Protocol of the Session on December 12, 2007

Mindestlöhne bleiben daher auch für den SSW ein Thema, um das wir in den nächsten Jahren nicht herumkommen werden. Aktuell geht es uns aber darum, dass die zusätzliche Absenkung der Altersrenten beziehungsweise die Zwangsverrentung verhindert wird -

Herr Abgeordneter, bitte formulieren Sie Ihren letzten Satz!

Ich bin gerade dabei. - Aktuell geht es uns darum, dass diese Zwangsverrentung verhindert wird, weil dadurch auch jetzt immer noch die Gefahr besteht, dass die Ausweitung und Vertiefung der Altersar

(Lars Harms)

mut zunimmt. Deshalb bitten wir Sie herzlich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Torsten Geerdts das Wort.

(Jürgen Weber [SPD]: Ist das Ihre Ab- schiedsrede?)

Lieber Kollege Weber, freuen Sie sich nicht zu früh. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ältere Langzeitarbeitslose müssen nicht mehr befürchten, dass sie vor dem 63. Lebensjahr zwangsweise in die Rente geschickt werden. Mit dieser Entscheidung von CDU/CSU und SPD in Berlin wurde und wird ein Gesetz verändert, das in Berlin von Rot-Grün beschlossen wurde. Von daher ist dies eine vernünftige Korrektur, die insgesamt vorgenommen wird. Was wäre das für eine Gesellschaft, die mittlerweile händeringend nach Fachkräften sucht und die immer wieder betont, dass sie in Zukunft dringend ältere Arbeitnehmer benötigt, diese aber gleichzeitig gegen ihren Willen in die Frühverrentung schickt? Wäre es hier nicht zu einer Korrektur gekommen, hätten wir nicht nur dem Arbeitsmarkt Schaden zugefügt. Nein, wir hätten mit Abschlägen von bis zu 18 % bei der Rente sogar billigend in Kauf genommen, dass die Altersarmut wächst.

Um zu verdeutlichen, über welches Ausmaß wir insgesamt reden, will ich die Zahlen nennen: Wenn es zu dieser Regelung käme, wären 30.000 bis 50.000 ältere Langzeitarbeitslose betroffen. Die CDU-Landtagsfraktion begrüßt, dass in Berlin Einigkeit darüber herrscht, eine solche Form der Frühverrentung zu stoppen. Eine Gesellschaft, die glaubt, dass 58-Jährige dauerhaft nicht mehr in den Arbeitsmarkt integrierbar sind, nimmt die demografische Entwicklung und die veränderte Situation auf dem Arbeitsmarkt nicht zur Kenntnis.

Unser vorrangiges Ziel muss es sein, Ältere in Arbeit zu bringen. Daher ist die Initiative der Landesregierung „Beschäftigungschancen für Ältere“ auch hier in Schleswig-Holstein die richtige Antwort auf die Herausforderungen des Arbeitsmarktes. Die Beschäftigungsquote der über 55-Jährigen lag im zweiten Quartal 2007 bei 52 %. Damit hat

sich diese Beschäftigungsquote seit dem Jahr 2000 insgesamt um 10 % erhöht.

Die Europäische Union hat sich darauf verständigt, bis zum Jahr 2010 eine Quote von 50 % zu erreichen. Wir in Schleswig-Holstein wollen mehr; daher auch die Initiative „Beschäftigungschancen für Ältere“.

(Beifall bei der CDU)

Die Situation Älterer auf dem Arbeitsmarkt entwickelt sich insgesamt zunehmend positiv. Auch das sollten wir hier in der Debatte sagen. Lars Harms hat das einleitend getan. Fast 200.000 ältere Menschen weniger als noch vor einem Jahr sind arbeitslos gemeldet. Das entspricht einem Rückgang von 17,6 %.

Natürlich belasten uns die 900.000 arbeitslos gemeldeten Menschen, die älter als 50 Jahre sind. Die Frühverrentung mit dem 58. Lebensjahr wäre die falsche Antwort auf diese Herausforderung des Arbeitsmarktes. Von daher ist die Korrektur richtig.

Ich bin eher dafür, dass wir das Programm „50plus“ weiter optimieren und verstärkt nutzen. Ich halte es für richtiger, sozialer und würdiger, mit unserer Initiative „Beschäftigungschancen für Ältere“ in lebenslanges Lernen, in Prävention und auch in Gesundheitsschutz zu investieren. Berlin ist jetzt auf dem richtigen Weg. Die Korrektur ist erfolgt. CDU und SPD im Schleswig-Holsteinischen Landtag tragen die jetzt in Berlin gefundene Lösung mit. Dem weitergehenden SSW-Antrag können wir nicht zustimmen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Torsten Geerdts und erteile für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke der Kollegin und dem Kollegen des SSW für ihren Antrag in Drucksache 16/1735 (neu), ging er doch am selben Tag wie der entsprechende Beschluss des Bundeskabinetts ein. Wie schön, wenn eine sozialpolitisch richtige Forderung vom wirklichen Leben überholt wird. Nun kommt es darauf an, dass auch der Bundestag ebenso schnell und zielgerichtet handelt.

Ohne eine Koalitionskrise zu beschwören, lieber Herr Kollege Geerdts, bleibt der Hinweis, dass der

(Lars Harms)

Ursprung des jetzt veränderten Gesetzes von einer rot-grünen Regierung stammt. Allerdings hat sie diesen Beschluss im Vermittlungsausschuss gemeinsam mit CDU und CSU gefasst.

(Beifall bei der SPD)

Wir tragen also alle ein kleines bisschen Verantwortung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ältere gehören nicht zum alten Eisen. Sie werden gebraucht, und sie sollen alle Chancen erhalten, im Arbeitsmarkt zu bleiben. Die Chancen steigen; das wird aus den Arbeitsmarktzahlen der letzten Monate deutlich. Die älteren Arbeitslosen sind die Gewinnerinnen und Gewinner des wirtschaftlichen Aufschwungs. Gegenüber dem November 2006 ist ihre Zahl in Schleswig-Holstein von gut 30.000 auf gut 25.000 gesunken. Das sind immer noch zu viele Betroffene, aber es sind auch 5.000 Menschen mehr, die wieder eine Arbeitsstelle haben. Diese Entwicklung zeigt, dass die Betriebe inzwischen endlich wieder berufliche Erfahrung nachfragen.

Im Koalitionsausschuss auf Bundesebene haben sich die sozialdemokratischen Vertreterinnen und Vertreter mit ihrer Forderung nach einer Verbesserung für die älteren Arbeitslosen durchgesetzt. Die Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II müssen nicht mehr befürchten, mit 58 Jahren gegen ihren Willen verrentet zu werden. Die mit einer frühen Verrentung verbundenen Abschläge bei der Altersrente hätten zu starken finanziellen Einbußen geführt. Ich darf daran erinnern, dass Franz Müntefering bereits Anfang November entsprechende Vorschläge gemacht hat.

Die neue Regelung sieht so aus: Alle Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II erhalten ab dem 58. Lebensjahr die Möglichkeit, sich nicht mehr als arbeitsuchend zu melden, falls ihnen nicht innerhalb von 12 Monaten ein Arbeitsangebot gemacht wird. Wenn sie es möchten, stehen ihnen die Integrationsangebote der Arbeitsagentur, der ARGEn und der Optionskommunen offen. Die Fallmanagerin beziehungsweise der Fallmanager prüft alle sechs Monate, ob nicht doch eine Maßnahme durchgeführt oder ein Arbeitsangebot gemacht werden kann.

Wie die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt zeigt, stehen die Chancen dafür immer mehr. Arbeitsagenturen und Arbeitsgemeinschaften werden durch gezielte Qualifizierung von Fachkräften die positive Entwicklung auch weiterhin unterstützen. Gerade Ältere bringen mit ihrer jahrzehntelangen

beruflichen Praxis die Voraussetzungen für eine gelungene Integration mit.

Dieses wird in Schleswig-Holstein auch durch geeignete Programme der Landesregierung mit unterstützt. Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Initiativen gemeinsam dazu führen, die Arbeitsmarktsituation älterer Arbeitsloser erheblich zu verbessern. Die Vorrangigkeit der Rentenansprüche gegenüber dem Arbeitslosengeld II gilt künftig ab dem 63. Lebensjahr. Aber auch dann muss geprüft werden, ob keine besondere Härte vorliegt. Wenn sich die Arbeitsmarktzahlen weiterhin so positiv entwickeln, sehe ich gute Chancen, dass immer mehr Menschen tatsächlich bis zum vorgesehenen Rentenalter arbeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, das Ergebnis in diesem Bereich kann sich sehen lassen. Ich meine, damit hat sich der Antrag des SSW inhaltlich eigentlich erledigt. Von daher werden wir ihm nicht zustimmen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch und erteile das Wort für die FDP-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg. Wir freuen uns, dass er wieder dabei ist und bitten ihn, vorsichtig hierher zu kommen.

(Beifall)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Kollege Harms, ich will einmal an Ihren letzten Satz anknüpfen, mit dem Sie sich die Zustimmung zu Ihrem Antrag gewünscht haben. Mir sind drei Zeilen Willenserklärung, die ich auch unterschreibe - auch wir wollen keine Zwangsverrentung -, für ein so komplexes Problem aber ein bisschen wenig. Entweder hätten Sie sagen müssen, wie Sie sich das konkret vorstellen, oder wir überweisen den Antrag in den Ausschuss und überlegen uns, wie man das wirklich lösen kann; denn die Lösung, die die Große Koalition in Berlin vorgeschlagen hat, ist für dieses Problem keine Lösung auf Dauer.

Nach der sogenannten 58er-Regelung, nach der 58-Jährige oder ältere Bezieher von ALG II gegenüber dem jeweiligen Leistungsträger eine Erklärung abgeben, wonach sie der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung stehen wollen - § 428 SGB III in Verbindung mit § 65 Abs. 4 SGB II -, verpflich

(Wolfgang Baasch)

ten Sie sich im Gegenzug, zum nächstmöglichen Zeitpunkt in eine abschlagsfreie Altersrente zu wechseln. Diese Möglichkeit fällt zum Jahresende weg. Das hat zur Folge, dass erwerbsfähige ALG-II-Bezieher von der ARGE oder von Optionskommunen zwangsweise frühverrentet werden können, und zwar auch mit den hohen Abschlägen, die hier schon genannt wurden. Damit werden sie nicht erwerbsfähigen rentenberechtigten Hilfebeziehern, also den sogenannten Sozialgeldbeziehern, gleichgestellt, die diese sogenannte 58er-Regelung des SGB II übrigens noch nie nutzen konnten. Deren Zwangsverrentung mit teilweise zweistelligen Abschlägen ist bereits heute gängige Praxis und die wäre auch vom SSW-Antrag derzeit nicht gedeckt.

Sie fordern mit ihrem Antrag, dass es nicht zu einer zwangsweisen Frühverrentung kommen soll. Aus dem Antrag wird nicht so ganz deutlich, wie das konkret aussehen soll; das habe ich schon gesagt. Ich warne davor, die sogenannte 58er-Regelung einfach wieder einzufordern. Gerade diese Regelung hat zu zahlreichen unerwünschten Auswüchsen geführt. In vielen großen Unternehmen sah die Personalpolitik in der Vergangenheit durch die 58er-Regelung oft so aus: Entlassung möglichst vieler älterer Arbeitnehmer, verbunden mit der Ankündigung, junge Menschen einstellen zu wollen. Die Entlassungen wurden von der Gemeinschaft der Beitragszahler finanziert, bei der Einstellung blieb es aber allzu oft nur bei Ankündigungen. Faktisch führte die politisch gewollte Regelung dazu, dass ältere Menschen dauerhaft aus dem Arbeitsleben verdrängt wurden. Die Beibehaltung der jetzigen Regelung hätte deshalb zur Konsequenz, dass ältere Erwerbsfähige auch künftig weniger Chancen hätten, sich aktiv in den Arbeitsmarkt einbringen zu können.

(Beifall bei der FDP)

Die Große Koalition in Berlin hat zur sogenannten 58er-Regelung einen Kompromiss gefunden, indem eine grundsätzliche Einigung auf die Verlängerung der Altersgrenze verkündet wurde. Dieser Kompromiss, liebe Kolleginnen und Kollegen - da kann ich weder die Freude des Kollegen Baasch noch des Kollegen Geerdts teilen -, verschiebt das Problem lediglich in die Zukunft. Denn mit der Anhebung der Altersgrenze von 58 auf 63 Jahre wird uns die Diskussion spätestens in fünf Jahren wieder einholen, wenn die Betroffenen dann zwar keinen Rentenabschlag von 18 %, aber immerhin noch von 7,2 % hinnehmen müssen.

Mit voller Wucht trifft uns das Problem in 15 bis 20 Jahren, nämlich genau dann, wenn eine Generation

ins Rentenalter kommt, die über einen sehr langen Zeitraum ALG-II-Leistungen bezogen hat. Ich will das überhaupt nicht relativieren, aber die jetzt mit Abschlägen zwangsverrenteten ALG-II-Bezieher konnten als Arbeitslosenhilfeempfänger in der Vergangenheit immerhin noch Rentenanwartschaften aufbauen, die im Regelfall höher sein werden als die Grundsicherung. Umso wichtiger ist es aus meiner Sicht, dass wir uns über eine Lösung unterhalten, die die kommenden Generationen einschließt.

(Beifall bei der FDP)

Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, dass bei einem Wegfall der sogenannten 58er-Regelung bei gleichzeitig starrem Rentenbeginn, der hier immer noch bedauerlicherweise favorisiert wird, unabhängig davon, ob er mit 65 oder 67 Jahren beginnt, Hilfeempfänger dann auch bis zum regulären Rentenbeginn ALG II erhalten müssen. Der wer für ein starres Renteneintrittsalter kämpft, der muss im Prinzip auch hinnehmen, dass man dann „starr“ mit 67 in Rente geht und bis zu diesem Renteneintritt ALG II bezieht.

(Beifall bei der FDP)

Das entspräche dem Prinzip des starren Renteneintrittsalters, das widerspricht aber dem im SGB II verankerten Anspruch, dass das ALG II Hilfe zur Selbsthilfe sein soll. Genau diesen Konflikt müssen wir auflösen.

Wie so etwas aussehen könnte, hat die FDP-Bundestagsfraktion skizziert. Das Rentenmodell, das die FDP-Bundestagsfraktion vorgestellt hat, sieht eine flexible Rente ab 60 mit Wegfall der Zuverdienstgrenzen vor. Würde dieses Modell angewandt, dann hätten wir zumindest die heutige Debatte nicht.

(Beifall bei der FDP)

Stattdessen würden wir darüber debattieren, wie ältere Arbeitsuchende besser wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten. Arbeitsminister Döring hat angekündigt, zumindest ein ähnliches Programm in Angriff zu nehmen. Ich glaube, das ist der richtige Weg.