrerlaufbahnen mit der Eingangsbesoldung A 13. Ein Koordinator für den sonderpädagogischen Bereich hat außerdem mit Beratungs- und Präventionsaufgaben im regionalen Umfeld diverse andere Schulen mit zu betreuen, die zusammen 2.000 bis 3.000 Schüler haben können. Es gibt daher keine Rechtfertigung, ihn niedriger einzustufen als zum Beispiel einen Orientierungsstufen-Koordinator, der aus der Realschullehrerlaufbahn kommt.

(Beifall bei der FDP)

Diesbezüglich wird eine Abwertung der Sonderpädagogik erkennbar. Das ist schlecht und passt darüber hinaus nicht zum Schulgesetz, das doch ansonsten immer das Hohelied der individuellen Förderung aller Schüler singt. Der tatsächliche Stellenwert der sonderpädagogischen Förderung der Schüler wird bei Ihren Vorschlägen zum Landesbesoldungsgesetz nicht deutlich.

Sie haben ferner zum Beispiel Beförderungsstellen für Leiter von Regionalseminaren oder Abteilungen an Regionalseminaren des IQSH vorgesehen. Diese gibt es aber schon seit einiger Zeit gar nicht mehr. Sie haben Beförderungsstellen für Sonderschulkonrektoren einer „Sonderschule für Lernbehinderte (Förderschule) “ vorgesehen, obwohl diese Schulform vor anderthalb Jahren mit dem neuen Schulgesetz abgeschafft worden ist. Das Gleiche gilt für die Studienleiterfunktionen an den Landesseminaren für Gesamtschulen oder für berufsbildende Schulen. Diese tauchen dennoch nach wie vor in der Liste auf.

(Dr. Ekkehard Klug)

Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.

Warum haben Sie Funktionsstellen in Ämtern beziehungsweise Dienststellen vorgesehen, die es gar nicht mehr gibt? Diesbezüglich bitte ich um eine Auskunft.

Weiterhin fordert meine Fraktion, zu diesem Thema unbedingt eine Anhörung durchzuführen. Dafür kämen nur die Sitzungen des Finanzausschusses beziehungsweise des Bildungsausschusses am 10. Juli infrage - jedenfalls sofern es weiterhin die Absicht der Koalition sein sollte, das Gesetz in der Juli-Tagung in zweiter Lesung zu beschließen. Die Koalition will das Inkrafttreten zum 1. August. Logischerweise müsste die zweite Lesung dann in der Juli-Tagung stattfinden. Das heißt, dass für eine Anhörung im Finanzausschuss beziehungsweise Bildungsausschuss nur noch der 10. Juli infrage kommt. Es müsste also, abweichend vom normalen Verfahren, rasch eine Einigung darüber geben, die betroffenen Verbände zu einer Anhörung am 10. Juli in die entsprechenden Ausschusssitzungen einzuladen. Anders wäre die schon angesprochene Anhörung überhaupt nicht durchführbar. Bei den vielen Ungereimtheiten, die der Gesetzentwurf enthält, finde ich es wichtig, eine Anhörung durchzuführen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Frau Abgeordnete Angelika Birk das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf die handwerklichen Fehler und die schon aus diesem Grund erforderliche Anhörung ist Herr Dr. Klug bereits eingegangen. Ich kann mir sparen, das zu wiederholen. Ich kann mich seiner Meinung nur anschließen. Dieses Gesetz darf nicht so verabschiedet werden, wie es jetzt vorliegt. Nicht nur aufgrund des verspäteten Vorliegens, sondern auch aufgrund seiner schlechten Lesbarkeit ist es eine Zumutung für die Abgeordneten.

Ich möchte mit meiner Kritik aber etwas weiter ausholen. Vor Monaten schon haben die Grünen mit einem eigenen Antrag zur Änderung des Schulgesetzes die Grundlagen für eine angemessene

Wahl und Vergütung der Leitungsfunktionen in den neuen Gemeinschaftsschulen und Regionalschulen legen wollen. Dieser Antrag wurde von der Großen Koalition abgelehnt und damit die Chance für eine demokratische Legitimation der neuen Schulleitungen und für eine gerechtere Besoldung vertan.

Wir wollten, dass sich Schulleitungen für die Schulen auf der Grundlage ihres Profils bewerben können und vom Schulleiterwahlausschuss gewählt werden. Die Bildungsministerin geht jedoch von einer schlichten Schulzusammenlegung aus. Wie wir jetzt erfahren, ist das zu 75 % noch nicht einmal der Fall. Sie geht also von einer schlichten Umwandlung aus und entscheidet folgendermaßen: Wer bisher die höhere Laufbahn und das höhere Gehalt hatte, leitet zukünftig die neue Schulart. Das Engagement für die neue Schulart und das neue Schulprofil haben mit der alten Schule jedoch oft nichts zu tun. Im Hinblick darauf darf doch zumindest gefragt werden, ob das eine zukunftsfeste Regelung ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was die Landesregierung aber heute mit dieser verspäteten Vorlage vorlegt, ist wirklich erbärmlich. Es ist eine konzeptionslose Fortschreibung der Leitungsfunktionen, und zwar stur nach den Regeln des Beamtenrechts und der alten Schularten: Hauptschule, Realschule, Gymnasium. Die neuen Schularten kommen in dem Gesetzentwurf überhaupt nicht vor. Es soll weitere fünf Jahre - bis zum Jahr 2013 - von der Leitungsfunktion her gedacht, aber bis hinunter zur Ausbildung und Fortbildung nach dem alten Beamtenrecht und nach den alten Schularten - Hauptschule, Realschule, Gymnasium - befördert werden. Das ist ein Skandal!

Es ist klar, dass diese Neuordnung nicht auf einen Schlag zu bewerkstelligen ist. Aber Sie hätten schon einmal damit beginnen und Signale setzen können. Indem Sie die alten Strukturen jetzt aber für weitere fünf Jahre fortschreiben, zeigen Sie, dass es Ihnen nur um ein „Weiter so“ geht. Darüber hinaus gibt es die von dem Herrn Kollegen Klug angesprochenen Benachteiligungen der Leitungen und stellvertretenden Leitungen von Förderzentren. Es drängt sich geradezu auf, dass dahinter der zynische Gedanke steht, dass, wenn auch die Kinder von Förderzentren oft mit Stigmatisierung rechnen müssen, für die Leitungen nichts anderes zu gelten braucht.

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave: Das ist uner- hört!)

- Ja, das ist unerhört. Das, was Sie vorgelegt haben, ist auch unerhört. Dieser Gedanke ist einfach sehr naheliegend, auch wenn Sie das vielleicht nicht so gewollt haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle ist offensichtlich eine Korrektur nötig.

Darüber hinaus ist dem ersten Punkt der Stellungnahme der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zuzustimmen, als sie ganz hart die Beibehaltung der bisherigen Lehrerlaufbahn kritisiert, obwohl sie sich aus den Erfordernissen der geänderten Schulstruktur in keiner Weise rechtfertigt. Das ist einfach ein Armutszeugnis für die zukünftige Besoldungsstruktur.

Wir können verstehen, dass gerade die Lehrerinnen und Lehrer, die sich besonders für die neuen Schulformen engagieren, die Verantwortung übernehmen, die in den letzten zwei Jahren, als sie Schulkonzepte geschrieben haben, nicht gefragt haben, ob sich das für sie einmal lohnt, schon sehr angefasst sind, wenn in dieser Form in die nächsten fünf Jahre hinein keine Änderung erfolgt, sondern einfach stur eine Hebungslogistik vorgeschlagen wird, die einfach der Schulform, der Schulart und der Leistungsgerechtigkeit nicht entspricht - einmal ganz abgesehen davon, dass die Schulleiterwahlausschüsse gänzlich ausgeschlossen werden.

Wir bitten deshalb sehr nachdrücklich darum: Lassen Sie uns auch eine mündliche Anhörung der Verbände machen. Ich weiß, dass sie nicht mit allen unseren Vorschlägen übereinstimmen; das ist mir völlig klar. Handwerklich muss diese Vorlage verbessert werden. Sie muss wenigstens die Tür für eine neue Lehrerbesoldung innerhalb der nächsten fünf Jahre öffnen und darf dieses Thema nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertagen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Angelika Birk. Das Wort für den SSW im Landtag hat nun deren Vorsitzende, Frau Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Landesbesoldungsgesetzes zeigt nach Ansicht des SSW einmal mehr, wie unausgegoren der Kompromiss der Großen Koalition im Schulbereich ist.

Das neue Schulgesetz ist eben nicht Ausdruck einer wirklichen Schulreform, die mit der flächendeckenden Einführung von Gemeinschaftsschulen klare und übersichtliche Strukturen schafft, die längerfristig wahrscheinlich sogar zu Einsparungen geführt hätten. Stattdessen haben wir jetzt eine unübersichtliche Gemengelage, die sogar - wie wir aus diesem Gesetzentwurf ersehen können - zu erheblichen Mehrkosten führt.

Der Kompromiss von CDU und SPD führt dazu, dass wir heute noch nicht einmal sagen können, wie die schleswig-holsteinische Schullandschaft 2010 aussehen wird. Dies wird auch von der Landsregierung im vorliegenden Gesetzentwurf klar gesagt: „Die Zahl der entstehenden … Schulen sowie … Größe ist derzeit wegen noch ausstehender Entscheidungen von Schulträgern … nicht abzusehen.“ Schon dies macht deutlich, wie unsinnig Teile des neuen Schulgesetzes ausgestaltet sind, wenn der kommunale Schulträger je nach politischem Gutdünken selbst bestimmen kann.

Es gibt zwar erste Entscheidungen vor Ort - dankenswerterweise, sage ich für den SSW, vielfach zugunsten der Gemeinschaftsschulen -, aber gerade bei den Regionalschulen wissen wir noch nicht, woran wir sind. Denn Haupt- und Realschulen können auf Antrag des Schulträgers frühestens ab August 2008 zu Regionalschulen umgewandelt werden. Das Gesetz greift erst 2010. Einige Schulträger sind in dieser Frage immer noch sehr verunsichert - verständlicherweise, füge ich hinzu. Wenn mit anderen Worten - sogar der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion daran zweifelt, ob die Regionalschulen eine Zukunft haben, was soll dann der kommunale CDU-Mandatsträger vor Ort denken?

Dazu kann es eigentlich keinen überraschen, dass die Erwartung der Landesregierung, dass sich die neue Schulstruktur durch Standortkonzentrationen selbst trägt, scheinbar nicht eintreten wird. Nach dem jetzigen Stand der Fakten - der Kollege Koch sprach es auch schon an - dreht es sich bei den von den Schulträgern getroffenen Maßnahmen häufig ausschließlich um Änderungen der Schulart, nicht um eine Zusammenlegung mehrerer bestehender Schulen. Bei den Anträgen zur Einrichtung von Regionalschulen - auch das ist nachzulesen - ist dies sogar in 75 % der Fälle so. Dass die Schulträger nicht dazu neigen, von sich aus Schulen zusammenzulegen, kann nun keine Überraschung sein.

Laut Gesetzentwurf rechnet das Bildungsministerium bis 2013 daher mit einem Mehrbedarf von netto 150 Stellenhebungen für das Führungspersonal

(Angelika Birk)

der neuen Schularten. Insgesamt werden sich diese Mehrkosten bis 2013 wahrscheinlich auf über 5 Millionen € summieren. Danach soll sich die jährliche Belastung des Haushaltes auf 750.000 € belaufen - so steht es im Gesetzentwurf. Unmittelbar geht aus dem Entwurf nicht hervor, wie diese Stellenhebungen im Einzelnen zustande kommen. Ich denke, auch dies spricht für eine gründlichere Ausschussberatung, als eigentlich Zeit dafür da ist.

Ich kann auch für den SSW unterstreichen, dass wir natürlich eine Anhörung haben müssen, dass wir im Ausschuss versuchen müssen, die offenen Fragen zu klären.

Wir bleiben aber insgesamt bei unserer Haltung, dass wir so schnell wie möglich eine wirkliche Schulreform brauchen, die klare Vorgaben des Landes für die Schulart, den Schulstandort, den Inhalt von Schule und für die Lehrerausbildung macht. Eine Schulreform aus einem Guss würde nicht nur eine bessere Qualität des Unterrichts sichern, sondern unter dem Strich auch kostengünstiger sein als der jetzige Schulkompromiss von CDU und SPD.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])