Protocol of the Session on December 12, 2007

Zum Standort: Ich freue mich natürlich darüber, dass Schleswig jetzt Standort des Landesverfassungsgerichts sein wird.

(Holger Astrup [SPD]: Was denn sonst? - Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

(Karl-Martin Hentschel)

Vieles spricht für meine alte Heimatstadt Schleswig.

(Holger Astrup [SPD]: Alles spricht dafür!)

- Alles spricht dafür. Aber ich bin etwas bescheidener. Aber natürlich bin ich der Meinung, dass alles dafür spricht. Ich wollte aber auch einräumen, dass auch einiges für Lübeck spricht.

(Holger Astrup [SPD]: Das Marzipan!)

Die Tatsache, dass die Obergerichte in Schleswig ansässig sind, hat letztendlich den Ausschlag dafür gegeben, dass Schleswig der Standort für das Landesverfassungsgericht sein wird. Aber auch die Nutzwertanalyse der Landesregierung hat dazu beigetragen.

Jetzt noch einmal zur Frage, ob der Sitz der neuen Geschäftsstelle das Oberlandesgericht oder das Oberverwaltungsgericht sein soll. Ich hätte es auch schön gefunden, wenn die Geschäftsstelle ihren Sitz im roten Elefanten gefunden hätte, aber im Ernst ist uns natürlich die fachliche Nähe des Oberverwaltungsgerichts wichtiger. Von daher können wir mit dem Sitz der Geschäftsstelle sehr gut leben.

Zur Geschäftsordnung möchte ich nichts weiter ausführen. Der SSW findet es angemessen und richtig, dass sich ein gesonderter Ausschuss mit der Vorbereitung der Wahl der Mitglieder des Landesverfassungsgerichts befassen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist gesagt worden, dies sei ein guter Tag für Schleswig-Holstein. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

(Beifall)

Ich danke der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk und erteile das Wort für die Landesregierung Herrn Minister Uwe Döring. Herr Minister, bei diesem Tagesordnungspunkt scheint der Geist der Weihnacht schon etwas gewirkt zu haben.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, wenn es so weitergeht. Ich kann mich relativ kurz fassen, weil alle Vorrednerinnen und Vorredner hier schon bekundet haben, wie wichtig dieses ist.

Es ist in der Tat ein historischer Tag und ein wichtiger Schritt, den wir heute zur Funktionsfähigkeit des Landesverfassungsgerichts tun. Wir sollten

allerdings auch - und da kann ich nur an Sie appellieren - sehr schnell die Modalitäten zur Wahl festlegen und die Wahl selbst durchführen - möglichst in der gleichen Einmütigkeit, in der das Gesetz beraten wird -, damit wir sehr schnell handlungsfähig werden. Ich hoffe, dass das bald der Fall sein wird.

Der Landtag gibt heute konkrete Antworten, nachdem er vorher die verfassungsrechtlichen Fragen geklärt hat. Er beantwortet die Fragen, wie das Gericht arbeitet, wo es seinen Sitz hat und welche persönlichen Voraussetzungen Richterinnen und Richter erfüllen müssen. Ich denke, es sind gute Antworten gefunden worden. Die Diskussionen im Ausschuss haben das auch bestätigt. Ich wage eines vorauszusagen, obwohl man bei Prognosen immer vorsichtig sein muss: Dieses Gericht wird nicht an Unterbeschäftigung leiden, insbesondere nicht in der Anfangszeit. Insofern sollten wir sehen, dass wir auch entsprechende Sorgfalt bei der Besetzung walten lassen.

Wenn Schleswig-Holstein als letztes Bundesland ein eigenständiges Landesverfassungsgericht errichtet, möchte ich noch einmal eines deutlich dazu sagen: Daraus spricht keine Ernüchterung über die bisherige Karlsruher Spruchpraxis. Im Gegenteil, wir haben allen Grund, dem Bundesverfassungsgericht Dank für 50 Jahre treue Dienste für Schleswig-Holstein zu sagen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und des Abgeordneten Wolfgang Ku- bicki [FDP])

Das Landesverfassungsgericht muss deswegen nicht bei null anfangen, sondern kann auf dem aufbauen, was dort geleistet worden ist. Wir haben das Gericht auch sehr in Anspruch genommen, das muss man dazu sagen. Es waren aber auch gute Urteile, die dort gefällt wurden.

Der Sitz des Gerichtes ist auf Schleswig festgelegt worden. Das kann ich aus fachlicher Sicht nur begrüßen, wie ich aus fachlicher Sicht auch das Oberverwaltungsgericht als das richtige und angemessene Gericht erachte. Wie schon Herr Puls sagte, geht es hier um die Arbeitsfähigkeit und weniger um die Repräsentation. Da ist eine richtige und gute Entscheidung getroffen worden.

Vonseiten des Justizministeriums werden wir alles tun, dass die organisatorischen Vorbereitungen so abgeschlossen werden, dass es eine reibungslose Arbeitsaufnahme geben kann.

Die Kriterien für die Wählbarkeit und die Altersgrenzen erweitern den Kreis der möglichen Kandi

(Anke Spoorendonk)

datinnen und Kandidaten. Das ist richtig. Es zeigen auch andere Gesetze, dass man damit gut umgehen kann.

Die Diskussion der letzten Tage über die fehlenden Grundrechte in der Landesverfassung haben mich etwas überrascht. Das war eigentlich kein Geheimnis. Es kann natürlich nicht im Landesverfassungsgerichtsgesetz stehen, sondern es muss in der Landesverfassung stehen. Dass das jetzt erst hochkommt, ist etwas überraschend. Ich habe die Meinung der Fraktionen zur Kenntnis genommen. Wir sollten das auch zügig beraten. Ich möchte nur auf eines hinweisen: Es sollte sorgfältig beraten werden, denn wir müssen uns über eines im Klaren sein: Wir schaffen eine Struktur des Gerichtes, das nur eine bestimmte Arbeitsbelastung verkraften kann. Deswegen müssen wir sehen, dass - wenn wir Grundrechte in die Landesverfassung transferieren oder dort darauf hinweisen - wir es so machen, dass es dieses Gericht auch ehrenamtlich bewältigen kann. Deswegen sollten wir hier mit Sorgfalt vorgehen.

Alles in allem schafft das Gesetz eine hervorragende Grundlage für die Arbeit unseres neuen Landesverfassungsgerichts. Ich freue mich, wenn wir hierzu eine breite Zustimmung im Landtag finden. Das ist gut für das Gericht und für seine künftige Arbeit.

(Beifall)

Ich danke dem Herrn Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Bevor wir in die Abstimmung eintreten, erbitte ich einen Hinweis der Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW zu der Drucksache 16/1182 (neu). Der Berichterstatter hat berichtet, dass dieser Punkt erledigt ist. - Wir brauchen darüber dann nicht abzustimmen.

Ich lasse zunächst über a) abstimmen: Gesetzentwurf zum Schleswig-Holsteinisches Landesverfassungsgericht, Drucksache 16/1497, in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich lasse über b) abstimmen: Antrag der Fraktionen von CDU und SPD zur Änderung der Geschäftsordnung des Landtags, Drucksache 16/1766. Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen?

Stimmenthaltungen? - Auch dieser Antrag ist einstimmig angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Keine Zwangsverrentung bei Hartz-IV-Empfängern

Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/1735 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile für den antragstellenden SSW Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Rentenpolitik der Großen Koalition ist aus sozialpolitischer Sicht für breite Schichten in der Bevölkerung eine Katastrophe. Man hat im Frühjahr beschlossen, das Renteneintrittsalter in mehreren Schritten generell auf 67 Jahre zu erhöhen. Hinzu kommt, dass ein zukünftiger Durchschnittsrentner, obwohl er jetzt länger für seine Rente einzahlen muss, im Verhältnis zum Nettoeinkommen eine kleinere Rente haben wird als ein heutiger Rentner. Diese Beschlüsse allein sind schon ein Armutszeugnis in einer Situation, in der es viele über 50-Jährige immer noch sehr schwer haben, in Deutschland eine Beschäftigung zu finden. Hinzu kommt noch der abenteuerliche Versuch, Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen, früher in die Rente zu zwingen. Das ist quasi eine Zwangsverrentung.

Ursprünglich wollte die Bundesregierung zum 1. Januar 2008 eine Änderung des SGB II durchführen, die es den Behörden erlaubt hätte, ALG-IIBezieher zum frühstmöglichen Zeitpunkt mit einer um Abschläge geminderten Rente in den Ruhestand zu zwingen. Bei den ersten Plänen ging man davon aus, dass dies bereits mit 60 Jahren möglich sein soll. Dies hätte dazu geführt, dass es für diese Personengruppe zu einer Rentenkürzung von bis zu 18 % hätte kommen können. Diese Zwangsverrentung sollte für Personen gelten, die nicht mehr vermittelt werden können. Genau diese Regelung ist nun seit heute wieder auf dem Tisch.

Wenn man bedenkt, dass schon heute die Zahl der Menschen, die in Deutschland auf eine Grundsicherung im Alter angewiesen sind, im Zeitraum zwischen 2003 und 2006 um 30 % angestiegen ist, und dass durch prekäre und schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse in Zukunft weitere Arbeitsarmut droht,

(Minister Uwe Döring)

dann sind diese Vorschläge der Regierung zur Zwangsverrentung ein weiterer Schritt in die verkehrte Richtung.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich begrüßt auch der SSW, dass Teile der Großen Koalition in Berlin nach massivem Druck von Gewerkschaften und Sozialverbänden jetzt ihre Pläne geändert haben und den frühstmöglichen Renteneintritt für ältere Arbeitslose nun auf 63 Jahre hochsetzen wollen. Dennoch bleibt ein fader Nachgeschmack, denn die Verschiebung um drei Jahre bedeutet auch, dass diesen Menschen dadurch immer noch Rentenabzüge von über 7 % drohen. Ob diese Lightversion kommt, ist noch nicht einmal sicher.

Wer in Zukunft also mit dieser Regelung in den Ruhestand geschickt wird, dem droht im Alter Armut, denn die ALG-II-Bezieher, die von dieser Regelung erfasst werden, gehören schon heute überwiegend zu einer Gruppe von Menschen, die in ihrem Erwerbsleben oft nicht so gut verdient haben. In diesem Fall kann eine Rentenkürzung von 7 % oder 18 % viel ausmachen, zumal all dies nicht freiwillig geschieht, sondern sozusagen von staatlicher Seite angeordnet wird. Die bisher geltende Regelung, dass der ältere Mensch selbst bestimmen kann, ob er zum regulären Zeitpunkt mit der vollen Rente oder zu einem früheren Zeitpunkt mit einer um Abschläge geminderten Rente in den Ruhestand gehen will, ist vernünftig, weil es sich dann um eine echte Wahlfreiheit handelt. Das heißt, Arbeitnehmer, die es sich leisten können oder die bereit sind, weniger Rente zu bekommen, aber dafür früher in Rente gehen wollen, sollten auch nach Sicht des SSW weiterhin diese Wahlfreiheit erhalten. Das ist eine gute Regelung.

Eine Zwangsverrentung von ALG-II-Beziehern, die angeblich nicht vermittelt werden können, lehnen wir allerdings weiter ab. Auch ein möglicher Kompromiss wäre nur akzeptabel, wenn den Betroffenen dadurch keine Abschläge bei der Altersversorgung drohen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass es der Großen Koalition bei dieser Regelung insbesondere darum geht, die ALG-II-Bezieher aus der Arbeitslosenstatistik herausfallen zu lassen. Wenn das der Fall ist, dann sollte man diese Menschen aber nicht noch zusätzlich mit einer Rentenkürzung bestrafen.

Statt weitere Rentenkürzungen umzusetzen, muss es aus Sicht des SSW vor allem darum gehen, alles zu tun, damit ältere Arbeitslose wieder in Arbeit gebracht werden, sodass sie dann auch wirklich bis

zum Alter von 67 Jahren arbeiten können. Dazu gehört, dass auch die Wirtschaft in größerem Umfang als heute einsieht, dass ältere Arbeitnehmer für ihre Unternehmen unheimlich wertvoll sein können. Man kann nicht auf der einen Seite über den Facharbeitermangel klagen und sich auf der anderen Seite immer noch schwer damit tun, ältere Arbeitnehmer zu beschäftigen und diese weiterzubilden. Das hängt weder hinten noch vorn zusammen.

Natürlich ist auch dem SSW nicht entgangen, dass sich die Situation der über 50-Jährigen im letzten Jahr sowohl auf Bundesebene als auch in Schleswig-Holstein verbessert hat. So sind die Arbeitslosenzahlen bei dieser Personengruppe gesunken. Auch die Beschäftigungsquote der über 50-Jährigen ist angestiegen. Allerdings sind immer noch knapp 45 % der über 50-Jährigen ohne Beschäftigung. Dazu kommt, dass wir schon genau hinsehen sollten, unter welchen Bedingungen viele dieser Menschen wieder in Lohn und Arbeit gekommen sind. Hier stimmt es nicht optimistisch, wenn wir hören, dass Arbeitsminister Döring davon ausgeht, dass über 40.000 Menschen in Schleswig-Holstein - darunter sicherlich auch viele ältere Arbeitnehmer - trotz einer Beschäftigung zusätzlich auf ALG-II-Hilfe angewiesen sind. Im Klartext bedeutet dies, dass diese Menschen zu Dumpinglöhnen arbeiten, die der Staat finanziell aufstockt, damit sie überhaupt über die Runden kommen können. Das kann nicht unser Ziel sein,

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

zumal diese Arbeitnehmer durch die geringe Bezahlung mit den zukünftigen Renten ein Problem bekommen werden.