Protocol of the Session on January 31, 2008

Insofern bin ich sehr froh, dass unser Antrag, den wir damals gestellt hatten, eine solche Berichterstattung zu machen, um Initiativen vor Ort zu unterstützen, von den Koalitionsfraktionen aufgegriffen wurde und nun zu dem vorliegenden Bericht geführt hat. Das zur positiven Bilanz.

Es geht aber nicht nur um eine einmalige Kampagne, es geht um Verstetigung. Die Zahlen, die die Ministerin vorgestellt hat, zeigen, dass wir noch nicht von einem Erfolg sprechen können, auch wenn die Zahlen von Jugendlichen mit Alkoholmissbrauch insgesamt zurückgehen. Es gibt die besondere Gruppe mit besonderer Gefährdung schon im Alter von 14 Jahren.

Deswegen geht es jetzt um die nächste Frage: Wie kommen wir zur Verstetigung? - In meiner Heimatstadt Lübeck haben sich unter der Federführung der städtischen Suchtkoordination alle, die mit diesem Thema zu tun haben, zusammengesetzt. Sie haben einen Verein gegründet und wollen die nächsten Schritte gemeinsam machen. Dies ist aus meiner Sicht ein Schritt nach vorn. Ich hoffe, das dies

auch in anderen Städten nach erfolgreicher punktueller Zusammenarbeit gelingt.

In diesem Zusammenhang muss ich ein bisschen mit Vorsicht auf dieses halbleere beziehungsweise halbvolle Glas schauen. Denn auch in diesem Bereich haben wir zu wenig Geld. Das erfolgreiche Modellprojekt „HaLT“, im Kreis Segeberg, dass nämlich Jugendliche beim Erwachen im Krankenhaus irgendjemanden aus der Sozialarbeit an ihrem Bett sitzen haben, um über das zu sprechen, was geschehen ist, und um einen Plan zu machen, damit sich dies nicht wiederholt, ist leider am Ende und läuft ersatzlos aus. Andere, die sich auch darum bemüht haben, haben einen abschlägigen Bescheid bekommen. Wie das so ist: einmal Modellgeld, nie mehr Modellgeld. So geht es allerdings nicht. Wir müssen uns ernsthaft darüber unterhalten, wie wir trotz knapper Mittel auf kommunaler Ebene und auf Landesebene etwas tun können. Hier sind die Kommunen wie die Jugendarbeit insgesamt gefordert.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich darf mit einem nachdenklichen Hinweis schließen: Wer Jugendzentren wegrationalisiert und in den Jugendämtern spart, braucht sich über stark alkoholisierte Jugendliche auf der Straße nicht zu wundern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Diese Kausalität ist unglaublich!)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich dem Kollegen Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gründe, warum Jugendliche trinken, sind vielfältig. Eine leichte Verfügbarkeit von Schnaps, Bier und Wein ist das eine. Dazu kommen Gruppendruck und falsche Vorbilder.

Die Verfügbarkeit ist vergleichsweise einfach zu regeln. Das zeigten die sogenannten Alcopops, die nach Initiativen des Landtags inzwischen in der Szene kaum noch eine Rolle spielen. Auch ein engmaschiges Kontrollnetz im Jugendschutz ist ein wichtiger Baustein einer effektiven Suchtprävention. Wenn Jugendliche weder an Tankstellen noch in Discos an Hochprozentiges kommen, können sie es logischerweise auch nicht trinken.

(Angelika Birk)

Wir hatten vor einigen Monaten eine Gespensterdebatte, als die Bundesjugendministerin Testkäufe von Jugendlichen vorschlug. Es war eine Gespensterdebatte, weil einige Jugendämter schon lange mit dieser Art der Kontrolle gute Erfahrungen gemacht haben. Die Jugendämter setzen hohe Strafen und sorgen so für eine effektive Abschreckung. Unsere Kommunalpolitiker - quer durch alle Parteien - unterstützen diese Initiativen.

Ich bin allerdings davon überzeugt, dass nicht nur Jugendamt und Polizei für die Einhaltung des Jugendschutzes zuständig sind. Wenn wir sehen, dass Alkohol an Jugendliche verkauft wird, müssen wir uns einmischen. Dass die Gastwirte sich freiwillig verpflichtet haben, keine Flatrate-Partys mehr zu veranstalten, rechne ich ihnen hoch an. Auch deshalb hatten wir noch keine Todesopfer durch Komatrinken zu beklagen. Ich vermute, dass einige Jugendliche aus purer Neugier an diesen Veranstaltungen teilnehmen. Wenn es sie nicht mehr gibt, werden sie sich auch nicht mehr sinnlos betrinken.

Ich habe anfänglich von drei Faktoren gesprochen und dazu gehört auch der Gruppendruck. Vor allem die jungen Frauen, die sich frühzeitig an älteren Jugendlichen orientieren, geraten in eine Alkoholfalle. Sie wollen natürlich mithalten und ihrem älteren Freund beweisen, dass sie auch mit dreizehn oder vierzehn Jahren schon fast reife Erwachsene sind. Wie kann man das in ihren Augen besser beweisen als durch Trinkfestigkeit? - Lehrer und Eltern sind gefordert, kreativ auf diese Situation zu reagieren. Übrigens wollen die Klassenkameraden der Mädchen, die mit Älteren ausgehen, diesen dann ausgerechnet mit exzessivem Alkoholkonsum imponieren. Das ist ein Teufelskreis, der nur aufzubrechen ist, wenn wir ein anderes Verhältnis zum Alkohohl entwickeln. Alkohol ist nicht cool, sondern ein Genussmittel, das sehr viel Verantwortung voraussetzt. Dass diese Verantwortung auch bei vielen Erwachsenen fehlt, belegt allein die hohe Zahl alkoholbedingter Unfälle im Straßenverkehr.

Die schleswig-holsteinischen Initiativen sind glücklich und vorbildlich. Ich hoffe, dass andere Bundesländer diese erfolgreiche Politik nachmachen. Dennoch kommen wir meines Erachtens nicht um eine generelle gesellschaftliche Neubewertung des Alkohols herum.

Wir brauchen ein Werbeverbot für Alkohol, damit er aus der öffentlichen Wahrnehmung zumindest teilweise verschwindet. Also: kein Rennfahrer mit Bacardi-Cap, keine Jägermeister-Bandenwerbung in der Bundesliga und keine von einer Brauerei gesponserte Sportveranstaltung!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Laufe von 20 Jahren haben sich die Werbeausgaben für alkoholhaltige Getränke von 256 Millionen € in 1987 auf 511 Millionen € in 2006 annähernd verdoppelt. Auf diese Weise ist Alkohol in der Öffentlichkeit überall präsent. Verlage und Fernsehsender profitieren davon - und nicht zuletzt auch der Staat durch die gezahlten Steuern. Für Jugendliche ist diese Omnipräsens ein verheerendes Signal.

Die Alkoholmenge pro Kopf sinkt zwar bereits seit einiger Zeit, dafür ist aber Konzentration auf die Jüngeren zu beobachten. Die Älteren trinken weniger, aber die Jugendlichen immer mehr und immer früher. Inzwischen liegt das Durchschnittsalter für den ersten Vollrausch bei dreizehn Jahren. Wann reden wir über ein Werbeverbot? Reden wir erst darüber, wenn der Suchtbericht den ersten Vollrausch im Grundschulalter vermeldet? Dann, fürchte ich, ist es zu spät.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wie sieht es denn in Norwegen aus?)

- Wie bitte?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wie sieht es denn in Norwegen aus? Die haben ein Werbever- bot, aber noch schlimmere Rauschpartys als wir!)

- Das ist umso schlimmer, aber wir können damit anfangen und es verhindern, damit die Präsenz des Alkohols in der öffentlichen Wahrnehmung eben nicht mehr stattfindet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, die Präventionspolitik der Landesregierung, die in dem Bericht dargestellt wird, ist richtig, wichtig und auch erfolgreich. Allerdings fürchte ich, dass wir der Verwahrlosungstendenz beim Alkohol noch zu wenig entgegenzusetzen haben.

Bereits im letzten Jahr zeigte die Statistik, dass Straftaten unter Alkoholeinfluss erheblich zunahmen, besonders bei den Heranwachsenden, also bei den 18- bis 21-Jährigen und bei den Jugendlichen. Setzen wir kein nachhaltiges Stoppzeichen, wird diese Entwicklung weitergehen. Deshalb kommen wir um eine grundlegende Politik gegen den Alkohol nicht herum. Von daher kann ein erster Schritt darin bestehen, dass wir die öffentliche Präsenz einschränken und dass wir weiterhin versuchen, auf die Eltern einzuwirken. Denn gerade dieser Weg scheint mit besonders erfolgversprechend zu sein.

(Lars Harms)

Es ist wichtig, dass die Leute nicht ständig der Werbung ausgesetzt werden. Wir haben es schon bei der Zigarettenwerbung gesehen: Es funktioniert und die Leute rauchen weniger. Bei Alkohol wäre es genauso. Es muss nicht sein, dass Jugendliche ständig dieser Werbung ausgesetzt werden. Das müssen wir verhindern.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich nun Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eigentlich nach den Redebeiträgen gehofft, dass wir nicht in diese Debatte einsteigen. Man kann den Menschen nämlich nicht vormachen, dass man durch Verbote Probleme relativ einfach lösen kann. Nun hat Herr Kollege Harms ein Werbeverbot für Alkohol angesprochen und propagiert, damit könne man vermeiden, dass Jugendliche ständig mit Alkohol konfrontiert würden. Lieber Kollege Harms, ich bin mitten im Weinberg groß geworden. Ich bin im Markgräfler Land aufgewachsen und aus mir ist trotzdem kein Alkoholiker geworden.

Schauen Sie einmal nach Skandinavien. Dort wird mit Alkohol rigoroser umgegangen und dort ist er sehr viel teurer. Das bedeutet in Ihrer Lesart, dass er somit auch schwerer zu beschaffen ist. Dort haben die Menschen statistisch betrachtet sehr viel größere Probleme mit dem Alkoholkonsum als in Deutschland oder in Weinbaugebieten.

Ich glaube vielmehr, dass der richtige Ansatz in einer sinnvollen Präventionsarbeit besteht und vor allen Dingen geht es um den sinnvollen und verantwortungsvollen Umgang mit diesen Genussmitteln. Dieser muss so früh wie möglich gelernt werden und dabei müssen Eltern und die Gesellschaft eine Vorbildfunktion übernehmen. Mit Werbeverboten erreichen Sie aus meiner Sicht überhaupt nichts. Sie würden lediglich eine Verbotsdiskussion aufmachen, die ich nicht haben will und auch nicht führen möchte. Was möchten Sie denn aufgrund des letzten Ernährungszustandsberichts der Bundesbürger als Nächstes verbieten: die Werbung für Nahrungsmittel, die Werbung für Süßigkeiten oder die Werbung für Butter oder Fette? - Ich meine, die Politik würde mit einer solchen Diskussion eine Lösung vorgaukeln, die es gar nicht gibt.

(Beifall bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Beratung schließe.

Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 16/1726, an den Sozialausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Dann haben wir einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 29 auf:

Gesunde Ernährung in Kindertagesstätten und Schulen und Grundversorgung von Kindern

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/1727

Ich erteile der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren, Frau Dr. Gitta Trauernicht, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Schleswig-Holsteins Männer sind zu rund“, titelte heute eine große Zeitung.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das verbitte ich mir! - Günther Hildebrand [FDP]: Seien Sie vorsichtig hier! - Heiterkeit)

Mit präventiver Gesundheitsförderung kann man nicht früh genug beginnen. So sind wir beim Thema. Dies sollte nicht durch Vorschriften und Verbote geregelt werden.

(Unruhe)

Herr Kollege Arp, bitte keine Zwischenrufe!

(Lars Harms)

Dies sollte nicht durch Vorschriften und Verbote, sondern durch positives Vorleben, durch die Vermittlung von Lust an der Bewegung und an dem Genuss an einem ausgewogenen Essen geregelt werden. Das bedeutet auch, den Kindern Freiräume zu lassen, damit sie ihren natürlichen Bewegungsdrang ausleben können. Wir müssen also bei den Verhaltensmustern ansetzen, die zuallererst in den Familien vermittelt werden. Dafür brauchen die Familien natürlich eine breite gesellschaftliche Unterstützung; von den Ärzten bis hin zu den Medien.

Kindertagesstätten und Schulen - dies zeigt der vorgelegte Bericht - unterstützen dies vielfältig. Sie klären auf, sie beugen vor, sie sensibilisieren von Anfang an. Das gehört zu dem Auftrag, den wir ihnen über die Kita-Leitlinien, über das Schulgesetz oder über die Lehrpläne erteilen. Darüber hinaus und auch dies zeigt der Bericht sehr deutlich - engagieren sie sich weit über das geforderte Maß hinaus mit sehr viel Fantasie und großem Einsatz und mit der Beteiligung Dritter. Das Schulfrühstück ist so ein Beispiel. Dies gibt es fast an allen Grundschulen des Landes, und zwar auf die Initiative von Schulleitungen, Lehrkräften und Eltern hin. Das verdient auch von dieser Stelle aus großen Dank, zumal der Einsatz etwa im Rahmen des Mittagstisches häufig ehrenamtlich erfolgt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelter Beifall bei der SPD)