Auch diesem Thema sollten wir in der weiteren Ausschussberatung unsere Aufmerksamkeit widmen: Es wird in dem neuen Weiterbildungskonzept der Landesregierung festgestellt, die Ministerpräsidenten der Länder hätten bereits im März 2004 hinsichtlich der Qualifizierungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit in mehreren Punkten Handlungsbedarf gesehen sowie eine ganze Reihe von Forderungen erhoben. Dies wird - wie gesagt - festgestellt, aber es wird dann nicht darauf eingegangen, ob aus Sicht der Schleswig-Holsteinischen Landesregierung unterdessen aus dieser damals geäußerten Kritik die notwenigen Konsequenzen gezogen worden sind. Ich denke, dieser Punkt sollte in den weiteren Ausschussberatungen von der Landesregierung aufgegriffen und präzise dargestellt werden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nun, langsam dem Ende des Plenartages entgegeneilend, vernehmen wir eine Debatte nach dem Motto: Na ja, einiges ist zwar noch zu tun, aber das, was es gibt, ist eigentlich auch ganz schön. - Nachdem ich diesen dankenswerterweise sehr ausführlichen Bericht gelesen habe, kann ich als Fazit ziehen: In der Weiterbildung muss mehr als nur ein „Weiter so!“ passieren.
Es gibt in der Landesregierung bereits seit 1995 eine Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Ressorts; das ist erfreulich. Nun wird auch ein Cluster genannt. Das Cluster begegnet mir in der Hochschulpolitik. Es begegnet mir in der Wirtschaftspolitik. Es fängt mit maritimer Wirtschaft an und hört mit Tourismus auf. Was aber nun das spezifisch Neue innerhalb dieses Clusters in der Weiterbildung ist, hat sich mir aus diesem Bericht nicht erschlossen.
Ich möchte an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Es ist schon interessant, dass Sie darauf hinweisen, Herr Minister, dass nur 27 % der Bevölkerung Schleswig-Holsteins in der beruflichen Weiterbildung eine Erfahrung gemacht hätten, dass sich aber
immerhin 79 % der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner weiterbilden würden. Allerdings bilden sich davon die meisten - es sind 55 % eigenständig weiter. Das sind zwar auch die alten Zahlen aus dem Bericht von 2004 - darauf hat Herr Kollege Klug schon hingewiesen -, aber immerhin sprechen diese Zahlen für sich. Wir müssen uns darüber Gedanken machen, wie wir die Wirtschaft dazu bringen, dass sie die Potenziale der Weiterbildung erkennt und die Entwicklung nicht verschläft. Diesbezüglich, Herr Wirtschaftsund Wissenschaftsminister, ist Engagement gefragt, aber dieses Engagement erkenne ich in dieser Zusammenstellung aus sehr ehrwürdigen und gut gemeinten Programmen nicht. Es wird kein Konzept deutlich.
Es werden einige Dinge kritisch beleuchtet, so zum Beispiel die schmerzlichen Lücken, die die HartzIV-Gesetzgebung in der Weiterbildungslandschaft hinterlassen hat. Und es wird auch darauf hingewiesen - das hat bereits mein Vorredner erwähnt -, dass die Volkshochschulen den Bedarf der Weiterbildungswilligen, die Schulabschlüsse nachholen wollen, nicht befriedigen können.
Auf das Thema der Alphabetisierungskampagne möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal zu sprechen kommen. Es bedurfte der Anstrengungen der Volkshochschulen, damit die Landesregierung nicht einen ganz wichtigen Baustein der Qualifizierung zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zerstört. Ich hoffe, dass derartige Initiativen in Zukunft nicht mehr notwendig sind und dass dieses im Rahmen der Haushaltsberatungen 2009/2010 berücksichtigt wird.
In Schleswig-Holstein sind die Zuschüsse des Landes seit 20 Jahren eher rückläufig; diesbezüglich muss ich unsere eigene Regierungszeit mit in die Haftung nehmen, was ich hiermit ausdrücklich tue. Die Eigeneinnahmen der Volkshochschulen sind ständig gestiegen. Das ist zwar toll, bedeutet aber gleichzeitig weniger soziale Ermäßigungen, die wir aus wirtschafts-, sozial- und finanzpolitischem Blickwinkel als wünschenswert erachten.
Ferner müssen wir sagen, dass die Finanzierung der Volkshochschulen in Schleswig-Holstein bundesweit betrachtet am schlechtesten ist. Das ist ein Armutszeugnis. Umso mehr freue ich mich, dass unsere Volkshochschulen eine Toparbeit leisten.
Also, da wir ein Konzept für Weiterbildung brauchen - und wir brauchen eins -, müssen die Volkshochschulen mit an den Tisch. Denn die bringen das nötige Know-how mit, wie man so etwas mit
wenig Geld gut organisieren kann. Sie sind die ersten Ansprechpartner, auf die wir angewiesen sind und sie haben Kontakte sowohl zur Wirtschaft als auch zu den Schulen.
- Frau Eisenberg, Sie sagen jetzt, dass als das bereits getan wird. Ich kann Ihnen aufgrund meines Dialogs mit den Volkshochschulen sagen, dass diese sehr offensiv auf Gesprächspartner zugehen. Ich erkenne allerdings nicht, dass sie die erste Priorität im Wirtschaftsministerium haben.
Wir verzeichnen eine zweite wichtige Gruppe, die sich sehr um Weiterbildung bemüht. Das sind - generell gesagt - die Frauen quer durch alle Schichten. Wir haben das Weiterbildungsnetz „Frau und Beruf“, welches wir auch zukünftig genauso sehr wie ein Gesetz für den Bildungsurlaub brauchen; darauf hat Frau Kollegin Schümann hingewiesen. Wenn es darum geht, die strategischen Bündnisse zu knüpfen, dann brauchen wir „Frau und Beruf“ mit am Tisch, und zwar nicht am Katzentisch, sondern mittendrin. Das vergessen nämlich manchmal die Kammern und auch das Wirtschaftsministerium.
Insofern haben wir im Ausschuss noch einiges zu diskutieren. Wenn wir diesen Bericht lediglich zur Kenntnis nehmen und „Weiter so!“ sagen, dann verpassen wir eine wichtige Chance. Weiterbildung ist nämlich ein strategisches Instrument der gesamten Bildungspolitik, dem wir uns sehr viel mehr widmen müssen.
Für die Gruppe des SSW erteile ich deren Vorsitzender, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Schleswig-Holstein wie auch in der Bundesrepublik insgesamt nutzen immer noch zu wenig Beschäftigte die vorhandenen Weiterbildungsangebote. Das führt zu gravierenden Problemen.
Bei der letzten Entlassungswelle im Flensburger Danfoss-Werk zeigte sich beispielsweise, dass Defizite der letzten Jahrzehnte mittels der Beschäfti
gungsgesellschaft mühsam nachgeholt werden mussten, um die Entlassenen für den Arbeitsmarkt fit zu machen. Ansonsten wären die Industriearbeiter nicht vermittelbar gewesen.
Dabei war Danfoss bereits eine Ausnahme, gab es doch einen solide finanzierten Weiterbildungsfonds, der die Kosten für Weiterbildung getragen hätte. Dennoch hatte kaum jemand das Angebot genutzt. Denn zu groß waren die Vorbehalte. Wer sich nämlich weiterbildet, setzt sich dem Verdacht aus, den Betrieb schnellstmöglich verlassen zu wollen, was man daran erkenne, dass er noch kurz vorher die Maßnahme mitnähme. Ansonsten gelten Weiterbildungsmaßnahmen als Störfaktor im Betrieb, weil die meisten Angebote eine tage- oder wochenlange Abwesenheit erfordern.
Die von den Gewerkschaften geforderte Job-Rotation, also das Besetzen eines durch Weiterbildung freien Arbeitsplatzes durch einen Arbeitslosen, konnte sich bedauerlicherweise nicht durchsetzen. Aus diesen Gründen lehnen die meisten Personalchefs systematische Weiterbildung ab. Sie setzen lieber auf informelle Einarbeitung oder „Learning on the Job“, weil eine anerkannte Qualifikation unter Umständen eine höhere Einkommensgruppe bedeuten würde. Das belegt ein Beispiel: So suchte ein Flensburger Metallbetrieb zwar sogar über das Radio Fachkräfte, wollte denen aber nur 8 € in der Stunde bezahlen. Das geht natürlich nur bei Angelernten - wenn überhaupt.
Nun mag man über diese Auswüchse den Kopf schütteln, aber das Problem liegt nicht in der fehlenden Bereitschaft zur beruflichen Weiterbildung seitens der Beschäftigten, sondern in einem System, in dem Weiterbildung nach Marktkriterien gehandhabt wird. Wettbewerb und freie Preise entscheiden über die Angebote.
Darum muss Weiterbildung anders organisiert werden: Wenn wir Weiterbildung auf ein anderes Fundament, nämlich auf ein nicht marktorientiertes staatliches Fundament stellen würden, wäre das ein erster Schritt zu mehr Qualifikation.
Davon sind wir aber weiter denn je entfernt. Denn der bislang größte öffentliche Nachfrager nach Qualifikationsmaßnahmen, die Bundesagentur für Arbeit, erwirtschaftet lieber Milliardenüberschüsse, anstatt in die Weiterbildung der Arbeitslosen zu investieren.
Sie fährt ihr Angebot drastisch zurück, was zur Folge hat, dass viele Anbieter schließen mussten oder qualifiziertes Personal entließen. In einigen Landstrichen ist daraufhin die Weiterbildungslandschaft zusammengebrochen.
Das an sich sehr informative Weiterbildungskonzept der Landesregierung macht um die eigentliche Frage nach der besseren Organisation einen Bogen. Von daher kann ich der Kollegin Birk nur recht geben, wenn sie sagt, dass in dem Bericht vom Konzept nicht viel die Rede war. Die fraglos gut arbeitenden Weiterbildungsverbünde sind kein Ersatz für eine andere Infrastruktur. Sie bündeln zwar die Angebote und erleichtern deren Erschließung, sind aber weit überwiegend passiv. Das heißt, dass sich Interessierte an die Anbieter wenden müssen. Die erwähnten Verbünde sind nicht aktiv in dem Sinne, dass sie ihre Angebote direkt im Betrieb unterbreiten und dort auch Maßnahmen durchführen.
Natürlich schafft Weiterbildung keine Arbeitsplätze. Dennoch ist in einem rohstoffarmen Land wie unserem ein kluger Kopf eine Ressource, die Investoren durchaus locken kann. Darüber hinaus ist es eine Binsenweisheit, dass einem niemand das nehmen kann, was man einmal gelernt hat. Eine solide Wissensbasis verbessert die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb muss die Weiterbildungsinfrastruktur nachhaltig verbessert werden.
Eine letzte Bemerkung. Ich habe mich in meinem Redebeitrag auf die berufliche Weiterbildung konzentriert. Weiterbildung ist aber natürlich mehr als berufliche Qualifizierung. Für uns als Gesellschaft ist auch die allgemeine Weiterbildung und damit die Arbeit der Volkshochschulen wichtig. Die Volkshochschulen erfüllen insgesamt die Funktion eines zweiten Bildungsgangs. Der Lackmustest, wie wichtig uns diese Arbeit ist, werden natürlich die Haushaltsberatungen für 2009 und 2010 sein,
wo wir uns hoffentlich nicht wieder über das Thema Frau und Beruf streiten müssen. Der Lackmustest wird auch sein, wie es mit dem Bildungsfreistellungsgesetz weitergeht. Der SSW will dieses Gesetz erhalten. Das sage ich jetzt schon.
Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Johannes Callsen das Wort.
Frau Kollegin Spoorendonk, ich bin schon ein wenig erstaunt über Ihr in Ansätzen krudes Verständnis von Weiterbildung, wie sie Unternehmen betreiben. Ich habe andere Erfahrungen gemacht. Nach meiner Erfahrung wissen sehr viele Unternehmen sehr wohl, dass die Qualifikation und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter nicht nur für die Mitarbeiter ein Faktor ist, sondern natürlich auch für das Unternehmen und seine Wettbewerbsposition.
Hier so zu tun, als ob die Wirtschaft an der Weiterbildung ihrer Mitarbeiter überhaupt kein Interesse hat, halte ich für verantwortungslos.
Ein zweiter Punkt: Sie haben es so dargestellt, als sei Weiterbildung kein Markt. Weiterbildung ist natürlich ein Markt. Wenn wir Weiterbildung als Planwirtschaft verstehen, bilden wir Menschen am Bedarf der Wirtschaft vorbei aus.
Insofern richtet sich Weiterbildung immer auch an dem aus, was die Wirtschaft braucht und was Angebot und Nachfrage letztlich regeln.