Protocol of the Session on December 12, 2007

Stattdessen würden wir darüber debattieren, wie ältere Arbeitsuchende besser wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden könnten. Arbeitsminister Döring hat angekündigt, zumindest ein ähnliches Programm in Angriff zu nehmen. Ich glaube, das ist der richtige Weg.

Über den Vorschlag - den wir teilen -, die Zwangsverrentung zu verhindern, sollten wir uns im Ausschuss noch einmal im Einzelnen unterhalten. Sie haben es nicht getan, deswegen beantrage ich jetzt die Ausschussüberweisung für Ihren Antrag.

(Beifall bei der FDP)

(Dr. Heiner Garg)

Das Präsidium dankt einem unveränderten Dr. Heiner Garg und erteilt das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Angelika Birk.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem relativ wirtschaftskritischen Beitrag des Kollegen Garg, was die Mentalität der Arbeitgeber gegenüber älteren Arbeitnehmern betrifft, möchte ich, weil es offensichtlich nicht alle Rednerinnen und Redner zur Kenntnis genommen haben, die heutige Presse verlesen. In verschiedenen Zeitungen ist zu lesen, dass der Bundesrat und auch der Bundestag offensichtlich in letzter Minute die Regelungen, die als Kompromiss schon ausgehandelt waren, nicht auf die Tagesordnungen setzen.

Anders als die Kanzlerin, so heißt es, die zur Beschleunigung des Verfahrens die Kabinettsitzung 24 Stunden vorverlegt hatte, trat die Führung der Unionsfraktion auf die Bremse und pochte für viele Beobachter überraschend auf ein normales Gesetzgebungsverfahren bei dem Thema, das wir gerade behandeln. Damit steht fest: Sowohl die Verlängerung des ALG-I-Bezugs als auch die Regelung gegen Zwangsrente sind bis 1. Januar 2008 nicht unter Dach und Fach zu bringen. Das Ganze hat natürlich einen Grund. SPD und CDU beharken sich in Kiel wie in Berlin ohne Ende und dem fallen dann im wahrsten Sinne des Wortes die älteren Arbeitnehmer zum Opfer.

An dieser Stelle kann ich nur deutlich sagen: Hinter den groß angekündigten Gerechtigkeitsinitiativen der SPD für ältere Arbeitnehmer steckt nun, wie wir sehen, offenbar das Unvermögen, einen Rentendiebstahl zu verhindern. Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen: Die Gesetzgebung der vorherigen Regierung in Bezug auf die Altersrente haben wir mit einem Antrag des SSW in der Vergangenheit schon kritisch diskutiert. Sowohl die Regelung, das private Altersvermögen auflösen zu müssen, als auch die Regelung, die wir bisher vorgefunden haben, also ein Art Dreijahresdispens für die harte Regelung, die jetzt kommen soll, hat die CDU im Bundesrat maßgeblich mit befördert und ihre Zustimmung zur gesamten Arbeitsmarktreform von diesem unsinnigen und die Altersarmut fördernden Gesetzgebungsverfahren abhängig gemacht. Dies möchte ich hier in Erinnerung rufen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Jetzt haben wir im wahrsten Sinne des Wortes den Salat. Wir fördern schon jetzt aktiv Altersarmut. Die gesamte Verabredung, Arbeitslosengeld-IEmpfängern ein paar Monate länger Geld zu geben, ist doch absurd, wenn man denselben Leuten hinterher bis zu 20 % Abschlag von der Rente aufdrückt. Das hat doch überhaupt keinen Sinn. Die Tränen, die Herr Beck für die Arbeitslosengeld-IEmpfänger vergossen hat, hätte er sich sparen können. Er hätte sich darum kümmern müssen, und zwar ausschließlich darum, diese Regelung bei der Rente, die wahrhaftig für alle ungerecht ist, ins öffentliche Bewusstsein zu rücken und dagegen anzugehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Deswegen kann ich nur dringend raten, den Antrag des SSW zu unterstützen. Wir müssen ein öffentliche Bewusstsein dafür schaffen, dass diese Form von Individualisierung von Arbeitslosigkeit ein Mobbing gegen ältere Arbeitslose ist. Hier werden sie persönlich dafür verantwortlich gemacht, dass unser Arbeitsmarkt jugendwahnorientiert ist, wie es Herr Kollege Garg gerade so plastisch gemacht hat. Wir müssen uns insgesamt eine vernünftige Regelung für ältere Arbeitslose überlegen, die ihnen den Anreiz gibt, zu arbeiten oder Fortbildung wahrzunehmen, und dann bei der Rente tatsächlich sinnvolle Übergangsregelungen für den Zuverdienst schaffen. Es darf aber nicht so sein, wie es die Bundesregierung vorgesehen hat.

Auch ich möchte kein neues Kombilohnmodell: alle ab 50 bekommen Geld von Staat als Minirente und müssen dann noch etwas dazuverdienen. Auf dieses Modell arbeiten einige auf der Arbeitgeberseite offensichtlich hin. Dies kann aber nicht unsere Lösung sein.

Sehen wir uns das Alter all derer an, die wir hier sitzen! Die wenigsten von uns sind noch so richtig frisch knackig unter 50 oder 45.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Na, na!)

Wir zählen bei den Anwesenden einmal durch. Einige, die hier sitzen, sind auf dem Arbeitsmarkt vielleicht noch vermittlungsfähig, aber ein großer Teil derjenigen, die hier sitzen, würden, wenn sie ALG II beantragen müssten, genau diesen Rentenantrag zugesteckt bekommen, über den wir uns hier unterhalten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich erteile das Wort für die Landesregierung Herrn Minister Uwe Döring.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin 61 und fühle mich frisch.

(Heiterkeit)

Ich behaupte auch, ich bin leistungsfähig. Ich behaupte auch, viele andere in diesem Alter sind leistungsfähig. Dies muss sich nicht auf Politik beschränken. Wir diskutieren hier einen ehrenwerten Antrag, gar keine Frage. Aber eigentlich diskutieren wir ein falsches Problem. Ich möchte gar nicht, dass Menschen mit 63 in Rente gehen, sonders dass sie bis zum Renteneintrittsalter Arbeit haben.

(Beifall bei SPD und SSW)

Darüber müssen wir diskutieren. Wir müssen dafür sorgen, dass es nicht nur in der Politik möglich ist, im höheren Alter noch zu arbeiten, sondern auch in anderen Berufen. Das ist möglich, das zeigen uns andere Länder. Da haben wir Beschäftigungsquoten, die erheblich höher sind. Sie kennen den skandinavischen Raum. Dort sind zwischen 60 und 70 % der Menschen in diesem Alter noch in Arbeit. Wir sind bei 52 %. Das ist ein Riesenerfolg. Herr Geerdts hatte schon darauf hingewiesen. Wir waren vor 10 Jahren bei 42 %. Wir waren bei diesen 42 %, weil wir die alte 58er-Regelung hatten. Es gab den goldenen Handschlag. Große Unternehmen haben zu Leuten mit 58 augenzwinkernd gesagt: Wir entlassen dich und dann geh zum Arbeitsamt und lass dir das Geld bis zur Rente auszahlen; das überbrücken wir. - Dies war einer der Gründe der hohen Arbeitslosigkeit von älteren Menschen in diesem Land.

Es ist richtig, dass diese Regelung aufgehoben wird. Ich halte nichts von der Zwangsverrentung mit 58, das ist richtig. Wir sind mittlerweile - deswegen sage ich das noch einmal - in einem Stadium, in dem wir ältere Menschen in dieser Altersgruppe wieder in Arbeit vermitteln können. Die Raten beim Abbau der Arbeitslosigkeit bei älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern lagen in den letzten Monaten bei über 20 %. Ich habe mich mit Leuten aus Dänemark unterhalten. Ich habe den Unternehmensverband im Baugewerbe gefragt:

Stellt ihr einen 60-jährigen Maurer ein? Da sagt er: Wenn der gut mauert und die Mauer ist gerade, dann geht es vielleicht nicht so schnell wie bei jemandem, der 25 ist, aber ich habe noch fünf Jahre einen entsprechenden Gegenwert für mein Unternehmen; natürlich beschäftige ich den. - Darum geht es und darum müssen wir miteinander diskutieren und kämpfen.

Die 63er-Lösung, die jetzt gefunden wurde, ist ein Kompromiss. Ich halte ihn noch für vertretbar. Aber ich sage dabei eines: Wir werden uns landesund bundespolitisch stärker auch über neue Modelle unterhalten müssen und fragen: Ist das, was über Jahrzehnte - ich hätte fast „Jahrhunderte“ gesagt entwickelt worden ist, der Weisheit letzter Schluss oder müssen wir angesichts des demografischen Wandels neue Gedanken zur Lösung der Probleme diskutieren?

Die armutsfeste Rente oder die Armut im Alter wurden angesprochen. Armut im Alter wird möglicherweise aus anderen Gründen eintreten, und zwar durch einen wachsenden Niedriglohnsektor und künftig brüchigere Erwerbsbiografien. Wir müssen uns darüber unterhalten, wie wir angesichts des gesamten demografischen und gesellschaftlichen Wandels eine vernünftige Grundsicherung im Alter hinbekommen. Die Zeiten, dass jemand 40 Jahre in einem Betrieb arbeitet und dafür eine Ehrenmedaille des Landes bekommt, sind vorbei. Es wird verschiedene Beschäftigungen mit Brüchen, mit Zeiten der Arbeitslosigkeit geben, in denen man sehen muss, dass die Menschen schnell wieder in Arbeit kommen. Das Wichtigste ist also die Vermittlung in Arbeit gerade auch älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zum größten Teil auch arbeiten wollen. Es ist nicht so, dass sie sagen: Wir möchten das nicht mehr. Die meisten davon wollen ihren Beitrag leisten und sie können ihn leisten.

Wir haben uns im Ministerium mit diesem Thema beschäftigt. In Teilen haben wir auch in SchleswigHolstein bereits einen Fachkräftemangel festzustellen. Das heißt, wir brauchen dringend den Bewußtseinswandel, der in Teilen der Wirtschaft bereits einsetzt. Erste Erfolge sind - wie gesagt - sichtbar. Wir haben - auch darauf wurde schon hingewiesen - vor Kurzem eine Initiative vorgestellt „Arbeit im demografischen Wandel“. Dazu gehört künftig kontinuierliche Weiterbildung älterer Arbeitnehmer. Dazu gehört ein umfassender Gesundheitsschutz Dazu gehören stärkere Bemühungen um die Wiedereingliederung älterer Arbeitloser in den Arbeitsmarkt.

(Angelika Birk)

Notwendig sind dabei auch regionale Ansätze. Die versuchen wir im Land. Wir haben ein breites Bündnis mit DGB, Unternehmensverband, Industrie- und Handelskammer zustande gebracht. Die gemeinsamen Strategien für den notwendigen Wandel werden wir dort erarbeiten. Wir sind in der Sache im Land auf dem richtigen Weg. Wir sollten sehen, dass es möglichst schnell zu einer gesetzlichen Regelung in Berlin kommt, und wir sollten mittelfristig über Lösungen nachdenken, die dieses Problem auf Dauer lösen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke Herrn Minister Döring. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 16/1735 (neu) dem Sozialausschuss zu überweisen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung, entlasse Sie alle in die Mittagspause und freue mich, Sie um 15 Uhr hier wieder zu sehen.

(Unterbrechung: 13:02 bis 15:00 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir setzen die Sitzung nach der Mittagspause fort.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, begrüßen Sie bitte mit mir CDU-Mitglieder und weitere Bürger aus der Kiebitzreihe. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:

Bericht über die Zusammenarbeit mit Hamburg und über einen möglichen Nordstaat

Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/1741

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Antrag wird ein mündlicher Bericht in dieser Tagung erbeten. Wer diesen Bericht haben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Somit bitte ich den Herrn Ministerpräsidenten, für die Landesregierung den Bericht über die Zusammenarbeit mit Hamburg zu geben.

Frau Präsidentin, soweit ich weiß, waren zehn Minuten angemeldet. So ist mir das gesagt worden. Aber ich schaffe es auch in fünf Minuten.

Zunächst bedanke ich mich herzlich dafür, dass Sie so rücksichtsvoll waren, auf mich zu warten. Ich bitte um Entschuldigung. An sich bin ich ein pünktlicher Mensch; das wissen Sie.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hält Kurs, indem sie sich am Koalitionsvertrag und auch an meiner ersten Regierungserklärung orientiert. In diesen Dokumenten haben wir unser Ziel einer gemeinsamen Wirtschafts- und Verwaltungsregion von Schleswig-Holstein und Hamburg verankert. Dieses Programm arbeiten wir ab, wie es sich gehört. Das ist kein Grund zur Aufregung, aber ich freue mich, dass das auch von der Opposition zur Kenntnis genommen wird.

Wir konkretisieren die Zusammenarbeit mit Hamburg und folgen dabei dem, wie ich meine, erfolgreichen Verfahren in der deutsch-dänischen Grenzregion. Wir stimmen die jeweiligen Vorhaben aufeinander ab, vereinbaren zusammen Projekte und lassen sie in einen gemeinsamen Jahresplan einfließen.

Viele Projekte sind bereits gemeinsam umgesetzt. Die Beispiele aus der Zusammenarbeit beider Länder sind bekannt und reichen von der Fusion der Landesbanken bis hin zur gemeinsamen Medienanstalt. Ich will sie gar nicht in aller Breite referieren. Hamburg und Schleswig-Holstein sind hier untrennbar miteinander verwoben.

Das gilt auch für den Wirtschaftsraum im Norden. Allein 160.000 Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner pendeln jeden Morgen aus den Kreisen Pinneberg, Segeberg und Stormarn nach Hamburg hinein. Diese sind uns auch eine Verpflichtung, weil sie nämlich zeigen, wie notwendig es ist, dort eine gemeinsame Wirtschaftsregion aufzubauen.

Deshalb habe ich unser international anerkanntes Kieler Institut für Weltwirtschaft gebeten, eine Studie zum Aufbau einer gemeinsamen Wirtschaftsregion auszuarbeiten. Die Wissenschaftler haben im Vorfeld des Ländergipfels in Norderstedt hervorragende Arbeit geleistet. Sie haben deutlich gemacht, dass die wachsenden Metropolen im inter